Versicherung

Lkw löst mit Spurwechsel Unfall aus

Die Lkw-Haftpflichtversicherung haftet für die Folgen, auch wenn der Lkw kein anderes Fahrzeug berührt

Auf einer Bundesstraße zog ein Lkw-Fahrer nach links auf die Überholspur, während ihn gerade Autofahrerin A überholte. Der Lkw-Fahrer hatte den Pkw nicht bemerkt. Es kam zwar nicht zu einem Zusammenstoß zwischen Lastwagen und Auto. Doch das Auto geriet durch das Ausweichmanöver der Fahrerin ins Schleudern und kollidierte mit einem Motorradfahrer, der bei dem Aufprall schwer verletzt wurde.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung von Frau A kam für die Folgen auf. Anschließend verklagte das Unternehmen den Haftpflichtversicherer des Lastwagens auf Ausgleich der gezahlten Beträge. Die Versicherungen müssten sich den Schaden hälftig teilen, fand das Landgericht. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass ihn die Lkw-Haftpflichtversicherung allein tragen muss (7 U 81/20).

Dass der Lastwagen die anderen beiden Fahrzeuge nicht berührt habe, ändere daran nichts, so das OLG. Der Lkw-Fahrer habe die Ausweichreaktion der Autofahrerin herausgefordert, die am Ende zum Zusammenprall mit dem Motorrad geführt habe. Dies stehe aufgrund eines Unfallgutachtens fest. Auch ohne Berührung könne ein Verkehrsteilnehmer durch seine Fahrweise einen Unfall auslösen.

Ob das Ausweichmanöver im konkreten Fall nötig war, um eine Kollision mit dem Lkw zu vermeiden, oder ob dafür vielleicht auch Bremsen gereicht hätte, sei dabei ohne Belang: Selbst ein Unfall infolge einer voreiligen — also objektiv nicht notwendigen — Schreckreaktion könne dem Fahrzeug zugerechnet werden, das die Reaktion provoziert habe.

Der Lkw-Fahrer sei aus seiner Fahrspur ausgeschert, ohne nach hinten zu schauen und sich zu versichern, dass er dies gefahrlos tun konnte. Er habe selbst ausgesagt, den Pkw habe er erst wahrgenommen, als er mit dem linken Rad schon auf der linken Fahrspur gewesen sei. Frau A dagegen habe sich korrekt verhalten, ihr sei kein Beitrag zum Unfallgeschehen anzulasten. Sie sei weder zu schnell gefahren, noch habe sie bei unübersichtlicher Verkehrslage überholt.

Langwierige Parodontose-Behandlung

Die Zahnzusatzversicherung muss nicht zahlen, wenn die Behandlung schon vor Vertragsschluss begann

Schon 2004 war Frau F von einem Zahnarzt wegen Parodontose im Oberkiefer behandelt worden (Parodontose: bakterielle Entzündung des Zahnbetts mit Folgen wie Zahnfleischschwund, Lockerung der Zähne). Eine Zahnärztin vermerkte 2006 im Krankenblatt eine "tiefe parodontale Tasche". Am 1. April 2012 schloss Frau F eine Zahnzusatzversicherung ab. Die so genannte Wartezeit für Leistungen betrug acht Monate. Nach den Versicherungsbedingungen war jede Leistung ausgeschlossen, wenn der Versicherungsfall, d.h. die Behandlung, schon vor Vertragsschluss begann.

Im Mai 2013 beantragte Frau F die Kostenübernahme für eine Sanierung des Oberkiefers. Das Versicherungsunternehmen lehnte ab, weil die Versicherungsnehmerin bereits vor dem 1.4.2012 wegen Parodontose behandelt worden sei. Sie ließ die Zahnersatzbehandlung dennoch durchführen und zahlte 13.905 Euro.

Ohne Erfolg klagte Frau F auf Kostenübernahme. Ihr Argument: Die Parodontose sei 2006 ausgeheilt, eine weitere Behandlung damals nicht nötig gewesen. 2013 habe eine neue Behandlung begonnen, der Versicherungsfall sei also erst 2013 eingetreten.

Laut Sachverständigengutachten stehe fest, dass die Parodontose durchgängig von 2004 bis zum Abschluss des Versicherungsvertrags behandlungsbedürftig war, erklärte das Oberlandesgericht Frankfurt (7 U 70/20). Der 2013 diagnostizierte extreme Knochenabbau sei eindeutig eine Folge der bereits 2004 festgestellten Parodontose und keine neue Erkrankung. Im Anschluss an die Behandlung 2004 hätte zwingend eine engmaschige Nachsorge stattfinden müssen, wie sich auch an der 2006 behandelten parodontalen Tasche gezeigt habe.

Den Parodontosestatus hätte ein Zahnarzt regelmäßig mit Röntgenbildern dokumentieren müssen. Schon die röntgenologische Kontrolle führe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass eine andauernde Behandlungsbedürftigkeit anzunehmen sei und ein einheitlicher Versicherungsfall vorliege. Die kontinuierliche Nachsorge nach 2004 zu unterlassen, sei nach Ansicht der Sachverständigen "medizinisch nicht vertretbar" gewesen. Wenn es medizinisch "kontraproduktiv" sei, eine Behandlung abzubrechen, sei auch der Versicherungsfall nicht beendet. Anspruch auf Kostenübernahme für die Behandlung im Jahr 2013 bestehe daher nicht.

Rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?

Krankenkasse verweigert Krankengeld: Missverständliche AU-Richtlinie darf nicht auf Kosten der Versicherten gehen

Eine Arbeitnehmerin war schon eine Weile krankgeschrieben und bezog Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) galt bis zum 19.6.2017. Um sich eine Folgebescheinigung ausstellen zu lassen, erschien die Frau an diesem Tag bei ihrer Hausärztin. Sie wurde jedoch — aus praxisinternen Gründen — nicht sofort untersucht.

Stattdessen gab man ihr einen neuen Termin am 22.6.2017, also drei Tage später. An diesem Tag stellte die Hausärztin der Patientin eine AUB aus, die ab dem 19.6.2017 gelten sollte. Die Medizinerin hielt eine rückwirkende Bescheinigung für zulässig. Prompt bekam die Versicherte Ärger mit der Krankenkasse.

Sie teilte der Arbeitnehmerin mit, dass ihr ab dem 20.6.2017 kein Krankengeld mehr zustehe, weil sie am 19.6. nicht untersucht worden sei. Sollte die Ärztin behauptet haben, dass auch ein späterer Untersuchungstermin ausreiche, um den Anspruch auf Krankengeld zu wahren, sei dies eine falsche Rechtsauskunft gewesen. Dieser Fehler sei aber nicht der Krankenkasse zuzurechnen.

Daraufhin zog die Arbeitnehmerin vor Gericht, um die Zahlung von Krankengeld über den 19.6.2017 hinaus durchzusetzen. Das Sozialgericht Stuttgart entschied den Streit zu ihren Gunsten (S 18 KR 1246/18). Die Versicherte sei nicht dafür verantwortlich, dass die Untersuchung zu spät stattgefunden habe, so das Gericht. Sie habe die Arztpraxis rechtzeitig aufgesucht und habe so alles Zumutbare getan, um ihren Anspruch auf Krankengeld zu sichern.

Das sei nur wegen eines Irrtums der Vertragsärztin gescheitert. Missverständliche Formulierungen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie zu diesem Punkt hätten schon bei mehreren Medizinern zu der Fehlvorstellung geführt, dass eine rückwirkende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit zulässig sei.

Diese Missverständnisse seien allein den Krankenkassen zuzurechnen, die schließlich an der Richtlinie mitgearbeitet hätten. So ein Fehler dürfe nicht zu Lasten der Versicherten gehen. Für die Arbeitnehmerin wäre es auch nicht zumutbar gewesen, in der Praxis auf einer sofortigen Bescheinigung zu bestehen oder deswegen am 19.6.2017 den Arzt zu wechseln.

Rechtsstreit mit der Unfallversicherung

Landgericht durfte das vom Versicherungsnehmer beantragte Sachverständigengutachten nicht ablehnen

Ein 68 Jahre alter Mann zog sich 2016 bei einem Unfall in seiner Wohnung einen Oberschenkelhalsbruch zu. Von seiner privaten Unfallversicherung verlangte er eine Rente von 750 Euro monatlich: So war es vertraglich vereinbart für den Fall, dass unfallbedingt ein Invaliditätsgrad von mindestens 50 Prozent bestand. Da er das Bein infolge des häuslichen Unglücks nicht mehr richtig bewegen könne, sei diese Bedingung erfüllt, meinte der Versicherungsnehmer.

Die Versicherung ließ sich mit der Prüfung des Falles Zeit, gab ein orthopädisches und ein unfallchirurgisches Fachgutachten in Auftrag. 2019 lehnte sie die Zahlung von Invaliditätsrente ab. Begründung: Das gebrochene Bein sei schon vor dem Unfall nur eingeschränkt funktionstüchtig gewesen ("Vorinvalidität"). Wenn man dies berücksichtige, bleibe als Unfallfolge allenfalls ein Invaliditätsgrad von ca. 20 Prozent übrig.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers ab, ohne ein von ihm beantragtes Sachverständigengutachten einzuholen. Die zwei vom Versicherer vorgelegten Gutachten belegten nach Ansicht des Gerichts, dass die Voraussetzungen für eine Invaliditätsrente nicht vorlagen.

Diese Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht Nürnberg hart kritisiert: Den Beweisantrag des Klägers zu übergehen, verletze dessen Anspruch auf rechtliches Gehör und sei ein gravierender Rechtsfehler (8 U 1139/21). Wenn ein konkreter Invaliditätsgrad ermittelt werden müsse, sei ein medizinisches Gutachten ein unumgängliches Beweismittel. Von so einem Beweis abzusehen, sei auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die vom Kläger behauptete Tatsache unwahrscheinlich erscheine.

Das Landgericht hätte ein Sachverständigengutachten insbesondere nicht mit der Begründung für überflüssig erklären dürfen, dass das Gegenteil bereits durch die Privatgutachten feststehe, die die Prozessgegnerin in Auftrag gegeben habe. Eine sachgerechte Beweiswürdigung könne und dürfe grundsätzlich erst dann erfolgen, wenn alle nötigen Beweismittel ausgeschöpft seien. Falsch sei auch der Vorwurf, der Versicherungsnehmer habe keine plausiblen Anhaltspunkte für Fehler in den Privatgutachten vorgebracht.

Privatgutachten seien kein Sachverständigenbeweis, sondern der fachlich fundierte Vortrag einer Prozesspartei. Wenn der Kläger ihre Richtigkeit bestreite, müsse das Gericht ein gerichtliches Sachverständigengutachten einholen. Die entscheidenden medizinischen Fragen könne das Gericht mangels eigener Sachkunde ohnehin nur mithilfe von Sachverständigen klären. Der Versicherungsnehmer habe versichert, das Bein sei nicht vorgeschädigt gewesen, es habe also keine Vorinvalidität vorgelegen. Genauere Erläuterungen könne man von einem medizinischen Laien nicht verlangen.

Reitplatzbesucher von Stein getroffen

Der Kreiselmäher des benachbarten Landwirts schleuderte das Geschoss hoch: Schadenersatz?

Herr B stand am Rande eines Reitplatzes und unterhielt sich mit dem Eigentümer des Reiterhofs. Auf der angrenzenden Weide mähte der Landwirt Gras mit einem vom Traktor gezogenen Kreiselmäher. Plötzlich brach Herr B zusammen — von einem Stein am Auge getroffen, den der Mäher hochgeschleudert hatte. Das Auge war so schwer verletzt, dass man B in einer Augenklinik eine künstliche Linse einsetzen musste.

Vom Landwirt und dessen Kfz-Versicherung verlangte er Schadenersatz und Schmerzensgeld. Doch seine Klage scheiterte in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (VI ZR 726/20). Ein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten sei dem Landwirt nicht vorzuwerfen, so die Bundesrichter. Laut Sachverständigengutachten sei der Mäher mit allen nötigen Schutzeinrichtungen ausgerüstet.

Dass so eine Maschine Gegenstände wegschleudere, sei trotzdem nicht ganz zu verhindern. Da Herr B und der Zeuge mindestens 50 Meter vom Mäher entfernt standen, habe der Landwirt aber davon ausgehen dürfen, dass sie sich außerhalb der Gefahrenzone befanden. Zudem habe der Landwirt glaubhaft versichert, er fahre oft mit dem Mäh-Gespann und es seien noch nie Probleme mit hochgeschleuderten Gegenständen aufgetreten.

Die Kfz-Versicherung des Traktors müsse für die Unfallfolgen ebenfalls nicht haften: Denn der Unfall sei nicht durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs ausgelöst worden. Der Traktor habe den Kreiselmäher zwar gezogen. Er sei aber nicht als Mittel der Fortbewegung von A nach B eingesetzt worden, sondern als Arbeitsmaschine zum Mähen der landwirtschaftlichen Wiesenfläche.

Dass Traktor und Mäher auf der Weide bewegt wurden, widerspreche dem nicht: Diese Manöver dienten dem Bearbeiten der Fläche und nicht der Fortbewegung. Bei dem Unfall habe sich keine Gefahr verwirklicht, die dem Verkehr zuzuordnen wäre. Nur dafür sei die Kfz-Versicherung zuständig.

Motorschaden nach Autoreparatur

Kfz-Sachverständiger der Versicherung mischte sich in der Werkstatt zum Nachteil der Autobesitzerin ein: Mithaftung

Bei einem "Tankwartcheck" hatte der Mitarbeiter der Tankstelle vergessen, den Deckel des Kühlwasserausgleichbehälters wieder aufzuschrauben. Dieses Versehen verursachte einen Defekt am Zylinderkopf des Motors. Autobesitzerin A ließ den Wagen in ihre Kfz-Werkstatt abschleppen. An der Untersuchung des Defekts nahm auch ein Kfz-Sachverständiger der Betriebshaftpflichtversicherung des Tankstelleninhabers teil, die den Schaden regulieren sollte.

Der Kfz-Gutachter erklärte dem Mechaniker, neben den Arbeiten am Zylinderkopf sei auch der Zahnriemen zu tauschen. Dann müsse man auch die Zusatzriemen wechseln, die die Nebenaggregate antreiben, antwortete der Mechaniker. Unnötig, fand der Kfz-Sachverständige: Weitere Arbeiten würden nur die Kosten hochtreiben. Der Mechaniker gab nach und führte die Reparatur nach den Vorgaben des Kfz-Gutachters aus — wider besseres Wissen.

Dass die Zusatzriemen nicht getauscht wurden, führte zu Totalschaden. Daraufhin verlangte Frau A Schadenersatz von der Werkstatt und vom Versicherungsgutachter. Sie müssten sich die Kosten für ein Ersatzfahrzeug hälftig teilen, entschied das Amtsgericht. Gegen das Urteil wehrte sich der Kfz-Sachverständige vergeblich: Er sei für die mangelhafte Autoreparatur mitverantwortlich, entschied der Bundesgerichtshof (VI ZR 308/19).

Der Versicherungsgutachter habe sich zum Nachteil der Autobesitzerin in die Untersuchung des Schadens eingemischt und die Erneuerung der Zusatzriemen für überflüssig erklärt, weil sie unnötig die Kosten erhöhe. Deswegen eine korrekte Reparatur zu unterlassen, sei zwar ein Fehler der Werkstatt gewesen. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass der Versicherungsgutachter mit der Autorität des Kfz-Sachverständigen auftrat und zugleich seinen Einfluss als Vertreter der Versicherung geltend machte.

Mit der Anspielung darauf, dass die Versicherung unnötige Reparaturkosten eventuell nicht regulieren würde, habe er den Mechaniker davon abgehalten, die der Auftraggeberin A geschuldete Leistung zu erbringen, d.h. eine korrekte Reparatur. Ohne Rücksprache mit der Geschädigten habe der Kfz-Gutachter so dafür gesorgt, dass die Reparatur unvollständig ausgeführt wurde. Zugleich habe er seine Pflicht ignoriert, im Interesse seiner Arbeitgeberin, der Betriebshaftpflichtversicherung, den Schaden richtig zu kalkulieren.

Kollision auf dem Supermarkt-Parkplatz

Autofahrer stößt beim Einparken gegen die geöffnete Fahrertür eines geparkten Wagens

Auf dem Parkplatz vor einem Münchner Supermarkt stand in einer Parkbucht der VW von Frau S. Ihr Mann saß auf dem Fahrersitz. In der Parkbucht links daneben parkte ein Autofahrer ein und stieß mit seinem Opel gegen die geöffnete Fahrertür des VW. Zunächst einigte man sich: Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Opel-Fahrers zahlte nach dessen Schadensmeldung einen Betrag für die Reparatur der VW-Türe.

Doch als Frau S mehr Schadenersatz einklagte, wurde über die Schuldfrage umso heftiger gestritten. Frau S behauptete, die Fahrertüre habe vor dem Unfall schon mehrere Minuten erkennbar offen gestanden. Der Opel-Fahrer habe nicht aufgepasst. Dagegen behaupteten der Opel-Fahrer und seine Versicherung, die Fahrertür des VW sei geschlossen gewesen, als der Opel in die Parkbucht einbog. Ohne auf das einparkende Auto zu achten, habe Herr S plötzlich die Türe aufgerissen …

Daher habe Frau S vorgerichtlich bereits mehr Geld kassiert, als ihr zustehe, fand die Kfz-Versicherung: Im Grunde müsse sie die Reparatur in voller Höhe selbst finanzieren. Zu diesem Ergebnis kam auch das Amtsgericht München, nachdem es ein Unfallgutachten in Auftrag gegeben und die Beteiligten sowie Zeugen befragt hatte (343 C 106/21). Deren Angaben blieben widersprüchlich.

Eine Zeugin versicherte, die Tür habe höchstens fünf Zentimeter aufgestanden. Doch laut Sachverständigengutachten musste sie bei der Kollision mindestens 60 Zentimeter weit geöffnet gewesen sein. Letztlich spreche der äußere Anschein für ein Verschulden des Herrn S, fand das Amtsgericht. Laut Straßenverkehrsordnung müssten Autofahrer und Beifahrer beim Ein- und Aussteigen besonders vorsichtig sein, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden.

Das gelte auf einem Parkplatzgelände erst recht. Denn hier müsse man jederzeit mit ein- oder ausparkenden Fahrzeugen und Rangiermanövern rechnen, also besonders auf solche Vorgänge achten. Selbst wenn Herr S, wie angegeben, die Türe schon Minuten vor dem Zusammenstoß geöffnet haben sollte — was nach Überzeugung des Gerichts nicht zutreffe —, wäre ihm ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten beim Aussteigen vorzuwerfen. Denn die Türe auf einem Parkplatz länger offenstehen zu lassen, sei ziemlich leichtsinnig.

Wohnmobil-Panne in der Schweiz

Versicherung will den Rücktransport wegen der Höhe des Wohnmobils nicht finanzieren

Im Sommer 2019 machte das Wohnmobil eines deutschen Urlaubers in der Schweiz schlapp: Motorschaden. Er verständigte telefonisch seine Autoversicherung und beauftragte eine Transportfirma damit, das Fahrzeug nach Deutschland zurückzubringen. Dafür zahlte der Mann rund 2.500 Euro. Anschließend folgte die nächste unangenehme Überraschung.

Der Autoversicherer zahlte nicht und verwies auf seine Versicherungsbedingungen: Das Wohnmobil sei laut Fahrzeugschein 3,40 Meter hoch. Versichert seien die Kosten eines Rücktransports aber nur, wenn ein Wohnmobil die Höhe von 3,20 Metern inklusive Ladung nicht überschreite.

Daraufhin klagte der Womo-Fahrer auf Zahlung: Vor dem Transport habe er die Dachklimaanlage abgebaut, den Reifendruck reduziert und die Luftfederung abgelassen. Danach sei das Fahrzeug nur noch 3,06 Meter hoch gewesen. Also müsse die Versicherung die Transportkosten übernehmen.

Das Amtsgericht München gab dem Womo-Besitzer Recht (191 C 5230/20). Laut der einschlägigen Vertragsklausel sei die Übernahme der Transportkosten ausgeschlossen, wenn es um Wohnmobile ab 3,20 Metern Höhe "einschließlich Ladung" gehe. Auf den Eintrag im Fahrzeugschein komme es daher hier nicht an, sondern auf die tatsächliche Höhe beim Transport. In den Fahrzeugpapieren stehe zur Ladung natürlich nichts, die falle ja bei jedem Wohnmobil anders aus.

Das Amtsgericht schloss vor allem aus den Unterlagen der Transportfirma, dass es dem Womo-Besitzer gelungen war, die Höhe des Fahrzeugs auf mindestens 3,20 Meter zu reduzieren.

Nach den Transportpapieren sei das Wohnmobil ohne Ausnahmegenehmigung für einen Spezialtransport regulär von der Schweiz nach Deutschland befördert worden. Laut der Rechnung sei auch kein Aufpreis für Überhöhe berechnet worden. Und nicht einmal der Versicherer selbst habe behauptet, dass beim Transport die gesetzlichen Vorschriften zur Maximalhöhe missachtet wurden.

Sechsjährige verkratzt beim Radfahren ein Auto

Erst mit acht Jahren dürfen Kinder baulich nicht von der Straße abgetrennte Radwege benützen

Ein Düsseldorfer Familienvater war mit seinen drei Kindern auf Rädern in der Stadt unterwegs: mit zwei Söhnen, elf und 15 Jahre alt, und der sechsjährigen Tochter. Die Familie fuhr einen nur auf der Straße markierten Radweg entlang, der von der Fahrbahn nicht baulich abgetrennt war. Plötzlich stand da dick und breit ein falsch geparktes Auto und versperrte den Radweg. Der Vater wich auf die Straße aus, das Mädchen folgte ihm.

Dabei kam das Kind einem Opel Corsa, der in die gleiche Richtung fuhr, mit dem Fahrradlenker zu nahe. Den Lackkratzer in der Werkstatt ausbügeln zu lassen, kostete die Autobesitzerin 790 Euro. Ihrer Ansicht nach musste die Haftpflichtversicherung des Vaters für die Reparatur aufkommen. Dieser Ansicht war auch das Amtsgericht Düsseldorf: Es verurteilte den Versicherer zu Schadenersatz (37 C 557/20).

Der Vater des Kindes müsse für den Schaden haften, weil er seine Aufsichtspflicht verletzt und dadurch indirekt den Schaden verursacht habe. Kinder, die noch keine acht Jahre alt seien, gehörten mit ihren Fahrrädern auf die Gehwege. Laut Straßenverkehrsordnung dürften sie Radwege nur benutzen, wenn diese "baulich" von der Fahrbahn abgetrennt seien — wie das häufig bei kombinierten Geh- und Radwegen der Fall sei.

Sinn dieser Vorschrift sei es natürlich, kleinere Kinder vor Risiken zu schützen: Meistens beherrschten sie ihr Rad noch nicht richtig und bewegten sich unsicher. Die Söhne seien alt genug und rad-erfahren. Aber dem Mädchen hätte es der Vater nicht erlauben dürfen, auf dem Radweg zu fahren. Stattdessen hätte er mit der Sechsjährigen den Gehweg nutzen müssen — das sei Erwachsenen erlaubt, wenn sie Kinder unter acht Jahren beaufsichtigen müssten.

Krankenkasse muss Daosin-Kapseln nicht finanzieren

Nahrungsergänzungsmittel gehören nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung

Eine gesetzlich krankenversicherte Frau verträgt Histamin in Lebensmitteln nicht (Histamin-Intoleranz). Bei ihrer Krankenkasse beantragte sie deshalb die Kostenübernahme für Daosin-Kapseln:

Da ihr ein Enzym zum Histaminabbau fehle, benötige sie die Kapseln dringend, um die Folgen dieses Mangels zu lindern, so ihre Begründung. Ohne die Kapseln bekomme sie bei Essen Symptome wie Herzrasen und Schmerzen, sie schwitze und manchmal werde ihr übel. Ohne das Präparat vertrage sie fast keine Nahrung mehr. Die Krankenkasse müsse ihren individuellen Zustand, also die Umstände im Einzelfall, berücksichtigen, auch wenn sie im Prinzip keine Nahrungsergänzungsmittel finanziere.

Doch auch in diesem Fall winkte die Krankenkasse ab: Anders als für Arzneimittel sei für Nahrungsergänzungsmittel kein medizinisches Zulassungsverfahren vorgesehen. Kostenerstattung könne sie aber nur für zugelassene Arzneimittel bewilligen. Daosin-Kapseln seien letztlich als Lebensmittel einzustufen und die zählten nicht zu den Kassenleistungen.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen wies die Zahlungsklage der Versicherten ab (L 16 KR 113/21). Krankenkassen müssten nicht alle Präparate finanzieren, die der Gesundheit förderlich seien. Nahrungsergänzungsmittel seien nun einmal keine Arzneimittel.

Mit wenigen Ausnahmen seien Nahrungsergänzungsmittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, unabhängig von der Art der Erkrankung. Die Arzneimittelrichtlinien sähen einen generellen Ausschluss vor — eine individuelle Prüfung des Einzelfalles sei explizit nicht vorgesehen.

Beim Singen von Insekt gestochen

Mitglied eines Kirchenchors erhält keine Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung

Ein katholischer Kirchenchor machte seinen traditionellen Jahresausflug zu einer anderen Pfarrgemeinde. Die Busfahrt dorthin wurde unterbrochen, um eine ehemalige Pfarrhelferin der eigenen Kirchengemeinde zu Hause mit einem Ständchen zu überraschen. Am Schluss des letzten Liedes stach eine Wespe oder Biene den stellvertretenden Leiter des Chors beim Singen innen in den Hals.

Der Sänger erlitt einen schweren Schock. Das Gift löste eine heftige Allergie aus. Schließlich konnte er seinen Lehrerberuf nicht mehr ausüben. Der Mann beantragte eine Unfallrente, weil seine ehrenamtliche Tätigkeit im Kirchenchor unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Doch das Bundessozialgericht verneinte einen Anspruch auf Leistungen (2 RU 15/94).

Es sei bereits zweifelhaft, ob Mitglieder des Kirchenchors tatsächlich eine Tätigkeit ausübten, die gesetzlich unfallversichert sei. Darauf komme es hier aber letztlich nicht an. Das Ständchen für die frühere Pfarrgemeindehelferin habe nämlich nichts mit der eigentlichen Aufgabe eines Kirchenchors zu tun. Der Insektenstich habe sich zu einem Zeitpunkt ereignet, als der Chor einer rein privat motivierten Tätigkeit nachgegangen sei. Dafür sei die gesetzliche Unfallversicherung nicht zuständig.

Arbeitnehmerin berufsunfähig?

Beurteilungsmaßstab für die Berufsunfähigkeitsversicherung ist nicht immer der letzte Arbeitsplatz

Eine 1983 geborene Angestellte arbeitete ab März 2008 für ein Unternehmen an der Ein- und Ausgangswaage für Lastwagen. Beim Einfahren kontrollierte sie die Ladepapiere und wog die Laster. Im Sommer 2011 bekam die Frau ein Kind und ging in Mutterschutz. Ein Jahr später wechselte sie auf eigenen Wunsch in die Verwaltung, weil sie nicht sofort wieder Schichtdienst leisten wollte. Die Tätigkeit im Innendienst war aber von vornherein auf 18 Monate befristet. Danach sollte die Arbeitnehmerin an ihren eigentlichen Arbeitsplatz zurückkehren.

Vor der Rückversetzung meldete sie sich krank — wegen Rheuma. In einer Rehabilitationsklinik wurde sie drei Wochen behandelt und als voll einsetzbar entlassen. Nach einem Jahr Schichtdienst beantragte die Angestellte erfolglos Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung. Anschließend beantragte die Frau ebenso erfolglos Leistungen von ihrer privaten Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Auch ihre Zahlungsklage gegen den Versicherer scheiterte.

Laut dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen sei die Angestellte ohne Weiteres in der Lage, zumindest halbtags ihrer Tätigkeit an der Pforte nachzugehen, stellte das Oberlandesgericht Saarbrücken fest (5 U 17/19). An der Waage müsse sie nicht schwer heben, die Tätigkeit sei körperlich nicht belastend oder besonders anstrengend. Die Körperhaltung könne sie dort stets ändern: Sitzen, Stehen und häufiges Hin- und Hergehen.

Anders als die rein sitzende Tätigkeit im Innendienst biete die Tätigkeit an der Waage also ausreichend Freiraum für Schonung. Und der wesentliche Maßstab dafür, ob man sie als berufsunfähig einstufen müsse, sei — neben ihrem Gesundheitszustand — die Tätigkeit als Pförtnerin und nicht ihr Aushilfsjob in der Verwaltung. In der Regel sei zwar die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherungsnehmers in gesunden Tagen ausschlaggebend.

Anders liege der Fall aber, wenn die letzte Tätigkeit — wie hier — die Lebensstellung der Versicherten nicht geprägt habe. Die Versicherungsnehmerin habe sich nach dem Mutterschutz befristet in den Innendienst versetzen lassen. Diese Tätigkeit sei von vornherein nur eine Übergangslösung gewesen. Wenn es darum gehe, die kurz danach beantragte Berufsunfähigkeit zu prüfen, bleibe der Maßstab dafür ihr eigentlicher Beruf, ihre "Stammtätigkeit" an der Pforte. Da sie diese nach wie vor ausüben könne, bestehe kein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente.

Ist das Coronavirus eine Naturkatastrophe?

Reiseabbruchversicherung soll die Kosten eines Ersatz-Rückflugs aus Sri Lanka übernehmen

Zwei Freunde hatten für März 2020 eine Urlaubsreise nach Sri Lanka gebucht und dafür eine Reiserücktrittsversicherung inklusive Reiseabbruchversicherung abgeschlossen. Der Rückflug sollte am 29. März stattfinden, wurde jedoch wegen der Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie von der Fluggesellschaft "gecancelt". Die beiden Reisenden buchten Ersatz-Rückflüge für den 27. März.

Um mit der letzten Maschine mitzukommen, die vor der Schließung des Flughafens auf der Insel startete, zahlten sie für zwei Tickets 3.610 Euro. Diesen Betrag sollte der Reiseversicherer übernehmen. Doch das Unternehmen zahlte nichts und pochte auf seine Versicherungsbedingungen: Versicherungsschutz für die Mehrkosten einer nicht-planmäßigen Rückreise bestehe nur, wenn am Urlaubsort eine Naturkatastrophe herrsche. Eine Pandemie gehöre nicht zu den aufgezählten, versicherten Risiken.

Das Amtsgericht München sah in der Corona-Pandemie keine Naturkatastrophe und wies die Klage der Urlauber ab (275 C 23753/20). Eine Naturkatastrophe wirke sich plötzlich und direkt auf die Umwelt aus, betonte die Amtsrichterin. Die Wirkungen der Pandemie träten dagegen nur vermittelt über politische Entscheidungen staatlicher Instanzen ein. Diese Ermessensentscheidungen könnten höchst unterschiedlich ausfallen, Staaten passten ihre Schutzkonzepte der aktuellen Pandemie-Situation im Land an.

Im Unterschied zu einer Naturkatastrophe — wie z.B. ein Vulkanausbruch, der Menschen vielleicht einige Wochen lang gefährde — stelle die Pandemie eine längerfristige Gefahr für die Gesundheit dar und breite sich global aus. Aber keineswegs einheitlich, so dass man sie auch unter dem Aspekt der Rechtssicherheit nicht als Katastrophe einstufen könne: Einerseits handle es sich um dasselbe Ereignis, andererseits entwickelten sich Infektionszahlen und staatliche Maßnahmen in verschiedenen Ländern unterschiedlich. Und sie entwickelten sich in jedem Land in Wellen, schwankten also stark.

Brandschaden am geparkten Auto

Das Feuer ging vom daneben abgestellten BMW aus: Muss die Kfz-Versicherung zahlen?

Herr A fuhr mit seinem BMW X 3 zu einer Bekannten, Frau B, und stellte den Wagen neben deren Auto ab. Ungefähr zwei Stunden später geriet der BMW in Brand. Das Feuer sprang auf das Auto der Bekannten über. Frau B forderte Schadenersatz von der Kfz-Haftpflichtversicherung des A, weil das Feuer durch den Betrieb des BMW entstanden sei.

Doch die Versicherung winkte ab: Der Brand sei nicht durch einen Defekt ausgelöst, sondern absichtlich gelegt worden, wie ihr Brandsachverständiger herausgefunden habe. Daraufhin klagte Frau B auf Schadenersatz. Der stehe ihr zu, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle, das ebenfalls ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte (14 U 189/20). Und die Ergebnisse des gerichtlichen Kfz-Sachverständigen fand das OLG überzeugender.

An der Verkabelung des Anlassers hätten sich Schmelzspuren gezeigt, die auf einen Kurzschlussstrom zurückzuführen seien. Laut Hersteller könne es zudem durch eindringende Feuchtigkeit zu Kurzschlüssen bei elektrischen Kontakten der Kraftstofffilterheizung kommen. Letztlich sei es aber nicht mehr möglich, die konkrete Brandursache nachzuweisen, habe der Kfz-Sachverständige betont: Nicht einmal Brandstiftung habe er zu 100 Prozent ausgeschlossen — wahrscheinlicher sei aber ein Kurzschluss im Bereich der Kraftstofffilter.

Ein Defekt als Brandursache sei also wahrscheinlich, wenn auch nicht bewiesen, so das OLG. Da jedoch auch die Versicherung die Brandstiftung nicht habe beweisen können, müsse sie für den Schaden einstehen, erklärte das OLG.

Anspruch auf Schadenersatz von der Versicherung bestehe zudem nur, wenn der Schaden durch den Betrieb des BMW entstanden sei. Um diesen Zusammenhang zu bejahen, müsse die geschädigte Kfz-Halterin nicht belegen, welches Fahrzeugteil konkret den Brand verursacht habe. Es müsse nur feststehen, dass das Feuer in engem zeitlichem Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang des Fahrzeugs entstanden sei. Und das treffe zu, wenn ein Wagen — wie hier der BMW — etwa zwei Stunden vor dem Brand noch gefahren wurde.

Lange Leidensgeschichte verschwiegen

Berufsunfähigkeitsversicherung focht den Vertrag einer Sekretärin wegen arglistiger Täuschung an

Im Mai 2016 schloss eine Sekretärin eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Im Antragsformular war nach Vorerkrankungen, ärztlichen Behandlungen und Klinikaufenthalten in den letzten fünf Jahren gefragt worden. Die Antragstellerin hatte alle Gesundheitsfragen verneint. Tatsächlich war sie jedoch wegen eines chronischen Schmerzsyndroms seit Jahren behandelt worden, litt zudem an Gastritis, Reizdarm, Koliken im Oberbauch. Deswegen hatte die Frau 2014 einige Tage im Krankenhaus gelegen.

Der Versicherungsvertrag kam zwar zustande. Als die Sekretärin jedoch einige Jahre später Leistungen wegen Berufsunfähigkeit verlangte, focht das Versicherungsunternehmen den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. Die Versicherungsnehmerin habe im Antragsformular bewusst erhebliche Vorerkrankungen verschwiegen.

Zu diesem Ergebnis kam auch das Oberlandesgericht (OLG) Dresden: Es wies die Klage der Versicherungsnehmerin auf Leistungen ab (4 U 2453/20). Vergeblich erklärte sie nun, ihre Beschwerden seien eher als "Befindlichkeitsstörung denn als Krankheiten" einzustufen gewesen. Das sei eine Schutzbehauptung, die durch die ärztlichen Behandlungsunterlagen eindeutig widerlegt werde, urteilte das OLG.

Offenkundig habe die Sekretärin in den Jahren vor Vertragsschluss ständig unter Schmerzen gelitten. Sie habe kontinuierlich starke Schmerzmittel eingenommen und wegen ihrer Magen-Darm-Probleme Protonenpumpenhemmer. Als sie 2016 die Versicherung beantragte, habe sie eine mindestens sechs Jahre dauernde Leidensgeschichte hinter sich gehabt. Angesichts häufiger Arztbesuche, erheblichen Medikamentenkonsums, einer Notfalleinweisung ins Krankenhaus und 88 Tagen Arbeitsunfähigkeit zwischen 2011 und 2016 müsse man von ernsten Gesundheitsproblemen ausgehen.

Versicherungsnehmer müssten Fragen im Antragsformular erschöpfend beantworten. Sie dürften sich nicht auf schwere Krankheiten beschränken und auch nicht selbst bewerten, welche Angaben für den Versicherer wichtig sein könnten. Sie müssten auch Probleme angeben, die noch keinen Krankheitswert hätten — diese zu bewerten, sei allein Sache des Versicherers. Dass die Versicherungsnehmerin sich als vollkommen gesund dargestellt und sogar chronische Beschwerden unterschlagen oder stark verharmlost habe, spreche für eine bewusste Täuschung.

Unfall mit Totalschaden

Muss der Kfz-Haftpflichtversicherer auch Kreditkosten des Unfallgeschädigten ersetzen?

Der Unfallverursacher hatte die Vorfahrt missachtet: Bei dem Zusammenstoß erlitt der sieben Jahre alte Wagen von Herrn S wirtschaftlichen Totalschaden. Der Kfz-Sachverständige schätzte den Wiederbeschaffungswert auf 19.800 Euro, den Restwert auf 3.460 Euro.

Ein paar Tage nach dem Unfall teilte der Anwalt von S der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners mit, Herr S habe ein Ersatzauto für 19.900 Euro gefunden. Der Unfallgeschädigte habe den Kauf mündlich vereinbart, könne ihn aber nicht mit eigenen Mitteln vorfinanzieren. Er bitte daher, das Geld möglichst zügig zu überweisen, um weitere Kosten für Mietwagen und Nutzungsausfall zu vermeiden.

Da innerhalb der gesetzten Frist kein Geld auf seinem Konto ankam, nahm Herr S bei einer Bank 14.000 Euro Kredit auf und schloss gleichzeitig eine Ratenschutz-Police ab (Restschuldversicherung). Die Kreditkosten beliefen sich auf 1.430,62 Euro. Diesen Betrag - unter anderen - wollte die Haftpflichtversicherung nicht ersetzen. Zu Recht, entschied das Landgericht: Herr S oder sein Anwalt hätte ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass er plante, ein Darlehen aufzunehmen.

Diesen Hinweis erklärte das Oberlandesgericht Düsseldorf, das über die Berufung des Unfallgeschädigten zu entscheiden hatte, für überflüssig (I-1 U 294/19). Der Anwalt habe deutlich genug ausgeführt, dass S aufgrund knapper Finanzen auf die Zahlung des Versicherers angewiesen sei, um ein Ersatzauto zu beschaffen. Ohne diese Zahlung könnten weitere Kosten entstehen, habe der Anwalt gewarnt.

Dass eine mögliche Folge der Nichtzahlung eine Kreditaufnahme sein würde, sei da wirklich naheliegend. Dem Versicherer habe klar sein müssen, dass er zügig überweisen musste, um höheren Schaden zu vermeiden. Herr S habe aus beruflichen Gründen möglichst schnell ein Ersatzauto gebraucht. Für ihn sei es daher notwendig gewesen, einen Kredit aufzunehmen, Restschuldversicherung inklusive.

Geringverdienern, die keine banküblichen Sicherheiten für die Rückzahlung eines Kredits bieten könnten, bewilligten Banken einen Verbraucherkredit üblicherweise nur mit Ratenschutz-Police. Der Unfallgeschädigte habe also mit der Kreditaufnahme keinesfalls seine Pflicht verletzt, den Schaden für die Versicherung so gering wie möglich zu halten. Die Versicherung müsse auch die Kreditkosten übernehmen.

Autoreparatur "wirtschaftlich unsinnig"?

Der Gutachter schätzte die Reparaturkosten auf 132 Prozent des Wiederbeschaffungswerts

Nach einem Verkehrsunfall, den der Unfallgegner verschuldet hatte, ließ Autofahrer X den Schaden begutachten. Der DEKRA-Sachverständige schätzte die Reparaturkosten auf 6.185 Euro brutto. Bei einem Wiederbeschaffungswert des Unfallautos von 4.700 Euro lagen die Reparaturkosten damit ganz knapp über der 130-Prozent-Grenze: Kostet eine Reparatur mehr als 130 Prozent des Wiederbeschaffungswerts, gilt sie in der Regel als "wirtschaftlich unsinnig" und wird von der Versicherung des Unfallgegners nicht voll finanziert.

Herr X ließ sein Auto in einer freien Werkstatt mit gebrauchten Ersatzteilen reparieren und zahlte 6.086 Euro, d.h. 129 Prozent des Wiederbeschaffungswerts. Die Versicherung ersetzte nur 3.475 Euro (Wiederbeschaffungswert minus Restwert).

Begründung: Die Reparatur sei wirtschaftlich unvernünftig, auch wenn die Kosten etwas "gedrückt" wurden. So ein Vorgehen ignoriere das Schadensgutachten, in dem die Kosten natürlich mit Original-Ersatzteilen berechnet würden. Und nur mit Originalteilen sei eine wirklich fachgerechte Reparatur zu erreichen. Zudem täten Kfz-Mechaniker den Kunden gern einen Gefallen, die ihr Auto weiterfahren wollten. Daher bestehe Manipulationsgefahr durch versteckte Rabatte.

Der Unfallgeschädigte X verlangte vollen Ersatz der tatsächlichen Reparaturkosten. Zu Recht, entschied das Landgericht Frankfurt/Oder (16 S 103/20). Die Kürzung des Betrags sei nicht gerechtfertigt. Bereits in der Verhandlung vor dem Amtsgericht habe die Haftpflichtversicherung eingeräumt, dass die Reparatur fachgerecht durchgeführt worden sei. Daran müsse sie sich nun festhalten lassen. Die Reparatur sei auch vollständig, d.h. in einem Umfang geschehen, den der Sachverständige seiner Kostenschätzung zugrunde gelegt habe.

Wenn ein Unfallgeschädigter seinen Wagen behalten wolle, sei dieses Interesse in gewissen Grenzen zu berücksichtigen. Gelinge es seiner Werkstatt, mit Gebrauchtteilen die Kosten unter der 130-Prozent-Grenze zu halten und trotzdem die Reparatur nach den Vorgaben des Schadensgutachtens auszuführen, könne man dem Autobesitzer nicht unter Verweis auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit den vollen Schadenersatz verwehren.

Kaskoversicherter fährt mehr km als vereinbart

Eine Vertragsstrafe muss zum bestraften Verstoß in einem angemessenen Verhältnis stehen

Unter bestimmten Bedingungen zahlen Versicherungsnehmer für ihre Kaskoversicherung einen niedrigeren Beitrag, z.B. wenn sie eine Garage besitzen, wenn sie das Auto alleine nutzen etc. Auch eine Obergrenze für die Fahrleistung kann vereinbart werden — als Vielfahrer zahlt man eine höhere Prämie als ein Versicherter, der wenig fährt. Was passiert, wenn sich der Versicherungsnehmer an so eine Vereinbarung nicht hält?

Autofahrer A hatte der Kaskoversicherung zugesichert, er fahre maximal 15.000 Kilometer (km) im Jahr. Als das Unternehmen nach einem Verkehrsunfall den Schaden regulierte, fiel dem Sachbearbeiter auf, dass das Unfallauto mehr km auf dem Tacho hatte als vereinbart — die Jahresfahrleistung war überschritten. Daraufhin forderte die Versicherung von A 500 Euro Vertragsstrafe. Der Versicherungsnehmer ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen und zahlte nicht. Zu Recht, entschied das Landgericht Koblenz (16 S 2/21).

Grundsätzlich sei es allerdings berechtigt, wenn die Versicherung bei Verstößen gegen die vertraglichen Vereinbarungen Sanktionen verhänge, betonte das Landgericht. Das Unfallrisiko steige bekanntlich mit der Fahrleistung. Versicherungsnehmer müssten deshalb eine höhere Kilometerzahl melden: Ansonsten könnten sie nach Belieben eine zu niedrige Fahrleistung angeben, um möglichst wenig Versicherungsbeitrag zu zahlen. Wenn Versicherungsnehmer bestimmte Bedingungen vereinbarten, um Geld zu sparen, müssten sie auch eine Vertragsstrafe für einen Verstoß in Kauf nehmen.

Im konkreten Fall weiche jedoch die vertragliche Regelung von den "Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft" ab. Diese sähen zwar auch eine Vertragsstrafe vor, aber nur für einen vorsätzlichen Verstoß. Dagegen werde gemäß den Vertragsbedingungen von A schon bei einer nur fahrlässigen Nichtanzeige eine Sanktion von 500 Euro fällig und auch dann, wenn ein Versicherungsnehmer die Jahresfahrleistung nur geringfügig überschreite.

So gestaltet, benachteilige die Vertragsstrafe den Versicherungsnehmer unverhältnismäßig. Wer einen km mehr fahre als vertraglich festgelegt und das fahrlässig nicht melde, müsste 500 Euro zahlen - obwohl der Versicherungsbeitrag unter diesen Umständen nur um 0,01 Euro zu niedrig berechnet wäre. Da stehe die Sanktion in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum minimalen Vertragsverstoß des Versicherten. Diese Regelung sei daher unwirksam.

Desinfektion nach der Autoreparatur

Kurzartikel

Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers muss dem Unfallgeschädigten auch die Kosten für die pandemiebedingte Desinfektion des Wagens erstatten. Wenn das Auto vor der Reparatur desinfiziert werde, müsse die Kfz-Werkstatt die Kosten tragen, weil die Maßnahme die Kfz-Mechaniker vor Ansteckung schütze. Dagegen komme die erneute Desinfektion vor der Rückgabe des reparierten Fahrzeugs dem Unfallgeschädigten zugute, deren Kosten müsse die Versicherung übernehmen.

Langwierige Autoreparatur nach einem Unfall

Kann die Kfz-Haftpflichtversicherung deshalb die Nutzungsausfallentschädigung kürzen?

Nach einem Verkehrsunfall stand eindeutig fest: Autofahrer A hatte ihn allein verschuldet, seine Kfz-Haftpflichtversicherung musste für die Reparatur des beschädigten Wagens von Autofahrer B aufkommen. Da die Werkstatt dafür allerdings etwa zwei Monate brauchte, weigerte sich das Versicherungsunternehmen, für die volle Dauer der Reparaturzeit Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen.

Doch Autofahrer B bestand darauf und das zu Recht, wie das Amtsgericht Bautzen entschied (21 C 570/20). Grundsätzlich müssten Unfallgeschädigte bei der Werkstatt nachhaken, wenn eine Reparatur ungewöhnlich lange dauere, und darauf drängen, sie so schnell wie möglich zu erledigen. Wenn zweifelhaft sei, ob die beauftragte Werkstatt das Auto in angemessener Zeit instand setzen könne, müsse sich der Unfallgeschädigte notfalls nach einer anderen Werkstatt umsehen.

Ansonsten verletzten Unfallgeschädigte ihre Pflicht, den Schaden für die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners so gering wie möglich zu halten. Liege so ein Verstoß vor, dürfe die Versicherung durchaus die Nutzungsausfallentschädigung kürzen. Im konkreten Fall sei Autofahrer B für die überlange Reparaturzeit jedoch nicht verantwortlich.

Er habe jede Woche bei der Werkstatt nachgefragt, wie lange es noch dauern werde. Das sei mit Mails belegt. Die Werkstatt habe aber keine Prognose abgeben können, weil sie auf ein Ersatzteil habe warten müssen. Coronabedingt gebe es in diesem Bereich derzeit große Lieferschwierigkeiten. Dies zu beeinflussen, sei für den Unfallgeschädigten unmöglich — die Verzögerung sei ihm nicht anzulasten. Daher stehe B Nutzungsausfallentschädigung für die gesamte Reparaturzeit zu.