Versicherung

Wasserschaden in leerstehendem Wohnhaus

Gebäudeversicherung kann ihre Leistung kürzen, wenn der Hauseigentümer bei Frost die nötigen Maßnahmen unterlässt

Die letzten Mieter waren schon im Sommer 2012 ausgezogen. Von ein paar Möbeln abgesehen, stand danach das Wohnhaus leer. Nur sehr sporadisch schauten der Eigentümer und seine Lebensgefährtin nach dem Rechten. Auch im Januar 2017, als zwei Wochen lang strenger Frost herrschte, kamen sie nur zwei Mal vorbei. Das Wasser hatte der Mann nicht abgestellt. Als Ende Januar die Heizung schlapp machte, kam es zu einem Wasserschaden. Eine Armatur im Badezimmer war eingefroren, eine Leitung geplatzt.

Nun sollte die Gebäudeversicherung einspringen. Doch das Unternehmen erklärte, es werde nur ein Viertel der Renovierungskosten übernehmen: Hätte der Versicherungsnehmer nicht grob fahrlässig gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen, wäre kein Wasser ausgetreten. Nach den Versicherungsbedingungen müssten nicht genutzte Gebäude häufig kontrolliert und darüber hinaus die Wasserleitungen entleert werden.

So sah es auch das Oberlandesgericht Koblenz: Es wies die Zahlungsklage des Hauseigentümers gegen die Versicherung ab (10 U 2170/19). Zutreffend habe schon das Landgericht festgestellt, dass die unregelmäßigen Stippvisiten im Haus nicht genügten. Bei Dauerfrost müsse man leerstehende Gebäude zwei Mal die Woche kontrollieren. Doch dass der Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründet sei, stehe auch unabhängig davon fest: Häufige Kontrollen allein reichten nämlich ohnehin nicht aus.

In ungenutzten Gebäuden müsse das Wasser abgestellt und müssten die Wasserleitungen vollständig geleert werden. Das habe der Versicherungsnehmer versäumt, obwohl eine lange Frostperiode herrschte und er das Haus nicht regelmäßig kontrollierte. So werde ein Leitungswasserschaden regelrecht herausgefordert. Dass die Gebäudeversicherung ihre Leistung um 75 Prozent gekürzt habe, sei angesichts dieses Leichtsinns durchaus angemessen.

Dass der Versicherungsnehmer die einschlägigen Vorschriften angeblich nicht kannte, entlaste ihn nicht: Grundlegende Sicherheitsvorschriften könne man als allgemein bekannt voraussetzen. Angesichts des langen Leerstands sei es für den Eigentümer zumutbar gewesen, sich über seine Pflichten als Versicherungsnehmer zu informieren. Ein Blick in die durchaus gut verständlichen Versicherungsbedingungen hätte dazu ausgereicht.

"Fiktive" Schadensabrechnung

Unfallgeschädigte müssen dabei in der Regel keine Reparaturrechnung vorlegen

Fiktive Schadensabrechnung bedeutet: Der/die Unfallgeschädigte verlangt von der Kfz-Versicherung des Unfallverursachers die Kosten für die Reparatur des Unfallschadens, ohne ihn tatsächlich reparieren zu lassen. Bei der Kfz-Versicherung reicht er/sie den Kostenvoranschlag einer Werkstatt oder das Gutachten eines Kfz-Sachverständigen ein und die Versicherung erstattet die geschätzten Netto-Reparaturkosten. Netto, weil die Werkstatt ja nicht wirklich repariert und daher keine Mehrwertsteuer anfällt.

Man kann den Wagen aber auch günstig, z.B. privat, reparieren lassen. So ging ein Düsseldorfer Autofahrer nach einem Verkehrsunfall vor. Denn sein Auto war schon älter, eine aufwendige Reparatur lohnte sich seiner Ansicht nach nicht mehr. Überraschend bestand die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers hier darauf, dass der Unfallgeschädigte die Reparaturrechnung vorlegen müsse.

Dazu sei er nicht verpflichtet, stellte das Amtsgericht Düsseldorf klar (30 C 570/17). Der Unfallgeschädigte habe den Unfallschaden nicht fachgerecht ausbessern, sondern das Auto nur "in einen verkehrssicheren Zustand" versetzen lassen. Und er sei nach der "Not-Reparatur" mit dem Auto über ein halbes Jahr lang gefahren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnten Unfallgeschädigte in so einem Fall fiktiv abrechnen.

Eine Rechnung sei dafür nicht notwendig. Bei fiktiver Schadensabrechnung müssten Unfallgeschädigte nur ausnahmsweise eine Rechnung vorlegen. Und zwar dann, wenn sie von der Kfz-Versicherung — zusätzlich zu den geschätzten Netto-Reparaturkosten — auch Schadenersatz für die Mehrwertsteuer auf die Reparaturkosten verlangten. Das treffe hier aber nicht zu.

Krankenschein ade

Gesetzlich Krankenversicherte müssen die elektronische Gesundheitskarte verwenden

Lange hat es gedauert, nun ist die elektronische Gesundheitskarte (eGK) da. Viele Versicherte begegnen dieser Neuerung allerdings mit Misstrauen. Zwei gesetzlich Krankenversicherte klagten sogar, um sie nicht benutzen zu müssen. Begründung: Die Karten selbst und die damit verknüpfte Technik zeigten massive Sicherheitsmängel. Sensible Gesundheitsdaten würden unzureichend gegen den Zugriff Unbefugter geschützt, so ihr Einwand. Die zwei Kläger wollten weiterhin einen Krankenschein verwenden.

Die eGK enthält ein Foto des/der Versicherten und einen Chip, auf dem Daten gespeichert sind (Name, Anschrift, Geschlecht, Krankenversicherungsnummer etc.). Bei Besuchen in einer Arztpraxis können die Daten online mit den Daten der Krankenkasse abgeglichen, eventuell aktualisiert werden. Mit der eGK als "Schlüssel" können sich Versicherte auch identifizieren, um ihre elektronische Patientenakte einzusehen.

Das Bundessozialgericht wies die Klagen gegen die eGK ab (B 1 KR 7/20 R; B 1 KR 15/20 R). Gesetzlich Versicherte könnten von ihren Krankenkassen keinen Krankenschein mehr verlangen. Künftig müssten sie in Arztpraxen und Kliniken mit der eGK nachweisen, dass sie berechtigt seien, Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Der Gesetzgeber wolle mit dieser Verpflichtung den Missbrauch von Sozialleistungen verhindern und Ärzten die Abrechnung von Leistungen erleichtern. Beides seien legitime Ziele.

Zudem entspreche die Gestaltung der eGK der Europäischen Datenschutzgrundverordnung. Die Verarbeitung personenbezogener Daten werde auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt, Datensicherheit sei gewährleistet. Dass der Einsatz der eGK zwingend vorgeschrieben werde, sei daher kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Patientenrechte. Und einige Anwendungsmöglichkeiten, wie z.B. das Anlegen einer elektronischen Patientenakte, blieben ohnehin freiwillig.

Unfallgeschädigter Ferrari-Fahrer mietet Lamborghini

Kfz-Versicherung muss außergewöhnlich hohe Mietkosten nicht voll ersetzen

Nach einem Verkehrsunfall musste der lädierte Ferrari des Autofahrers X für elf Tage in die Werkstatt. Um sich über diesen schmerzlichen Verlust hinwegzutrösten, mietete der Unfallgeschädigte einen Lamborghini. Für die Mietkosten von 5.600 Euro verlangte Herr X Schadenersatz von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers.

Das Unternehmen fand es unverschämt, einen Wagen für mehr als 500 Euro pro Tag zu mieten. Der Unfallgeschädigte hätte sich auch mit einem Porsche Carrera oder einem 8-er BMW begnügen können — diese Sportwagen wären für ca. 90 bis 230 Euro pro Tag zu haben. Die Versicherung erstattete für den Posten Mietwagen nur 1.600 Euro.

Herr X pochte auf sein Recht auf Luxus und verlangte vollen Kostenersatz, allerdings ohne Erfolg. Es sei zumutbar, elf Tage auf einen "typengleichen, hochpreisigen Sportwagen zu verzichten", fand das Oberlandesgericht (OLG) Celle (14 U 93/20). Während der Reparatur des eigenen Autos dürften Unfallgeschädigte zwar grundsätzlich einen vergleichbaren Wagentyp als Ersatz anmieten.

Das gelte aber nicht uneingeschränkt, betonte das OLG. Wenn vergleichbare Fahrzeuge nur zu horrenden Mietpreisen angeboten würden, müsse der Unfallgeschädigte eben vorübergehend mit einem etwas weniger komfortablen Wagen fahren. Es sei jedenfalls unangemessen, um des Prestiges willen auf Kosten des Schädigers einen außergewöhnlich teuren Luxuswagen zu mieten.

So sehr ein Ferrari-Fahrer wohl die allgemeine Bewunderung für exklusive Sportwagen und deren besondere Fahreigenschaften genieße: Für einige Tage seien diese Vorzüge auch mal entbehrlich. Auch mit einem sportlichen BMW, Audi, Mercedes oder Porsche wäre Herr X auf "technisch hohem Niveau" und mit "beträchtlicher Reputation" unterwegs gewesen.

Sturmschaden am Hausdach?

Einer Hauseigentümerin gelingt es nicht, den Versicherungsfall "Sturmschaden" zu beweisen

Eine Hauseigentümerin meldete ihrer Gebäudeversicherung einen Sturmschaden am Hausdach: Die Verkleidungen dreier Kamine hätten sich bei einem Sturm gelöst. Laut Kostenvoranschlag der Dachdeckerfirma werde die Sanierung ca. 5.000 Euro kosten.

Die Versicherung schickte einen Dachdeckermeister zur Versicherungsnehmerin, um den Schaden zu untersuchen. Der Sachverständige verneinte einen Sturmschaden. Die Kaminplatten hätten auf der Unterkonstruktion nicht mehr gehalten, weil diese aus stark angefaulten Spanplatten bestehe — und das eindeutig schon seit langer Zeit.

Obwohl die Hauseigentümerin ein Gegengutachten vorlegte, weigerte sich das Versicherungsunternehmen, den Schaden zu regulieren: Nach den Wetterdaten habe in der Region kein Sturm der Windstärke 8 getobt, was die Bedingung für den Versicherungsfall wäre. Selbst wenn zufällig eine einzelne Bö dieser Stärke das Haus gestreift haben sollte: Angesichts der Vorschäden wären die Kaminverkleidungen auch bei deutlich geringerer Windstärke heruntergefallen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken wies die Zahlungsklage der Versicherungsnehmerin ab (5 U 61/19). Nach Auswertung der Messdaten mehrerer Wetterstationen sei offen, ob zum behaupteten Zeitpunkt am Versicherungsort ein Sturm mit Windstärke 8 herrschte, stellte das OLG fest. Weil aber dieser Nachweis oft schwierig sei, sähen die Versicherungsbedingungen zu Gunsten der Versicherungsnehmer alternative Beweismöglichkeiten für einen Sturmschaden vor.

Der Versicherungsfall Sturmschaden werde auch dann unterstellt, wenn starke Winde in der Umgebung des versicherten Grundstücks auch Schäden an anderen Gebäuden in einwandfreiem Zustand oder an ebenso widerstandsfähigen Sachen angerichtet haben. Oder dann, wenn das versicherte Gebäude in so einwandfreiem Zustand war, dass der geltend gemachte Schaden nur durch Sturm entstanden sein könne. Auch diese erleichterte Beweisführung für das Vorliegen eines Sturms sei hier aber nicht gelungen.

Schäden in der Umgebung habe nicht einmal die Hauseigentümerin selbst behauptet. Und die zweite Erklärung scheide aufgrund der Gutachten aus. Denn das Hausdach sei alles andere als "einwandfrei" gewesen.

Auch der gerichtliche Sachverständige habe bestätigt, dass sich die Kaminplatten nur lösten, weil die Unterkonstruktion aus einfach aufgedübelten Spanplatten "völlig marode" gewesen sei. Wegen falsch konstruierter Kaminabdeckungen sei seit Jahrzehnten ständig Regenwasser hineingelaufen — ein "für Kamine aus dieser Zeit ganz typisches Schadensbild". Der Schaden am Hausdach könnte daher schon "bei einem relativ lauen Lüftchen entstanden" sein.

Reisestorno: Krank durch Ehekrise

Die Reiserücktrittsversicherung muss Stornokosten nur erstatten, wenn der Krankheitsverlauf genau dargestellt wird

Im November 2017 buchte ein Mann bei einem Reiseveranstalter einen Urlaub auf Mallorca für sich und seine Frau im August 2018. Doch das Eheglück scheint sich in den folgenden Monaten verflüchtigt zu haben. Der Mann stornierte nämlich den Urlaub drei Tage vor Reisebeginn mit der Begründung, er sei psychisch am Boden zerstört. Seine Frau lasse sich scheiden und habe ihn von der Polizei aus der Wohnung werfen lassen.

Wegen der extrem kurzfristigen Absage berechnete der Reiseveranstalter dem unglücklichen Kunden Stornokosten von 75 Prozent des Reisepreises. Da sich die Reiserücktrittskostenversicherung weigerte, die Kosten zu erstatten, klagte der Mann auf Zahlung: Er sei "völlig fertig" gewesen und habe die Reise aufgrund seines psychischen Zustands — posttraumatische Belastungsstörung — unmöglich antreten können.

Doch diese "Diagnose" war dem Amtsgericht Hamburg zu unpräzise (923 C 134/19). Die Reiserücktrittsversicherung müsse Stornokosten ersetzen, wenn der Versicherte wegen einer unerwarteten, schweren Erkrankung eine Reise stornieren müsse. Damit das Gericht den Anspruch eines Versicherten beurteilen könne, müsse er oder sie allerdings den Krankheitsverlauf genau schildern.

Und das bedeute: Versicherte müssten angeben, welche konkreten Symptome wann vorlagen und wie intensiv. Wenn der Kläger nur pauschal behaupte, er sei fix und fertig gewesen, könne das Gericht nicht einschätzen, ob es für ihn objektiv unzumutbar gewesen sei, die Reise anzutreten. Nur dann müsse die Versicherung einspringen.

Nutzungsausfallentschädigung für demoliertes Auto

Ist ein Auto bereits vor dem Unfall nicht verkehrssicher, hat der Unfallgeschädigte darauf keinen Anspruch

Nach einem Zusammenstoß verlangte der Unfallgeschädigte P von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers mehr Schadenersatz, als ihm das Amtsgericht zugebilligt hatte. Dabei ging es insbesondere um Nutzungsausfallentschädigung für das alte Auto (2.405 Euro). Das Amtsgericht hatte P’s Forderung abgelehnt, weil das Auto bereits Tage vor dem strittigen Zusammenstoß bei einem anderen Verkehrsunfall beschädigt worden war.

Auch die Berufungsinstanz, das Landgericht Nürnberg-Fürth, entschied, dass Herrn P keine Nutzungsausfallentschädigung zustand (2 S 1503/20). Grundsätzlich sei es so: Könne ein Autofahrer das benötigte Fahrzeug aufgrund eines Unfallschadens vorübergehend nicht benützen, stelle das einen Schaden dar, den die gegnerische Versicherung ersetzen müsse.

Dazu sei sie jedoch nicht verpflichtet, wenn der Unfallgeschädigte das Auto ohnehin nicht benutzen könne oder dürfe — aus Gründen, die nichts mit dem Unfall zu tun hätten. Andernfalls würde der Geschädigte am Unfall sogar verdienen, erklärte das Landgericht: Das sei nicht der Sinn der Sache. So wäre es auch im konkreten Fall.

Schon nach dem ersten Unfall sei nämlich das Auto von P — laut Gutachten zweier Kfz-Sachverständiger — nicht mehr verkehrssicher gewesen. "Mit diesem Vorschaden" wäre es sicher nicht "durch den TÜV gekommen", so das Fazit der Experten. Dass es in diesem Zustand noch verkehrssicher gewesen sein könnte, sei daher eher fernliegend. Zumindest sei dies unklar, was zu Lasten des Unfallgeschädigten gehe.

Wenn Herr P mit seinem Auto schon vor dem zweiten Unfall nicht mehr hätte fahren dürfen, könne von einem Vermögensschaden durch den Nutzungsausfall nicht die Rede sein. Dass P das Auto nach dem ersten Unfall trotzdem weiterhin benützt habe, ändere daran nichts. Nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sei es jedenfalls nicht mehr zulassungsfähig gewesen. Herr P hätte damit nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen dürfen.

Der gegnerischen Kfz-Versicherung Vorschäden verschwiegen

Verliert der Unfallgeschädigte dadurch seinen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten?

2015 hatte sein Audi einen Hagelschaden erlitten, den Autobesitzer S nicht reparieren ließ. Seit einem Unfall war der Heckstoßfänger des Fahrzeugs in der Mitte eingedrückt, einige Lackschäden kamen dazu. Als im Februar 2016 Autofahrer X rückwärts gegen den geparkten Audi stieß, wurde er hinten links erneut beschädigt. Das betrachtete S wohl als gute Gelegenheit.

Sein Kfz-Sachverständiger schätzte die Reparaturkosten auf 1.634 Euro. Als Herr S bei der Kfz-Versicherung des Unfallverursachers die Schadensmeldung einreichte, verschwieg er die Vorschäden. Doch die Versicherung schickte ihren eigenen Kfz-Experten, um den Unfallschaden zu überprüfen. Beim Ortstermin räumte S sofort ein, dass einige Schäden schon vor dem Unfall vorhanden waren.

Der Versicherungsexperte ermittelte einen Schaden von 961 Euro: Reparaturkosten abzüglich der Kosten, die auf die Vorschäden entfielen. Die Kfz-Versicherung zahlte die Summe, verlangte sie jedoch später wieder zurück. Ihre Begründung: Da der Unfallgeschädigte versucht habe zu betrügen, stelle es sich als unzulässige Rechtsausübung dar, Schadenersatz geltend zu machen.

Das Landgericht Hagen wies die Klage der Versicherung auf Rückzahlung ab (7 S 19/20). Verschweige ein Versicherungsnehmer seiner eigenen Versicherung Vorschäden, verletze er das besondere Vertrauensverhältnis zum Vertragspartner: Die Kfz-Versicherung müsse bei so einem Fehlverhalten nicht mehr leisten. Doch zur gegnerischen Haftpflichtversicherung stehe der Unfallgeschädigte in keinem besonderen Vertrauensverhältnis.

Dazu komme: Durch das Gutachten ihres Kfz-Experten habe die Versicherung bereits vor der Regulierung gewusst, dass S Vorschäden verschwiegen habe. Sie habe die Forderung dennoch für berechtigt gehalten und den Unfallschaden ersetzt. Die vorgerichtliche Schadensregulierung habe sich ausschließlich auf den Schaden bezogen, der tatsächlich durch den Unfall im Februar 2016 entstanden war. Der Unfallgeschädigte habe daher Anspruch auf Ersatz in dieser Höhe — der Schaden sei nicht erschwindelt.

Ein Unfall führt zum nächsten

Zur Haftungsquote bei einem "Zweitunfall" mit unbeleuchtetem Fahrzeug auf der Kreuzung

An einem Novemberabend hatte Autofahrer A auf einer Kreuzung einen Verkehrsunfall verursacht: Beim Linksabbiegen hatte er ein entgegenkommendes Auto übersehen und war mit dem Geradeausfahrer H zusammengestoßen. Während das Auto von H am Straßenrand, teilweise auf dem Grünstreifen zum Stehen kam, blieb der Wagen von A mitten in der Kreuzung, quer zur Fahrbahn liegen. Autofahrer A stieg aus und wandte sich H zu, ohne die Warnblinkanlage einzuschalten.

Kurz darauf krachte in der Dunkelheit das Auto von Fahrer B gegen A’s Wagen. B verletzte sich beim Aufprall, beide Fahrzeuge wurden erheblich beschädigt. Das Unfallgutachten eines Verkehrsexperten ergab, dass B zu schnell in die Kreuzung eingefahren war — mit ca. 90 km/h statt der erlaubten Geschwindigkeit von 70 km/h. Dennoch forderte Fahrer B von A Schadenersatz und Schmerzensgeld, weil dieser nach dem Erstunfall seinen Wagen nicht abgesichert hatte.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung von A müsse wegen des erheblichen Mitverschuldens von B nur zwei Drittel der Schäden ersetzen, entschied das Oberlandesgericht Celle (14 U 37/20). Doch letztlich überwiege der Beitrag von A zum Unfall. Indem er die Vorfahrt des H missachtete, habe er schuldhaft die erste Kollision verursacht und so das weitere Geschehen überhaupt erst in Gang gesetzt. Außerdem habe A anschließend die Warnblinkanlage nicht eingeschaltet, obwohl sein Wagen in der Mitte der Kreuzung liegen blieb — in einer äußerst gefährlichen Situation also.

B hätte angesichts der Situation auf der Kreuzung seine Geschwindigkeit deutlich reduzieren müssen. Selbst wenn er das unbeleuchtete Fahrzeug im Dunkeln auf der Kreuzung zu spät gesehen habe: Das Auto von H am Straßenrand sei bei eingeschaltetem Warnblinklicht weithin sichtbar gewesen. Angesichts dieses Signals hätte sich B der Kreuzung aufmerksam, langsam und bremsbereit nähern müssen. Bei Dunkelheit dürften Autofahrer ohnehin nur so schnell fahren, dass sie innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten könnten.

Diebstahl oder Versicherungsbetrug?

Der Versicherungsnehmer kann nicht alle Orginalschlüssel des geklauten Autos vorlegen

Ein Versicherungsnehmer meldete der Kaskoversicherung den Diebstahl seines Wagens. Die Versicherung ersetzte den Verlust jedoch nicht, weil der Autofahrer nicht alle Originalschlüssel vorlegen konnte: Man könne in so einem Fall nicht ausschließen, dass es sich nur um einen vorgetäuschten Diebstahl handle. Der Versicherungsnehmer könnte einen Schlüssel an einen Dritten weitergegeben haben, der den Wagen dann "stehlen" sollte.

Dieser Verdacht sei nicht berechtigt, entschied der Bundesgerichtshof (IV ZR 279/94). Kaum jemand wisse über Jahre hinweg genau, was er mit den Originalschlüsseln seines Fahrzeugs gemacht habe. Schlüssel könne man verlieren oder vorlegen. Denkbar sei auch, dass der Täter einen der Schlüssel vor dem Diebstahl unbemerkt entwendet habe.

Allein der Verlust eines Schlüssels beweise nicht, dass ihn der Versicherungsnehmer einem "Auftragsdieb" ausgehändigt habe. Versicherungsnehmer rechneten außerdem beim Abschluss des Versicherungsvertrags nicht damit, dass sie, um den Versicherungsschutz zu erhalten, sämtliche Schlüssel besonders sorgfältig aufbewahren müssten.

Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn weitere Anhaltspunkte vorlägen, aus denen man auf einen vorgetäuschten Diebstahl schließen könnte. Dann könne der Verlust eines Originalschlüssels als zusätzliches Indiz durchaus eine Rolle spielen.

Versicherungsfall zu spät gemeldet?

Pflegetagegeld: Im Fall einer unverschuldet verspäteten Anzeige muss die Versicherung rückwirkend zahlen

Eine ältere Frau mit verschiedenen Vorerkrankungen hatte bei einem Versicherungsunternehmen eine Pflegetagegeldversicherung abgeschlossen. Sie galt für den Fall der "Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III)". Im Sommer 2012 erlitt die Frau einen Schlaganfall. Danach war sie halbseitig gelähmt, konnte nicht mehr sprechen und sich an fast nichts mehr erinnern. Der Medizinische Dienst der Krankenkasse stufte die Pflegebedürftige im April 2013 in Pflegestufe III ein.

Darum hatte sich ihr Ehemann gekümmert, der eine Vorsorgevollmacht für die Ehefrau besaß. Doch über den Versicherungsvertrag wusste er nicht Bescheid. Erst viel später sichtete der Mann die Versicherungsunterlagen und meldete den Versicherungsfall: Im Februar 2015 beantragte er Pflegetagegeld — rückwirkend ab April 2013: Im Falle einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalles würden Leistungen auch rückwirkend erbracht, hieß es in den Versicherungsbedingungen.

Dennoch wies das Unternehmen den Antrag ab: Der Versicherungsfall sei mit fast zwei Jahren Verspätung angezeigt worden, die Verzögerung sei keineswegs unverschuldet. Als Inhaber der Vorsorgevollmacht hätte der Ehemann die Versicherungsverträge seiner Frau kennen müssen, teilte die Versicherung mit. Dem widersprach das Oberlandesgericht Frankfurt (7 U 36/19). In diesem Fall hätte das Unternehmen die rückwirkende Leistung nicht verweigern dürfen.

Die (mittlerweile verstorbene) Versicherungsnehmerin sei nach dem Schlaganfall außerstande gewesen, den Versicherungsfall selbst anzuzeigen oder den Ehemann über die Pflegetagegeldversicherung zu informieren. Man könne ihr auch nicht vorwerfen, dass sie wenig vorausschauend handelte und ihren Mann nicht schon vor dem Schlaganfall über den Versicherungsvertrag unterrichtete. So eine Art von "Vorsorgepflicht" existiere im Versicherungsrecht nicht.

Auch der bevollmächtigte Mann habe es nicht schuldhaft versäumt, die Pflegebedürftigkeit seiner Frau anzuzeigen. Er habe den Versicherungsvertrag nicht gekannt, nur die monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge zur Kenntnis genommen. Deren Höhe von 20 Euro lasse nicht zwingend auf eine Pflegetagegeldversicherung schließen. Auch der Buchungstext auf den Kontoauszügen weise nicht auf die Art der Versicherung hin. Die verspätete Anzeige des Versicherungsfalls sei daher unverschuldet erfolgt.

Rückwärts aus der Parklücke

Ereignet sich beim rückwärts Ausparken ein Unfall, haftet der Ausparkende in der Regel zu 100 Prozent

Vor einem Kaffeehaus hatte Autofahrerin A ihren Toyota auf einem Schrägparkplatz abgestellt. Nach dem Einkauf rollte sie rückwärts aus der Parklücke heraus auf die Straße. Dort stieß der Toyota mit dem Ford Fiesta der Frau B zusammen. Frau B hatte zuvor an einem Fußgängerüberweg kurz angehalten und war dann wieder angefahren. Frau A verlangte von Frau B Schadenersatz für die Reparatur des Toyota (8.145 Euro).

Sie müsse für den Schaden selbst aufkommen, erklärte ihr das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken (4 U 6/20). Wer rückwärts ausparke, müsse jede Gefährdung für den "fließenden Verkehr" ausschließen, so das OLG. Das bedeute: Der Autofahrer müsse ganz vorsichtig aus dem Parkplatz hinausrollen und ständig nach hinten schauen, um festzustellen, ob sich ein Fahrzeug nähert.

Komme es zu einer Kollision mit einem Auto auf der Straße, das Vorfahrt habe, spreche der äußere Anschein für ein alleiniges Verschulden des rückwärts Ausparkenden. Davon sei in der Regel schon dann auszugehen, wenn sich der Unfall "in engem Zusammenhang" mit dem Ausparken ereigne.

Diese Annahme könne der Ausparkende nur widerlegen, wenn er nachweislich vor dem Unfall schon so lange auf der Fahrbahn stand, dass sich der "fließende Verkehr" auf ihn einstellen konnte und musste.

Autofahrerin A habe behauptet, ihr Toyota sei schräg auf der Fahrbahn gestanden und sei als Hindernis deutlich sichtbar, also keine Gefahr für den "fließenden Verkehr" gewesen. Das beweise aber keineswegs, dass Frau B Zeit genug hatte, ihren Ford anzuhalten. Laut Unfallgutachten sei es offen, wie lange sich der Toyota vor der Kollision halb auf der Straße befand und ob er vor der Kollision überhaupt stand oder weiter rückwärts rollte.

Ob sich Frau B auf das Hindernis hätte einstellen können oder nicht, sei deshalb nicht mehr festzustellen. Den entlastenden Nachweis, dass sie dafür lange genug auf der Fahrbahn stand, habe Frau A also nicht geführt. Sie müsse die Reparatur selbst zahlen.

Brand zerstörte die Ernte

Die Versicherung kürzt ihre Leistungen, weil der Landwirt seine Heuballen nicht richtig kontrolliert hatte

In der Lagerhalle eines landwirtschaftlichen Betriebs hatten sich im Sommer 2014 Heuballen entzündet. Bei dem Brand wurde die gesamte Ernte zerstört, der Schaden belief sich auf rund 445.000 Euro. Die Landwirtschaftsbetriebs-Versicherung des Landwirts ersetzte nur 355.000 Euro. Sie begründete dies damit, dass der Versicherungsnehmer das Heu nicht richtig eingelagert und kontrolliert habe. Vergeblich forderte der Landwirt den restlichen Betrag.

Das Landgericht Braunschweig wies seine Klage ab und das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig billigte die Kürzung der Versicherungsleistungen um 20 Prozent ebenfalls (11 U 68/19). Warum stete Kontrolle wichtig sei, habe der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt: Bei falscher Lagerung könne sich Heu leicht selbst entzünden. Ein bestimmter Feuchtigkeitsgehalt im Erntegut begünstige Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien. Sei das Heu gleichzeitig stark verdichtet oder gepresst, gerate es schnell in Brand.

Daher müsse man nach der Einlagerung von Heu regelmäßig die Temperatur messen. Nach den Versicherungsbedingungen müsse der Versicherungsnehmer das getrocknete Erntegut ständig durch Messgeräte wie z.B. Heumesssonden kontrollieren. Heustapel seien so anzulegen, dass jeder Punkt des Stapels überprüft werden könne. Diese Pflichten aus dem Versicherungsvertrag habe der Landwirt grob fahrlässig verletzt, so das OLG.

Er habe nämlich über 3.000 Heuballen so gelagert, dass nur die obersten Ballen der "Heutürme" erreichbar gewesen seien. Die unteren Ballen habe man weder sehen, noch mit einer Messlanze überprüfen können. Fehlerhafte Lagerung und Kontrolle hätten den Brand verursacht.

Die einschlägigen Klauseln im Versicherungsvertrag, die Landwirten vorschreiben, wie sie Heu einlagern und kontrollieren müssten, seien nicht zu beanstanden, erklärte das OLG: Sich an diese Auflagen zu halten, verringere das Risiko der Selbstentzündung erheblich und das liege auch im Interesse des Versicherungsnehmers.

Verkrümmter Penis soll repariert werden

Die gesetzliche Krankenkasse muss eine korrigierende Operation nicht finanzieren

Der 59 Jahre alte Versicherte leidet an einer angeborenen Penisverkrümmung. Bei seiner gesetzlichen Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme einer operativen Begradigung. Rund 14.000 Euro sollte die so genannte Grafting-Operation bei einem Privatarzt kosten. Sie sei dringlich, erklärte der Mann, denn ohne Behandlung sei das Risiko sehr hoch, dass dauerhaft Erektionsstörungen aufträten. Es drohe der Verlust einer "herausgehobenen Körperfunktion", darunter leide er auch psychisch sehr.

Die Krankenkasse lehnte es ab, die Operation zu finanzieren. Erstens dürfe die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen von Privatärzten prinzipiell nicht übernehmen. Zweitens sei diese Behandlungsmethode nicht allgemein anerkannt. Wenn es um "unorthodoxe" Methoden gehe, komme die Erstattung der Behandlungskosten nur ausnahmsweise in Frage, das könne z.B. bei einer lebensbedrohlichen Krankheit der Fall sein.

Die Klage des Versicherten auf Kostenübernahme scheiterte beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (L 16 KR 143/20). Die gesetzliche Krankenversicherung dürfe nicht anerkannte Behandlungsmethoden bei Privatärzten grundsätzlich nicht finanzieren. In extremen Ausnahmefällen — wenn es für eine Krankheit keine zugelassene Behandlungsmethode bei Kassenärzten gebe — könne die Krankenkasse zwar auch mal die Kosten einer unkonventionellen Behandlung übernehmen, so das LSG.

Eine Penisverkrümmung sei aber kein solcher Ausnahmefall. Wenn ein 59-Jähriger unter (bisher nur leichten) Erektionsstörungen leide, sei das nicht besonders schwerwiegend und nicht annähernd lebensbedrohlich. Dass das die Lebensqualität des Versicherten beeinträchtige, sei nachvollziehbar. Aber vom drohenden Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion könne man trotzdem nicht sprechen. Dazu komme: Auch die Operation selbst könne, wenn sie nicht perfekt gelinge, das Risiko von Erektionsstörungen erhöhen.

Kette vom Hals gerissen

Ist das ein in der Hausratversicherung versicherter Raub?

Angeblich war einem Mann auf der Straße von einer Frau die Goldkette vom Hals gerissen worden. Er habe sich nicht gewehrt und die Unbekannte auch nicht verfolgt, teilte er seiner Hausratversicherung in der Schadenanzeige mit. Denn: "Im ersten Moment habe er gar nicht bemerkt, dass die Kette weg war". Von der Versicherung verlangte der Mann Ersatz für den Verlust.

Doch das Unternehmen winkte ab: In diesem Fall bestehe kein Versicherungsschutz. Die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers blieb beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm ohne Erfolg (I-20 U 4/20). Auch das OLG verwies nur auf die Versicherungsbedingungen.

Ein Raub außerhalb des Versicherungsortes — d.h. außerhalb der Wohnung des Versicherungsnehmers — sei nur versichert, wenn Sachen mit Gewalt entwendet würden. Gewaltanwendung im Sinne dieser Vertragsklausel setze nach herrschender Rechtsprechung voraus, dass der Beraubte bewusst Widerstand leiste. Nur, wenn der Straftäter Widerstand seines Opfers überwinden müsse, gehe man von Raub aus.

Das sei hier jedoch selbst nach den Angaben des Klägers nicht der Fall gewesen: Ganz und gar verblüfft, habe er sich nicht gewehrt — so stehe es in der Schadensmeldung. Das Argument des Versicherungsnehmers, er habe doch durch das Verschließen der Halskette sozusagen "gewissen vorbeugenden Widerstand" geleistet, sei nicht nachvollziehbar. Halsketten verschließe man vor dem Tragen, weil sie sonst abfallen würden.

Wenn ein Täter Gewalt nur einsetze, um die begehrte Sache vom Körper des Opfers wegzureißen, und dabei das Moment der Überraschung ausnütze, liege kein versicherter Raub vor. Egal, ob es sich um eine Halskette oder um andere Sachen handle, die am Körper getragen werden wie z.B. eine teure Uhr.

Tagegeld in der Unfallversicherung

Der Anspruch des Versicherungsnehmers endet nicht mit dem letzten Arztbesuch

Herr P hat eine private Unfallversicherung abgeschlossen. Im Frühjahr 2016 verletzte er sich an einem Finger. Wegen des Unfalls war der Mann bis Mitte Juni krankgeschrieben und bezog Tagegeld von der Unfallversicherung. Am 16.6. suchte der Patient das letzte Mal den Facharzt auf. Da er den Finger immer noch nicht richtig bewegen konnte, verschrieb ihm der Orthopäde Krankengymnastik. Ab diesem Zeitpunkt zahlte die Unfallversicherung kein Tagegeld mehr.

Gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen setzt der Anspruch auf Tagegeld voraus, dass der Patient "in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und in ärztlicher Behandlung" ist. Das Oberlandesgericht Nürnberg wies die Klage des Versicherungsnehmers auf Fortzahlung des Tagegelds mit der Begründung ab, die Krankengymnastik sei nicht Bestandteil der ärztlichen Behandlung.

Gegen das Urteil legte Herr P Revision ein und setzte sich beim Bundesgerichtshof durch (IV ZR 19/19). Dem Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung stehe Tagegeld zu, bis die Behandlung abgeschlossen sei, entschieden die Bundesrichter. Und nicht nur bis zum letzten Arztbesuch. So verstehe auch der durchschnittlich informierte Versicherte die einschlägigen Vertragsbedingungen: Er werde weitere Therapie-Termine als Teil der ärztlichen Behandlung ansehen.

Wenn der Patient beim letzten Arztbesuch "10 Mal Krankengymnastik" verordnet bekomme, umfasse die ärztliche Behandlung auch die Dauer dieser Therapiemaßnahme. Ob nach den Terminen bei der Krankengymnastik mit dem Arzt nochmals ein Kontrolltermin vereinbart werde, spiele keine Rolle. Wenn Herr P die verschriebene Krankengymnastik wahrgenommen habe, stehe ihm eine Nachzahlung von der Unfallversicherung zu.

Unfall nach dem Reifenwechsel

Auch die Besitzer getunter PS-Monster müssen nach dem Reifenwechsel die Schrauben überprüfen

Herr X besitzt einen getunten Wagen mit 830 PS. Beim Reifenwechsel hatte ihn die Kfz-Werkstatt, wie üblich, an die Prüfung der Schrauben erinnert: Nach etwa 50 km Fahrt müssen Autofahrer testen, ob sie sich gelockert haben. Das unterließ der Pferdestärken-Fan. Kurz nach dem Besuch in der Werkstatt verunglückte er mit dem Wagen, weil sich ein Hinterrad löste.

Den Unfallschaden ersetzte die Vollkaskoversicherung. Von der Werkstatt forderte der Autofahrer zusätzlich 24.000 Euro Schadenersatz. Sie sollte für die Selbstbeteiligung bei der Vollkasko aufkommen, für Auto-Transportkosten, für Wertminderung und 76 Tage Nutzungsausfall. Der Werkstattinhaber zahlte nicht und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen.

Das Landgericht München II strich die Ansprüche des Autofahrers auf 5.900 Euro zusammen (10 O 3894/17). Unter anderem deshalb, weil dem Werkstattkunden erhebliches Mitverschulden anzurechnen sei, erklärte das Gericht. Denn er habe den Hinweis der Werkstatt ignoriert, dass die Radschrauben nachgezogen werden müssten. Autofahrer müssten sich vergewissern, ob sie noch "fest" säßen.

Hätte der Autofahrer diesen Rat befolgt, wäre der Unfall nicht passiert. Wenn sich allerdings so früh ein Reifen löse, bestehe der begründete Verdacht, dass schon der Mechaniker beim Reifenwechsel die Schrauben nicht richtig festgezogen habe. Daher müsse die Werkstatt einen Teil des Schadens übernehmen. (Der Autofahrer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Kann man ein Auto per Funk "aufbrechen"?

Koffer aus dem Auto geklaut: Autobesitzer streitet mit der Hausratversicherung um Schadenersatz

In einer Einkaufsstraße hatte ein Pilot kurz seinen Wagen abgestellt, um etwas zu besorgen. Als er nach einigen Minuten zurückkam, waren sein Pilotenkoffer und ein Reisekoffer aus dem Auto verschwunden. Aufbruchspuren fanden sich allerdings keine. Das Auto ist mit einem Keyless-Go-System über Funk zu verschließen und zu öffnen.

Sofort verständigte der Pilot die Polizei und erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt, doch der Täter konnte nicht ermittelt werden. Direkt neben dem Tatort wurden in einer Mülltonne Ausweisdokumente und die Pilotenlizenz gefunden, der Bestohlene bekam sie von der Polizei zurück. Die Fluggesellschaft ersetzte den Inhalt des Pilotenkoffers, Uniform und Dienstgeräte.

Für den Reisekoffer inklusive Inhalt forderte der Mann 3.314 Euro Schadenersatz von der Hausratversicherung. Doch das Unternehmen zahlte nicht und verwies auf die Vertragsbedingungen: Das Auto sei nicht "aufgebrochen" worden. Im Versicherungsvertrag steht: "Entschädigt werden auch versicherte Sachen, die durch Aufbrechen eines verschlossenen Kraftfahrzeugs entwendet werden."

Gestritten wurde nun darüber, ob man ein Auto per Funksignal "aufbrechen" kann. Ja, meinte der Pilot. Wahrscheinlich habe der unbekannte Täter den Wagen durch eine so genannte "Relay Attack" entriegelt, dabei werde das Keyless-Go-System unbefugt per Funk "geknackt". Das Amtsgericht München bewertete den Vorgang anders und wies die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers ab (274 C 7752/19).

Nach allgemeinem Sprachgebrauch und laut "Duden" sei mit Aufbrechen gemeint, dass etwas gewaltsam geöffnet werde. Wenn ein Wagen per Funksignal unbefugt geöffnet werde, sei das illegal, aber keine Gewaltanwendung. Diese Unterscheidung sei wichtig für die Versicherung, damit sie ihr Risiko einschätzen könne. Werde ein Auto gewaltsam aufgebrochen, hinterlasse das in der Regel deutliche Spuren. Das sei für die Versicherung nachprüfbar.

Werde ein Wagen dagegen unbefugt per Funksignal geöffnet, sei dieser Fall nicht eindeutig abzugrenzen von Fällen, in denen der Versicherungsnehmer schlicht vergessen habe, den Wagen abzusperren. Das sei fahrlässig und schließe Versicherungsschutz aus, sei aber kaum nachzuweisen. Meistens könne sich der Versicherer da nur auf die Angaben von Zeugen verlassen. Das erhöhe die Gefahr des Missbrauchs. Ohne Aufbruchspuren gebe es daher keinen Schadenersatz für aus dem Auto gestohlene Gegenstände.

Krankenkasse muss Bluetooth-Hörverstärker finanzieren

Schwerhöriger Versicherter kann nur damit sein Mobiltelefon nutzen

Der 1952 geborene Ingenieur ist hochgradig schwerhörig, auf beiden Ohren fast taub. 2013 hatte die gesetzliche Krankenkasse Hörgeräte finanziert, die technisch gesehen jedoch nur von durchschnittlicher Qualität waren. Zusätzlich besorgte sich der Versicherte für die Arbeit auf eigene Kosten zwei gebrauchte Hörgeräte, mit denen er am Arbeitsplatz das bluetoothfähige Analogtelefon bedienen konnte.

Vorher hatte er erfolglos bei der Krankenkasse Geräte für rund 4.500 Euro beantragt: Damit könnte er auch sein Handy nutzen, auf das er beruflich angewiesen sei. Die Antwort der Krankenkasse: Er sei bereits mit Hörgeräten versorgt und könne ein Festnetztelefon verwenden. Versicherte hätten keinen Anspruch auf verständliche Telefongespräche mit einem Smartphone. Der Streit mit der Krankenkasse zog sich hin.

Schließlich erhob der Mann, mittlerweile Rentner, Klage beim Sozialgericht Düsseldorf (S 8 KR 1441/15). Nach dem Hinweis des Gerichts auf die Möglichkeit, mit einem Bluetooth-Hörverstärker sein Ziel wesentlich günstiger zu erreichen als mit den gewünschten Hörgeräten, stellte der Ingenieur seine Klage entsprechend um: Er habe den Hörverstärker getestet, erklärte er, mit der Bluetooth-Schnittstelle funktioniere die Kommunikation per Handy gut.

Das Sozialgericht verurteilte die gesetzliche Krankenkasse zur Kostenübernahme, auch wenn dies den vorgesehenen Festbetrag geringfügig überschreiten sollte. Es sei rechtswidrig, die Versorgung des Versicherten mit dem Hörverstärker abzulehnen. Hörgeräte dienten dazu, unmittelbar eine Behinderung auszugleichen. Damit sei ein umfassender Versorgungsanspruch verknüpft — nicht nur die Befriedigung von Grundbedürfnissen.

Der Versicherte könne die Finanzierung des Hörgerätezubehörs verlangen, weil er sich nur auf diese Weise mit dem Handy gut verständigen könne. Auch der Sachverständige, ein Hörgeräte-Akustiker-Meister, habe bestätigt, dass der Bluetooth-Hörverstärker bei mobilen Telefongesprächen das Sprachverstehen erheblich verbessere. Angesichts der niedrigen Kosten von weniger als 200 Euro sei es nicht ansatzweise unverhältnismäßig, wenn der Versicherte Kostenersatz für dieses Zubehör verlange.

Ambulante oder stationäre Behandlung?

Ist ein Klinikaufenthalt nicht "medizinisch notwendig", muss die private Krankenversicherung die Kosten nicht erstatten

Nach einem Ohnmachtsanfall ließ sich ein privat krankenversicherter Mann von seiner Hausärztin in die Klinik S einweisen, wo er zehn Jahre zuvor schon einmal wegen eines Erschöpfungssyndroms behandelt worden war. Damals hatte die Krankenversicherung die Kosten erstattet — aus "Kulanz", wie sie betonte. Dieses Mal lehnte sie den Antrag des Versicherungsnehmers auf Kostenübernahme ab: Seine psychisch bedingten Probleme — Kopfschmerzen, Ohrgeräusche, Erschöpfung — könne er ebenso gut ambulant behandeln lassen.

Trotz dieser Abfuhr entschied sich der Patient für den Klinikaufenthalt. Dafür zahlte er 7.046 Euro und für die Wahlleistung "Chefarztbehandlung" 1.340 Euro extra. Anschließend verklagte er die Versicherung auf Kostenübernahme und begründete die Forderung so:

Aufgrund des komplexen Krankheitsbildes sei eine stationäre Behandlung medizinisch notwendig gewesen. Bei der Beurteilung dessen, was medizinisch notwendig sei, dürften finanzielle Aspekte keine Rolle spielen. Der Grundsatz, dass schon aus Kostengründen die ambulante Behandlung, wo immer möglich, vorzuziehen sei, gelte zwar in der gesetzlichen, nicht aber in der privaten Krankenversicherung.

Dem widersprach das Landgericht Mannheim (9 O 383/19). Eine stationäre Klinikbehandlung sei nur dann als medizinisch notwendig anzusehen, wenn der angestrebte Behandlungserfolg mit einer ambulanten Therapie nicht erreicht werden könne. Das treffe hier nicht zu, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt habe: Ambulante Maßnahmen seien bei einer Stress-Erschöpfungssymptomatik durchaus erfolgversprechend. So eine Therapie sei aber nach den Behandlungsunterlagen nicht durchgeführt worden.

Daher müsse die Krankenversicherung die Kosten nicht erstatten. Auch in der privaten Krankenversicherung gelte, dass die ambulante Behandlung prinzipiell Vorrang habe, was bei aufmerksamer Lektüre der Versicherungsbedingungen ohne weiteres erkennbar sei. Das bedeute aber keineswegs, dass sich Versicherungsnehmer immer auf die kostengünstigste Heilbehandlung verweisen lassen müssten.

Bei der Frage "ambulant oder stationär" gehe es nämlich nicht allein um die Kosten der Therapie, sondern in erster Linie um Mehraufwendungen für Unterkunft, Verpflegung und Betreuung. Die müsse das Versicherungsunternehmen nur tragen, wenn sie unumgänglich seien. Auch privat Versicherte dürften ihre Versicherung — und damit die Gemeinschaft der Versicherten — nicht über das erforderliche Maß hinaus in Anspruch nehmen.