Versicherung

Risikoausschluss in der privaten Unfallversicherung

Wird ein Sturz von einem Ohnmachtsanfall ausgelöst, besteht kein Versicherungsschutz

Der 60-jährige Zahnarzt H wurde mit entzündeten Schnittverletzungen am Knie ins Krankenhaus eingeliefert und operiert. Im Arztbericht hieß es, der Patient sei zu Hause ohnmächtig geworden und bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt. Er sei nicht das erste Mal nach einer Ohnmacht gestürzt, habe Herr H angegeben. Fast 48 Stunden sei er diesmal am Boden gelegen und habe keine Hilfe holen können.

Nach drei Wochen in einer Reha-Klinik wurde der Patient entlassen. Ein Jahr später meldete er den Unfall seiner privaten Unfallversicherung und legte ein Attest seines Hausarztes vor. Demnach hatte sich der Unfall anders zugetragen: Herr H sei gestolpert und in ein Wasserglas gefallen, habe sich dabei am Knie verletzt. Da das Bein nicht mehr belastbar sei, könne er nicht mehr lange gehen oder stehen, seinen Beruf also nicht mehr ausüben.

Die Unfallversicherung teilte nach Prüfung der ärztlichen Unterlagen mit, Herr H habe nach den Versicherungsbedingungen keinen Anspruch auf Leistungen: Denn er sei infolge einer "Bewusstseinsstörung" gestürzt, solche Unfälle seien vom Versicherungsschutz ausgenommen. Die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers blieb beim Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken erfolglos (5 U 107/21).

Dass H nun behaupte, er sei erst über einen Teppich gestolpert und habe dabei ein Wasserglas fallen lassen, auf das er anschließend stürzte … sei wenig glaubwürdig, fand das OLG. Nach Ansicht des Gerichts sei bewiesen, dass dem Sturz ein Ohnmachtsanfall vorausgegangen sei. Dafür sprächen die Art der Verletzungen und die Arztberichte mit den dokumentierten ersten Angaben des Patienten.

H habe beim Rettungsdienst, bei den Ärzten im Klinikum Saarbrücken und bei den Ärzten in der Reha-Klinik angegeben, aufgrund einer Ohnmacht bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt zu sein. Warum diese vollkommen gleichlautenden Arztberichte, die seinen Sturz schlüssig erklärten, unrichtig gewesen sein könnten, habe H vor Gericht nicht überzeugend darlegen können.

"Bewusstseinsstörung" bedeute, dass der Versicherte auf eine gefährliche Situation schon nicht mehr angemessen reagieren könne, was das Unfallrisiko erhöhe. Der Risikoausschluss betreffe also Unfälle, denen eine geminderte Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten vorausgehe. Unter Umständen könnten sogar kurzfristige Kreislaufprobleme wie Schwindel den Versicherungsschutz ausschließen — für eine Ohnmacht, die einen Sturz nach sich ziehe, gelte dies allemal.

Risiko in der Schwangerschaft

Für nicht zugelassene Medikamente muss die Krankenkasse nur in Notfällen zahlen

Eine schwangere Frau hat sich mit dem Zytomegalievirus angesteckt. Es ist für die Frau selbst nicht gefährlich. Wenn sich dagegen ein ungeborenes Kind damit infiziert, kann das unter Umständen sogar eine Fehlgeburt auslösen. Statistisch gesehen, ist das Risiko aber gering: Die meisten Kinder, deren Mütter sich während der Schwangerschaft mit dem Zytomegalievirus infizieren, kommen gesund zur Welt.

Die Schwangere beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Medikament, das angeblich die Gefahr verringert, dass sich das ungeborene Kind ansteckt. Das Arzneimittel ist allerdings noch nicht vollständig erforscht und deshalb nicht zugelassen. Aus diesem Grund lehnte die gesetzliche Krankenversicherung die Kostenübernahme ab.

Zu Recht, entschied das Bundessozialgericht (B 1 KR 7/22 R). Nur in extremen Ausnahmefällen hätten die Versicherten Anspruch auf Medikamente, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ständen. Das sei nur der Fall, wenn sich eine versicherte Person in einer "notstandsähnlichen Situation" befinde. Nur in Notfällen müsse die Krankenkasse nicht zugelassene Arzneimittel finanzieren.

Das gelte auch für ungeborene Kinder. Schwangere Frauen könnten die Kostenübernahme nur verlangen, wenn dem ungeborenen Kind eine gefährliche Infektion drohe und eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen oder schweren Krankheitsverlauf bestehe. Doch das Risiko einer Fehlgeburt durch das Zytomegalievirus sei gering.

Weiß ein Selbstmörder, was er tut?

Lebensversicherung zahlt nur ausnahmsweise bei Suizid

Die Lebensversicherung zahlt im Prinzip nicht, wenn sich der Versicherte selbst das Leben genommen hat. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Selbstmord auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit zurückzuführen, der Verstorbene also nicht mehr Herr seines Willens war.

Auf diese Ausnahme berief sich ein Ehemann, der nach dem Suizid seiner Frau die vereinbarte Versicherungssumme von 128.000 DM forderte. Seine Frau habe die Trennung von ihm nicht verarbeiten können und ohne Rücksicht auf ihre mütterliche Pflicht gegenüber den Kindern gehandelt. Dieser Realitätsverlust zeige eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe verweigerte die Versicherung die Zahlung aber zu Recht (12 U 24/93).

Der Selbstmord der Frau möge zwar unerklärlich erscheinen, weil er sich als weit übersteigerte Reaktion auf Eheprobleme, insbesondere die Untreue des Mannes, darstelle. Das allein lasse aber noch nicht den Schluss zu, dass die Frau nicht mehr gewusst habe, was sie tat. Der Sachverständige habe ihr zwar neurotische Depression attestiert, dabei handle es sich jedoch nicht um eine krankhafte psychische Störung. Daher sei die Lebensversicherung nicht zur Leistung verpflichtet.

Linksabbieger-Ampel zeigte "grün"

Anschließend fiel die Ampelanlage aus: Zusammenstoß auf der Kreuzung

An einer großen Kreuzung ist für Linksabbieger eine eigene Spur mit "Linksabbieger-Ampel" eingerichtet: Zeigt sie einen grünen Pfeil nach links, dürfen die Linksabbieger fahren. Autofahrerin A hatte sich auf der Linksabbiegerspur eingeordnet und fuhr los, als die Ampel den grünen Pfeil anzeigte. Doch auf der Kreuzung kam ihr ein städtischer Omnibus entgegen. Der Bus erfasste ihren gerade abbiegenden Wagen hinten rechts und beschädigte ihn erheblich.

Des Rätsels Lösung: Kaum hatte die Autofahrerin die Ampel bei Grünlicht passiert, fiel plötzlich die Ampelanlage aus — und der Omnibus startete ebenfalls. Die kommunale Verkehrsgesellschaft, Kfz-Halterin des Omnibusses, wollte für die Reparaturkosten von Frau A nicht aufkommen (rund 7.000 Euro). Daraufhin zog die Unfallgeschädigte vor Gericht und bekam vom Landgericht Lübeck zunächst uneingeschränkt Recht.

Der Omnibusfahrer trage allein die Schuld an dem Zusammenstoß, so das Landgericht. Bei unklarer Verkehrslage müsse man besonders vorsichtig fahren. Zwar habe er nach dem Ausfall der Ampel Vorfahrt gehabt. Aber er habe den Ausfall bemerkt und darauf falsch reagiert. Für Frau A sei der Unfall dagegen unabwendbar gewesen, weil sie bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei und den Ausfall der Anlage nicht mehr registrieren konnte.

Gegen das Urteil legte die Stadt Berufung ein. Sie erreichte beim Oberlandesgericht (OLG) Schleswig jedoch nur einen Teilerfolg (7 U 201/21). Das OLG setzte eine Haftungsquote vom 80% zu 20% zu Gunsten der Autofahrerin fest und korrigierte das Landgericht in diesem Punkt. Unabwendbar sei die Kollision für Frau A nicht gewesen, so das OLG.

Ein "unabwendbarer Unfall" sei zu verneinen, wenn ein ganz besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch hätte abwenden können. So ein "Idealfahrer" hätte hier bemerkt, dass die Fußgängerampel ausfiel, hätte daraus auf eine Fehlfunktion der gesamten Anlage geschlossen und den Gegenverkehr abgewartet, anstatt mit dem Abbiegen zu beginnen.

Ein Verkehrsverstoß sei Frau A aber nicht vorzuwerfen. Sobald der grüne Pfeil das Linksabbiegen erlaube, dürften die Linksabbieger darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht gesperrt sei und entgegenkommende Fahrzeuge das Haltegebot beachteten. Dieser Grundsatz werde nicht dadurch aufgehoben, dass die Ampelanlage ausfalle. Frau A könne daher von der Kfz-Versicherung der Kommune Ersatz für 80 Prozent der Reparaturkosten verlangen.

Alkoholbedingter Autounfall?

War die Fahrerin "relativ fahruntüchtig", muss der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler beweisen

Nach einem feucht-fröhlichen Abend in einer Diskothek kam Autofahrerin S um vier Uhr früh in der langgezogenen Linkskurve einer Autobahnüberleitung von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Das Auto erlitt Totalschaden. Die Polizei entnahm um ca. 7.30 Uhr eine Blutprobe, die eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,85 Promille ergab. Aus diesem Grund lehnte es die Vollkaskoversicherung von Frau S ab, den Schaden zu regulieren.

Ohne Erfolg klagte die Versicherungsnehmerin auf Zahlung. Sie habe den alkoholbedingten Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, urteilte das Oberlandesgericht Saarbrücken: Anspruch auf Schadenersatz habe sie daher nicht (5 U 22/22). Zum Unfallzeitpunkt habe Frau S mindestens eine BAK von 0,85 Promille, maximal eine BAK von 0,99 Promille gehabt. Bis zur Grenze von 1,1 Promille gehe man von relativer Fahruntüchtigkeit des Verkehrsteilnehmers aus.

Ein Unfall mit einer BAK von über 1,1 Promille (absolute Fahruntüchtigkeit) werde von vornherein als alkoholbedingt und damit als grob fahrlässig angesehen. Für so verursachte Unfallschäden müsse der Kfz-Versicherer prinzipiell nicht einstehen.

In Fällen relativer Fahruntüchtigkeit dagegen müsse der Kfz-Versicherer alkoholtypische Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen des Versicherungsnehmers nachweisen, die auf einen alkoholbedingten Unfall schließen lassen. Im konkreten Fall sei der Unfall ohne erheblichen Alkoholkonsum kaum plausibel zu erklären.

Angeblich sei Frau S nur 70 km/h gefahren — und habe trotzdem einen Auffahrunfall nur knapp vermeiden können, als der vor ihr fahrende Wagen bremste. Dadurch sei sie auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern geraten. Die Autofahrerin habe also zu wenig Abstand eingehalten oder sei unaufmerksam gewesen. Wenn ein Autofahrer in einer einfachen Verkehrssituation ohne ersichtlichen Grund am Baum lande, spreche dies für einen alkoholbedingten Unfall (Bremsen des Vordermanns zu spät erkannt, Fehleinschätzung der Straßenverhältnisse).

Nüchtern wäre Frau S vorsichtiger gefahren und hätte so einen Unfall ganz einfach vermeiden können. Dem Polizeibericht sei obendrein zu entnehmen, sie habe glasige Augen und eine leicht verwaschene Aussprache gehabt. Frau S selbst habe angegeben, sie habe sich "fast nüchtern" und in der Lage gefühlt, sicher zu fahren. Das zeuge von Unterschätzung der Folgen von Cocktails und von Überschätzung der eigenen (Fahr-)Fähigkeiten, ebenfalls eine typische Folge des Alkoholkonsums.

Wenn Chemotherapie nicht mehr hilft

Private Krankenversicherung muss dann u.U. eine alternative Therapie finanzieren

Bei einem Krebspatienten war die Krankheit so weit fortgeschritten, dass die Chemotherapie nichts mehr brachte: Es bildeten sich immer weitere Metastasen, die nicht operiert werden konnten. Deshalb entschied sich der Mann für eine alternative Behandlungsmethode: eine dentritische Zelltherapie.

Bei dieser Behandlung wird eine Immunreaktion gegen die entarteten Tumorzellen angestrebt. Um diese Reaktion zu erzielen, werden dem Krebspatienten dentritische Zellen entnommen, im Labor auf seinen Tumor ausgerichtet und ihm dann wieder eingesetzt, um gegen die Krebszellen anzukämpfen.

Im konkreten Fall übernahm die private Krankenversicherung nur die Hälfte der hohen Behandlungskosten. Nach dem Tod des Krebspatienten verklagte die Witwe das Versicherungsunternehmen auf Zahlung des vollständigen Betrags.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gab ihr Recht (7 U 140/20). Die dentritische Zelltherapie sei eine alternative Behandlungsmethode, die auf einem wissenschaftlich fundierten Ansatz beruhe, so das OLG.

Daher verspreche diese Therapie einen gewissen Erfolg, auch wenn sie noch nicht lange erprobt und allgemein anerkannt sei. Heilung sei bei Krebs im fortgeschrittenen Stadium zwar ausgeschlossen. Aber mit der Zelltherapie habe wenigstens die Aussicht bestanden, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und den Patienten zu stabilisieren. Daher müsse die Krankenversicherung die Behandlungskosten vollständig übernehmen.

Krankentransport verzögert?

Die Reisekrankenversicherung schuldet einen Transport erst, wenn die versicherte Person objektiv transportfähig ist

Frau S verreiste gerne und hatte deshalb eine so genannte Personenassistanceversicherung abgeschlossen. Das ist eine Auslandsreisekrankenversicherung, die u.a. Leistungen umfasst wie "medizinische Notrufhotline", "weltweit professionelles Notfallmanagement" und im Notfall auch die Organisation eines medizinisch sinnvollen Krankentransports während einer Reise.

Bei einer Gruppenreise erkrankte Frau S: Wegen Bauchschmerzen und anhaltender Übelkeit brachte sie der Reiseleiter in die nächstgelegene Klinik. Dort erfolgten einige Untersuchungen, allerdings ohne klare Diagnose. Dr. Z, der Reiseleiter, rief ihre Reisekrankenversicherung an und teilte mit, die Gruppe reise nun in die Stadt H weiter. Frau S wolle mit einem privat organisierten Bus ins dortige Krankenhaus fahren.

Vorher müsse die Versicherung Kontakt zu den behandelnden Ärzten der Klinik aufnehmen, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, antwortete die zuständige Mitarbeiterin. Erst nach einigen Verhandlungen wurde Versicherungsnehmerin S ins Krankenhaus H verlegt. Dort wurde ein Blinddarmdurchbruch festgestellt und operiert. Später verlangte Frau S von der Versicherung Schmerzensgeld für gesundheitliche Beeinträchtigungen und Schadenersatz für Folgekosten.

Für ihren Vorwurf, die Versicherung habe den Krankentransport zu spät veranlasst und damit den Versicherungsvertrag verletzt, fand das Oberlandesgericht (OLG) Bremen keine Anhaltspunkte (3 U 16/21). Unbestritten habe es sich um einen medizinischen Notfall gehandelt, stellte das OLG fest. Schon vor der Kontaktaufnahme mit der Versicherung war Frau S mit massiven Krämpfen in der Klinik. Einen Krankentransport im Ausland könne die Versicherung aber erst organisieren, wenn die versicherte Person objektiv transportfähig sei.

Andernfalls wäre ein Transport nicht zu rechtfertigen. Hilfe bei dessen Organisation könne die Versicherung nur auf Basis einer Abstimmung mit den ausländischen Ärzten leisten. Das Unternehmen sei nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, mit ihnen diese Frage zu klären. Aus der Ferne könne niemand beurteilen, ob ein Transport medizinisch sinnvoll und vertretbar sei. Mit den Ärzten habe die Versicherung sofort Kontakt aufgenommen, die Prüfung der Lage also keineswegs verzögert.

Versicherungsnehmer könnten nicht erwarten, dass das Versicherungsunternehmen ohne verlässliche Informationen zur Transportfähigkeit über einen Krankentransport entscheide. Bei einem privat organisierten Transport wäre das Risiko erst recht unkalkulierbar gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass es gerade wegen der Fahrt nach H zum Blinddarmdurchbruch gekommen sein könnte. Sollten vorher die Klinikärzte eine Blinddarmentzündung übersehen haben, wäre das ohnehin nicht von der Versicherung zu vertreten.

Verkehrt herum durch die Einbahnstraße

Kann sich die Autofahrerin trotzdem auf den Grundsatz "rechts-vor-links" berufen?

Autofahrerin A bog langsam nach links in eine Einbahnstraße ein. Da kam ihr der Wagen von Autofahrerin B entgegen, der die Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr. Die beiden Autos stießen zusammen. Autobesitzer A verlangte von Autofahrerin B, d.h. von deren Kfz-Haftpflichtversicherung, Schadenersatz für die Reparatur seines beschädigten Autos.

Die Gegenpartei müsse nur die Hälfte der Kosten ersetzen, entschied das Landgericht Wuppertal. Mehr stehe Autobesitzer A nicht zu, denn seine Ehefrau habe zu dem Unfall in gleichem Maß beigetragen wie Frau B (9 S 48/22). Frau A habe nämlich gegen das Gebot "rechts-vor-links" verstoßen. Laut Unfallgutachten hätte sie den Zusammenstoß vermeiden können, wenn sie vor dem Abbiegen nach rechts geschaut hätte.

Das Vorfahrtsrecht der von rechts kommenden Verkehrsteilnehmerin werde nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass sie eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahre. Das gelte schon deshalb, weil Fahrradfahrer diese Einbahnstraße in beiden Richtungen nutzen dürften. Ein Radfahrer, der die Einbahnstraße zulässigerweise in der Gegenrichtung befahre, habe also ebenfalls Vorfahrt.

Wer nach links in die Einbahnstraße einbiege, müsse daher mit von rechts kommenden, vorfahrtsberechtigten Radfahrern rechnen und dürfe nicht darauf vertrauen, dass aus der verbotenen Richtung überhaupt kein Fahrzeug komme. So eine Annahme sei allenfalls bei völlig abgesperrten oder unbefahrbaren Straßen gerechtfertigt.

Kostenklausel im Behandlungsvertrag

Patientin sollte Honorarforderungen nicht an ihre private Krankenversicherung abtreten

Eine Patientin wurde zwei Mal an der Wirbelsäule operiert. Ihre Behandlungsverträge enthielten folgende Klausel: "Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung bzw. Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet."

Der Chirurg stellte der Patientin einmal 13.742 Euro, einmal 13.200 Euro in Rechnung. Die Frau bezahlte beide Rechnungen und reichte sie bei ihrer privaten Krankenversicherung ein. Die Versicherung beanstandete zahlreiche Kostenpositionen, erstattete der Versicherungsnehmerin jedoch die bezahlten Beträge im von der Versicherungspolice gedeckten Umfang. Anschließend forderte sie vom Mediziner Teilbeträge zurück.

4.719,92 Euro müsse er zurückzahlen, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (7 U 143/21). Prinzipiell sei es so: Könne der Versicherungsnehmer gegen einen behandelnden Arzt Ersatzansprüche geltend machen, gingen die Ansprüche auf die Krankenversicherung über, soweit sie die Kosten erstattet habe. Ärzte dürften Patienten nicht generell verbieten, der Krankenversicherung solche Ansprüche abzutreten: Die einschlägige Vertragsklausel benachteilige Patienten unangemessen und sei unwirksam.

Zwar sei die Patientin im Behandlungsvertrag auf das mögliche Risiko hingewiesen worden, dass sie eventuell die Kosten selbst tragen müsse. Es werde auch empfohlen, vor der Behandlung die Kostenfragen mit der Versicherung abzuklären. Dennoch müssten Patienten mit so einem umfassenden Verbot nicht rechnen. Es sei überraschend, weil es sich nicht nur auf die ausdrücklich im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen beziehe, sondern auf alle "Forderungen aus der Behandlungsrechnung".

Bei Operationen könnten aber Komplikationen auftreten und kurzfristig weitere Leistungen notwendig machen. Die Tragweite des Verbots sei für durchschnittlich informierte Patienten nicht zu durchschauen. Im Unterschied zum Arzt und zur Krankenversicherung verfügten sie nicht über die notwendige Sachkunde, um zu beurteilen, ob eine Leistung zulässig abgerechnet worden sei oder nicht.

Würde man die Vertragsklausel akzeptieren, müssten Patienten eventuell unberechtigte Forderungen zumindest vorläufig selbst begleichen oder sich dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arzt aussetzen. Das sei unzumutbar — erst recht in Bezug auf Leistungen, die im Behandlungsvertrag nicht erfasst seien und deren Art und Umfang Patienten nicht annähernd absehen könnten.

Unbrauchbares Kfz-Schadensgutachten

Muss die Versicherung des Unfallverursachers das Gutachten trotzdem bezahlen?

Das alte Auto von Herrn X wurde bei einem Verkehrsunfall beschädigt, den eindeutig der Unfallgegner verschuldet hatte. Trotzdem kam es zum Streit über die Höhe des zu regulierenden Schadens. Denn der Privatgutachter des Unfallgeschädigten schätzte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 7.000 Euro viel zu hoch ein. Zudem hatte X den Kfz-Sachverständigen nicht über Vorschäden am Auto informiert, die er in Eigenregie repariert hatte.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners war der Ansicht, dass sie für das missratene Gutachten gar nichts zahlen musste. Doch das Landgericht Essen sprach Autobesitzer X Schadenersatz für die Gutachtenkosten zu (696 Euro) sowie 4.471 Euro für den Fahrzeugschaden. Dabei ging das Gericht von einem Wiederbeschaffungswert von nur 2.200 Euro aus.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte die Entscheidung (I-7 U 33/21). Die Fehleinschätzungen des Privatgutachters seien nicht dem Unfallgeschädigten anzulasten, so das OLG. Träfe das zu, wäre sein Anspruch auf Ersatz der Gutachtenkosten ausgeschlossen. Dass Herr X seinem Sachverständigen die Vorschäden an der Front und am vorderen rechten Kotflügel verschwieg, habe aber dessen Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes überhaupt nicht beeinflusst.

Der gerichtliche Kfz-Experte habe erläutert, dass ein durchschnittliches Fahrzeug mit diesem Alter und dieser Laufleistung bereits an einem Punkt angekommen sei, an dem kein großer Wertverlust mehr eintreten könne. Daher spielten kleinere Vorschäden bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts kaum noch eine Rolle. Z.B. habe der gerichtliche Kfz-Experte selbst, als er den Wiederbeschaffungswert auf 2.200 Euro taxierte, für einen Streifschaden einen Abschlag bei den Lackierkosten vorgenommen, der sich auf 21,25 Euro belief.

Sturm reißt Efeu von der Fassade

Muss die Gebäudeversicherung einspringen, wenn dadurch eine Giebelwand beschädigt wird?

Seit rund 30 Jahren rankte sich Efeu flächendeckend an der Giebelwand eines Einfamilienhauses empor. Bei einem Unwetter mit Starkregen und Sturm im Sommer 2021 wurde der Efeu von der Fassade abgerissen und dadurch die Mauer beschädigt. Der Hauseigentümer ließ die Pflanzen mitsamt den Wurzeln entfernen, die Wand abschleifen und die Fassade sanieren. Rund 22.000 Euro gab er für die Arbeiten aus.

Die Wohngebäudeversicherung des Hauseigentümers weigerte sich, den Schaden zu regulieren und verwies auf ihre Versicherungsbedingungen: Versichert seien nur Schäden, die durch unmittelbare Einwirkung eines Sturmes auf versicherte Sachen verursacht würden oder wenn ein Sturm Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf versicherte Sachen werfe.

Ohne Erfolg verklagte der Versicherungsnehmer das Unternehmen auf Zahlung. Das Landgericht Bochum gab der Versicherung Recht und das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Entscheidung (20 U 173/22). Der Sturm habe weder Gegenstände auf die Fassade geschleudert, noch habe er direkt auf die Gebäudewand eingewirkt. Die Wand sei vielmehr dadurch beschädigt worden, dass der Sturm den Efeubewuchs von der Fassade gerissen habe.

Das stelle aber keine direkte Einwirkung des Sturms auf die versicherte Gebäudewand dar. Und der Efeu selbst sei keine versicherte Sache: Pflanzen zählten nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht zu den versicherten Bestandteilen des Gebäudes.

Wegen Fuchs am Straßenrand abrupt gebremst

Die vorausfahrende Autofahrerin trifft deshalb Mitverschulden am Auffahrunfall

Im April 2021 waren zwei Autofahrerinnen hintereinander auf einer oberbayerischen Landstraße unterwegs. Plötzlich tauchte am Straßenrand ein Fuchs auf. Die Fahrerin des vorderen Wagens befürchtete, er könnte auf die Straße springen. Deshalb bremste sie ihren Skoda so abrupt ab, dass der nachfolgende Wagen auffuhr.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung der Auffahrenden ersetzte nur zwei Drittel der Skoda-Reparaturkosten. Damit wollte sich die Skoda-Besitzerin nicht begnügen. Sie klagte auf Schadenersatz in voller Höhe: Schließlich gehe ein Auffahrunfall regelmäßig auf das Konto des Auffahrenden.

Doch das Amtsgericht Pfaffenhofen wies die Klägerin auf Paragraf 4 der Straßenverkehrsordnung hin: Wer vorausfahre, dürfe nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen (1 C 130/22).

"Zwingend" bedeute: Starkes Bremsen sei nur erlaubt, um Verkehrsteilnehmer vor drohenden Sach- und Personenschäden zu schützen. Wenn ein Fuchs am Straßenrand aufkreuze, drohe aber kein Schaden. Dann habe der Schutz des nachfolgenden Verkehrs Vorrang vor dem Schutz eines Kleintieres. Auf ein Tier, das für sie und das Auto keine Gefahr darstelle, dürfe die Autofahrerin nur Rücksicht nehmen, wenn das möglich sei, ohne die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen.

In so einer Situation eine Vollbremsung einzuleiten, sei rechtswidrig — die Skoda-Besitzerin treffe daher erhebliches Mitverschulden am Auffahrunfall. Daher könne die Unfallgeschädigte nicht mehr Schadenersatz verlangen, als ohnehin schon gezahlt worden sei. Das gelte jedenfalls dann, wenn — wie hier — die nachfolgende Autofahrerin nachweislich ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten habe.

Ein Autoreifen bei Verkehrsunfall beschädigt

Muss die Kfz-Versicherung trotzdem für den Austausch beider Vorderreifen zahlen?

Bei einem Verkehrsunfall wurde der Skoda Oktavia einer Autofahrerin an der Front demoliert. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übernahm im Wesentlichen die Reparaturkosten von rund 6.000 Euro. Gestritten wurde unter anderem über die Reifen: Auch der linke Vorderreifen war bei dem Zusammenstoß beschädigt worden.

Die Werkstatt teilte der Autofahrerin mit, das passende Modell sei gerade nicht lieferbar. Also müssten beide Vorderreifen ausgetauscht werden. Die Skoda-Besitzerin war damit einverstanden, nicht so die Kfz-Versicherung des Unfallgegners: Den intakten rechten Reifen auszuwechseln, sei unwirtschaftlich und unnötig, fand die Versicherung: Die Material- und Arbeitskosten dafür (161 Euro) müsse sie nicht übernehmen.

Doch das Amtsgericht Burgwedel bejahte den Anspruch der Unfallgeschädigten (7 C 239/21). Dass der rechte Vorderreifen beim Unfall heil geblieben sei, ändere daran nichts. Denn dieses Reifenmodell könne man derzeit nicht bekommen, der Ersatzreifen wäre also ein anderes Modell. Unterschiedliche Reifen an einer Fahrzeugachse wirkten sich jedoch negativ auf die Fahreigenschaften des Wagens aus.

Schadenersatz solle so weit möglich den Zustand des Fahrzeugs vor dem Unfall wiederherstellen. Da der beschädigte Skoda mit zwei gleichartigen Vorderreifen — und damit optimalen Fahreigenschaften — ausgestattet war, müsse die Reparatur diesen Standard wiederherstellen. Die Unfallgeschädigte müsse sich nicht mit einer Reparatur zufriedengeben, die nur einen minderwertigeren Zustand des Autos erreiche.

An chronischer Müdigkeit erkrankt

Fehlt dafür eine Standard-Therapie, muss die Krankenkasse ausnahmsweise ihre Leistungen erweitern

Ein 55 Jahre alter Mann leidet an zahlreichen Krankheiten und ist aufgrund seiner chronischen Müdigkeit ("Chronisches Fatigue-Syndrom" — CFS) pflegebedürftig. Bei seiner gesetzlichen Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme der Arzneimittel Biomo-Lipon und Dekristol (Vitamin D). Die Krankenkasse lehnte sie ab, weil für eine ärztliche Verordnung dieser Arzneimittel die medizinisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen fehlten.

Daraufhin wandte der Versicherte ein, im System der gesetzlichen Krankenversicherung mit ihrem Standard-Leistungskatalog werde er mit seiner Grunderkrankung CFS nicht hinreichend versorgt. Allgemein anerkannte Therapien gebe es kaum. Liponsäure und Vitamin D würden aber immerhin gegen die Symptome eines CFS, also gegen den chronischen Erschöpfungszustand, helfen. Der Mann klagte gegen den ablehnenden Bescheid.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen verpflichtete die Krankenkasse dazu, zumindest vorläufig die Kosten für die beiden Arzneimittel zu übernehmen (L 4 KR 373/22 B ER). Für ihre Wirksamkeit gebe es zwar keine eindeutigen, wissenschaftlich gesicherten Beweise, räumte das Gericht ein. Deshalb zählten sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier gehe es aber um einen Ausnahmefall.

Der zum Rechtsstreit befragte medizinische Sachverständige habe ausgeführt, dass im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung für das CFS keine Standard-Therapie zur Verfügung stehe, deren Wirkung wissenschaftlich belegt wäre. Die Ursachen des CFS seien unklar, infolgedessen existierten noch keine gezielten Therapien. Auch die medizinische Wissenschaft diskutiere lediglich, wie man gegen die Symptome vorgehen könne.

Daher müsse die Krankenkasse hier ausnahmsweise ihren Leistungskatalog erweitern, so die Schlussfolgerung des Gerichts, auch wenn nach ihren allgemein geltenden Maßstäben die Kostenübernahme für die betreffenden Arzneimittel ausgeschlossen sei.

Autofahrer beschädigt Fahrbahnteiler

Kein Fall von Fahrerflucht, wenn die Behörde den Schaden nicht behebt

Ein Auto geriet auf der Autobahn zu weit nach links und demolierte dabei die Eisenstäbe des Fahrbahnteilers. Weil sich der Fahrer nach dem Unfall "verdünnisierte", anstatt ihn der Polizei zu melden, wollte seine Kaskoversicherung nicht für die Autoreparatur aufkommen: Nach einer Fahrerflucht müsse sie nicht zahlen. Die Fahrbahnbegrenzung instandzusetzen, würde ca. 1.800 DM kosten. Hier handle es sich also nicht um einen geringfügigen Schaden, bei dem man sich von der Unfallstelle entfernen dürfe, ohne wegen Fahrerflucht belangt zu werden.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe sah das in diesem Fall anders (12 U 145/92). Offenbar habe die Straßenbehörde den Schaden am Fahrbahnteiler als harmlos angesehen, weil sie die verbogenen Stäbe auch zwei Jahre nach dem Unfall noch nicht repariert habe. Es sei also davon auszugehen, dass der Unfall die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt habe.

Deshalb komme es hier nicht darauf an, wieviel die Reparatur kosten würde: Da die Behörde den Schaden nicht für reparaturbedürftig gehalten habe, liege im Ergebnis kein erheblicher Schaden vor, der den Unfallfahrer dazu verpflichtet hätte, die Polizei zu verständigen und an der Unfallstelle zu warten. Also müsse die Kaskoversicherung die Fahrzeugreparatur finanzieren.

Dackel von Jäger überfahren

Beißt der verletzte Hund deshalb den Tierhalter, haftet die Kfz-Versicherung für die Folgen

Ende April 2017 trafen sich zwei Jagdfreunde im Wald, um einen Hochsitz zu bauen. Jäger A brachte mit seinem Pick-up das Material. Jäger B wartete bereits vor Ort, mit seinem Rauhaardackel an der langen Leine. A wollte sein Geländefahrzeug auf dem Waldweg in eine bessere Position bringen, fuhr noch einmal an und übersah dabei den Hund, der unter ein Vorderrad geriet.

Der entsetzte B hielt den Dackel für tot und hob ihn auf. Doch der zunächst leblos wirkende Hund biss den Tierhalter plötzlich ins linke Handgelenk. Die tiefe Verletzung entzündete sich und musste operiert werden. Jäger B war bis September arbeitsunfähig. Seine Krankenversicherung übernahm die Behandlungskosten und verlangte den Betrag von rund 11.220 Euro anschließend von der Kfz-Versicherung des Pick-up-Fahrers.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Celle (14 U 19/22). Der Hund hätte nicht zugebissen, wenn Jäger A ihn nicht zuvor mit dem Fahrzeug überrollt hätte. In dieser Ausnahmesituation habe der Dackel nicht zwischen feindlicher und freundlicher Berührung unterscheiden können, sondern instinktiv abwehrend reagiert. Das sei direkt auf das gerade erlebte Überfahren zurückzuführen. Daher sei der Hundebiss dem Betrieb des Fahrzeugs zuzuordnen.

Allerdings müsse die Kfz-Versicherung nur 75 Prozent der Behandlungskosten ersetzen, weil sich hier auch die so genannte Tiergefahr — das prinzipiell unberechenbare Verhalten von Tieren — ausgewirkt habe, für das der Tierhalter selbst einstehen müsse. Das mit der tierischen Unberechenbarkeit verbundene Gefahrenpotential steige, wenn ein Tier bei einem Unfall verletzt werde. Der Dackel habe auf das Überfahren mit einem instinktiven Beißreflex reagiert. Deshalb müsse auch die Tierhalterhaftpflichtversicherung von B ein Viertel des Schadens tragen.

Unfallgeschädigter darf und muss auf Schadensgutachten vertrauen

Wenn er mit der Reparatur lange wartet, geht der Wertverlust zu seinen Lasten

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall bekommen Autobesitzer die Reparaturkosten auf Basis eines Sachverständigengutachtens von der gegnerischen Haftpflichtversicherung ersetzt.

Als der fast neue Wagen eines Autohändlers beschädigt wurde, wollte er das Fahrzeug nicht gleich nach Erstellung des Gutachtens instandsetzen lassen oder verwerten. Weil er die Kostenschätzung des Kfz-Sachverständigen bezweifelte, wartete er lieber ab und ließ das Unfallauto erst einmal herumstehen.

Erst ca. zwei Jahre später wurde die Kostenschätzung - im Rahmen eines gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens - durch ein weiteres Gutachten bestätigt. Nun forderte der Unfallgeschädigte zusätzlich Entschädigung für den inzwischen eingetretenen Wertverlust. Das Kammergericht in Berlin wies seine Zahlungsklage gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung ab (12 U 2903/93).

Nach der Besichtigung durch den ersten Sachverständigen hätte der Autohändler sofort die Reparatur in Auftrag geben oder den Wagen unrepariert verkaufen können. Dies sei längst von den Gerichten so entschieden worden. Als Fachmann wisse er genau, dass ein Neufahrzeug in den ersten Jahren überproportional an Wert verliere. Der Wertverlust gehe daher auf seine Kappe.

Sturz einer Heimbewohnerin

Eine Pflegekraft ließ die demente Frau im Flur zu lange aus den Augen

Die gesetzliche Krankenkasse der bei einem Treppensturz verletzten Heimbewohnerin H verklagte den Träger des Seniorenheims auf Schadenersatz für die Behandlungskosten. Das Oberlandesgericht Rostock gab der Krankenkasse Recht: Der Heimträger müsse für die Unfallfolgen haften, weil der Sturz der Seniorin auf eine Pflichtverletzung der Pflegehelferin X zurückzuführen sei (6 U 7/19). Das Fehlverhalten sei dem Träger zuzurechnen.

Frau X habe die demente Patientin auf einem Wohnflur des Heims begleitet. Mit einem Gehwagen sollte sie mobilisiert werden. Es sei kein Zufall, dass dies mit einer Pflegehelferin stattfand, die sich nur auf die Seniorin konzentrieren sollte. Denn diese neigte zu motorischer Unruhe und sei auch schon öfter gestürzt. Während der Mobilisierungsübungen sei Frau X von einer Kollegin gerufen worden.

Die Kollegin habe einen Patienten zur Toilette gebracht und hatte wohl Mühe, ihn zurück in den Rollstuhl zu setzen. Das sei aber kein Notfall gewesen, der es gerechtfertigt hätte, eine sturzgefährdete, desorientierte Heimbewohnerin — wenn auch nur kurz — im Gehwagen alleine zu lassen. Angesichts des Gesundheitszustands von Frau H könne es nicht überraschen, dass sie sich in einem unbeobachteten Moment entfernt habe. Zudem sei die Tür zum Treppenhaus ungesichert und könne mit einem Druckknopf von jedem Patienten einfach geöffnet werden.

Spätestens, als Frau X die Seniorin durch die Toilettentür nicht mehr gesehen und den Türöffner gehört habe, hätte sie sofort tätig werden müssen. Ihr habe klar sein müssen, dass die hilflose Patientin, die dazu neigte, sich unkontrolliert fortzubewegen, durch die Flurtür das Treppenhaus erreichen konnte. Frau X hätte bei ihrer Hilfeleistung für die Kollegin ihre Patientin H im Auge behalten oder eine weitere Pflegekraft herbeirufen müssen.

Was ist ein Totalschaden?

Kaskoversicherung verspricht im Vertrag, nach Totalschaden den Kfz-Neupreis zu ersetzen

Ein Autofahrer hatte für seinen Wagen eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Im Vertrag versprach das Versicherungsunternehmen, nach einem Unfall nicht nur den Wiederbeschaffungswert des versicherten Fahrzeugs zu ersetzen, sondern den Neupreis. Allerdings nur, wenn innerhalb von drei Jahren nach der Erstzulassung ein Totalschaden eintrat oder Verlust des Fahrzeugs.

Nach einem Verkehrsunfall, bei dem sein Wagen schwer beschädigt worden war, berief sich der Versicherungsnehmer auf diese Vertragsklausel und forderte Entschädigung in Höhe des Neupreises. Der Kfz-Sachverständige der Versicherung hatte die Reparaturkosten auf rund 17.000 Euro geschätzt. Ein Neuwagen kostete dagegen 22.500 Euro. Das sei allemal ein Totalschaden, meinte der Versicherungsnehmer: Eine Reparatur für 17.000 Euro sei doch wirtschaftlich unsinnig.

Nach den Versicherungsbedingungen sei das keineswegs ein Totalschaden, erklärte das Versicherungsunternehmen und bekam vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm Recht (20 U 96/21). Die Versicherungsbedingungen seien Bestandteil jedes Versicherungsvertrags, so das OLG: Was in den Versicherungsbedingungen stehe, sei im Zweifelsfall ausschlaggebend.

Um einen technischen Totalschaden gehe es hier ohnehin nicht (d.h., das Fahrzeug ist so beschädigt, dass es nicht mehr repariert werden kann). Fraglich sei nur ein wirtschaftlicher Totalschaden. Und der liege nach den Versicherungsbedingungen nur vor, wenn die erforderlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Das sei nicht der Fall.

Auch wenn der Versicherungsnehmer es für unvernünftig halte, so eine teure Reparatur in Auftrag zu geben: Trotzdem koste ein neues Auto erheblich mehr als die Reparatur. Deshalb könne der Versicherungsnehmer nur die Reparaturkosten ersetzt verlangen. Anspruch auf den Wiederbeschaffungswert, also auf Ersatz des Neupreises, habe er nicht.

Ford Mondeo statt Porsche? Geht gar nicht!

Unfallgeschädigter Porschefan findet sein Zweitauto unzumutbar und fordert Nutzungsausfallentschädigung

Bei einem Verkehrsunfall war der Porsche 911 von Herrn X schwer beschädigt worden. Dass der Unfallgegner den Zusammenstoß verursacht hatte und für den Schaden in vollem Umfang haften musste, stand fest. Strittig war dagegen die vom Unfallgeschädigten geforderte Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer von 112 Tagen — so lange hatte die Reparatur des Sportwagens gedauert.

Die Entschädigung stehe ihm zu, meinte Herr X, auch wenn ihm weitere vier Fahrzeuge gehörten. Diese zu nutzen, sei aber nicht zumutbar gewesen: Zwei Autos würden ständig von Familienangehörigen gebraucht. Ein drittes sei in besonderer Weise für Rennen ausgestattet und komme für den Straßenverkehr nicht in Betracht. Dann besitze er noch einen Ford Mondeo, der aber für den Stadtverkehr viel zu sperrig sei und von der Familie nur als Lasten- und Urlaubsfahrzeug genutzt werde.

Erfolglos verklagte X die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners auf Nutzungsausfallentschädigung: Das Oberlandesgericht Frankfurt ersparte ihr die Zahlung (11 U 7/21). Wenn ein Unfallgeschädigter während der Reparatur des Unfallautos einen Zweitwagen fahren könne, habe er keinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Ein Ford Mondeo sei zwar kein Sportwagen, sondern nur ein Mittelklassefahrzeug. Sicherlich biete der Ford im Vergleich mit einem 911er Porsche weniger Fahrvergnügen.

Deshalb sei es aber keineswegs unzumutbar, ihn vorübergehend im Alltag für Fahrten zur Arbeit und zum Einkaufen zu benützen. Diese Möglichkeit gleiche objektiv den materiellen Schaden aus, der Herrn X durch den Unfall entstanden sei — dass nämlich der Porsche 911, den er normalerweise fahre, vorübergehend ausfiel. Dass X darüber hinaus, weil er eine Vorliebe für schnelle Fahrzeuge habe, unter der Einbuße an Fahrvergnügen "gelitten" habe, sei nur eine immaterielle Beeinträchtigung. Dafür hafte der Unfallverursacher nicht.