Von der Oma den Pflichtteil verlangt?

"Pflichtteilsstrafklausel": Die Sanktion greift nicht, wenn die Enkelin nur Auskunft übers Erbe forderte

onlineurteile.de - Eheleute hatten 2007 ein gemeinschaftliches Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Ihre vier Kinder (ersatzweise die Enkel) wurden zu gleichen Teilen als Schlusserben bestimmt, d.h. als Erben nach dem Tod beider Elternteile. Das Testament enthielt eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel: "Sollte eines unserer Kinder nach dem Tode des Erstverstorbenen den Pflichtteil fordern, so erhält es beim Tode des Letztverstorbenen ebenfalls nur den Pflichtteil".

Ein Sohn des Ehepaars, der zwei Kinder hinterließ, war 2015 gestorben. 2018 starb der Vater. Nun forderte die Enkelin (= Schlusserbin) von der Großmutter (= Erbin) Auskunft über den Nachlass. Das von der Erbin übergebene Nachlassverzeichnis kritisierte die Enkelin als unzureichend und verlangte ein Gutachten zum Wert des Einfamilienhauses. Den ihr zustehenden Pflichtteil forderte die Enkelin aber nicht.

Als die Großmutter 2020 starb, beantragte eine Tochter beim Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein für sich und zwei Geschwister. Die Enkelin war ihrer Ansicht nach von der Erbfolge ausgeschlossen: Sie habe gemäß Pflichtteilsstrafklausel ihren Erbanteil verwirkt. Als Ersatzerbe sei nur der Bruder — Enkel der Erblasserin — mit zu berücksichtigen. Gegen den Ausschluss wehrte sich die Enkelin: Sie habe doch nicht ihren Pflichtteil gefordert, nur Auskunft verlangt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt gab ihr Recht (21 W 182/21). Eine Pflichtteilsstrafklausel solle dem überlebenden Ehepartner den Nachlass ungeschmälert erhalten und belastenden Streit mit den Pflichtteilsberechtigten um den Nachlass ersparen. Die Sanktion — Verlust des Erbteils, Reduzierung auf den Pflichtteil — gelte aber nur, wenn ein Pflichtteilsberechtigter ernsthaft vom überlebenden Ehepartner den Pflichtteil verlange.

Allein die Forderung nach Auskunft löse die Sanktion nicht aus. Die Forderung sei berechtigt, denn der/die Pflichtteilsberechtigte könne ohne Auskunft über den Umfang des Nachlasses nicht vernünftig entscheiden, ob es besser sei, den Erbanspruch zu bewahren oder den Pflichtteil in Anspruch zu nehmen.

Zwar habe die Enkelin mit ihrem Verlangen nach Korrektur des Nachlassverzeichnisses ihr Interesse sehr beharrlich verfolgt. Vermutlich habe das die Großmutter sogar gekränkt. Trotzdem: Damit habe die Enkelin nicht die Auszahlung des Pflichtteils gefordert, verliere also auch nicht ihren Anteil am Erbe.

Wenn ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament errichte, stehe es ihm frei, schon das Verlangen eines Schlusserben nach Auskunft über den Umfang des Nachlasses zu sanktionieren. Dann müssten die Eheleute allerdings die Pflichtteilsstrafklausel im Testament anders formulieren, d.h. weiter fassen.