Ein Pflegefreibetrag bei der Erbschaftsteuer steht Erben auch zu, wenn sie ihre verstorbenen Eltern pflegten
Frau X beerbte ihre Mutter. Schon seit zehn Jahren war die Seniorin pflegebedürftig gewesen (Pflegestufe III), erhielt monatlich 700 Euro Pflegegeld. Frau X hatte sich all die Jahre um die Mutter gekümmert. Nach dem Tod der Mutter beantragte die Tochter beim Finanzamt, bei der Berechnung der Erbschaftsteuer einen Pflegefreibetrag zu berücksichtigen.
Hintergrund: Gemäß Erbschaftsteuergesetz kann eine Person bis zu 20.000 Euro erben, ohne dass dafür Erbschaftsteuer anfällt — wenn sie den Erblasser unentgeltlich gepflegt hat.
Das Finanzamt lehnte den Antrag von Frau X ab und setzte damit Richtlinien des Finanzministeriums um: Demnach stand Erben der Pflegefreibetrag nicht zu, wenn sie dem Erblasser/der Erblasserin gegenüber gesetzlich verpflichtet waren, sich um ihn/sie zu kümmern. Das gilt natürlich in erster Linie für Kinder der Verstorbenen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Praxis mit einem Grundsatzurteil beendet (II R 37/15).
Wenn ein Kind einen pflegebedürftigen Elternteil zu Lebzeiten pflege, habe es nach dessen Tod Anspruch auf den Pflegefreibetrag bei der Erbschaftsteuer, urteilte der BFH. Dass Kinder gesetzlich dazu verpflichtet seien, ihren Eltern im Alter beizustehen, schließe dies nicht aus. Daraus sei nicht die Pflicht abzuleiten, persönlich die Pflege der Eltern zu übernehmen: Wer dazu bereit sei, bringe freiwillig ein Opfer für die Familie.
Der Zweck des Pflegefreibetrags bestehe darin, das freiwillige Opfer der pflegenden Person zu honorieren und zudem allgemein Pflegeleistungen steuerlich besser zu berücksichtigen. Da Pflege meistens innerhalb der Familie und insbesondere zwischen Kindern und Eltern stattfinde, wäre der Freibetrag quasi sinnlos, wenn man ihn pflegenden Kindern vorenthalten würde.
Der Begriff Pflege sei in diesem Zusammenhang weit auszulegen. Gemeint sei damit die "regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person". Der Freibetrag sei deshalb auch dann zu gewähren, wenn ein Erblasser anders als im konkreten Fall keiner gesetzlich definierten Pflegestufe zugeordnet sei.