Eine Arztpraxis für Reproduktionsmedizin, die bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch künstliche Befruchtungen durchführt, wehrte sich gegen einen Steuerbescheid: Sie sollte für das Einlagern befruchteter Eizellen Umsatzsteuer zahlen. Die Mediziner pochten darauf, dass Heilbehandlungen nach europäischem und deutschem Recht grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit seien: Sie behandelten Paare nur, wenn bei einem der Partner organisch bedingte Unfruchtbarkeit diagnostiziert wurde.
Die Ärzte entnehmen den Frauen Eizellen und befruchten diese. Anschließend werden die Eizellen eingefroren und zwei Jahre gelagert. Vor Ablauf dieser Zeit fragten Praxismitarbeiter nach, ob sie das gelagerte Material vernichten oder gegen Entgelt ein weiteres Jahr aufbewahren sollten. Die Patienten konnten den Vertrag mit der Praxis beliebig oft um jeweils ein Jahr verlängern. Für diese Leistungen zahlte die Arztpraxis keine Umsatzsteuer, denn die Mediziner betrachteten das Aufbewahren der Eizellen als Bestandteil der Therapie.
Das Finanzamt hielt diese Leistung dagegen für steuerpflichtig: Während der längerfristigen Lagerung finde keine Therapie mehr statt. Die ärztliche Heilbehandlung mit dem Zweck, eine Schwangerschaft zu erreichen, sei beendet, wenn ein Kind geboren werde. Danach werde die Sterilität nicht mehr behandelt — es sei denn, das Paar wünsche ein zweites Kind. Das Einfrieren und Aufbewahren der Eizellen stelle für sich genommen keine Heilbehandlung dar.
Der Bundesfinanzhof (BFH) sah das anders und bestätigte ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts, das den Ärzten Recht gegeben hatte (XI R 23/13). Wenn die Praxis für Reproduktionsmedizin Eizellen über den Zeitpunkt der erstmaligen Schwangerschaft hinaus aufbewahre, diene das dem Ziel, eine weitere Schwangerschaft herbeizuführen, also einem therapeutischen Zweck. In allen Fällen habe eine organisch bedingte Sterilität zumindest bei einem Partner vorgelegen — und damit eine Krankheit, zu deren Linderung es möglich und geboten sei, befruchtete Eizellen einzulagern.
Wenn ein Paar den Vertrag mit der Praxis verlängere und sich das "etwas kosten lasse", belege das hinlänglich, dass bei den Partnern der Kinderwunsch fortbestehe. Regelmäßig vergewissere sich die Arztpraxis außerdem durch Rücksprache mit den Patienten, ob das noch zutreffe. Darüber hinaus hätten die Mediziner erläutert, dass die Eizellen in der Regel innerhalb weniger Jahre nach der Geburt eines ersten Kindes eingesetzt würden, um eine zweite Schwangerschaft zu erreichen.
Der BFH wies ergänzend darauf hin, dass diese Grundsätze auch für Humansperma gelten, also für die Fälle, in denen aufgrund einer ärztlich festgestellten, organisch bedingten Sterilität nicht Eizellen, sondern "Keimmaterial des Auftraggebers aus Ejakulation (Spermien) eingefroren" werden.