Versicherung

Verunglücktes Wendemanöver

Kurzartikel

Trotz eines verkehrswidrigen Wendemanövers haftet der Autofahrer für die Unfallfolgen nur zur Hälfte, wenn der hinter ihm Fahrende ohne Not in das querstehende Auto hineingefahren ist, anstatt anzuhalten. Der wendende Autofahrer hatte wegen Gegenverkehrs quer auf seiner Fahrspur stehen bleiben müssen. Obwohl der "Hintermann" die Kollision durch vollständiges Abbremsen hätte verhindern können, hupte er nur und fuhr — etwas langsamer — gegen das wendende Fahrzeug. Das Landgericht Hanau wertete dies als Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.

Medizinische Beratung zum Reiserücktritt

Bietet eine Versicherung Kunden so einen Service an, ist der ärztliche Rat für sie verbindlich

Eine Münchnerin hatte für sich und ihre Freundin S eine kurze Pauschalreise nach Ibiza gebucht und für beide eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen. Kurz vor der Reise wurde bei ihr ein Knoten in der Schilddrüse festgestellt. Erst für den Tag vor dem Hinflug konnte sie einen Arzttermin zur weiteren Abklärung des Befunds bekommen.

Die Reiserücktrittsversicherung bot als Service eine medizinische Stornoberatung an: "Wir unterstützen Sie bei der Entscheidung, ob und wann sie ihre Reise stornieren sollten", versprach das Unternehmen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Bei diesem Beratungsservice rief nun Frau S an und erhielt von einer Ärztin den Rat, den Ibiza-Urlaub sofort zu stornieren. Daran hielten sich die Freundinnen.

Zu ihrem Erstaunen weigerte sich jedoch das Versicherungsunternehmen, die vom Reiseveranstalter berechneten Stornokosten zu ersetzen. Begründung: Eine "unerwartete schwere Erkrankung" im Sinne der Versicherungsbedingungen habe nicht vorgelegen. Die Stornoberatung gebe nur Empfehlungen zum Zeitpunkt des Reiserücktritts, treffe aber keine Aussage dazu, ob ein "versichertes Ereignis" vorliege (sprich: eine "unerwartete schwere Erkrankung").

Frau S verklagte das Unternehmen auf Zahlung und bekam vom Amtsgericht München Recht (122 C 7243/22). Dass es die Versicherung ablehne, die Stornokosten zu übernehmen, widerspreche eklatant ihren eigenen AVB, stellte das Gericht fest. Da stehe klipp und klar: Wenn die Stornoberaterin empfehle, eine Reise zu stornieren, seien Versicherungsnehmer verpflichtet, dies unverzüglich zu tun.

Zudem empfehle die Versicherung den Kunden, den Beratungsservice bei "Unsicherheit über das Eintreten des Versicherungsfalls" zu kontaktieren. Also gehe es bei der Beratung in erster Linie darum zu klären, "ob" sie stornieren sollten — und nicht nur um das "wann". Ansonsten wäre ja auch eine Rücksprache mit Medizinern überflüssig.

Wenn eine Reiserücktrittsversicherung so einen Service anbiete, müsse sie sich die Auskünfte der Mediziner an ihrem Servicetelefon auch zurechnen lassen. Gemäß den AVB dürften die Kunden jedenfalls darauf vertrauen, dass die ärztliche Empfehlung verbindlich sei. Könnte die Ärztin — anders als in den AVB behauptet — keine Aussage dazu treffen, ob ein Grund für eine Stornierung gegeben sei, dann müsste sie die Versicherungsnehmer darauf beim Beratungsgespräch hinweisen.

Dreijährige von Auto angefahren

Kinder unter sieben Jahren haften nicht für Unfallschäden mit

Kinder unter sieben Jahren können für den von ihnen angerichteten Schaden nach dem Gesetz kaum verantwortlich gemacht werden. Als ein drei Jahre und neun Monate altes Mädchen, begleitet von der Großmutter, von einem Auto angefahren wurde, machte der Fahrer dennoch ein Mitverschulden des Kleinkindes geltend. Das Kind sei doch vor sein Auto gehüpft, erklärte der Mann: Also müsse er höchstens für die Hälfte der Behandlungskosten aufkommen.

Das Kammergericht Berlin entschied, dass im konkreten Fall eine Mithaftung des Kindes aus keinem Gesichtspunkt in Frage kommt (12 U 4031/93). Ein mögliches Fehlverhalten der Großmutter habe keinen Einfluss auf die Haftung des Mädchens. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der Unfallgegner haftpflichtversichert sei. Auch dieser Umstand spreche gegen eine Beteiligung des Mädchens an den Folgekosten des Unfalls.

Einbruch mit einem gestohlenen "richtigen" Schlüssel

Hausratversicherter muss belegen, dass er es dem Täter nicht zu leicht gemacht hat

Einbruchdiebstähle sind in der Regel in der Hausratversicherung mit-versichert. Allerdings enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Einschränkung, die "erweiterte Schlüsselklausel": Dringt der Täter mit einem gestohlenen "echten" Schlüssel ein, handelt es sich nur dann um einen versicherten Einbruchdiebstahl, wenn dem Besitzer der Schlüssel nicht durch Leichtsinn fahrlässig abhandengekommen ist.

Gegen diese Klausel sei nichts einzuwenden, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) und besiegelte damit den schmerzlichen Verlust eines Versicherungsnehmers (IV ZR 118/22). Der Mann hatte — während er einen Termin wahrnahm — seine Aktentasche im Auto liegen lassen. In der Aktentasche befand sich sein Schlüsselbund, darunter auch der Schlüssel zum häuslichen Tresor. Als der Mann zum Auto zurückkehrte, war die Aktentasche verschwunden. In der Wohnung fehlten Wertgegenstände und ca. 64.000 Euro Bargeld.

Vergeblich meldete der Versicherungsnehmer seiner Hausratversicherung den Verlust. Sie verwies nur auf die "Schlüsselklausel": Bei Einbrüchen mit dem passenden Haustürschlüssel ersetze sie die Schäden nicht, wenn der Besitzer den Diebstahl des Schlüssels fahrlässig ermöglicht habe. Im konkreten Fall treffe dieser Vorwurf zu.

Die Zahlungsklage des Mannes gegen seine Hausratversicherung scheiterte in allen Instanzen bis hin zum BGH. Die Aktentasche habe für jedermann sichtbar im Auto gelegen, so die Begründung. Und der Versicherungsnehmer habe nicht beweisen können, dass er den Wagen abgeschlossen habe.

Die in der "Schlüsselklausel" formulierte Bedingung für den Versicherungsschutz entspreche dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Verständnis des durchschnittlich informierten Versicherungsnehmers, erklärte der BGH: Von einem "Einbruchdiebstahl" spreche man nur, wenn Straftäter Haus oder Wohnung gewaltsam öffneten, um etwas zu entwenden. In der Regel umfasse daher der Versicherungsschutz für "Einbruchdiebstahl" auch nur derartige Fälle.

Höhere Beiträge, weniger Leistung

Beim Wechsel der privaten Krankenversicherung vom Versicherungsmakler schlecht beraten

Eine selbständige Augenoptikerin suchte ihre Versicherungsagentur zu einem Beratungsgespräch auf. Sie klagte über die "schleppende Leistungsabwicklung" ihrer privaten Krankenversicherung, bei der sie eine Krankheitskostenvollversicherung mit Zusatzversicherungen unterhielt (Krankenhaustagegeld, Krankentagegeld, private Pflegepflichtversicherung). Agenturmitarbeiter S empfahl der Optikerin einen Wechsel.

Er füllte für sie den Antrag für den neuen Vertrag aus, den die 50-Jährige unterschrieb. Ein paar Wochen später kam der Vertrag zustande. Erst danach bemerkte die Optikerin, wie nachteilig der von der Agentur vermittelte Krankenversicherungsvertrag für sie war. Sie musste nicht nur höhere Beiträge zahlen musste als zuvor. Weitaus schlimmer war, dass der Vertrag weder Krankentagegeld, noch Krankenhaustagegeld vorsah.

Daraufhin zog die Frau vor Gericht, um feststellen zu lassen, dass ihr die Agentur wegen miserabler Beratung alle Vermögensnachteile ersetzen muss, die ihr durch den Wechsel der Krankenversicherung entstehen. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe gab ihr Recht (12 U 268/22). Empfehle ein Versicherungsmakler einen Wechsel, müsse er dem Kunden die wesentlichen Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung erläutern, so das OLG.

Für Selbständige sei es von existentieller Bedeutung, sich mit Krankentagegeld und Krankenhaustagegeld gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit abzusichern. Agenturmitarbeiter S habe seine Beratungspflicht verletzt, weil er die Kundin nicht darüber informiert habe, dass dieses Risiko im neuen Vertrag nicht abgedeckt war. Durch dieses Versäumnis habe er der Kundin geschadet: Denn bei korrekter Beratung hätte sie den günstigeren Altvertrag nicht gekündigt und den besseren Versicherungsschutz nicht verloren.

Der Optikerin sei auch nicht deshalb Mitverschulden vorzuwerfen, weil sie bei genauem Studium der Vertragsunterlagen die Deckungslücke selbst hätte erkennen können: Wer einen sachkundigen Berater aufsuche, tue dies, weil ihm/ihr die nötigen Kenntnisse fehlten. Der Kunde dürfe dann darauf vertrauen, beim Beratungsgespräch die Informationen zu bekommen, die es ihm/ihr ermöglichten, das Angebot richtig zu beurteilen.

Pflegezusatzversicherung gekündigt

Der Versicherungsnehmer bereute dies, doch die Kündigung ist wirksam

Versicherungsmakler R beriet den Senior und seine Familie schon seit langem in Versicherungsfragen. R hatte ihm auch die Pflegezusatzversicherung empfohlen, um ab Pflegegrad 4 mehr Pflegetagegeld als üblich zu bekommen. Diesen Vertrag hatte der 77-Jährige abgeschlossen. Doch im Herbst 2019 machte der Versicherungsnehmer von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch, das ihm gemäß den Versicherungsbedingungen nach einer Beitragserhöhung zustand.

Um Geld zu sparen, kündigte er die Zusatzversicherung, obwohl er bereits pflegebedürftig war (Pflegegrad 2). Der Versicherer bestätigte den Eingang des Kündigungsschreibens und informierte den Versicherungsmakler R darüber. Nach einem Beratungsgespräch mit dem Senior schickte R einen Tag später eine E-Mail an den Versicherer, in der er mitteilte, der Versicherte nehme die Kündigung zurück. Darauf ließ sich der Versicherer jedoch nicht ein.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Brandenburg (11 U 155/21). Eine Kündigungserklärung sei nach ihrem Zugang beim Empfänger prinzipiell wirksam — unabhängig davon, ob der Versicherer die Kündigung bestätige oder nicht. Wenn der Versicherungsnehmer die Kündigung "zurücknehme", stelle dies nur das Angebot dar, durch den Abschluss eines neuen Vertrags das Versicherungsverhältnis fortzusetzen. Dieses Angebot könne die Versicherung annehmen oder ablehnen.

Dem Unternehmen sei es auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht verwehrt, an der Kündigung festzuhalten — obwohl sie für den pflegebedürftigen Senior nachteilig sei. Zum einen sei die Versicherung nicht dazu verpflichtet, Kündigungen "auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen".

Zum anderen sei der Versicherungsvertrag für den Versicherungsnehmer angesichts der steigenden Kosten ja tatsächlich nicht nur vorteilhaft. Ob und wann der Senior den versicherten Pflegegrad 4 erreicht hätte, sei nicht vorhersehbar. Vor dem Hintergrund der angekündigten Erhöhung der Versicherungsbeiträge habe es der Versicherer für nachvollziehbar gehalten, dass der Versicherte die Pflegezusatzversicherung beenden wollte.

Anspruch auf nicht zugelassenes Medikament?

Auch und gerade bei todkranken Versicherten geht die Sicherheit der Arzneimittel vor

Ein 19-jähriger Patient leidet an Duchenne-Muskeldystrophie, einer seltenen, genetisch bedingten Erkrankung, an der die Betroffenen meist schon im frühen Erwachsenenalter sterben. Der Patient ist seit 2015 gehunfähig. Bei seiner Krankenkasse hatte er die Kostenübernahme für das Medikament "Translarna" beantragt. Doch dieses Arzneimittel ist nur für gehfähige Patienten zugelassen.

Mit dieser Begründung lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme ab: Zwei Anträge des Herstellers, die Zulassung für das Medikament auf "nicht mehr gehfähige Dystrophie-Patienten" zu erweitern, seien aufgrund negativer Bewertungen von der Europäischen Arzneimittel-Agentur 2019 abgewiesen worden. Daher habe der Versicherte keinen Anspruch auf Kostenübernahme für dieses Arzneimittel.

Das Bundessozialgericht gab der Krankenkasse Recht (B 1 KR 35/21 R). Wenn sich Versicherte wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung in einer Notlage befänden, werde in der Regel großzügig entschieden. Häufig bekämen sie sogar Medikamente, deren Wirksamkeit medizinisch noch nicht 100-prozentig belegt sei — sofern wenigstens eine geringe Aussicht auf Heilung oder positiven Einfluss auf die Krankheit bestehe.

Davon könne man aber nicht ausgehen, wenn die Arzneimittelbehörde die Unterlagen eines Pharmaunternehmens im Zulassungsverfahren geprüft und negativ bewertet habe. Dabei spiele es keine Rolle, ob die negative Beurteilung auf einer aussagekräftigen medizinischen Studienlage beruhe oder ob der medizinische Nutzen des Medikaments wegen methodischer Probleme bei der Auswahl der Herstellerdaten nicht bestätigt worden sei.

Auch und gerade bei so schweren Erkrankungen müsse die Arzneimittelbehörde die Patienten vor unkalkulierbaren Risiken schützen. Aufgrund ihrer fachlichen Expertise gewährleiste das Zulassungsverfahren eine wissenschaftlich einwandfreie und unabhängige Prüfung, inklusive Ausnahmeregeln für Härtefälle. Auf Arzneimittel ohne Zulassung hätten gesetzlich Krankenversicherte daher grundsätzlich keinen Anspruch.

Beim Auszug den Aufzug beschädigt

Mieter haftet für Kratzer in der Liftkabine: Edelstahlverkleidung musste ausgetauscht werden

2015 war in einem Mehrfamilienhaus ein Lift eingebaut worden, dessen Kabine innen mit Edelstahl verkleidet war. Als im Herbst 2019 ein Mieter auszog, transportierte er einige Möbel mit dem Aufzug und verkratzte dabei die Edelstahlverkleidung. Seine Haftpflichtversicherung zahlte dem Vermieter 5.000 Euro Schadenersatz, alle weitergehenden Forderungen erklärte sie für unverhältnismäßig.

Doch der Hauseigentümer bezifferte den Schaden auf 13.550 Euro und klagte auf Zahlung des Differenzbetrags. Begründung: Um den Schaden zu reparieren, müsse er eine Seitenwand und die Rückwand des Aufzugs vollständig austauschen lassen. Das bestätigte auch der vom Landgericht Koblenz beauftragte Sachverständige (4 O 98/21).

Die Wände seien erheblich verkratzt, erklärte der Experte. Nur eine zusätzliche Wandverkleidung anzubringen, um die Kratzer zu verbergen, sei schon aus statischen Gründen unmöglich. Dann würde der Lift nicht mehr gut funktionieren. Die beschädigten Wände müssten daher durch gleichwertige Originalteile ersetzt werden, lautete das Fazit des Gutachtens.

Deshalb gab das Landgericht dem Vermieter Recht. Grundsätzlich habe der Geschädigte Anspruch auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes oder auf den dafür notwendigen Geldbetrag, stellte das Gericht fest. Im konkreten Fall seien die Kosten zwar hoch, aber durchaus nicht unverhältnismäßig: Denn man könne hier den Schaden eben nur durch den Austausch der Wände beseitigen.

Kein Recht auf ein Zweitgutachten

Versicherter verlangt von der Krankenkasse mehr Hilfe für einen Arzthaftungsprozess

Krankenkassen sollen ihre Versicherten unterstützen, wenn diese wegen ärztlicher Behandlungsfehler Ansprüche geltend machen wollen. Allerdings nicht unbegrenzt, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (L 16 KR 432/22). Im konkreten Fall wollte ein 57 Jahre alter Mann den Operateur auf Schmerzensgeld verklagen, der ihn aufgrund einer Vorhautverengung beschnitten hatte.

Mit diesem Anliegen wandte sich der Patient an die Krankenkasse: Seit dem Eingriff leide er an Impotenz und Schmerzen, was zudem Depressionen ausgelöst habe. Der Mann führte die Probleme auf einen Behandlungsfehler zurück. Außerdem sei er nicht richtig über die Operation aufgeklärt worden. Ihm gehe es aber nicht nur um Geld, sondern um ein schmerzfreies, funktionsfähiges Geschlechtsteil — notfalls müsse ihm ein anderer Mediziner auf Kosten des Operateurs eine Ersatzvorhaut transplantieren.

Seine Krankenkasse beauftragte den Medizinischen Dienst mit einem Gutachten zu eventuellen Behandlungsfehlern. Doch das Ergebnis gefiel dem Versicherten ganz und gar nicht: Eine Beschneidung sei nicht geeignet, Beschwerden wie Impotenz zu verursachen, erklärte der Medizinische Dienst. Nun forderte der Versicherte ein weiteres Gutachten, außerdem müsse man seine Frau als Zeugin vernehmen. Als die Krankenkasse dies ablehnte, zog der Mann vor Gericht.

Doch das LSG urteilte, auf mehr Unterstützung habe er keinen Anspruch. Die gesetzliche Krankenversicherung habe mit dem Gutachten ihre Hilfspflicht erfüllt. Krankenkassen sollten Versicherten die Beweisführung in Arzthaftungsprozessen erleichtern, indem sie Auskunft geben über die von Medizinern gestellten Diagnosen und über die angewandte Therapie, indem sie ärztliche Unterlagen anfordern und Gutachten beim Medizinischen Dienst beauftragten.

Wenn ein Versicherter mit dem Resultat so eines Gutachtens unzufrieden sei, müsse die Krankenkasse deswegen jedoch nicht weitere Gutachten einholen oder selbst Ermittlungen für den Prozess beginnen und Zeugen vernehmen.

Mietwagenkosten zu hoch?

Kfz-Haftpflichtversicherung wirft einem Unfallgeschädigten vor, die Reparatur verzögert zu haben

Bei einem Verkehrsunfall, der auf das Konto des Unfallgegners ging, war der Wagen von Autofahrer K beschädigt worden. K ließ ihn zu einer Fachwerkstatt abschleppen, erteilte jedoch noch keinen Reparaturauftrag. Am nächsten Tag besorgte er sich bei einem Autovermieter fahrbaren Ersatz für 59 Euro am Tag und beauftragte einen Kfz-Sachverständigen mit einem Schadensgutachten.

Sein Anwalt schickte das Gutachten sechs Tage später an die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Zusätzlich zu den geschätzten Reparaturkosten, der Wertminderung etc. enthielt das Anwaltsschreiben den Hinweis: "Wir bitten um umgehende Reparaturfreigabe. Das Fahrzeug steht zur Reparatur in der Werkstatt. (Sie) wird aber erst in Angriff genommen, wenn Ihre Regulierungszusage vorliegt. Bis dahin benötigt unser Mandant einen Mietwagen".

Die Versicherung ersetzte die Reparaturkosten, beanstandete jedoch, dass der Unfallgeschädigte mehr als drei Wochen einen Wagen gemietet hatte (Kostenpunkt: 1.574 Euro). Das Unternehmen überwies dafür nur 228,72 Euro und warf Herrn K vor, er habe die Reparatur unnötig verzögert. Daraufhin klagte der Unfallgeschädigte den Differenzbetrag ein. Zu Recht, entschied das Landgericht Konstanz (11 S 8/22).

Der Unfallverursacher müsse die Reparatur und, wenn nötig, während der Reparaturdauer ein Mietauto finanzieren. Bevor dessen Haftpflichtversicherung die Übernahme der Reparaturkosten nicht zugesagt habe, müsse der Unfallgeschädigte die Reparatur nicht — sozusagen auf eigenes Kostenrisiko — in Auftrag geben. So lange dürfe er mit dem Auftrag warten. Der Anwalt von Herrn K habe bereits eine Woche nach dem Unfall um Reparaturfreigabe gebeten und mitgeteilt, dass K einen Mietwagen benötige.

Nachdem die Versicherung die errechneten Reparaturkosten überwiesen habe, habe K die Reparatur sofort beauftragt und das Auto 24 Tage nach dem Unfall abgeholt. Der Vorwurf, K hätte pflichtwidrig mit dem Reparaturauftrag zu lange gewartet und so gegen seine Pflicht verstoßen, die Kosten so gering wie möglich zu halten, sei daher unberechtigt.

Auch die Tagespauschale von 59 Euro entspreche dem ortsüblichen Normaltarif. Dass K an seinem Wohnort einen günstigeren Mietwagen hätte finden können, habe die Versicherung zwar behauptet, aber nicht belegt.

Zweijähriger startete Auto

Die Mutter ging kurz weg und ließ die Autoschlüssel liegen: Aufsichtspflichtverletzung

Großmutter, Mutter und Kind hatten an einer Familienfeier teilgenommen. Als sie zu Ende ging, brachte die Mutter den zweieinhalbjährigen Jungen schon mal ins Auto. Sie setzte ihn in den Kindersitz auf dem Beifahrersitz, ohne ihn anzuschnallen. Den Autoschlüssel legte die Frau aufs Armaturenbrett und ging kurz zurück ins Haus, um etwas zu holen. Das Kleinkind krabbelte vom Kindersitz, nahm den Autoschlüssel und startete den Wagen.

Das Auto schnellte ruckartig nach vorne und traf die Großmutter, die etwa eineinhalb Meter entfernt auf einer Bank saß. An beiden Kniegelenken schwer verletzt, musste die Großmutter lange im Krankenhaus behandelt werden. Ihre Krankenkasse kam für die Behandlungskosten auf und forderte den Betrag anschließend von der Mutter des Jungen zurück: Sie habe ihre Aufsichtspflicht verletzt.

Gegen den Vorwurf wehrte sich die Mutter: Sie sei nur ein oder zwei Minuten weg gewesen und habe die Autotüren weit offengelassen. Dass das Kind in der kurzen Zeit so eine komplexe Handlung ausführen könnte, damit habe sie nicht rechnen müssen. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg gab der Krankenkasse Recht: Kleinkinder müsse man ununterbrochen beaufsichtigen (14 U 212/22).

Die Mutter habe das Kind allein im Auto sitzen lassen und die Schlüssel dort abgelegt: Damit habe sie eine ganz erhebliche Gefahr geschaffen. Der Vorgang sei keineswegs so außergewöhnlich, wie die Mutter meine, betonte das OLG: Kleine Kinder ahmten prinzipiell gerne die Erwachsenen nach. Dass sie auch gerne mit Schlüsseln spielten und versuchten, sie in Schlösser zu stecken, zeige die Erfahrung.

Dass der Junge dies mit dem Autoschlüssel und dem Zündschloss versuchen könnte, liege also keinesfalls jenseits des "Vorstellbaren". Die Mutter hätte das Kleinkind im Kindersitz anschnallen und die Schlüssel mitnehmen müssen. Sie hätte auch jemanden darum bitten können, kurz auf den Jungen aufzupassen. Da sie ihre Aufsichtspflicht verletzt habe, hafte sie für den dadurch entstandenen Schaden.

Wegen psychischer Belastung krankgeschrieben

Wurde das beim Vertragsschluss verschwiegen, muss die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zahlen

2013 hatte ein Krankenpfleger den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung beantragt. Im Antragsformular sollte er angeben, ob er in den letzten zehn Jahren "wegen Erkrankungen oder Störung der Psyche (zum Beispiel depressive Stimmungen, Angstzustände, Belastungsreaktionen, Essstörungen, Erschöpfungszustände) beraten, untersucht oder behandelt" wurde. Die Frage verneinte der Mann, der Versicherungsvertrag wurde abgeschlossen.

Im Herbst 2015 wurde der Krankenpfleger wegen Alkoholabhängigkeit behandelt und lange krankgeschrieben. Schließlich beantragte er Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung: Er sei aufgrund von psychischen Beschwerden (Depressionen, Verhaltensstörungen durch Opioide und Alkohol) derzeit nicht in der Lage, seine berufliche Tätigkeit auszuüben, teilte er mit. Später strebe er einen Berufswechsel an.

Die Versicherung winkte ab. Bei ihren Nachforschungen hatte sie erfahren, dass der Krankenpfleger einige Jahre vor dem Abschluss des Versicherungsvertrags von Dr. S bereits wegen "psychischer Belastungen durch Arbeit" zwei Wochen krankgeschrieben worden war. Im ambulanten Pflegedienst hatte er vier Wochen ohne Unterlass — auch an Wochenenden — gearbeitet und war total erschöpft gewesen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken wies die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers ab (5 U 8/22). Die Versicherung könne vom Vertrag zurücktreten, weil er die Gesundheitsfrage im Antragsformular vorsätzlich falsch beantwortet habe. Der Krankenpfleger habe drei Jahre vor Vertragsschluss seine Ärztin wegen einer psychischen Belastungsreaktion aufgesucht und sei krankgeschrieben worden.

Nun trage er vor, damals sei er nicht krank, nur völlig überarbeitet gewesen und habe eine Pause gebraucht. So habe er der Ärztin das Problem auch erklärt. Das entspreche allerdings durchaus einer arbeitsplatzbedingten Belastungsreaktion: Eine ärztliche Behandlung in diesem Zusammenhang hätte der Krankenpfleger angeben müssen, auch wenn er die genaue medizinische Diagnose nicht kannte oder sie nicht ernstgenommen habe. Ob diese Diagnose wirklich zutraf, sei hier nicht von Belang.

Im Antragsformular sei nicht nach der Diagnose gefragt worden, sondern danach, ob er im Zusammenhang mit einer Belastungsreaktion beraten, untersucht und behandelt worden sei. Diese weit gefasste Frage hätte er richtig beantworten und die Behandlung offenbaren müssen.

Ärztlich behandelte Belastungsreaktionen seien für den Versicherer eine wichtige Information. Dass das Unternehmen beim Vertragsschluss das Risiko einschätzen müsse, liege auf der Hand. Wenn jemand wegen psychischer Beschwerden in Behandlung sei, werde üblicherweise der Vertragsschluss abgelehnt.

Wohnmobil geklaut

Der Schlüssel lag im Fahrzeug: Muss die Teilkaskoversicherung den Verlust in voller Höhe ersetzen?

Ein Ehepaar fuhr mit dem Wohnmobil in Urlaub. In einer Gaststätte wollten die Urlauber eine Mittagspause einlegen, das Wohnmobil stellten sie auf dem Parkplatz ab. Während die Ehefrau im Fahrzeug noch etwas suchte, ging ihr Mann schon zum Hauseingang. Von dort rief er ihr zu, sie solle den Fahrzeugschlüssel mitbringen. Den hatte er in die vordere Ablage gelegt und mit einem Handtuch zugedeckt.

Doch die Ehefrau verstand seinen Zuruf nicht richtig und ließ den Schlüssel liegen. Als das Paar zwei Stunden später die Fahrt fortsetzen wollte, war das Wohnmobil verschwunden. Der Kfz-Halter meldete den Verlust seiner Teilkaskoversicherung. Das Unternehmen ersetzte jedoch nur rund 16.000 Euro, was etwa einem Drittel des Fahrzeugwerts entsprach.

Da der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe, dürfe sie die Leistung kürzen, erklärte die Versicherung. Das sah der Versicherungsnehmer anders: Er klagte auf vollen Schadenersatz. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (6 U 107/21). Grob fahrlässig handle, wer naheliegende, einfache Maßnahmen nicht ergreife, die jedem einleuchten müssten.

Im konkreten Fall sei dieser Vorwurf unberechtigt. Der Versicherungsnehmer habe seine Frau gebeten, den Schlüssel mitzunehmen. Er habe sich also darum gesorgt, dass der Schlüssel während der Mittagspause nicht im Wohnmobil liegen blieb. Nur wegen eines Missverständnisses sei die Ehefrau der Aufforderung nicht gefolgt. So ein Missverständnis könne letztlich jedem passieren — es stelle keine unentschuldbare Pflichtverletzung dar.

Der Kfz-Halter habe nicht kontrolliert, ob seine Frau das Wohnmobil abgeschlossen und den Schlüssel eingesteckt habe. Das wäre natürlich besser gewesen, räumte das OLG ein. Aber als grob fahrlässig sei auch dieses Versäumnis nicht zu bewerten. Normalerweise vertrauten Ehepartner einander. Anhaltspunkte dafür, warum dieses unter Ehepartnern übliche Vertrauen hier unangebracht gewesen sein könnte, seien nicht ersichtlich.

Gartentor vom Sturm beschädigt

Ist die Reparatur teurer als ein neues Tor, muss die Gebäudeversicherung deren Kosten nicht erstatten

Nach einem Sturm musste eine Hauseigentümerin einige Schäden am Anwesen feststellen. Unter anderem war das rechte Torelement des Gartentores aus dem Scharnier gerissen worden. Die Frau meldete die Schäden ihrer Wohngebäudeversicherung — wegen des Gartentors kam es zum Streit.

Eine von der Hauseigentümerin beauftragte Firma hatte in ihrem Kostenvoranschlag die Reparaturkosten für das Tor auf 5.700 Euro brutto geschätzt. Doch der Sachverständige der Versicherung erklärte eine Reparatur für "unwirtschaftlich". Den rechten Torflügel gegen einen neuen auszutauschen, koste höchstens 1.500 Euro. Die Versicherungsnehmerin ließ das Tor dennoch reparieren und forderte von der Versicherung Kostenersatz.

Unstrittig sei, dass das Unternehmen im Prinzip für den Schaden einstehen müsse, so das Oberlandesgericht Saarbrücken (5 U 30/22). Ein Sturm habe den Torflügel aus der Verankerung gerissen und das Gartentor gehöre zu den mitversicherten Sachen.

Die Versicherung schulde der Hauseigentümerin aber nur den Betrag, der notwendig sei, um den Schaden zu beseitigen. Welche Kosten der von der Versicherungsnehmerin eingereichte Kostenvoranschlag nenne und welchen Betrag sie tatsächlich für die Reparatur aufgewandt habe, sei nicht von Belang.

Hier komme es nur darauf an, welche Kosten objektiv erforderlich waren, um das Gartentor wiederherzustellen. Der gerichtliche Sachverständige habe erläutert, der Einbau eines vergleichbaren, neuwertigen Gartentores koste 2.450 Euro brutto. Richtigerweise sei er davon ausgegangen, dass ein neues Tor beschafft und nicht nur der beschädigte Torflügel ausgetauscht werden müsse.

Bei der Kalkulation habe der Sachverständige die Kosten der Demontage des beschädigten Tores berücksichtigt und die Montagekosten eines baugleichen, feuerverzinkten Tores. Mehr als den doppelten Betrag für eine Reparatur des alten Tores auszugeben, das ohne Nachteil für die Versicherungsnehmerin ausgetauscht werden könne, wäre wirtschaftlich unvernünftig. Also müsse der Versicherung diese Kosten auch nicht ersetzen.

Spurwechsel führt zu Verkehrsunfall

Der Unfallgegner haftet zu 25 Prozent mit, weil er auf der Autobahn mit 200 km/h unterwegs war

Als Autofahrerin A auf der Autobahn auf die linke Spur wechselte, um einen Laster zu überholen, übersah sie den von hinten mit ca. "200 Sachen" heranbrausenden Wagen von Herrn B. Da Frau A nur etwa 130 km/h schnell fuhr, kam es zum Auffahrunfall. Die Autofahrerin gab dem "Raser" die Schuld und forderte Entschädigung für den Schaden an ihrem Auto.

Doch das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig beantwortete die Schuldfrage anders (7 U 41/22). Autofahrer dürften die Spur nur wechseln, wenn jede Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Spurwechsler treffe eine "besondere Sorgfaltspflicht". Ereigne sich bei einem Spurwechsel ein Unfall, liege das in der Regel daran, dass der Spurwechsler nicht umsichtig genug vorgegangen sei, betonte das OLG.

Und das sei auch hier der Fall, obwohl Frau A behaupte, sie sei vor der Kollision mindestens schon zehn Sekunden auf der linken Fahrspur gefahren. Wenn das zuträfe, hätte sie den großen Wagen von Herrn B auf dieser geraden Strecke im Rückspiegel geraume Zeit vor dem Unfall bemerken müssen. Angeblich habe sie ihn aber erst "direkt vor dem Krach" im linken Außenspiegel gesehen — dies spreche gegen ihre Darstellung, dass der Spurwechsel zum Unfallzeitpunkt bereits beendet war.

Frau A habe den Unfall überwiegend selbst verschuldet. Allerdings müsse Autofahrer B für 25 Prozent der Unfallfolgen mithaften, weil er deutlich schneller als mit Richtgeschwindigkeit unterwegs war. Zwar bestehe auf diesem Streckenabschnitt kein Geschwindigkeitslimit, gegen das Herr B verstoßen hätte. Grundsätzlich rechtfertige aber eine so hohe Geschwindigkeit eine Mithaftung, weil sie das Unfallrisiko vergrößere. Häufig reagierten nämlich die anderen Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht richtig und unterschätzten die Geschwindigkeit.

Strittige Alternativtherapien

Die private Krankenversicherung übernahm eineinhalb Jahre die Behandlungskosten: Vertrauensschutz?

Nach einem Herzinfarkt litt eine Patientin dauerhaft unter Herzproblemen, Blockierungen der Wirbelsäule, heftigen Kopfschmerzen und anderen Beschwerden. Sie vertraute auf einen Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, der bei ihr alternative, wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Therapien anwandte (Photonentherapie, Ozontherapie). Mit geringen Abzügen erstattete die private Krankenversicherung der Frau eineinhalb Jahre lang die Behandlungskosten.

Dann forderte das Unternehmen ausführliche Befunde und kündigte schriftlich an, den Leistungsanspruch der Versicherungsnehmerin genau zu prüfen. Dabei kam die Versicherung zu dem Ergebnis, die Leistungen seien größtenteils nicht als medizinisch notwendig einzustufen. Die letzte Rechnung belaufe sich auf 9.542 Euro, davon würden nur 1.679 Euro erstattet. Die Zahlungsklage der Patientin führte beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe nur zu einem Teilerfolg (12 U 194/22).

Nach den Versicherungsbedingungen sei das Unternehmen nicht verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, bestätigte das OLG: Die Wirksamkeit der betreffenden Therapien sei nicht erwiesen, als medizinisch notwendig seien sie nicht anzusehen. Grundsätzlich gelte: Der Versicherer könne seine Leistungspflicht bei jeder Behandlung neu prüfen, auch dann, wenn der Krankheitszustand des/der Versicherten unverändert sei. Mit der Kostenübernahme lege er sich nicht für die Zukunft fest.

Trotzdem müsse der Versicherer hier ausnahmsweise einen Teil der Kosten übernehmen (4.234 Euro). Würden Behandlungskosten über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos erstattet, werde der Versicherungsnehmer darauf vertrauen, dass dies so bleibe. Das begründe allerdings, wie ausgeführt, noch keine Leistungspflicht. Im konkreten Fall habe jedoch das Vertrauen der Versicherten auf die Kostenübernahme ihre Entscheidung zu Gunsten der fraglichen Behandlung stark beeinflusst und das sei für den Versicherer erkennbar gewesen.

Daher sei es gerechtfertigt, dem Versicherer einen Teil der Kosten aufzuerlegen. Krankheit und Behandlungsmethoden seien im fraglichen Zeitraum gleichgeblieben. Bevor der Versicherer der Versicherten eine genaue Prüfung ankündigte, habe er die Kosten eineinhalb Jahre lang ohne Vorbehalte erstattet. Dass er dabei regelmäßig kleine Abzüge vornahm, habe die Frau nur so verstehen können, dass die Rechnungen geprüft und im Umfang der Kostenübernahme gebilligt worden seien.

Reise wegen Krankheit storniert

Kunde hatte den Flug mit Bonusmeilen bezahlt: Reiserücktrittskostenversicherung muss deren Wert ersetzen

Bei einer Fluggesellschaft hatte ein Kunde einen Hin- und Rückflug in die USA gebucht und mit Bonusmeilen aus dem Bonusprogramm des Unternehmens bezahlt. Einige Wochen später erkrankte er und musste die Amerikareise stornieren. Für die Stornogebühr sollte seine Reiserücktrittskostenversicherung aufkommen, die jedoch die Zahlung verweigerte: Da der Versicherungsnehmer die Reise mit Bonusmeilen finanziert habe, stehe ihm keine Entschädigung für die Rücktrittskosten zu.

Zunächst verlor der Mann den Rechtsstreit, erst beim Bundesgerichtshof (BGH) setzte er sich durch (IV ZR 112/22). Der Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers sei nicht auf Geldleistungen beschränkt, entschied der BGH: Das widerspräche erstens dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen, wie ihn ein durchschnittlich informierter Versicherungsnehmer auffasse. Und zweitens dem Sinn und Zweck der Versicherung.

Im Versicherungsvertrag stehe: Wenn der Versicherungsnehmer die Reise nicht antreten könne, entschädige ihn die Versicherung für die dem Reiseunternehmen vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten. Der Begriff "Rücktrittskosten" umfasse alle Aufwendungen, die Kunden einsetzten, um die Reise zu finanzieren und die sie nach der Stornierung vom Reiseunternehmen nicht erstattet bekämen. Dazu gehörten auch eingesetzte Bonusmeilen.

So würden jedenfalls verständige Verbraucher die Vertragsklausel interpretieren. Von einer Einschränkung auf Geld oder Gutscheine sei hier nicht die Rede.

Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn und Zweck der Versicherung. Eine Reiserücktrittskostenversicherung decke das finanzielle Risiko ab, dass Verbraucher eine gebuchte Reise krankheitsbedingt nicht antreten könnten und stornieren müssten. Viele buchten ihre Reisen schon Wochen oder sogar Monate vor Reisebeginn — daher sei es sinnvoll, sich auf diese Weise abzusichern. Dabei spiele es für die Verbraucher aber keine Rolle, ob sie die Reise mit Geld oder mit Bonusmeilen finanzierten.

Motorradfahrer weicht Rehen aus

Die Kfz-Versicherung muss Schäden durch eine objektiv gebotene "Rettungshandlung" ersetzen

Im Herbst 2020 war Motorradfahrer M mit seinem Sohn in Frankreich unterwegs. Beim Einfahren in eine Rechtskurve bemerkte er am rechten Straßenrand hinter Büschen zwei oder drei Rehe. Weil er fürchtete, sie könnten auf die Straße springen, lenkte er blitzschnell das Motorrad nach links. Das Manöver endete im Straßengraben.

Der Schaden am teilkaskoversicherten BMW-Motorrad betrug laut Sachverständigengutachten rund 3.500 Euro. Allerdings weigerte sich der Versicherer, für die Schäden an BMW und Motorradkleidung aufzukommen.

Die Tiere, die der Versicherungsnehmer angeblich gesehen habe, seien noch nicht einmal auf der Straße gestanden, wandte das Unternehmen ein: Das Ausweichmanöver sei völlig unnötig gewesen. Zudem sei die Schilderung des Vorfalls widersprüchlich, M habe nicht einmal genau angeben können, wann er die Rehe gesehen habe ("vielleicht aus 15 Meter Abstand").

Diese Einwände konnte das Oberlandesgericht Saarbrücken nicht nachvollziehen: Es verurteilte den Versicherer dazu, 4.300 Euro Schadenersatz zu leisten (5 U 120/21). Aufgrund von Zeugenaussagen stehe fest, dass an der Unfallstelle stetig Wildwechsel stattfinde. Da M den Zusammenstoß verhindert habe, fänden sich am Motorrad keine Tierspuren. Das widerlege aber seine plausible — vom Sohn und anderen Zeugen bestätigte — Schilderung nicht. M habe einen Ablauf beschrieben, der, objektiv betrachtet, dafür spreche, dass ein Zusammenstoß mit Rehen drohte.

Dass Tiere, deren Verhalten nicht berechenbar sei, möglicherweise auf die Straße laufen würden, damit sei in so einer Situation zu rechnen — auch wenn es nicht sicher feststehe. Anders als der Versicherer meine, sei in solchen Fällen eine sichere Prognose weder möglich, noch notwendig: Wenn eine Kollision zumindest wahrscheinlich sei, stelle das Ausweichmanöver eine gebotene "Rettungshandlung" dar, d.h. den Versuch, größere Schäden am Fahrzeug bzw. Verletzungen zu vermeiden. Die tatsächlichen Schäden seien als "Rettungskosten" zu ersetzen.

Vom Versicherungsnehmer könne man außerdem nicht verlangen, so einen Unfall in allen Details 100-prozentig korrekt zu schildern. Hier gehe es schließlich um ein rasch ablaufendes Ereignis, von dem Betroffene überrascht würden. Kein Wunder, dass sich da keine Einzelheiten eingeprägten. Motorradfahrer, die mangels Knautschzone Verletzungen fürchten müssten, wollten verständlicherweise Kollisionen unter allen Umständen vermeiden — M sei zudem noch für seinen Sohn verantwortlich gewesen.

Risikoausschluss in der privaten Unfallversicherung

Wird ein Sturz von einem Ohnmachtsanfall ausgelöst, besteht kein Versicherungsschutz

Der 60-jährige Zahnarzt H wurde mit entzündeten Schnittverletzungen am Knie ins Krankenhaus eingeliefert und operiert. Im Arztbericht hieß es, der Patient sei zu Hause ohnmächtig geworden und bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt. Er sei nicht das erste Mal nach einer Ohnmacht gestürzt, habe Herr H angegeben. Fast 48 Stunden sei er diesmal am Boden gelegen und habe keine Hilfe holen können.

Nach drei Wochen in einer Reha-Klinik wurde der Patient entlassen. Ein Jahr später meldete er den Unfall seiner privaten Unfallversicherung und legte ein Attest seines Hausarztes vor. Demnach hatte sich der Unfall anders zugetragen: Herr H sei gestolpert und in ein Wasserglas gefallen, habe sich dabei am Knie verletzt. Da das Bein nicht mehr belastbar sei, könne er nicht mehr lange gehen oder stehen, seinen Beruf also nicht mehr ausüben.

Die Unfallversicherung teilte nach Prüfung der ärztlichen Unterlagen mit, Herr H habe nach den Versicherungsbedingungen keinen Anspruch auf Leistungen: Denn er sei infolge einer "Bewusstseinsstörung" gestürzt, solche Unfälle seien vom Versicherungsschutz ausgenommen. Die Zahlungsklage des Versicherungsnehmers blieb beim Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken erfolglos (5 U 107/21).

Dass H nun behaupte, er sei erst über einen Teppich gestolpert und habe dabei ein Wasserglas fallen lassen, auf das er anschließend stürzte … sei wenig glaubwürdig, fand das OLG. Nach Ansicht des Gerichts sei bewiesen, dass dem Sturz ein Ohnmachtsanfall vorausgegangen sei. Dafür sprächen die Art der Verletzungen und die Arztberichte mit den dokumentierten ersten Angaben des Patienten.

H habe beim Rettungsdienst, bei den Ärzten im Klinikum Saarbrücken und bei den Ärzten in der Reha-Klinik angegeben, aufgrund einer Ohnmacht bewusstlos auf einen Glastisch gestürzt zu sein. Warum diese vollkommen gleichlautenden Arztberichte, die seinen Sturz schlüssig erklärten, unrichtig gewesen sein könnten, habe H vor Gericht nicht überzeugend darlegen können.

"Bewusstseinsstörung" bedeute, dass der Versicherte auf eine gefährliche Situation schon nicht mehr angemessen reagieren könne, was das Unfallrisiko erhöhe. Der Risikoausschluss betreffe also Unfälle, denen eine geminderte Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten vorausgehe. Unter Umständen könnten sogar kurzfristige Kreislaufprobleme wie Schwindel den Versicherungsschutz ausschließen — für eine Ohnmacht, die einen Sturz nach sich ziehe, gelte dies allemal.

Elektroroller-Batterie explodiert in der Werkstatt

Keine Haftung des Kfz-Halters, wenn der Brand nicht beim Betrieb des Rollers entstand

Der Besitzer eines Elektrorollers hatte sein "Kleinkraftrad" (Freeliner Lyric A720) zur Inspektion in die Werkstatt gebracht. Ein Mitarbeiter der Werkstatt nahm die Batterie aus dem Roller, um sie aufzuladen. Dabei erhitzte sie sich sehr stark. Vorsichtshalber trennte deshalb der Mechaniker den Akku vom Stromnetz und legte ihn auf den Boden. Er dachte, die Batterie würde sich dort abkühlen — doch nach wenigen Minuten explodierte sie und setzte die Werkstatt in Brand.

Die Gebäudeversicherung des Werkstattinhabers regulierte den Brandschaden und forderte den Betrag anschließend von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Rollerfahrers ersetzt. Ihre Zahlungsklage scheiterte jedoch in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (VI ZR 1234/20). Die Haftpflichtversicherung müsse für Schäden haften, die "beim Betrieb" eines Kraftfahrzeugs eintreten, so die Bundesrichter — nicht aber, wenn ein Schaden unabhängig davon bei Wartungsarbeiten entstehe.

In der Werkstatt werde der Roller nicht als Verkehrsmittel benutzt. Dass der Akku aus dem E-Roller ausgebaut wurde, mache es geradezu anschaulich: Damit setze der Mitarbeiter das Kleinkraftrad außer Betrieb. Es habe keine Verbindung mehr zum Kfz bestanden. Also könne die Explosion der Batterie nicht beim Betrieb des E-Rollers verursacht worden sein.

Allein die Tatsache, dass der E-Roller vor dem Werkstattbesuch mit dem Akku gefahren sei, sich der Akku beim Kfz-Betrieb entladen habe, begründe jedenfalls keinen ursächlichen Zusammenhang zur Explosion. Die Situation sei dann genauso, als sollte eine neue Batterie ins Kfz eingebaut und deswegen vorher aufgeladen werden. Unter diesen Umständen sei sie noch kein Bestandteil der Betriebseinrichtung.