Bundesgerichtshof: Rittigkeitsprobleme stellen nicht automatisch einen Mangel des Pferdes dar
Auf einer Pferdeauktion hatte Frau V für fast 32.000 Euro das fünf Jahre alte Dressurpferd "Santiano" erstanden, das bereits erfolgreich an Turnieren teilgenommen hatte. Ihre Tochter, eine Pferdewirtin, sollte den Wallach weiter ausbilden.
Etwa eineinhalb Jahre nach der Auktion erklärte Frau V den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil "Santiano" gravierende Rittigkeitsprobleme an den Tag lege. Das Pferd blockiere, teilte sie dem Verkäufer mit. Dieser Mangel sei mit Sicherheit auf ein Gesundheitsproblem zurückzuführen: verengte Dornfortsätze der Wirbelsäule, so genannte "Kissing Spines".
Da sich der Verkäufer weigerte, den Kaufpreis zurückzuzahlen, klagte Frau V. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschied den Streit zu ihren Gunsten: Zwar habe der Sachverständige betont, "Kissing Spines" träten auch bei gesunden Tieren auf, Leistungssport sei trotzdem möglich. Wenn es dadurch aber zu Gehorsamsproblemen komme, sei von einem Sachmangel auszugehen, so das OLG — zumal der Wallach auf einer Elite-Auktion als Sportpferd verkauft wurde.
Gegen das Urteil legte der Verkäufer erfolgreich Revision zum Bundesgerichtshof ein (VIII ZR 315/18). "Kissing Spines" alleine seien kein krankhafter Zustand, so die Bundesrichter. Bisher habe sich daraus keine klinische Symptomatik entwickelt (Schmerzen, Lahmen, eingeschränkte Beweglichkeit) und das sei auch künftig nicht zu erwarten. Nur dann wäre der Engstand der Dornfortsätze als Sachmangel des Tieres einzustufen.
Einen Zusammenhang von Rittigkeitsproblemen mit "Kissing Spines" könne es zwar durchaus geben, etwa, wenn ein Pferd wegen Rückenschmerzen blockiere. Aber im konkreten Fall sei dies nicht belegt. Der Sachverständige habe den Wallach untersucht und beim Reiten beobachtet und habe keine krankhafte Schmerzempfindlichkeit feststellen können.
"Santiano" sei für die Verwendung als Reitpferd geeignet, auch wenn er sich nicht wie gewünscht verhalte. Gehorsamsprobleme stellten keinen Mangel dar — es sei denn, im Vertrag sei eine besondere Beschaffenheit vereinbart wie z.B. die Eignung als Anfängerpferd. Widersetze sich ein Pferd dem Reiter, könne dies viele Ursachen haben: klinische Symptome, den Reitstil oder unzureichende Verständigung zwischen Pferd und Reiter.
So eine Disharmonie könne auch ohne reiterliche Fehler bei einem Lebewesen mit individuellen Anlagen vorkommen. Pferdekäufer hätten keinen Anspruch auf einen reibungslosen Umgang mit dem Tier oder darauf, dass die erhofften Ausbildungsfortschritte und Wettkampferfolge wirklich eintreten.