Krankheitsbedingte Kündigung
onlineurteile.de - Ein schwerbehinderter Produktionshelfer war häufig und lange arbeitsunfähig. 2017 war er an 40 Tagen krankgeschrieben, 2018 an 61 Tagen und 2019 sogar an 103 Tagen. Dabei hatte im März 2019 ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) stattgefunden — jedenfalls längere Gespräche mit dem Abteilungsleiter über die Gründe.
Ziel so einer Maßnahme ist laut Bundesverwaltungsgericht die "Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern." Arbeitgeber sind gemäß Sozialgesetzbuch verpflichtet, ein bEM durchzuführen, wenn ein Arbeitnehmer in den zurückliegenden zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war. Ein Betriebsarzt oder z.B. Fachleute für Arbeitsschutz können das bEM unterstützen.
Im konkreten Fall verbesserte die bEM im März 2019 die Situation nicht: Danach fehlte der Mann weitere 79 Tage. Aus diesem Grund kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis "krankheitsbedingt" im Februar 2020. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hatte in allen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht Erfolg (2 AZR 138/21).
Vor einer Kündigung hätte die Arbeitgeberin dem Mann nochmals ein bEM anbieten müssen, erklärten die Bundesrichter. Dazu seien Arbeitgeber verpflichtet, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres erneut länger als sechs Wochen — durchgängig oder wiederholt — arbeitsunfähig erkrankt sei. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass mit Hilfe eines weiteren bEM Mittel gefunden werden könnten, um eine Kündigung zu vermeiden: andere Arbeitszeiten, Veränderungen am Arbeitsplatz, eine Therapie etc.
Sollte das nicht möglich sein, müssten Arbeitgeber dies nachweisen. Andernfalls sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam. Im konkreten Fall hätte die Arbeitgeberin 2019 ein weiteres Mal die Initiative für ein bEM ergreifen müssen: um zu klären, welche Gesundheitsprobleme die hohen Ausfallzeiten verursachten und wie man sie überwinden könnte.