Dienstunfall in der Freizeit
onlineurteile.de - Als seine Lebensgefährtin von einigen Männern verbal angegriffen und beleidigt wurde, eilte ihr der Polizeibeamte M zu Hilfe. In der Freizeit ohne Uniform unterwegs, gab sich M als Polizist zu erkennen, als der Konflikt zu eskalieren drohte. Das beruhigte allerdings die Lage nicht, im Gegenteil. Einer der Männer fuhr M mit seinem Auto an und verletzte ihn am Bein. Anschließend versetzte er dem Polizisten einen Fausthieb gegen den Kopf.
M verlor kurz das Bewusstsein. Auf der Stelle alarmierte seine Lebensgefährtin mit dem Handy die Polizei, die einen Streifenwagen schickte. Die Polizisten beendeten die Auseinandersetzung und stellten die Personalien der Angreifer fest. Der Schläger wurde später wegen Körperverletzung verurteilt. Der Beamte M beantragte beim Land Rheinland-Pfalz, dem Dienstherrn, seine Verletzungen als Folge eines Dienstunfalls anzuerkennen.
Der Dienstherr lehnte dies jedoch ab: Der Streit habe sich im Privaten abgespielt. Gefahr in Verzug — d.h. eine Lage, in ein Polizist sofort einschreiten müsse — habe nicht bestanden. Wegen der Beleidigungen hätte der Beamte M die zuständige Polizeidienststelle verständigen oder selbst den Konflikt entschärfen können. Von einem Unfall im Dienst könne jedenfalls nicht die Rede sein.
Das sah M natürlich anders: Er habe sich eingemischt, weil das Aggressionspotenzial unkalkulierbar gewesen sei. Zumindest der Mann, der ihn geschlagen habe, sei äußerst bedrohlich aufgetreten. Um weitere Straftaten zu verhindern, habe er nicht auf eine Polizeistreife gewartet, sondern gesagt, dass er Polizist sei. Damit habe er sich quasi "als Polizeibeamter selbst in den Dienst versetzt".
Und zwar zu Recht, entschied das Verwaltungsgericht Neustadt (1 K 354/20 NW). Herr M sei aus objektiv triftigen Gründen eingeschritten. Es habe sich um eine aggressive, aufgeheizte Konfliktsituation gehandelt, deren Ausgang für den Beamten nicht absehbar gewesen sei. Schließlich gehöre die Gefahrenabwehr zu den Kernaufgaben der Polizei. Beleidigungen zu ahnden, gehöre ebenfalls dazu.
Das private Motiv des Polizisten, seine Lebensgefährtin zu unterstützen, ändere nichts daran, dass er auch dienstlich dazu verpflichtet gewesen sei, den Konflikt zu beruhigen. Auf diesen Effekt habe er gesetzt, als er sich als Polizeibeamter zu erkennen gab. Daher ständen M Leistungen für die im Dienst erlittenen Verletzungen zu, auch wenn er bei diesem Streit in der Freizeit keine Uniform getragen habe.