Umweltfragen

Forstwirt setzt Jagdzeitverlängerung durch

Vermehrter Wildverbiss stellte den Waldumbau hin zum klimafesteren Mischwald in Frage

Jäger S ist Inhaber eines forstwirtschaftlichen Betriebs in seinem Eigenjagdrevier. Beim Landratsamt beantragte er im Herbst 2022 wegen massiver Bissschäden in seinem Wald zum wiederholten Mal, die Jagdzeit zu verlängern. Genauer: die am 16. Januar beginnende Schonzeit für weibliches Rehwild und Kitze bis 15. Februar 2023 aufzuheben. Andernfalls könne er seine Rehwild-Abschussquote nicht erfüllen.

Das Wild bleibe mittlerweile bis in den Februar hinein auf den Feldern, erklärte Jäger S, und ernähre sich dort von Körnermais. Da könne man wegen der vielen Spaziergänger und anderer Freizeitaktivitäten nicht schießen. Erst im Spätwinter ziehe das Wild in den Wald, in der sensibelsten Zeit für neu angepflanzte Bäume. Knospen seien für Rehwild ein "gefundenes Fressen". In dieser Zeit drohe besonders hoher Schaden, umso wichtiger sei es, Wild zu schießen. Ansonsten werde es fast unmöglich, Laubhölzer neu aufzuforsten.

Das Landratsamt lehnte den Antrag ab: Der Jagdbeirat sei aus wildbiologischen Gründen dagegen, Ausnahmen von der Schonzeit zuzulassen und dem Wild im Winter die Ruhezeit zu nehmen. Das Abschuss-Soll sei bis 15. Januar problemlos zu erreichen, wenn man in der restlichen Jagdsaison richtig vorgehe. Außerdem verringere es den Wildverbiss nicht erheblich, wenn die Jagdzeit verlängert werde.

Das Verwaltungsgericht München stellte sich auf die Seite des Forstwirts (M 7 E 23.132). Er habe nachvollziehbar vorgetragen, dass ihm unzumutbare wirtschaftliche Schäden drohten. Auf Flächen mit Totalausfall könne dies rund 10.000 Euro je Hektar ausmachen, habe der gerichtliche Sachverständige errechnet. Da das Revier von S zwischen landwirtschaftlichen Flächen mit viel Maisanbau liege, ziehe das Rehwild erst in der Schonzeit vermehrt in den Wald und weide dort die ersten Sprösslinge der Forstkulturen ab.

Die Mischbaumarten litten besonders am Schalenwildverbiss. Dass gerade die Neupflanzungen beschädigt werden, störe den Waldumbau massiv, der aufgrund des Klimawandels dringend notwendig sei. Auf den Flächen mit Naturverjüngung sei jetzt schon zu erkennen, dass die Baumarten Eiche, Buche und Ahorn komplett ausfallen könnten. Deshalb müsse der Rehwildbestand im Revier dringend reduziert werden, wenn der angestrebte Wechsel zu Mischbeständen gelingen solle.

Aus der Tatsache, dass sich der Wildverbiss nach bisher erst einmaliger Verkürzung der Schonzeit nicht merklich verbessert habe, dürfe man nicht voreilig darauf schließen, dass die Maßnahme "nichts bringe", betonte das Gericht. Wie sich der vermehrte Abschuss auswirke, könne man frühestens nach Ablauf eines Jagdjahres bewerten.

Gülle ist bodennah auszubringen

Düngeverordnung: Landwirt kämpft vergeblich um eine Ausnahmeerlaubnis

Die Regeln der Düngeverordnung sollen die Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft verringern. Seit Februar 2020 ist es unter anderem vorgeschrieben, Düngemittel wie Gülle streifenförmig bodennah auszubringen oder sie direkt in den Boden einzuarbeiten.

Das bayerische Amt für Ernährung, Landwirtschaften und Forsten (AELF) hat Anfang 2020 geregelt, unter welchen Bedingungen Landwirte von dieser Vorschrift befreit werden können. Das ist z.B. der Fall, wenn sie einen kleinen Betrieb mit "weniger als 15 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche" führen.

Landwirt X, der in Bayern 30 Milchkühe hält und eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 37,6 ha bewirtschaftet, beantragte eine Ausnahmegenehmigung für sein gesamtes Ackerland. Für seinen Betrieb sei es unmöglich, Gülle bodennah auszubringen, erklärte er. Sein Güllefass könne er technisch nicht nachrüsten und die Investition in ein teures Gerät mit bodennaher Ausbringtechnik sei unwirtschaftlich. Außerdem setze er sowieso seit zehn Jahren Bio-Pulver ein, um die Ammoniakemissionen zu reduzieren.

Das AELF lehnte seinen Antrag ab. Die Klage des Landwirts gegen diesen Bescheid blieb beim Verwaltungsgericht (VG) Ansbach ebenfalls erfolglos (AN 14 K 20.01265). Der Gülle Bio-Pulver zuzusetzen, verringere die Ammoniakemissionen beim Ausbringen des Düngers nachweislich nicht so effektiv wie das bodennahe Arbeiten, so das VG.

Eine Ausnahmegenehmigung für den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb komme nicht in Frage, weil Landwirt X mehr als 15 ha Nutzfläche bewirtschafte. Auf 15 ha — oder noch weniger — Ackerfläche Dünger mit unterschiedlichen Techniken auszubringen und dafür teure Geräte zu beschaffen, sei für Landwirte unzumutbar. Das gelte für Landwirt X jedoch nicht.

Allerdings könnte er eine Ausnahmeerlaubnis für einzelne Äcker mit Besonderheiten erhalten: Direkt an der Hofstelle lägen steile Hänge, an denen man einen Schlepper mit angehängtem hohem Gewicht aus Sicherheitsgründen nicht einsetzen könne. Auch seien einige Flächen mit großen landwirtschaftlichen Maschinen nicht oder nur sehr mühsam erreichbar.

Die Landesanstalt für Landwirtschaft habe die von X bewirtschafteten Flächen, für die eine Ausnahmeerlaubnis erteilt werden könne, mit insgesamt 4,87 ha angegeben. Wenn man diese Flächen und zudem das Grünland abziehe, bewirtschafte Landwirt X immer noch Ackerland von ca. 17 ha Größe, die sich für das bodennahe Ausbringen von Düngemittel eigneten.

Lärmgeplagter Anwohner kämpft gegen Altglascontainer

Welche Behörde ist für das "Duale System" zuständig?

Wer sich gegen Lärm in der Nachbarschaft seiner Wohnung zur Wehr setzt, muss nicht nur belegen, dass die Belästigung unzumutbar ist. Er muss seine Beschwerde auch bei der richtigen Stelle vorbringen und das ist gar nicht so einfach.

Diese Erfahrung machte ein Bürger aus Hessen, dem die Wertstoff-Sammelanlage in der Nähe seiner Wohnung ein Dorn im Auge war. Er verklagte die Stadt und den Landkreis in der Hoffnung, eine von beiden Verwaltungsebenen werde schon dafür zuständig sein, das störende Geklirre am Altglascontainer abzustellen.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof wies seine Klage jedoch ab (14 TG 2482/93). Nach der Verpackungsverordnung solle die öffentliche Hand entlastet und die Produkthersteller mehr in die Pflicht genommen werden. Dementsprechend sei in dem Landkreis das Duale System Deutschland für das Sammeln und Sortieren des Mülls verantwortlich. Der Landkreis sei nur noch bei einem Entsorgungsnotstand zuständig, gegen "Lärmimmissionen" müsse er nicht einschreiten.

Der Kläger müsse sich stattdessen an das Staatliche Amt für Immissions- und Strahlenschutz (früher: Gewerbeaufsichtsamt) wenden, da die Wertstoffsammelstelle zu den gewerblichen Anlagen zähle.

EU-Landwirtschaftsprämien gekürzt

Landwirtin hatte im Naturschutzgebiet Grünland "gefräst" und damit gegen Auflagen verstoßen

Eine Landwirtin bewirtschaftet in Niedersachsen landwirtschaftliche Flächen, die in einem FFH-Gebiet liegen (d.h. in einem Naturschutzgebiet gemäß Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie). Wegen Cross-Compliance-Verstößen wurden ihr diverse EU-Prämien gekürzt. Cross-Compliance bedeutet: Landwirte erhalten Direktzahlungen von der EU, sofern sie Auflagen in Sachen Umweltschutz und Tierschutz erfüllen.

Der Landwirtin wurde von der zuständigen Behörde vorgeworfen, ihre Mitarbeiter hätten mehrere Grünlandflächen des Betriebs im FFH-Gebiet "totgespritzt", anschließend gefräst und damit die Grünlandnarbe zerstört. Gegen die Kürzung klagte die Betriebsinhaberin beim Verwaltungsgericht Lüneburg erfolglos. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg bestätigte die Entscheidung (10 LA 23/22).

Im FFH-Gebiet "Ilmenau mit Nebenbächen" sollten die feuchten Standorte und artenreiches Grünland erhalten werden, so das OVG: Dieses Ziel werde durch das Umbrechen von Grünland gefährdet, es sei daher verboten. Fräsen zerstöre tendenziell die Grasnarbe und verringere die biologische Vielfalt. Kontrolleure der Unteren Naturschutzbehörde hätten die Verstöße festgestellt und mit Fotos dokumentiert.

Der Vortrag der Landwirtin dazu sei unklar und widersprüchlich. Einmal behaupte sie, sie habe den Boden überhaupt nicht umgebrochen bzw. nur mit Schlitzdrillingen bearbeitet. Dann wieder habe die Landwirtin erklärt, es sei wegen Wildschäden notwendig gewesen, einzelne Teilflächen zu fräsen, was aber die Grünlandnarbe nicht zerstöre: Denn eine Fräse arbeite nur zwei, drei Zentimeter tief im Boden, kratze also nur die Oberfläche an.

Das sei allerdings unzutreffend: Beim Fräsen werde der Boden nicht nur oberflächlich gelockert. Die meist ca. 15 cm langen Messer dieses Bodenbearbeitungsgeräts rotierten und holten auch stark durchwurzelte Erde aus dem Boden.

Die Sanktionen seien gerechtfertigt, weil die Landwirtin zumindest bei den Bodenarbeiten auf einer Inselfläche vorsätzlich gehandelt habe. Als hier gefräst worden sei, habe sie gewusst, dass sich die Fläche im FFH-Gebiet befinde und der Umbruch hier untersagt sei.

Über die Grundstücksgrenze wachsende Bäume

Der Nachbar hat keinen Anspruch auf Rückschnitt, wenn er zum Absterben der Gehölze führen könnte

Die beiden Grundstücke lagen untereinander an einem Hang. An der Grundstücksgrenze standen auf dem oberen Grundstück einige Bäume, die ins Nachbargrundstück hineinragten: Kastanien, Schwarz-Erlen und Ahornbäume, teilweise über 30 Jahre alt und sehr hoch. Nachbar A, Eigentümer des unteren Grundstücks, ärgerte sich über den Abfall von Laub und Früchten in seinem Garten. Er forderte Eigentümer B auf, den Überhang zu beseitigen und die Bäume zurückzuschneiden.

B unternahm jedoch nichts. Deshalb brachte A ein Schlichtungsverfahren in Gang. Die zuständige Schlichtungsstelle versuchte vergeblich, den Streit beizulegen. Daraufhin zog Grundstückseigentümer A vor Gericht. Doch auch mit seiner Klage hatte er keinen Erfolg: Das Landgericht Köln entschied den Streit zu Gunsten des Baumbesitzers B (6 S 27/20).

Ein Rückschnitt wäre im konkreten Fall unverhältnismäßig, so das Landgericht. Laub und Baumfrüchte störten die Nutzung des unteren Grundstücks nur geringfügig. Maßgeblich sei dabei nicht das persönliche Empfinden des Grundstückseigentümers. Vielmehr gehe es darum, wie sehr das Grundstück — objektiv betrachtet — beeinträchtigt werde. Und im Vergleich zum Effekt eines Rückschnitt falle dies hier kaum ins Gewicht.

Wie ein Baumsachverständiger überzeugend erläutert habe, könnte ein drastischer Rückschnitt bis zur Grundstücksgrenze dazu führen, dass die Bäume absterben. Zumindest würde er sie massiv schädigen und so das Risiko erhöhen, dass die Gehölze eingehen. Also liefe der Eingriff im Endeffekt auf eine nach der Baumschutzverordnung verbotene Beseitigung der Bäume hinaus.

Öl im Erdreich versickert?

Sachverständiger widerlegt den Verdacht: Grundstückseigentümer muss das Gutachten nicht bezahlen

Auf einem Abstellplatz für Lkws und Baumaschinen wurden schwarze Brocken im Erdreich gefunden. Das Landratsamt befürchtete, das Grundwasser könnte verseucht sein: Möglicherweise sei Öl versickert. Ein Ingenieur wurde beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Die Angelegenheit entpuppte sich jedoch als harmlos: Nur bis zur Tiefe von zehn Zentimetern fanden sich Ölspuren, eine Umweltgefährdung konnte ausgeschlossen werden.

Das hinderte das Landratsamt jedoch nicht daran, dem Grundstückseigentümer die Gutachterkosten aufzuerlegen. Begründung: Er sei der Anlass für die Untersuchung gewesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob diese Kostenentscheidung auf (22 B 91.3523). Es sei zwar richtig, dass man einen Grundstückseigentümer sozusagen als "Veranlasser" von Kosten einstufen könne, wenn sich auf seinem Grund eine Gefahrenquelle befinde.

Da ihre Befürchtungen aber durch das Gutachten entkräftet worden seien, müsse die Behörde die Kosten tragen. Sie sei in diesem Fall nämlich im Interesse der Allgemeinheit tätig geworden. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Grundstückseigentümer das Einschreiten der Behörde provoziert hätte. Dafür gebe es aber keine Anhaltspunkte.

Umstrittene Schottergärten

OVG: Niedersächsische Baubehörde durfte die Beseitigung von Kiesbeeten im Vorgarten anordnen

Ehepaar B besitzt in Diepholz (Niedersachsen) ein Einfamilienhaus. Im Vorgarten haben die Hauseigentümer zwei je 50 qm große Kiesbeete angelegt, in die sie vereinzelt Koniferen und Bodendecker einsetzten. Die kommunale Bauaufsicht verlangte von ihnen, den Schottergarten zu beseitigen: Nicht überbaute Flächen müssten nach der niedersächsischen Bauordnung Grünflächen sein.

Ihre Kiesbeete seien doch Grünflächen, konterten die Eheleute: Sie hätten schließlich ein paar Sträucher im Vorgarten angepflanzt. Wenn man außerdem den Rasen und die Pflanzen hinter dem Wohnhaus berücksichtige, sei ihr Garten insgesamt ein "ökologisch wertvoller Lebensraum". Die Hauseigentümer wehrten sich gegen die Anordnung der Baubehörde, den Vorgarten zu begrünen, scheiterten jedoch mit ihrer Klage beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg (1 LA 20/22).

"Grünflächen" müssten grün sein, stellte das OVG fest. Damit seien naturbelassene oder angelegte, auf jeden Fall mit Pflanzen bewachsene Flächen gemeint. Das schließe einzelne Steinelemente im Garten nicht aus, wenn sie das Gesamtbild nicht dominierten. Beim Vorgarten von Ehepaar B handle es sich dagegen um Kiesflächen, in die die Hauseigentümer nur punktuell Koniferen, Sträucher und Bodendecker eingepflanzt hätten.

So ein Schottergarten erfülle die Anforderungen der Bauordnung nicht. Wie es hinter dem Haus aussehe, spiele dabei keine Rolle. Diese Interpretation der Bauordnung widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, die "Versteinerung der Stadt" so gering wie möglich zu halten.

Nicht nur Diepholz, auch einige andere niedersächsische Kommunen haben, um diese Absicht umzusetzen, Schottergärten verboten. Allerdings fehlt ihnen häufig das Personal für die Kontrolle der Vorgärten. Während Naturschutzverbände den Beschluss des OVG als Signal gegen die zunehmende Bodenversiegelung begrüßten, weil diese Lebensraum für Tiere und Pflanzen zerstöre, kritisierte der Eigentümerverband "Haus und Grund" den Beschluss als unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentumsrechte.

Mächtige Linde stört den Nachbarn

WEG muss überhängende Äste so weit zurückschneiden, wie es die Baumschutzverordnung erlaubt

Im Garten einer Wohnungseigentumsanlage steht eine mächtige Linde — direkt an der Grundstücksgrenze. Ihre ausladende Krone von ca. zwölf Metern ragt weit ins angrenzende Grundstück hinein und verschattet das Wohnhaus des Nachbarn. Wegen des Lichtmangels sind schon einige seiner Mieter vorzeitig ausgezogen. Die Wurzeln des Baums dringen im Nachbargrundstück an die Oberfläche, Wurzeln und Blätter verstopfen das Siel zum Kellereingang.

Nach vielen Beschwerden des Nachbarn beantragte die Eigentümergemeinschaft (WEG) beim Bezirksamt Hamburg-Altona die Erlaubnis, die Linde zu fällen. Das komme bei so einem gesunden Baum nicht in Frage, teilte die Behörde mit. Schatten auf dem Wohnhaus rechtfertige es nicht, eine vitale Linde abzuholzen. Das verstieße gegen die Baumschutzverordnung. Das Bezirksamt genehmigte nur einen Pflegeschnitt der Baumkrone.

Dem Nachbarn dauerten die Verhandlungen mit der Behörde zu lange, einen Pflegeschnitt hielt er sowieso für unzureichend. Er zog vor Gericht und verlangte von der WEG, die Äste und Wurzeln der Linde bis zur Grundstücksgrenze zurückzuschneiden — vorausgesetzt, dies werde vom Bezirksamt erlaubt. In Bezug auf die Äste setzte sich der Nachbar beim Amtsgericht Hamburg-Altona durch (317 C 18/22).

Grundsätzlich müssten Grundstückseigentümer dafür sorgen, dass überhängende Zweige die Nachbarn nicht beeinträchtigten, so das Amtsgericht. Allerdings dürften Eingriffe nicht gegen die Hamburger Baumschutzverordnung verstoßen: Naturschutz gehe vor, wenn ein Baum — wie die Linde — grundsätzlich erhaltenswert sei. Eingriffe würden nur ausnahmsweise genehmigt, wenn ein Baum das Eigentum des Nachbarn unverhältnismäßig beeinträchtige, d.h. massiver, als dies bei Bäumen üblich sei.

Nach dem Gutachten des Baumsachverständigen sei ein Rückschnitt der Krone akzeptabel, wenn keine Äste beschnitten würden, die dicker als fünf Zentimeter seien. Soweit dürfe und müsse die WEG die Lindenkrone stutzen. Ein Rückschnitt der Wurzeln würde dagegen die Standsicherheit des Baumes gefährden.

Auf diese Maßnahme habe der Nachbar keinen Anspruch, weil die Wurzeln keine besonderen Nachteile verursachten. Überirdisches Wurzelwachstum gehöre zu den typischen Begleiterscheinungen von Bäumen, die in der Regel hinzunehmen seien. Außerdem sei das Wachstum hier auch auf eine fehlerhaft verlegte Wurzelsperre zurückzuführen, die man eventuell korrigieren könne.

Verbotene Pflanzenschutzmittel

Der Schutz der Bienen darf nicht durch eine Notfallzulassung für Pestizide ausgehebelt werden

Die Pestizide Clothianidin und Thiamethoxam waren 1991 von der Europäischen Union (EU) als Pflanzenschutzmittel zugelassen worden. Doch 2018 wurden sie von der EU verboten, weil inzwischen klar geworden war, dass sie für Bienen eine große Gefahr darstellen. Die Wirkstoffe sollen für das Bienensterben (mit-)verantwortlich sein. Seit 2018 dürfen daher Pflanzen aus Saatgut, das mit diesen Wirkstoffen besprüht wurde, nur im Gewächshaus gezogen werden und keinesfalls ins Freiland gelangen.

Trotzdem genehmigte das belgische Landwirtschaftsministerium den Einsatz beider Stoffe und erklärte dies zur "Notfallzulassung": Gemüsebauern dürften sie vorbeugend bei Saatgut von Zuckerrüben, Kopfsalat, Chicorée und anderem Gemüse anwenden, das fürs Freiland bestimmt sei.

Dagegen klagten ein Imker und einige Naturschutzverbände. Der belgische Staatsrat legte das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vor, der in dieser Frage ein eindeutiges Stoppschild aufstellte (C-162/21): EU-Mitgliedstaaten dürften Pflanzenschutzmittel, die die EU ausdrücklich verboten habe, auch nicht per Notfallzulassung genehmigen.

Belgien verweise damit zwar auf eine Ausnahmevorschrift in der Pflanzenschutzmittelverordnung. Doch die Ausnahmeregel sei nur auf Wirkstoffe anwendbar, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich genannt seien. Ziel der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung sei es, die Gesundheit von Menschen und Tieren zu schützen. Diese Aufgabe habe Vorrang vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu effektivieren.

Vier Eichen gefällt und Hecke entfernt

Verstoß gegen das Naturschutzgesetz: Landwirt muss die Gehölze wieder anpflanzen

Ein Landwirt hatte auf seinen Ackerflächen eine 110 Meter lange Weißdornhecke abgeholzt und vier alte Eichen fällen lassen. Das Holz verwertete er als Brennholz und für einen Zaun. Die Hecke pflanzte er am Rand einer Bundesstraße neu. Dennoch brachte ihm der Kahlschlag Ärger mit der Naturschutzbehörde ein.

Der Landwirt müsse die Bäume, die Teil eines Biotops gewesen seien, neu anpflanzen, lautete der Bescheid. Auf intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen seien Hecken und Bäume Unterschlupf für viele Tierarten. Das Naturschutzgesetz verbiete es, ohne vernünftigen Grund wilde Pflanzen zu beseitigen und "Lebensstätten wild lebender Tiere" zu zerstören. Dafür sei zumindest eine Ausnahmeerlaubnis zu beantragen.

Gegen die "Pflicht zur Wiederherstellung" zog der Landwirt vor Gericht: Hier gehe es nicht um wilde Pflanzen, sondern um eine von ihm kultivierte Hecke und um Bäume, die dem landwirtschaftlichen Betrieb dienten. Mit Bedacht habe er reife, alte Bäume gewählt, das Holz "geerntet" und bestimmungsgemäß verwendet. Er müsse auch Landschaftselemente verändern und dem Bedarf anpassen können. Die Behörde dürfe auf Nutzflächen keine absolute Veränderungssperre erlassen.

Doch auch beim Verwaltungsgericht (VG) Hannover ging die Abwägung zwischen Naturschutz und den Interessen des Landwirts zu dessen Ungunsten aus (12 A 2491/18). Eichen seien keine angebauten Nutzpflanzen wie Obstbäume, so das VG: Hecken und Baumreihen seien wild lebende Pflanzen und Fortpflanzungs- und Ruhestätten für viele Vögel und Insekten. "Lebensraum" für diverse Tierarten abzuholzen, sei rechtswidrig.

Der Landwirt habe Natur in Kulturlandschaft umgewandelt. In erster Linie habe er die Gehölze entfernt, um die Bewirtschaftung des Ackerlands zu effektivieren — Fläche dazuzugewinnen und zwei Teilflächen zu vereinen. Nach den Maßstäben des Naturschutzgesetzes stelle das keinen "vernünftigen Grund" für das Beseitigen von Bäumen dar. Auch nach den Leitlinien der Landwirtschaftskammer seien solche "naturbetonten Strukturelemente" zu erhalten, weil sie wichtige Funktionen für das biologische Gleichgewicht und den Klimaschutz erfüllten.

Wenn die strengen Vorschriften Landwirte wirtschaftlich übermäßig belasteten, müssten sie Befreiung beantragen. Sinn dieses Verfahrens: Sie sollten nicht eigenmächtig in die Natur eingreifen. Und wenn ein Eingriff im landwirtschaftlichen Interesse ausnahmsweise genehmigt werde, solle die zuständige Fachbehörde zugleich über geeignete Ausgleichsmaßnahmen entscheiden.

Zoff um Abgase in der Tiefgarage

BMW-Fahrer darf den Motor nur noch 90 Sekunden lang warmlaufen lassen

In einer privaten Tiefgarage gerieten zwei Nutzer benachbarter Stellplätze aneinander. Herr A fand es unmöglich, dass Herr B seinen BMW 525 in der Garage mehrere Minuten lang warmlaufen ließ, bevor er wegfuhr. Er wies ihn auf den Ausstoß von Kohlenmonoxid hin, mit dem er die Garage "verpeste". Da stieß Herr A aber bei Herrn B auf wenig Verständnis. Nach einigen Streitereien zog A vor Gericht, um sein Anliegen durchzusetzen.

Andere Nutzer von Stellplätzen müssten die von B verursachten Abgase nicht unbeschränkt dulden, bestätigte das Landgericht Berlin (67 S 44/22). Abgase konzentrierten sich in einer Tiefgarage schneller als auf offener Straße und beeinträchtigten die Luftqualität, vom Lärm einmal ganz abgesehen. B dürfe den Motor also nicht unnötig laufen lassen. Unnötig sei der Betrieb eines Motors allerdings nur, wenn dafür kein technischer Grund vorliege.

Herr B habe eingeräumt, dass er den Motor jeweils ein bis zwei Minuten warmlaufen lasse, und betont, das sei technisch notwendig, wenn der Wagen länger gestanden habe. Denn nach der Starthilfe sorge das Leerlaufventil erst ca. 60 bis 70 Sekunden, nachdem das Fahrzeug angesprungen sei, für gleichmäßigen Leerlauf. Ein gewisser zeitlicher Vorlauf, bevor der BMW-Besitzer den Wagen bewege, sei ihm also zuzubilligen.

Das schließe aber die Forderung von A nicht aus, dass B möglichst "abgasarm" starten solle. Herr B müsse künftig seinen BMW baldmöglichst nach der Starthilfe aus der Tiefgarage herausfahren — höchstens aber 90 Sekunden nach der Zündung des Motors. Länger als 90 Sekunden dürfe er den Motor nicht mehr warmlaufen lassen.

Keine Freizeitfischerei im "Fehmarnbelt"

Im Naturschutzgebiet in der Ostsee soll vor allem der Dorsch geschützt werden

Zwischen der deutschen Ostseeinsel Fehmarn und der dänischen Ostseeinsel Lolland liegt das Naturschutzgebiet Fehmarnbelt, das zum europäischen ökologischen Netz "Natura 2000" gehört. Auf 23 Prozent der Fläche des Naturschutzgebiets, genannt "Zone", ist Freizeitfischerei verboten.

Dagegen klagten Fischer, die mit ihren Fischkuttern gegen Entgelt Angelfahrten für Freizeitfischer anbieten: Das Verbot gefährde ihre wirtschaftliche Existenz, so ihr Argument. Die Kunden seien in erster Linie daran interessiert, in der "Zone" Dorsche zu angeln.

Das zu verhindern, sei gerade der Sinn des Verbots, erklärte das Verwaltungsgericht Köln (14 K 325/20). Schutzwürdig und schutzbedürftig sei das gesamte Naturschutzgebiet aufgrund seiner Riffstrukturen, vor allem aber der Dorsch. Er halte sich vorwiegend in diesem Gebiet auf und befinde sich bereits in einem äußerst schlechten Erhaltungszustand. Das Verbot der Freizeitfischerei sei rechtmäßig, denn es geeignet und erforderlich, um die Dorsche zu schützen.

Umweltschutz besitze Verfassungsrang und überwiege hier das Recht der Kläger, ihr Gewerbe uneingeschränkt zu betreiben. In weiten Teilen des Schutzgebietes und auch außerhalb sei im Rahmen der EU-Vorschriften Freizeitfischerei zulässig. Die Anbieter von Angelfahrten hätten nicht belegen können, dass das Ausweichen auf andere Fanggründe ihren Gewinn wirklich in existenzgefährdendem Umfang reduziert habe. Träfe das zu, könnten sie beim Bundesamt für Naturschutz eine Ausnahmeerlaubnis beantragen.

"Klimaneutraler" Müllbeutel

Ist so eine Werbeaussage auf der Müllbeutel-Verpackung irreführend?

Ein Unternehmen produziert und vertreibt Haushalts- und Hygieneartikel, unter anderem Müllbeutel. Unter dem Markennamen X werden die Beutel in unterschiedlichen Varianten angeboten, darunter auch eine Produktserie "X klimaneutral". "X klimaneutral" steht über der Reklame und auf der Verpackung der Müllbeutel. Daneben findet sich ein blau unterlegter Hinweis, dass das Unternehmen zertifizierte Klimaschutzprojekte unterstützt.

Verbraucherschützer beanstandeten die Werbung als unlauter: Ohne CO²-Ausstoß könne man keine Müllbeutel herstellen. Deshalb müssten die Werbung und der Aufdruck auf der Verpackung als irreführend verboten werden. Zumindest seien sie um zusätzliche Informationen zu ergänzen.

Die Angabe "klimaneutral" sei nicht irreführend, fand dagegen das Oberlandesgericht Schleswig: Es wies die Klage ab (6 U 46/21). Die Werbeaussage behaupte nicht, dass das Unternehmen ausschließlich klimaneutrale Ware produziere. Diesen falschen Schluss könne der Verbraucher schon deshalb nicht ziehen, weil der Hersteller in den Supermärkten neben den "klimaneutralen" Müllbeuteln auch deutlich preiswertere Müllbeutel der Marke X ohne den Zusatz "klimaneutral" anbiete.

Vor allem enthalte der Begriff "klimaneutral" — anders als der unscharfe und durchaus erläuterungsbedürftige Begriff "umweltfreundlich" — eine eindeutige Aussage. "Klimaneutral" bedeute, dass die so beworbene Ware eine ausgeglichene CO²-Bilanz aufweise. Damit sei nichts Unmögliches gemeint, da werde keineswegs eine emissionsfreie Produktion versprochen.

Vielmehr werde auf der Verpackung gut sichtbar darauf aufmerksam gemacht, dass Klimaneutralität durch Kompensation, also durch die Unterstützung von Klimaschutzprojekten erreicht werde. Genauere Erläuterungen zu den Projekten fänden sich auf einer Internetseite, die auf der Verpackung ebenfalls angegeben sei.

Biotope fast trockengelegt?

Landwirt muss Entwässerungsmaßnahmen im Naturschutzgebiet rückgängig machen

2018 hatte ein Landwirt in einem Naturschutzgebiet mit drei geschützten Biotopen Grund gepachtet, den er als Grünlandfläche nutzte. Flache Gräben (Grüppen) dienen auf dem Grundstück der Entwässerung, eingerahmt wird es von größeren Gräben (Vorfluter). Im Herbst 2020 reinigte der Landwirt die Grüppen mit einer Fräse und installierte an ihren Enden fünf Meter lange Rohre, um sie mit den Vorflutern direkt zu verbinden.

Die Naturschutzbehörde ordnete an, die ungenehmigt eingebauten Rohre zu entfernen und den ursprünglichen Zustand der Entwässerung wiederherzustellen. Die verrohrten Grüppen befänden sich teils in direkter Nähe zu den Biotopen und sogar innerhalb einer Sumpfdotterblumenwiese. Biotope seien auf feuchte Umgebung angewiesen. Durch die Rohre würden sie zunehmend entwässert und so beeinträchtigt. Beim Einbau habe der Pächter zudem Pflanzen zerstört.

Vergeblich wehrte sich der Landwirt gegen die Anordnung. Sie sei gerechtfertigt, entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (4 ME 95/22). Anders als der Pächter meine, hätte die Naturschutzbehörde nicht konkret nachweisen müssen, dass seine Entwässerungsmaßnahmen die Feuchtgrünlandbiotope bereits zerstört hätten. Vielmehr sei es so: Das Bundesnaturschutzgesetz verbiete alle Maßnahmen, deren Folgen ein geschütztes Biotop auch nur "wahrscheinlich" beeinträchtigen könnten.

Da die Entwässerung mit den Rohren über das bisherige Maß hinausgehe, werde sich diese Maßnahme sogar sehr wahrscheinlich negativ auswirken. Die auf dem vom Landwirt gepachteten Flurstück vorhandenen Feuchtgrünlandbiotope benötigten eine feuchte Umgebung — das liege in der Natur der Sache. Wenn er nun die Entwässerungsmaßnahmen rückgängig machen müsse, werde das aber keineswegs die landwirtschaftliche Nutzung des Flurstücks verhindern.

Bevor der Landwirt die Rohrverbindung zu den Gräben hergestellt habe, sei es ihm ja offenbar auch möglich gewesen, die Fläche zu bewirtschaften. Zudem sehe das Naturschutzgesetz selbst Kompromisse zwischen Landwirtschaft und Naturschutz vor: Sollte die Anordnung der Behörde den Landwirt tatsächlich unzumutbar belasten, könne er bei der Naturschutzbehörde Befreiung vom "Biotop-Zerstörungsverbot" beantragen. Wenn dies nicht möglich sei, könne er finanzielle Entschädigung beantragen.

Wärmedämmung für den Klimaschutz

Berliner Hauseigentümer müssen auch grenzüberschreitende Dämmschichten dulden

Eine Berliner Wohnbaugesellschaft wollte die Fassade eines 1906 gebauten Gebäudes sanieren lassen. Unter anderem sollte an der Giebelwand des Altbaus eine 16 Zentimeter dicke Dämmschicht angebracht werden, die allerdings über die Grundstücksgrenze ins Nachbargrundstück hineingeragt hätte. Als die Eigentümerin des Nachbarhauses der Maßnahme widersprach, pochte das Wohnbauunternehmen auf das Berliner Nachbargesetz: Demnach müssen Nachbarn auch grenzüberschreitende Dämmschichten akzeptieren.

Diese Regelung greife rechtswidrig in ihr Eigentumsrecht ein und sei verfassungswidrig, argumentierte die Nachbarin. Doch ihre Klage gegen die Wärmedämmung scheiterte in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (V ZR 23/21). Das rigide Berliner Nachbargesetz sei gerade noch mit dem Schutz des Eigentums vereinbar, fanden die Bundesrichter.

Die Regelungen anderer Bundesländer seien weniger strikt: Dort könnten Nachbarn grenzüberschreitende Dämmung abwehren, wenn sie "unzumutbar" sei. Das berücksichtige die Interessen der betroffenen Nachbarn besser, während das Berliner Gesetz ganz klar auf Energieeinsparung im Gebäudebestand und damit auf mehr Tempo beim Klimaschutz abziele. In Berlin könnten Nachbarn die Dämmung nicht abwehren, bekämen dafür aber eine finanzielle Entschädigung. So habe Berlin langwierige Streitigkeiten um Dämmmaßnahmen verhindern wollen.

Denn hier gehe es eben nicht nur um gegensätzliche Interessen zweier Grundstückseigentümer, sondern vor allem um Klimaschutz und damit um das Allgemeinwohl. Um im Interesse aller Bürger Heizenergie einzusparen, sollten so viele Bestandsgebäude so schnell wie nur möglich wärmegedämmt werden.

Klimaschutz habe Verfassungsrang: Weil das Ziel des Wohnbauunternehmens, Energiekosten zu sparen, mit dem Interesse der Allgemeinheit am Klimaschutz übereinstimme, habe im konkreten Nachbarschaftsstreit dieses Ziel Vorrang vor dem Eigentumsrecht der Nachbarin.

Schonzeit für Bläss- und Saatgänse bleibt ganzjährig

Landwirte und Jagdpächter klagten erfolglos gegen eine niedersächsische Jagdregelung

Landwirte und Jagdpächter klagten gegen eine Verordnung des Landwirtschaftsministeriums zum Niedersächsischen Jagdgesetz. Das Ministerium hat für Gänsearten, die in ihrem Bestand gefährdet sind, eine ganzjährige Schonzeit angeordnet. Bläss- und Saatgänse inklusive. Erklärter Zweck des Jagdverbots ist es, Fehlabschüsse bedrohter Arten zu verhindern.

Das Verbot sei überflüssig und rechtswidrig, wandten die Kläger ein: Bläss- und Saatgänse verursachten erhebliche Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen, gegen die man nun aufgrund der Verordnung nichts mehr tun könne. Dabei sei ja nicht der Bestand der Bläss- und Saatgänse selbst bedroht.

Bedroht seien vielmehr die Zwerggans, die so ähnlich aussehe wie die Blässgans, und die braune Tundrasaatgans, die der Waldsaatgans gleiche. Bei waidgerechter Jagdausübung seien aber Verwechslungen der verschiedenen Gänsearten auszuschließen.

Beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg drangen die Landwirte und Jäger mit ihren Einwänden gegen die Verordnung nicht durch (10 KN 40/18 u.a.). Das Jagdverbot verfolge den legitimen Zweck, einen artenreichen Wildbestand zu erhalten, so das OVG. Das Aussehen der betreffenden Gänsearten sei fast identisch — auch für Kenner seien sie kaum zu unterscheiden. Daher bleibe die ganzjährige Schonzeit auch für Bläss- und Saatgänse bestehen, um die gefährdeten Arten zu schützen.

"Die Schöne und das Biest"

Widerrechtliche Plakataktion der Stadt Frankfurt

Die Stadt Frankfurt am Main warb mit einer Plakatkampagne dafür, Müll zu vermeiden. Auf einer Abbildung unter dem Motto "Gib dem Müll 'nen Korb" wurde eine Mehrwegflasche als "Schöne" und ein Getränkekarton als "Biest" dargestellt. Dagegen wehrte sich ein Hersteller von Getränkekartons: Die Kommune habe kein Recht, seine Produkte aufs Korn zu nehmen.

Vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unterlag die Stadt Frankfurt (14 TG 1743/93). Nach der Gemeindeordnung dürften die Bürger natürlich über wichtige Fragen der Verwaltung informiert werden. Es sei aber nicht vorgesehen, ihr Verhalten zu lenken. Auch aus der Zuständigkeit für das Einsammeln von Abfällen lasse sich nichts anderes schließen. Damit fehle es der Kommune an der Befugnis, Empfehlungen für die Müllvermeidung zu geben. Die Plakataktion sei daher nicht zulässig.

PS: Dieses Urteil zeigt, wie politische Vorgaben und Zeitgeist die Justiz beeinflussen. Über Geschmack lässt sich immer streiten. Die Urteilsbegründung würde aber heute nicht mehr so formuliert werden - weil es als allgemeines Anliegen gilt, die Abfallberge zu reduzieren.

Naturschützer klagen gegen Wolfsabschüsse

Die behördliche Ausnahmeerlaubnis ist trotz einiger Nutztier-Risse umstritten

In den niedersächsischen Gebieten, in denen die Wolfsrudel "Schiffdorf" und "Garlstedt" unterwegs sind, hatten Wölfe einige Schafe, Rinder und Minipferde gerissen. Deshalb genehmigte die zuständige Behörde den Abschuss (juristisch beschönigend "Entnahme" genannt) von Wölfen aus diesen Rudeln. Nicht alle konkreten Übeltäter standen fest. Also sollte erst einmal ein Exemplar der geschützten Tierart getötet und dann abgewartet werden, ob im Revier die Risse von Nutztieren aufhörten.

Naturschützer wandten sich gegen die Ausnahmeerlaubnis: Ihr liege eine unzutreffende Gefahrenprognose zugrunde. Einige Risse seien klar zwei Jungwölfen auf Wanderschaft zuzuordnen, die den Rudeln gar nicht angehörten. Bei keinem der aufgezählten Risse hätten die Wölfe landwirtschaftliche Schutzmaßnahmen überwunden (Elektrozaun mit Untergrabschutz, Herdenschutzhunde): Nur dann dürfe aber eine Ausnahmeerlaubnis erteilt werden.

Das Verwaltungsgericht (VG) Oldenburg stoppte deren sofortigen Vollzug (5 B 294/22). Ausnahmen vom Tötungsverbot lasse das Naturschutzgesetz nur zu, um ernste landwirtschaftliche Schäden abzuwenden, so das VG. Diese Regelung beziehe sich auf einzelne Wölfe, die sicher Nutztiere gerissen hätten und zu deren "gefestigtem Jagdverhalten" es gehöre, Schutzvorkehrungen zu überwinden. Nur, wenn man Risse keinem bestimmten Wolf zuschreiben könne, dürften nacheinander Rudelmitglieder geschossen werden, bis weitere Risse ausbleiben.

Im konkreten Fall sei jedoch die Ausnahmeerlaubnis sogar auf zwei Rudel bezogen, so das VG. Das sei doch eher zweifelhaft, denn: Keinen einzigen der Rissvorfälle, die die Behörde ihrer Schadensprognose zugrunde legte, habe sie sicher einem Wolf aus dem "Garlstedter" Rudel zuordnen können. Dagegen könne man einem bestimmten Wolf des "Schiffdorfer" Rudels mehrere Risse eindeutig zuschreiben, doch der werde in der Genehmigung nicht konkret benannt.

Die Risse von Wanderwölfen dürften nicht berücksichtigt werden, wenn es um den Abschuss von Rudelmitgliedern gehe. Dazu komme: Bei mehreren Rissen seien Weidetiere dem Wolf schutzlos ausgeliefert gewesen. Dass ernster Schaden drohe, sei aber (laut Wolfsverordnung) erst anzunehmen, wenn Wölfe mindestens zwei Mal wolfsabweisenden Schutz, z.B. einen funktionstüchtigen Elektrozaun, überwunden hätten. Alles in allem habe die Behörde die Genehmigung dafür, nicht als "Täter" identifizierte Tiere aus zwei Rudeln abzuschießen, unzureichend begründet.

Keine Kabel-Stolperfalle auf dem Gehweg

Hausbesitzer darf seine Elektrofahrzeuge nicht vor dem Grundstück aufladen

Bei der Stadt Oberursel beantragte ein Hauseigentümer eine "Sondernutzungserlaubnis für den öffentlichen Verkehrsraum". Er wollte direkt vor seinem Grundstück seine zwei Kraftfahrzeuge aufladen: ein Plug-In-Hybridfahrzeug und ein Elektroauto.

Die Idee des passionierten Klimaschützers: zwei Kabelleitungen über den Gehweg hin zur Straße verlegen und die Elektroleitungen mit Kabelbrücken abdecken. Die Kabelbrücken seien höchstens 4,3 cm hoch und auffällig gelb-schwarz markiert, so dass Fußgänger die Leitungen gefahrlos überqueren könnten.

Daran mochte die Kommune jedoch nicht glauben. Sie hielt die Kabel für Stolperfallen und lehnte den Antrag ab. Dagegen klagte der Hauseigentümer: Die Kommune tue nichts für Klimaschutz und für die Mobilitätswende, stelle kaum Ladesäulen auf. Er benötige also eine Sondererlaubnis für die Kabel, um seine Fahrzeuge jederzeit aufladen zu können.

Doch das Verwaltungsgericht Frankfurt gab der Stadt Oberursel Recht (12 K 540/21.F). Sie habe sich korrekt nur am Gesichtspunkt "Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs" orientiert. Kabelbrücken auf dem Gehweg stellten generell eine Stolperfalle und für Personen mit Gehbehinderung ein Hindernis dar. Für Menschen, die auf einen Rollstuhl oder auf einen Rollator angewiesen seien, würden sie zur Barriere — und das bei jedem Ladevorgang vier bis sechs Stunden lang.

Gehwege müssten barrierefrei sein. Dieses öffentliche Interesse sei höher zu bewerten als das private Interesse des Autofahrers, seine Elektroautos direkt vor dem Haus aufladen zu können. Dass Klimaschutz zu den Zielen des deutschen Staates gehöre, ändere daran nichts. Daraus könne der Hauseigentümer kein Recht auf eine Sondernutzungserlaubnis für das Verlegen von Kabelleitungen ableiten. Mobil bleibe er ja trotzdem jederzeit. Da er über zwei Fahrzeuge verfüge, könne er diese nacheinander zu einer Ladestation bringen.

Verordnung beschränkt Düngemitteleinsatz

Gewässerschutz geht vor: Landwirt muss Einschränkungen beim Düngen und Ertragseinbußen hinnehmen

Ein Landwirt aus Mittelfranken zog gegen eine bayerische Verordnung vor Gericht, die den Einsatz von Düngemitteln auf bestimmten landwirtschaftlichen Flächen einschränkt. Um belastete Gewässer zu schützen, werden rote Gebiete (belastet mit Nitrat) und gelbe Gebiete ausgewiesen (Flächen in der Nähe von eutrophierten Gewässern, d.h. Gewässern, die mit Stickstoff und Phosphat belastet sind, was zu Algenbildung und Sauerstoffmangel führt).

Diese Verordnung dürfe nicht umgesetzt werden, beantragte der Landwirt: Dass sie ihm verwehre, Teile seiner landwirtschaftlichen Flächen unbeschränkt zu düngen, verletze sein Eigentumsrecht und sein Grundrecht auf Berufsfreiheit. Die Vorgaben seien unverhältnismäßig, weil sie pauschal auf jeden Betrieb angewandt würden, ohne Härtefälle zu berücksichtigen. Schließlich sei mit erheblichem Ertragsrückgang zu rechnen, deutlich über zehn Prozent. Dann könne er seinen Betrieb nicht mehr wirtschaftlich führen.

Der Schutz der Natur sei eine Aufgabe von hohem Rang und liege im Interesse der Allgemeinheit, hielt ihm der Verwaltungsgerichtshof München entgegen (13a NE 21.2474). Gewässerschutz sei ein so hohes Gut, dass dieses Ziel auch Vorschriften rechtfertige, die das Recht auf Eigentum einschränkten. Den Landwirten werde aber nicht etwa ihr Eigentum entzogen. Vielmehr würden die Nutzungsmöglichkeiten der betroffenen Flächen geregelt und das in durchaus verhältnismäßiger Art und Weise.

Erstens seien die Maßnahmen geeignet, den bezweckten Gewässerschutz zu gewährleisten. In den belasteten Gebieten das Düngen zu reduzieren, verringere mittelfristig die Belastung der Gewässer mit Nitrat und Phosphor erheblich. Zweitens gebe es auch keine milderen Mittel, mit denen man das Ziel Gewässerschutz ohne Einschränkungen für die Landwirte erreichen könnte.

Laut Verordnung müsse der Düngemitteleinsatz in nitratbelasteten Gebieten durchschnittlich um 20 Prozent reduziert werden. Das bedeute aber nicht zugleich einen Ertragsrückgang um 20 Prozent. Je nach angebauter Kultur werde der Ertrag bis zu zehn Prozent sinken. Das erscheine angesichts der herausragenden Bedeutung des Trinkwassers für die Allgemeinheit zumutbar. Das Grundrecht auf Eigentum schütze nicht die "einträglichste Nutzung des Eigentums".