Versicherung

WEG und Gebäudeversicherung

Ist für den Schadensfall ein Selbstbehalt vereinbart, müssen ihn die Eigentümer gemeinsam tragen

Eine Eigentümergemeinschaft (WEG) hat für die Wohnanlage (Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum) eine Gebäudeversicherung abgeschlossen, die auch Leitungswasserschäden abdeckt. Da in den Wohnungen von Eigentümerin A mangelhafte Wasserleitungen verlegt wurden, traten hier wiederholt Wasserschäden auf. Allein 2018 betrug der Schaden 85.000 Euro. Aus diesem Grund läuft schon lange ein Rechtsstreit zwischen der WEG und der Handwerksfirma, die die Kupferrohre verlegt hat.

Bei jedem Schaden beauftragte die Verwalterin ein Fachunternehmen mit den Reparaturen und beglich die Rechnung vom Gemeinschaftskonto. Die Gebäudeversicherung ersetzte den Schaden - bis auf den vereinbarten Selbstbehalt. Den Selbstbehalt legte die Verwalterin auf die Eigentümer um, so, wie es ihren Miteigentumsanteilen entsprach. Er stieg mit jedem Schadensfall und belief sich zuletzt auf 7.500 Euro.

Gegen die Umlage des Selbstbehalts protestierte Eigentümerin B, der eine große Gewerbeeinheit gehört: Bei ihr sei noch nie ein Schaden aufgetreten, die Mängel beträfen nur das Sondereigentum der Eigentümerin A. Eigentümerin B wollte sich deshalb nicht mehr an den Kosten für die Beseitigung von Leitungsschäden beteiligen und verlangte, den Selbstbehalt anders aufzuteilen. Beim Bundesgerichtshof erreichte sie einen Teilerfolg (V ZR 69/21).

Die derzeitige Praxis der Verwalterin sei rechtmäßig, so die Bundesrichter. Es entspreche der Interessenlage der Eigentümer, wenn der Sondereigentümer den Selbstbehalt bei einem Versicherungsfall nicht alleine finanzieren müsse. Schließlich profitierten von einem Selbstbehalt alle Eigentümer, weil so die WEG als Versicherungsnehmerin einen niedrigeren Versicherungsbeitrag zahle. Also müssten auch alle die Kosten tragen: Ebenso wie der Beitrag sei der Selbstbehalt gemäß den Eigentumsanteilen aufzuteilen.

Allerdings könne die WEG durchaus vereinbaren, für die Zukunft den Verteilungsschlüssel zu ändern. Darauf hätte die Eigentümerin B Anspruch, wenn die bisherige Regelung sie unbillig belaste. Das wäre der Fall, wenn das Leitungsnetz in den Wohneinheiten und in der Gewerbeeinheit unterschiedlich gebaut bzw. installiert sei — wenn also absehbar wäre, dass Leitungswasserschäden weiterhin (nur) in den Wohneinheiten auftreten und B trotzdem regelmäßig die Kosten mittragen müsste.

Dann müsste die WEG den Verteilungsschlüssel für den Selbstbehalt ändern. Die Bundesrichter verwiesen den Rechtsstreit zurück an die Vorinstanz: Sie müsse nun klären, ob tatsächlich unterschiedliche bauliche Verhältnisse vorlägen.

Gehbehinderte Fußgängerin angefahren

Mitverschulden, weil die Seniorin beim Überqueren der Straße nicht auf den Verkehr achtete

Eine 81 Jahre alte, gehbehinderte Frau ist ständig mit Gehhilfen unterwegs. Eines Abends überquerte sie nach Einbruch der Dunkelheit eine Straße. In der Straßenmitte blieb die Seniorin nicht stehen, um zu schauen, ob von rechts ein Fahrzeug kommt. Stattdessen ging sie langsam weiter. Eine Autofahrerin, die sich von rechts näherte, konnte nicht rechtzeitig bremsen und erfasste die Fußgängerin mit dem Wagen.

Die schwer verletzte Frau verlangte von der Autofahrerin — d.h. von ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung — Schmerzensgeld für die Unfallfolgen. Das Oberlandesgericht Dresden bejahte zwar prinzipiell den Anspruch der Seniorin. Es lastete ihr jedoch ein Mitverschulden von 50 Prozent an: Ihr Anspruch sei um die Hälfte zu kürzen (14 U 1267/21).

Auf der Straße hätten Autos Vorfahrt. Fußgänger müssten den "fließenden Verkehr" genau beobachten. In der Straßenmitte müssten sie auf Verkehr achten, der von rechts komme, und warten, bis er vorbeigefahren sei. Diese Grundregel habe die Fußgängerin ignoriert. Gerade weil sie sich nur sehr langsam fortbewegen könne, hätte sie stehenbleiben und sich vergewissern müssen, ob sich Verkehr näherte. Spätestens von der Straßenmitte aus hätte sie den Wagen sehen können.

Aber auch die Autofahrerin habe zu dem Unfall beigetragen: Aufgrund der guten Straßenbeleuchtung an der Unfallstelle habe sie die hell gekleidete Gehbehinderte mindestens 40 Meter vor dem Unfallpunkt schon erkennen können. Es sei zwar bereits dunkel gewesen, aber witterungsbedingte Sichtprobleme habe es nicht gegeben. Hätte die Autofahrerin schnell genug gebremst, hätte sie den Wagen vor der Fußgängerin noch anhalten können. Die Haftungsquote zu halbieren sei daher angemessen.

Armverletzung führt zu Belastungsstörung

Private Unfallversicherung: Psychische Reaktionen auf einen Unfall sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen

Herr F hat eine private Unfallversicherung abgeschlossen, mit einer Höchstleistung von 25.000 Euro für Invalidität. Nach den Versicherungsbedingungen sind "krankhafte Störungen in Folge psychischer Reaktionen" vom Versicherungsschutz ausgeschlossen — "auch wenn diese durch den Unfall verursacht wurden".

2020 meldete Herr F dem Versicherungsunternehmen einen Unfall und verlangte Leistungen wegen Invalidität: Er sei bei einem Sturz mit dem rechten Ellenbogen gegen einen Heizkörper geprallt. Infolge dessen habe sich der Arm großflächig entzündet und sei nur noch eingeschränkt zu bewegen. Die Armverletzung habe bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst.

Die Versicherung zahlte nicht und verwies auf den Leistungsausschluss. Daraufhin klagte der Versicherungsnehmer und erzielte beim Landgericht einen Teilerfolg: Es sprach ihm wegen der dauerhaften Unfallfolgen am Arm eine Versicherungsleistung von 12.500 Euro zu, verneinte aber den Anspruch wegen der psychischen Erkrankung.

Dabei blieb es auch in der nächsten Instanz: Weitere Leistungen ständen Herrn F nicht zu, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt (7 U 88/21). Der Versicherungsnehmer berufe sich auf eine posttraumatische Belastungsstörung, ausgelöst durch die Armverletzung und ihre Dauerfolgen. Das Landgericht habe erwogen, ob so ein Unfall überhaupt zu psychischen Beschwerden führen könne, und dies in Zweifel gezogen. Ob die psychische Reaktion auf die körperliche Verletzung medizinisch nachvollziehbar sei, darauf komme es hier aber gar nicht an.

Der in den Versicherungsbedingungen aufgeführte Leistungsausschluss betreffe nicht nur psychische Fehlverarbeitungen eines körperlichen Geschehens. Nach der einschlägigen Klausel seien krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen vielmehr auch dann vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, wenn sie wirklich objektiv durch einen Unfall verursacht wurden, wenn also der Kausalzusammenhang feststehe.

Autofahrer rammt Laterne und fährt weg

Ob betrunken oder nüchtern: Wer sich vom Unfallort entfernt, verliert den Kaskoschutz

Am späten Abend war der Autofahrer fast schon im Haus seiner Eltern angekommen, da fuhr er mit ca. 20 km/h gegen eine Laterne. Dort wartete er aber nicht, sondern ging zu Fuß nach Hause. Die Eltern riefen bei der Polizei an und eilten dann zum Unfallort, um mit den Beamten den Unfall aufzunehmen.

Etwa eineinhalb Stunden nach dem Laternen-Crash fand dann eine Blutprobe statt. Das Ergebnis: 2,79 Promille. Beim Unfall sei er aber nüchtern gewesen, sagte der junge Mann aus. Vor lauter Frust habe er danach eine Flasche Wodka getrunken und sich ins Bett gelegt.

Der Kfz-Versicherer weigerte sich, die Reparaturkosten für Auto und Laterne zu ersetzen: Dass die erhebliche Alkoholkonzentration von einem "Nachtrunk" stamme, sei nicht plausibel. So sah es auch das Landgericht Braunschweig (7 O 599/17). Es ging davon aus, dass der Versicherungsnehmer beim Unfall betrunken war und wies seine Zahlungsklage gegen die Kaskoversicherung ab.

Die Berufung des Autofahrers gegen das Urteil scheiterte im April 2022 beim Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig: Letztlich komme es hier gar nicht darauf an, wann sich der Autofahrer betrunken habe, stellte das OLG nüchtern fest.

Den Versicherungsschutz verliere er in jedem Fall: Denn er hätte den Unfallort nicht verlassen dürfen. Versicherungsnehmer müssten nach einem Unfall zu dessen Aufklärung beitragen. Die Kfz-Versicherung müsse die Möglichkeit haben, alle Umstände zu prüfen — auch und gerade eventuellen Drogen- oder Alkoholkonsum des Fahrers, der sie von der Leistung befreie.

Diese Prüfung habe der Autofahrer im konkreten Fall vereitelt, indem er sich vom Unfallort entfernte und Wodka trank — falls der behauptete "Nachtrunk" überhaupt stattgefunden habe. Nach eineinhalb Stunden könne man die Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeitpunkt nicht mehr zuverlässig bestimmen. Sollte der Versicherungsnehmer tatsächlich beim Aufprall nüchtern gewesen sein, sei der Versicherer aus einem anderen Grund "leistungsfrei" - weil nämlich der Versicherungsnehmer seine Pflicht verletzt habe, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadens diene.

Leitungswasserschaden in der Küche

Gebäudeversicherer soll für weitere Schäden durch die ausgewählte Sanierungs-Fachfirma haften

Vielleicht war es ja Zufall. Einige Tage nach dem Abschluss einer Hausrat- und Gebäudeversicherung ereignete sich im Juli 2017 ein Leitungswasserschaden im Einfamilienhaus des Versicherungsnehmers G: Vor allem die Küche war betroffen. Geräte gingen kaputt, der Boden war durchfeuchtet.

Der Versicherer prüfte den Schaden und beauftragte eine Fachfirma damit, die Küche "trockenzulegen" und instand zu setzen. Für den Schaden am Gebäude zahlte er 5.433 Euro, für den Hausrat 2.050 Euro.

Doch nach der Sanierung verlangte der Hauseigentümer mehr: Die Handwerksfirma habe die Arbeiten nicht fachgerecht durchgeführt, behauptete er, und an der Einrichtung weitere, erhebliche Schäden angerichtet. Dadurch sei ihm zusätzlich ein Verlust von über 32.000 Euro entstanden. Dafür müsse der Versicherer haften, schließlich habe er die Firma beauftragt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg wies die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers ab (8 U 3825/21). Für die Höhe des Schadens habe er keinerlei Beweise vorgelegt, stellte das OLG fest. So behaupte G, Mitarbeiter der Sanierungsfirma hätten Küchenmöbel nicht eingelagert, sondern "einfach entsorgt". Sollte dies zutreffen, wäre es kein Versicherungsfall, sondern mutwillige Sachbeschädigung, für die die Mitarbeiter haften müssten.

Zum Wert der restlichen Kücheneinrichtung habe er nichts Schlüssiges vorgetragen. Den Kaufvertrag für eine neue Küche habe G jedenfalls schon abgeschlossen, bevor die Fachfirma mit der Sanierung begonnen habe.

Doch letztlich spiele es keine Rolle, dass der Versicherungsnehmer den Umfang des Schadens nicht belegen könne. Denn selbst dann, wenn die Firma den Schaden vergrößert hätte, anstatt ihn zu beseitigen, müsste dafür nicht die Gebäudeversicherung einstehen. Wenn sie Handwerker mit der Instandsetzung von Schäden beauftrage, handle sie im Interesse des Versicherten, um die Sanierung zu beschleunigen. Die Haftung für Werkmängel übernehme die Versicherung damit nicht.

Sie schulde dem Versicherungsnehmer nur die sachgerechte Auswahl eines für die Sanierung geeigneten Unternehmens. Und die darauf spezialisierte Handwerksfirma sei zweifellos "geeignet". Ihr Reparaturangebot habe G angenommen und einen Sanierungsvertrag abgeschlossen. Gegenüber der Versicherung habe er keine Einwände gegen die Auswahl der Firma erhoben. In so einem Fall sei (eventuelles) Verschulden der Handwerker nicht der Versicherung zuzurechnen, die Handwerksfirma werde nicht als deren Erfüllungsgehilfe tätig.

Versehentlich Herdplatte eingeschaltet

Die Wohngebäudeversicherung darf ihre Leistung für den Brandschaden um 25 Prozent kürzen

Eine Hauseigentümerin wollte im Februar 2020 einkaufen gehen. Da fiel ihr ein, dass noch eine Herdplatte eingeschaltet war. Doch beim Ausschalten griff die Frau daneben: Anstatt diese Herdplatte auszustellen, schaltete sie eine andere Platte auf die höchste Stufe. Dann verließ sie das Haus. Als die Frau nach einer knappen halben Stunde zurückkam, brannte die Küche lichterloh.

Die Wohngebäudeversicherung übernahm zwar den Brandschaden von rund 36.000 Euro, kürzte die Leistung aber um 25 Prozent: Die Versicherungsnehmerin habe den Brand durch ihre Unachtsamkeit grob fahrlässig ausgelöst, lautete die Begründung. So sah es auch das Oberlandesgericht Bremen: Es hielt die Kürzung für angemessen und wies die Kklage der Hauseigentümerin auf Zahlung des restlichen Betrags ab (3 U 37/21).

Offenbar habe die Versicherungsnehmerin die Drehknöpfe unaufmerksam verstellt, ohne hinzusehen — andernfalls hätte sie nicht den falschen Schalter betätigt und ein falsches Kochfeld bedient. Da ein eingeschalteter Elektroherd bekanntlich eine Gefahr darstelle, hätte sie sich vergewissern müssen, dass er auch tatsächlich ausgeschaltet war — zumal sie beabsichtigte, aus dem Haus zu gehen. Da dürfe man sich nicht auf den bloßen Eindruck verlassen, sämtliche Herdplatten ausgeschaltet zu haben.

Gewissheit könne man sich einfach und schnell verschaffen: Bei modernen Geräten durch einen Blick auf die Knöpfe, auf ein Display oder auf den farblichen Zustand der Ceranfelder. Hätte die Versicherungsnehmerin nachgeschaut, hätte sie sofort festgestellt, dass sie versehentlich ein weiteres Kochfeld eingeschaltet hatte.

Auf ein entschuldbares Augenblicksversagen könne sich die Hauseigentümerin nicht berufen. Umstände, die ihre Nachlässigkeit in milderem Licht erscheinen ließen — also besondere Eile oder Ablenkung durch eine außergewöhnliche (Not-)Situation, — seien hier nicht ersichtlich.

Widerspruchsbelehrung muss auffallen!

Kurzartikel

Erhält ein Versicherungsnehmer die Vertragsunterlagen (Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation) nicht schon beim Antrag auf den Abschluss einer Lebensversicherung, sondern erst mit der Übergabe des Versicherungsscheines, hat er 14 Tage lang ein Widerspruchsrecht. Die Information über dieses Recht — "Widerspruchsbelehrung" — ist im Vertrag deutlich hervorzuheben.

"Deutlich" definiert das Oberlandesgericht Dresden so: Die Information müsse durch große Schrift und Schriftart gut lesbar sein und drucktechnisch so stark betont werden, dass der Versicherungsnehmer sie beim Durchblättern der Unterlagen sogar dann nicht übersehen könne, wenn er nicht bewusst nach der Widerspruchsbelehrung suche.

Bekannte sollte die Stute einer schwangeren Reiterin bewegen

Wird eine "Vertreterin" vom buckelnden Pferd abgeworfen, haftet die Tierhalterin

Eine Reiterin war schwanger. Deshalb bat sie eine Frau, die in demselben Reitstall Pferde stehen hat, sie möge doch gelegentlich ihre dreijährige Stute reiten, bis sie nach der Geburt wieder mit dem Reitsport beginnen könne. Die Bekannte und auch deren Mutter hatten die Stute schon geritten. Sie sagten zu — mit ungeahnten Folgen. Denn bei einem Ausritt buckelte die Stute plötzlich und warf die Mutter der Bekannten ab. Die Frau brach sich den Arm.

Ihre Krankenkasse übernahm die Behandlungskosten (5.175 Euro) und verlangte anschließend den Betrag von der Tierhalterin: Sie müsse für die Folgen haften, wenn ihr Pferd Schaden anrichte. Die Pferdebesitzerin wies die Forderung zurück: Eigentlich habe sie ihr Pferd nicht der gestürzten Reiterin anvertraut, sondern deren Tochter. Die verletzte Frau habe sich den Unfall selbst zuzuschreiben, sie habe sich sozusagen "eigenverantwortlich gefährdet".

Darauf könne sich die Tierhalterin nicht berufen, urteilte das Landgericht Koblenz: Sie (d.h. ihre Tierhalterhaftpflichtversicherung) müsse die Behandlungskosten erstatten (3 O 134/19). Das Gericht hatte die gestürzte Reiterin und deren Tochter vernommen. Danach war es davon überzeugt, dass die Tierhalterin darüber Bescheid wusste, dass sich auch die Mutter um das Tier kümmerte.

Dass der Unfall durch die typische Tiergefahr, also das unberechenbare "selbstgesteuerte" Verhalten des Pferdes, ausgelöst worden sei, stehe fest. Wie Zeugen bestätigten, habe die Stute plötzlich den Kopf zwischen die Beine genommen und mehrfach gebuckelt, bis sich die Reiterin nicht mehr habe im Sattel halten können. Von (Mit-)Verschulden der Reiterin sei nicht auszugehen: Das träfe nur zu, wenn die Frau gestürzt wäre, obwohl das Pferd tat, was sie wollte.

Doch die Stute sei dem Willen der Reiterin offenkundig nicht gefolgt. Die Frau reite seit 40 Jahren und habe das Pferd gekannt: Sie sei daher mit dem Ausritt keineswegs ein ungewöhnliches Risiko eingegangen, mit dem sie sich selbst in Gefahr brachte. Wer aus Gefälligkeit das Pferd einer anderen Reiterin bewege, verzichte damit auch nicht unausgesprochen auf Schadenersatzansprüche im Falle eines Unglücks — ein Verzicht, der letztlich sowieso nur der Tierhalterhaftpflichtversicherung der Pferdehalterin zugutekäme.

Ausgeschaltete Ampel reflektierte die Sonne

Geblendeter Autofahrer bremste abrupt: Auffahrender muss die Unfallfolgen nicht allein tragen

Ein Autofahrer näherte sich mit normaler Geschwindigkeit einer Fußgängerampel. Von der Sonne geblendet, dachte er, die Ampel zeige für ihn Rot und bremste abrupt ab. Die Ampel war jedoch außer Betrieb, so dass ein zweiter Fahrer, der nicht mit einem Stopp seines Vordermannes rechnete, von hinten auffuhr.

An einem Auffahrunfall hat normalerweise immer der Auffahrende schuld. Wer auf den Vorausfahrenden auffährt, war in der Regel unaufmerksam oder zu dicht am "Vordermann" dran. Selbst starkes Bremsen des Vorausfahrenden muss einkalkuliert werden.

Im konkreten Fall habe jedoch der Vorausfahrende den Unfall schuldhaft mitverursacht, stellte das Oberlandesgericht Köln fest (19 U 34/94). Zwar sei sein Irrtum aufgrund der tiefstehenden Sonne verständlich, trotzdem dürfe er ohne erkennbaren Grund keine Vollbremsung hinlegen.

Der zweite Fahrer habe nicht damit rechnen können, dass der Vorausfahrende an einer ausgeschalteten Ampel halten würde. Aufgrund des unerwarteten Bremsmanövers müsse der Vorausfahrende 30 Prozent der Reparaturkosten übernehmen, den restlichen Schaden müsse die Kfz-Versicherung des Auffahrenden tragen.

Operative Magenverkleinerung

Muss die Krankenkasse den Eingriff nur dann finanzieren, wenn alle anderen Therapien erfolglos waren?

Ein stark übergewichtiger, gesetzlich versicherter Mann ließ sich in einer Klinik den Magen operativ verkleinern. Klinikaufenthalt und Schlauchmagen-OP kosteten 7.204 Euro. Seine Krankenkasse, die AOK Bayern, hatte nach Rücksprache mit dem "Medizinischen Dienst der Krankenversicherung" (MDK) die Kostenübernahme verweigert.

Begründung: So einen Eingriff müsse sie nur finanzieren, wenn er die "ultima ratio" darstelle, d.h. wenn alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ohne Erfolg durchgeführt worden seien. Eine konservative Therapie gegen Fettleibigkeit sei im konkreten Fall aber nicht dokumentiert, also gar nicht erst versucht worden. Dass die Operation medizinisch notwendig gewesen sei, stehe daher nicht fest.

Die Klinik verklagte die Krankenkasse auf Zahlung und bekam vom Landessozialgericht (LSG) Recht. Doch das Bundessozialgericht befand, die bisherigen Feststellungen reichten nicht aus, um die Frage zu entscheiden, ob der Eingriff medizinisch notwendig war und der Klinik deshalb Vergütung zustehe (B 1 KR 19/21 R). Die Bundesrichter verwiesen den Rechtsstreit ans LSG zurück — mit folgendem Hinweis für die Entscheidung:

Bei Fettleibigkeit dürfe in der Tat eine operative Magenverkleinerung nur als "letztes Mittel" angewandt werden, wenn anders kein Fortschritt zu erzielen sei. Anders als die Krankenkasse meine, setze das jedoch nicht zwingend voraus, dass alle anderen Therapien vorher praktisch angewandt wurden und gescheitert seien. Es sei ausreichend, wenn feststehe, dass die voraussichtlichen Ergebnisse der Operation den zu erwartenden Resultaten anderer Behandlungsmöglichkeiten eindeutig überlegen seien.

Schadenersatz für folgenreichen Katzenbiss

Die Tierhalterhaftpflichtversicherung stellt den Fall vor Gericht anders dar als die Tierhalterin

Herr B hatte eine Bekannte besucht und in ihrem Haus übernachtet. Als er am Morgen mit der Hand unter die Schlafcouch griff, um sie zusammenzuschieben, wurde er von der Katze der Hausbesitzerin gebissen. Vor Gericht schilderte der Mann später, dass das Tier noch an seiner Hand hing, als er sie hochgehoben habe. Weil sich die Bisswunde stark entzündete, musste Herr B in einer Unfallklinik sechs Mal operiert werden.

Die Tierhalterhaftpflichtversicherung der Frau zahlte ihm freiwillig 1.000 Euro Schadenersatz. Als der Mann mehr Geld verlangte, bestritt die Versicherung jedoch plötzlich ihre Zahlungspflicht: Er sei Miteigentümer und Mithalter der Katze, also stehe ihm schon deshalb kein Schadenersatz zu. Außerdem seien Katzen nicht bissig, B müsse das Tier provoziert und in die Enge getrieben haben.

Dieser Ansicht war auch das Landgericht. Es wies die Klage des Verletzten auf weiteren Schadenersatz ab, obwohl die Tierhalterin dessen Version des Geschehens bestätigte: Die Couch mit dem Fuß einzuschieben, sei dem Freund nicht gelungen. Daraufhin habe er mit der Hand nach unten gegriffen und sie sofort schreiend wieder herausgezogen. Die Katze, die im Übrigen ihr allein gehöre, habe "noch drangehangen".

Herr B wehrte sich gegen das Urteil des Landgerichts und hatte beim Bundesgerichtshof Erfolg (VI ZR 1321/20). Zu Unrecht habe das Landgericht die Haftung der Tierhalterin mit dem Argument verneint, dass nicht feststehe, wie sich der Vorfall im Einzelnen ereignet habe. Darauf komme es hier gar nicht an, betonten die Bundesrichter.

Die Tierhalterin hafte für die Bissfolgen, weil ihre Katze aufgrund des für Tiere typischen, unberechenbaren Verhaltens den Besucher verletzt habe. Daher müsse die Tierhalterhaftpflichtversicherung den Verletzten entschädigen.

Dass die Versicherung dessen Aussagen bestreite, dürfe nicht berücksichtigt werden. Da ihre (interessierte) Stellungnahme den Erklärungen der versicherten Tierhalterin widerspreche, sei sie "unbeachtlich". Die Frau habe glaubwürdig versichert, dass sie die Katze alleine halte und dass sich der Vorfall so zugetragen habe wie von Herrn B geschildert. Das Landgericht hätte deshalb von dessen Darstellung des Geschehens ausgehen müssen.

Dicke Luft in der Pferdebox

Die Tierhaftpflichtversicherung muss nicht für eine ramponierte Trennmauer zwischen zwei Boxen einstehen

Reiterin B hatte ihr Pferd in einem Reiterhof eingestellt. Aus irgendeinem Grund konnte es das Tier in der Nachbarbox von Anfang an nicht leiden. Das Pferd von Frau B war permanent unruhig und schlug häufig nach dem anderen Pferd aus. Dabei traf es immer wieder die Trennmauer zwischen den beiden Boxen.

Nach ca. 15 Monaten brachen durch die ständigen Pferdetritte Steine aus der Mauer heraus. Der Inhaber des Reiterhofs präsentierte Frau B den Kostenvoranschlag einer Baufirma für die Reparatur (2.112 Euro brutto) und verlangte Schadenersatz in dieser Höhe.

Als die Tierhalterin den Schaden ihrer Tierhaftpflichtversicherung meldete, verwies diese nur auf ihre Versicherungsbedingungen: Grundsätzlich seien zwar auch Mietsachen mitversichert, aber nicht bei "übermäßiger Beanspruchung". Und die liege hier vor. Im konkreten Fall gehe es nicht um ein "einmaliges Ereignis". Das versicherte Pferd habe den Schaden offenkundig durch kontinuierliches Treten über einen längeren Zeitraum verursacht.

So sah es auch das Amtsgericht Kassel: Es wies die Zahlungsklage der Reiterin gegen das Versicherungsunternehmen ab (435 C 3646/18). Sie habe selbst ausgeführt, dass ihr Pferd auffällig auf das Pferd in der Nachbarbox reagiert habe. Kaum habe sie ihr Tier in diesem Stall untergebracht, habe es damit begonnen, gegen die Trennmauer zu treten. Das Pferd habe sich in dieser Nachbarschaft offensichtlich unwohl gefühlt.

Unverständlich, dass die Tierhalterin darauf über ein Jahr lang nicht reagiert habe. Schon, um das Wohlbefinden des Pferdes zu verbessern, hätte sie eine andere Box wählen sollen. Aber auch, um Schaden an der gemieteten Pferdebox abzuwenden, hätte die Reiterin ihr Pferd nicht so lange dort stehen lassen dürfen. Da sie nichts unternommen habe, gehe es letztlich auf ihr Konto, dass die Trennmauer nun reparaturbedürftig sei. Die Tierhaftpflichtversicherung müsse daher für den Schaden nicht einstehen.

Kollision an einer "beidseitigen" Fahrbahnverengung

Hier gilt nicht "rechts vor links", sondern das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme

Auf einer zweispurigen Hamburger Straße fuhr rechts Frau S mit ihrem Pkw, auf der linken Fahrspur ein Lastwagen. Nach einer Ampel folgten noch einige Markierungen zwischen den zwei Fahrstreifen, dann stand da ein Verkehrsschild mit dem Gefahrenzeichen 120: "Verengte Fahrbahn". Der Lkw-Fahrer zog den Laster nach rechts und stieß mit dem Wagen von Frau S zusammen, den er nicht bemerkt hatte.

Seine Kfz-Versicherung zahlte der Autofahrerin die Hälfte der Reparaturkosten. Damit gab sie sich jedoch nicht zufrieden: Schließlich sei sie doch auf der rechten Fahrspur gefahren, hätte also Vorfahrt gehabt. Frau S forderte vollen Schadenersatz, doch ihre Klage scheiterte in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (VI ZR 47/21) Der Schaden sei hälftig aufzuteilen, bestätigten die Bundesrichter.

Wenn zwei Fahrzeuge gleichauf in die Engstelle einfahren, bestehe keine Vorfahrt für eine der beiden Fahrspuren. Beim Zeichen 121 ("Einseitig verengte Fahrbahn") sei das anders: Wenn ein Fahrstreifen ende, hätten die Fahrer auf dem durchgehenden Fahrstreifen Vorrang. Im Bereich einer beidseitigen Fahrbahnverengung gelte dagegen das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme.

Dagegen hätten bei dem strittigen Unfall beide Beteiligten verstoßen. Der Lkw-Fahrer habe die Gefahrenstelle nicht aufmerksam genug befahren und deshalb das Auto nicht gesehen. Die Autofahrerin sei von — nicht bestehender — Vorfahrt ausgegangen und habe darauf vertraut, dass der Lkw-Fahrer sich hinter ihr einordnen werde. Vor so einer Engstelle müssten sich Kfz-Fahrer aber darüber verständigen, wer als erster in die Engstelle einfahren könne. Im Zweifel müsse jeder dem anderen den Vortritt lassen.

Vorschaden nicht fachgerecht repariert?

Kfz-Versicherung behauptet dies und reguliert deshalb einen Unfallschaden nicht

Im März 2020 wurde bei einem Verkehrsunfall, der voll auf das Konto des Unfallgegners ging, das Auto von Frau S beschädigt. Etwa ein Jahr vorher hatte sie den Gebrauchtwagen bei einem Autohändler gekauft. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers regulierte den aktuellen Unfallschaden nicht, sondern verwies auf einen Vorschaden: Die Unfallgeschädigte müsse erst einmal darlegen, ob der frühere Unfallschaden fachgerecht repariert worden sei.

Von einem früheren Unfallschaden wisse sie nichts, erklärte Frau S, sie habe das Auto jedenfalls in einwandfreiem Zustand im Autohaus gekauft. Der Kfz-Mechaniker des Händlers habe das Auto vorher untersucht und könne sicher bestätigen, dass es zum Zeitpunkt des Kaufs keine Schäden aufwies. Das Landgericht hörte den Zeugen jedoch nicht an und wies die Zahlungsklage der Unfallgeschädigten ab.

Die Berufung der Autobesitzerin gegen dieses Urteil hatte beim Oberlandesgericht (OLG) Celle Erfolg (14 U 86/21). Natürlich könne Frau S nicht über Reparaturen Bescheid wissen, die der Vorbesitzer nach einem Unfall 2018 in Auftrag gegeben habe, stellte das OLG fest. Das wäre zu viel verlangt. Wenn sie aber behaupte, das Auto unbeschädigt erworben zu haben und dafür einen Zeugen benenne, dürfe man es ihr nicht verwehren, ihre Behauptung zu beweisen. Daher habe das Gericht nun den Kfz-Mechaniker des Autohändlers befragt.

Vor dem Verkauf an Frau S habe er das Fahrzeug auf die Hebebühne gesetzt und auf Schäden geprüft. Außer minimalen Lackschäden sei da nichts gewesen, habe der Mechaniker ausgesagt, ein unsachgerecht reparierter Vorschaden wäre ihm aufgefallen. Nach dem neuen Unfall der Frau S habe auch der Dekra-Sachverständige das Fahrzeug auseinandergebaut und keine Vorschäden durch einen früheren Heckaufprall feststellen können. Gerade beim Zerlegen könne man eine unsachgemäße Reparatur gut erkennen, so der Mechaniker, anhand von Lackunterschieden oder abbrechendem Spachtelauftrag.

Aufgrund dieser überzeugenden Aussage gehe das Gericht von einer fachgerechten Reparatur des Vorschadens aus, so das OLG. Die Kfz-Versicherung müsse für den neuen Unfallschaden in voller Höhe aufkommen (plus Sachverständigenkosten, Mietwagen- und Anwaltskosten, insgesamt rund 6.000 Euro).

Wegen Spionage für die DDR entlassen

Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten der Kündigungsschutzklage nicht

Die Rechtsschutzversicherung zahlt für einen Rechtsstreit nicht, wenn der Schadensfall vom Versicherten absichtlich herbeigeführt wurde. Deshalb musste ein entlassener Arbeitnehmer die Kosten seiner erfolglosen Kündigungsschutzklage selbst tragen.

Nachdem seine Agententätigkeit für die DDR ans Licht gekommen und er wegen Spionage verurteilt worden war, hatte ihm der Arbeitgeber fristlos gekündigt. Der Ex-Spion war der Ansicht, die Rechtsschutzversicherung müsse die Prozesskosten ersetzen, da seine Agententätigkeit vor Antritt der Arbeitsstelle stattgefunden habe.

Das Landgericht Coburg wies diese Argumentation jedoch zurück (13 O 447/94). Die Rechtsschutzversicherung habe die Kostenübernahme ablehnen dürfen, weil der Versicherungsnehmer die Kündigung durch eine vorsätzliche Straftat provoziert habe. Dabei spiele es keine Rolle, ob er die strafbare Handlung beging, während das Arbeitsverhältnis bestand oder schon vor Antritt der Stelle. Es sei in keinem Fall akzeptabel, die Gemeinschaft der Versicherten mit Kosten zu belasten, die durch eine vorsätzliche Straftat verursacht wurden.

Querschnittsgelähmte ließ sich in den USA behandeln

Die Krankenkasse muss keine teure, unkonventionelle Spezialbehandlung finanzieren

Im Alter von 15 Jahren war die Frau 2006 vom Pferd gestürzt, seither ist sie (inkomplett) querschnittsgelähmt. 2013 begann sie im amerikanischen Trainingszentrum "Project Walk" eine Behandlung. Später beantragte sie bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse die Kostenübernahme.

Zwischen März 2014 und Februar 2015 waren Kosten von 106.845 Euro angefallen: für Behandlungen, Wohnungsmiete, Betreuung, Flüge und Mietwagen, Miete eines behindertengerechten Betts und Fahrdienste.

Die DAK erstattete nur 800 Euro pro Monat, so viel, wie sie auch für eine Behandlung in Deutschland genehmigt hätte: Hierzulande ständen genügend Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, erklärte die Krankenkasse, es gebe 26 Zentren für Querschnittsgelähmte. Obendrein habe die Frau mit der Therapie in Amerika schon begonnen, bevor sie die Kostenübernahme beantragt habe. So habe sie, die Krankenkasse, die Versicherte nicht beraten und Alternativen aufzeigen können.

Erfolglos zog die Frau gegen den ablehnenden Bescheid vor Gericht: Das Bundessozialgericht wies ihre Klage ab (B 1 KR 29/20 R). Bei physiotherapeutischen Angeboten gebe es in Deutschland kein Versorgungsdefizit. Außerdem habe die unkonventionelle Behandlung im "Project Walk" (jedenfalls im Jahr 2014) nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen. Sie werde auch nicht von Ärzten durchgeführt.

So weit nachvollziehbar. Doch im Sozialgesetzbuch findet sich auch eine Ausnahmeregelung. Demnach haben "Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung" das Recht, es auch mit einer noch nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu versuchen, wenn Aussicht auf spürbare positive Wirkungen besteht.

Darauf könne sich die Versicherte nicht berufen, fanden die Bundesrichter. Eine Lähmung sei nicht lebensbedrohlich. Eine "wertungsmäßig vergleichbare‘" Krankheit sei auch nur dann anzunehmen, wenn Lebensgefahr bestehe und sofort behandelt werden müsse. Wenn eine Lähmung vor der Therapie schon acht Jahre andauere, handle es sich nicht um einen "Notstand". Es drohe keine Verschlimmerung. Es liegt kein Notstand vor, wenn eine Person schon lange nicht mehr gehen kann — was für eine tröstliche Auskunft für Gelähmte.

Tänzerin rutschte auf einer Getränkepfütze aus

Mitarbeiter einer Diskothek müssen die Tanzfläche regelmäßig kontrollieren

Am Rand der Tanzfläche einer Diskothek war eine Besucherin auf einer Getränkepfütze ausgerutscht. Beim Sturz zog sie sich Knochenbrüche an Fuß und Bein zu. Zwei Wochen lang lag die Verletzte im Krankenhaus und musste mehrmals operiert werden. Die gesetzliche Krankenkasse der Arbeitnehmerin übernahm die Behandlungskosten und zahlte während des Verdienstausfalls Krankengeld.

Anschließend forderte die Krankenkasse das Geld vom Inhaber der Diskothek zurück, weil er seine Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt habe. Offenkundig sei die Tanzfläche nicht gereinigt worden. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe verurteilte den Diskothekenbetreiber, der Krankenkasse 37.000 Euro Schadenersatz zu zahlen (7 U 125/21).

Natürlich könne in einer Disko immer mal ein Glas Bier zu Bruch gehen, räumte das OLG ein. Der Betreiber der Diskothek müsste für so ein Malheur nicht haften, wenn er die Tanzfläche regelmäßig hätte kontrollieren lassen. Dann wäre so ein Unfall eben Pech. Davon könne hier aber nicht die Rede sein, denn die Kontrolle sei von vornherein "ungenügend" organisiert gewesen. Die verantwortliche Person habe nur die Anweisung erhalten, von der Bühne aus die Tanzfläche zu überblicken.

Auf diese Weise könne man am Boden einer gut gefüllten Tanzfläche jedoch keine Glasscherben und keine feuchten Flecken erkennen. Zwar müsse nicht "ständig ein Mitarbeiter mit einem Bodenwischer über die Tanzfläche" laufen, um Pfützen oder Scherben wegzukehren. Aber den Fußboden in bestimmten Zeitabständen effektiv zu kontrollieren, sei notwendig — zumal es in dieser Disko erlaubt sei, Getränke auf die Tanzfläche mitzunehmen. Mit verschütteten Getränken müsse man also rechnen.

Unfallwagen zu spät reparieren lassen?

Der Unfallgeschädigte darf mit dem Reparaturauftrag bis zur Regulierungszusage des Kfz-Versicherers warten

Am 24.4.2020 wurde bei einem Verkehrsunfall der "Seat Leon" von Autofahrer A stark beschädigt. Der Zusammenstoß ging eindeutig auf das Konto von Autofahrer B. Da der Seat nicht mehr verkehrssicher war, ließ A den Wagen abschleppen und auf dem Gelände der Abschleppfirma abstellen. Dem Kfz-Versicherer von B schickte er das Schadensgutachten und bat darum, die geschätzten Kosten von 10.300 Euro netto so schnell wie möglich zu überweisen: Er könne die Reparatur nicht vorfinanzieren.

Die Versicherung ließ sich Zeit und rückte erst am 18.6., also nach sieben Wochen, 6.815 Euro heraus. Nach dieser Teilzahlung gab A die Reparatur in Auftrag. Zu den Reparaturkosten kamen mittlerweile Standgebühren für sieben Wochen dazu, die ihm die Abschleppfirma in Rechnung stellte.

Der Kfz-Versicherer zahlte nur einen Teil der Standgebühren und der geforderten Nutzungsausfallentschädigung. Begründung: A habe die Reparatur unnötig hinausgezögert und so den zu ersetzenden Schaden erhöht.

Diesen Vorwurf wies das Amtsgericht Wiesbaden als unbegründet zurück (93 C 3797/20). Auch wenn die Reparatur erst ca. zwei Monate nach dem Unfall in Auftrag gegeben wurde: Herr A habe keineswegs gegen seine Pflicht verstoßen, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Schließlich habe er dem Versicherer schon im ersten Schreiben mitgeteilt, dass er die Reparatur nicht aus eigenen Mitteln bestreiten könne.

An dieser Aussage gebe es keinen Zweifel. Herr A habe einen Kontoauszug vorgelegt, nach dem sein Girokonto am 5.5.2020 ein Guthaben von 5.080 Euro aufwies. Zu genaueren Auskünften über die Vermögensverhältnisse seien Unfallgeschädigte nicht verpflichtet. Sie müssten für die Reparatur auch keinen Kredit aufnehmen, sondern dürften die Regulierungszusage der Kfz-Versicherung abwarten.

Dass die Versicherung dafür so lange brauchte, müsse sie auf ihre eigene Kappe nehmen. Auch die Entscheidung des Unfallgeschädigten, den Unfallwagen kostenpflichtig bei der Abschleppfirma abzustellen, sei keine Geldverschwendung, sondern zweckmäßig gewesen. A habe damit ja nicht mehr fahren können. Zudem habe er die Versicherung zur Eile gemahnt. Das Risiko, dass sich durch eine verzögerte Reparatur die Kosten erhöhten, trage der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers.

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Defizite dürfen nicht zu Lasten der Versicherten gehen: Krankenkasse verweigerte zu Unrecht Krankengeld

Eigentlich sollten Ärzte Krankschreibungen ab 1. Januar 2021 elektronisch an die Krankenversicherungen übermitteln. So hatte es der Bundestag 2019 beschlossen. Gesetzlich Versicherte sollen nicht mehr selbst dafür verantwortlich sein, im Falle der Arbeitsunfähigkeit ihrer Krankenkasse die entsprechende Meldung rechtzeitig weiterzugeben. Rechtzeitig, d.h. innerhalb einer Woche nach Ausstellung des Attestes.

Bekanntlich funktionierte das Übermittlungssystem Anfang 2021 aber noch nicht: Die Arztpraxen waren technisch nicht in der Lage, Arbeitsunfähigkeits-Daten ihrer Patienten elektronisch an die Versicherungen zu senden.

Das brachte einer Arbeitnehmerin eine Menge Ärger ein. Die Frau war Ende 2020 länger krank. Über eine weitere Krankschreibung informierte sie ihre Krankenkasse im Januar 2021. Doch da lag ihr Besuch beim Hausarzt schon über eine Woche zurück.

Deshalb lehnte es die Krankenkasse ab, der Versicherten für den folgenden Zeitraum Krankengeld zu zahlen: Sie sei ihrer Meldepflicht zu spät nachgekommen. Die Arbeitnehmerin verklagte die Krankenkasse auf Zahlung von Krankengeld und hatte beim Sozialgericht Dresden Erfolg (S 45 KR 575/21).

Die elektronische Übermittlung von Daten zwischen Ärzteschaft und Krankenkassen habe mit erheblicher Verzögerung begonnen, stellte das Gericht fest. Ärzteverbände und Krankenkassen hätten sich aufgrund technischer Probleme darauf geeinigt, mit der elektronischen Meldung von Krankschreibungen mehrere Monate später zu beginnen. An sich wäre die Meldung der Arbeitsunfähigkeit im Januar 2021 jedoch Sache der Arztpraxis gewesen.

Dass die elektronische Meldung verspätet eingeführt wurde, dürfe nicht zu Lasten der Versicherten gehen. Im Gesetz stehe, die Arztpraxen seien ab 1. Januar 2021 für die Meldung der Arbeitsunfähigkeits-Daten zuständig. Eine Verzögerung des Systemwechsels infolge technischer Probleme sei im Gesetz nicht vorgesehen. Wenn die neue Rechtslage später umgesetzt werde als vom Gesetzgeber geplant, dürfe dies keine negativen Folgen für die Arbeitnehmer haben.

Wasserschaden: Undichte Fuge zwischen Wand und Wanne

Kurzartikel

Kommt es wegen einer undichten Fuge zwischen der Duschwanne und der angrenzenden Wand zu einem Wasserschaden in einem Gebäude, muss die Wohngebäudeversicherung dafür nicht aufkommen. Versichert sind nach den Versicherungsbedingungen nämlich nur Schäden durch Leitungswasser, das "bestimmungswidrig" aus "Einrichtungen" austritt, die direkt physisch mit Rohren der Wasserversorgung verbunden sind.