Staatliche und private Dienstleistungen

Hausbesitzerin will Gartenbauarbeiten nicht bezahlen

Ein Vertragswiderruf ist nur bei "Fernabsatzverträgen" möglich

Ein Gartenbauunternehmer führte für Hauseigentümerin X Außenarbeiten auf ihrem Grundstück durch. Er erneuerte den Abwasserschacht, legte einen Teich und Beete an, pflanzte Sträucher etc. Vorher hatten sie im Garten der Frau X über ihre Vorstellungen gesprochen. Anschließend vermaß der Unternehmer den Garten und erstellte ein Angebot, das er Frau X mit der Post schickte.

Kaum hatte die Kundin den Werklohn von 28.829 Euro überwiesen, widerrief sie den Vertrag mit dem Unternehmer und verlangte das Geld zurück: Hier liege ein so genannter Fernabsatzvertrag vor, weil der Vertrag per "Fernkommunikationsmittel" geschlossen wurde: Sie habe das mit der Post zugesandte Angebot per E-Mail angenommen. Verbrauchern stehe bei solchen Verträgen ein Widerrufsrecht zu.

Die Klage der Hauseigentümerin auf Rückzahlung des Werklohns scheiterte beim Oberlandesgericht (OLG) Schleswig (1 U 122/20). Ein Widerrufsrecht bestehe hier nicht, entschied das OLG, da es sich nicht um einen Fernabsatzvertrag handle. Frau X habe zwar das Angebot des Gartenbauunternehmers per E-Mail angenommen, aber vorher mit dem Unternehmer in ihrem Garten über den Vertragsinhalt verhandelt.

Deshalb sei dieser Fall nicht vergleichbar mit einem Vertrag, dem nur Kontakte mit Fernkommunikationsmitteln vorhergingen. Das Widerrufsrecht solle Verbraucher vor Vertragsschlüssen schützen, bei denen sie den Vertragspartner und sein Angebot praktisch "blind buchten". Im Unterschied dazu habe Frau X sicher sein können, dass ihr der Gartenbauunternehmer ein auf ihr Grundstück zugeschnittenes Angebot unterbreiten würde.

Im Gespräch habe sie sich einen persönlichen Eindruck von ihm und seiner Fachkunde verschafft. Die Hauseigentümerin habe dem Gartenbauer ihre Wünsche geschildert, nach Vorschlägen zu deren Umsetzung und den zu erwartenden Kosten fragen können. Unter diesen Umständen sei ein Auftraggeber in der Lage zu beurteilen, ob das Angebot seinen Vorstellungen entspreche.

Anders als Frau X meine, setze das nicht voraus, dass Auftraggeber und Auftragnehmer den Vertrag persönlich in allen Einzelheiten diskutiert haben. Entscheidend sei vielmehr, ob der Verbraucher beim persönlichen Kontakt vom Unternehmer genügend Auskünfte bekommen habe, um ein späteres Angebot sachgerecht einschätzen zu können. Davon sei hier auszugehen.

Energie: Neukunden müssen mehr zahlen

Energiegrundversorger muss nicht alle Kunden zum gleichen Preis beliefern

Ein Verbraucherschutzverband beanstandete die Praxis eines kommunalen Energieversorgers, neuen Kunden in der Grundversorgung teurere Tarife anzubieten. Dieses Vorgehen traf in den letzten Monaten vor allem Kunden, deren Gaslieferanten aufgrund rasch steigender Gaspreise "pleite" gingen und die Lieferungen einstellten. Sie mussten sich notgedrungen nach Alternativen umsehen.

Es sei unzulässig, Haushaltskunden zu unterschiedlichen Preisen zu beliefern und den Tarif vom Datum des Vertragsschlusses abhängig zu machen, kritisierten die Verbraucherschützer. Ihre Unterlassungsklage scheiterte jedoch beim Oberlandesgericht (OLG) Köln (6 W 10/22). Der Grundversorger muss nicht alle Kunden zu gleichen Preisen beliefern, entschied das OLG.

Grundversorger müssten laut Energiewirtschaftsgesetz erstens ihre Vertragsbedingungen und Preise öffentlich bekannt geben und zweitens alle Haushaltskunden zu diesen Bedingungen und Preisen beliefern. Wenn das Gesetz vom Grundsatz der Preisgleichheit ausgehe, sei dies so zu verstehen: Energie dürfe nur zu den veröffentlichten Preisen geliefert werden.

Daraus sei aber nicht die Pflicht zum Einheitstarif abzuleiten. Wenn Energieversorgungsunternehmen in der Grundversorgung ihre Preise festlegten, dürften sie zwischen Altkunden und Neukunden unterscheiden. Natürlich würden so die Neukunden benachteiligt, sie müssten tiefer in die Tasche greifen. Dies sei aber sachlich begründet. Der Einheitstarif als Alternative sähe so aus: Alle Kunden in der Grundversorgung müssten mehr zahlen.

Zwei Bewerberinnen für eine Lehramtsstelle

Die Einstellungsbehörde muss nach sachlichen Kriterien entscheiden, hat dabei aber Bewertungsspielraum

Für eine Stelle an einem Gymnasium in Niedersachsen mit den Fächern Deutsch und Französisch gab es zwei Bewerberinnen. Beide hatten das Erste Staatsexamen in Niedersachsen abgelegt. Eine von ihnen ging für das Zweite Staatsexamen nach Hamburg, die andere blieb in Niedersachsen. Die Einstellungsbehörde entschied sich für die Kandidatin, die beide Examina in Niedersachsen bestanden hatte, obwohl die Examensnoten der anderen Kandidatin insgesamt besser waren.

Diese beschwerte sich und meinte, man hätte sie einstellen müssen, da sie eindeutig die besseren Noten vorweisen könne. Die Behörde dürfe sich bei ihrer Entscheidung nicht danach richten, wo sie ihr Zweites Staatsexamen gemacht habe: Das sei diskriminierend. Dass sie fast zehn Jahre älter sei als die bevorzugte Kandidatin, dürfe ebenfalls kein Kriterium sein.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg gab der Frau teilweise Recht (5 M 5913/94). Bei der Besetzung von Lehramtsstellen dürfe die Behörde in der Tat nur Leistungskriterien anlegen. Das Alter von Kandidaten oder der Ort des Examens dürften keine Rolle spielen. Wenn man Examensergebnisse mehrerer Jahre in Hamburg und Niedersachsen vergleiche, sei festzustellen, dass der Notendurchschnitt in Hamburg insgesamt höher liege, also ein milderer Maßstab bei der Beurteilung angelegt werde. Die etwas schlechteren Examensnoten der Kandidatin aus Niedersachsen bedeuteten also nicht, dass sie weniger qualifiziert sei.

Letztlich seien beide Bewerberinnen gleich gut geeignet. In so einem Fall könne sich die Einstellungsbehörde bei Vorstellungsgesprächen einen persönlichen Eindruck und ein genaueres Bild von den Kandidatinnen verschaffen. Welche Bewerberin anschließend bevorzugt wurde, sei anhand leistungsbezogener Kriterien entschieden worden und nicht zu beanstanden. Die Einstellungsbehörde habe dabei einen Bewertungsspielraum, der der gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich sei.

Hilfeempfängerin als "Sozialschmarotzerin" beschimpft

Das Jobcenter muss der Frau die beleidigende Falschanzeige mit der Unterschrift zeigen

Bei einem Berliner Jobcenter ging ein mit PC geschriebener Brief ein, in dem ein Unbekannter unter der Überschrift "Sozialbetrug!" seinem Hass auf eine Hartz-IV-Empfängerin freien Lauf ließ.

Obwohl die Frau angeblich hilfsbedürftig sei, fahre sie seit dem Tod ihres Vaters ein fast neues Auto aus der Erbmasse. Damit gehe sie wohl ihrer Schwarzarbeit bei diversen Putzstellen nach. Ein Häuschen habe der Vater sicher auch hinterlassen. Die Sozialschmarotzerin bekomme alles vom Staat bezahlt und umgehe jede Arbeitsstelle. Das Jobcenter müsse da unbedingt genau prüfen …

Der Absender blieb anonym, das Schreiben war unleserlich unterschrieben. Das Jobcenter nahm die Beschuldigungen ernst. Die Ermittlungen ergaben jedoch, dass sie falsch waren. Die 1963 geborene Berlinerin hatte von ihrem Vater nichts geerbt und war tatsächlich hilfsbedürftig. Schon vor seinem Tod durfte die Frau mit dem keineswegs neuen Wagen fahren, den sie auch jetzt nutzte. Das Jobcenter bewilligte ihr weiterhin die Grundsicherung.

Auf Antrag der Hartz-IV-Empfängerin kopierte man ihr das Anzeigeschreiben, allerdings mit geschwärzter Unterschrift. Dagegen protestierte die Frau: So könne sie gegen den verleumderischen Informanten rechtlich nicht vorgehen. Nur mithilfe der Unterschrift könne sie eventuell erkennen, wer den Brief geschickt habe. Doch das Jobcenter beharrte auf dem Standpunkt, die öffentliche Verwaltung erhalte nur dann vertrauliche Informationen, wenn Informanten nicht fürchten müssten, identifiziert zu werden.

Mit Erfolg klagte die Frau auf vollständige Einsicht: Die Sozialbehörde müsse den Brief ungeschwärzt herausrücken, entschied das Sozialgericht Berlin (S 103 AS 4461/20). Grundsätzlich müsse das Jobcenter zwar die Identität von Informanten schützen, betonte das Gericht. Das Interesse an Geheimhaltung müsse jedoch dann hintanstehen, wenn anzunehmen sei, dass ein Informant falsche Anschuldigungen erhebe, um wider besseres Wissen den Ruf eines Leistungsempfängers zu schädigen.

Und das treffe hier zu, denn um sachliche Informationen für die Behörde gehe es bei dieser Anzeige nicht. Die Frau werde fälschlich der Schwarzarbeit bezichtigt, darüber hinaus werde in dem Schreiben bedenkenlos gepöbelt. Der Begriff "Sozialschmarotzerin" drücke Verachtung aus und beleidige die Hilfeempfängerin. Daher überwiege im konkreten Fall das Interesse der Frau, die Identität des Absenders zu klären. Möglicherweise könne sie ja durch die krakelige Unterschrift einen Bezug zum Informanten herstellen.

Justizangestellte verschläft mehrmals

Bei fehlendem Unrechtsbewusstsein ist eine Kündigung auch ohne Abmahnung wirksam

Die Angestellte arbeitete in der Poststelle eines Sozialgerichts in Schleswig-Holstein. Dort war sie an ihren Arbeitstagen die einzige Mitarbeiterin. Dennoch sah sie kein Problem darin, dass sie an vier aufeinander folgenden Arbeitstagen viel zu spät zur Arbeit kam. Sie leide eben unter Schlafmangel, erklärte die Angestellte schnoddrig, als sie vom Vorgesetzten wegen ihres Fehlverhaltens gerügt wurde.

Als sich die Pflichtverletzung mehrfach wiederholte, kündigte der Arbeitgeber. Die Kündigungsschutzklage der Angestellten blieb erfolglos. Ihre notorische Unpünktlichkeit rechtfertige eine ordentliche Kündigung, urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (1 Sa 70 öD/21).

Wer an Schlafmangel leide, müsse eben früher zu Bett gehen. Jedenfalls sei das ein privates Problem, betonte das LAG, das nichts an folgendem Grundsatz ändere: Es verletze die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, zur Arbeit zu spät zu kommen.

Die Kündigung sei wirksam, obwohl der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht vorher abgemahnt habe. Das sei überflüssig, wenn ein Arbeitnehmer offenkundig nicht beabsichtige, sich vertragsgerecht zu verhalten. Und so liege der Fall hier. Dafür spreche nicht nur die massive Unpünktlichkeit der Angestellten an vier Tagen hintereinander.

Auch die eindringliche Kritik des Vorgesetzten habe die Frau nicht dazu bewogen, den Wecker zu stellen, um künftig nicht mehr zu verschlafen. Dass ihr jedes Unrechtsbewusstsein fehle, habe sich auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal gezeigt. Da habe sie erklärt, es sei nicht so schlimm, wenn die Post mal liegen bleibe. Das störe den Betrieb am Gericht nicht.

Corona-Infektion kann ein Dienstunfall sein

War ein Beamter dienstlich hohem Ansteckungsrisiko ausgesetzt, ist die Infektion als Berufskrankheit einzustufen

Im März 2020 nahm der Polizeibeamte M mit 20 Kolleginnen und Kollegen an einem Lehrgang der Bereitschaftspolizei für Sportübungsleiter teil. Am 11.3. meldete sich der erste Teilnehmer krank. Kurz darauf wurde er positiv auf Covid-19 getestet. M fuhr übers Wochenende nach Hause und bemerkte am 14.3. erste grippeähnliche Symptome. Zwei Tage später zeigte ein PCR-Test, dass er sich mit dem Coronavirus infiziert hatte.

Fast alle Lehrgangsteilnehmer hatten sich angesteckt, der Lehrgang musste abgebrochen werden. Bei seinem Dienstherrn — Freistaat Bayern — beantragte der Beamte, die Covid-19-Erkrankung als Dienstunfall anzuerkennen. Das wurde mit der Begründung abgelehnt, hier liege kein zeitlich genau bestimmbares "Unfallereignis" vor. Eine Berufskrankheit könne man ebenfalls ausschließen: Dafür genüge das allgemeine Infektionsrisiko während eines Lehrgangs nicht.

Der Beamte verklagte den Dienstherrn auf Leistungen der Unfallfürsorge und setzte sich beim Verwaltungsgericht (VG) Augsburg durch (Au 2 K 20.2494). Ein Dienstunfall im engeren Sinne liege zwar nicht vor, so das VG: Eine Virusinfektion sei kein Gesundheitsschaden, der durch eine plötzliche Einwirkung von außen auf den Körper entstehe (so die gesetzliche Unfalldefinition).

Doch das Beamtenversorgungsgesetz kenne auch den Sonderfall einer "Berufskrankheit als Dienstunfall": Wenn ein Beamter/eine Beamtin dienstlich "einer besonderen Gefahr der Erkrankung ausgesetzt" war und tatsächlich dadurch erkranke, sei die Berufskrankheit als eine Art Dienstunfall anzuerkennen. Diese Bedingungen seien im konkreten Fall erfüllt.

Der Beamte habe an einem Lehrgang des Dienstherrn teilgenommen. Dabei sei er tagsüber beim Sport und auch am Abend auf dem Gelände mit den Kollegen zusammen gewesen. Daher könne man hier nicht von allgemeinem Infektionsrisiko sprechen: Bei so engem Kontakt bestehe ein erhöhtes Risiko — wie man unschwer daran erkennen könne, dass sich bis auf zwei Ausnahmen alle Lehrgangsteilnehmer mit dem Coronavirus infizierten. Anhaltspunkte für eine Ansteckung im privaten Umfeld gebe es bei M nicht.

Der Freistaat hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Doch die Chance für Beamte, derartige Verfahren zu gewinnen, stehen nicht schlecht. Auch die Covid-19-Erkrankung eines Lehrers ist vom Verwaltungsgericht Würzburg wegen seines berufsbedingt unvermeidlichen Kontakts mit vielen Personen als Berufskrankheit = Dienstunfall bewertet worden.

Mobilfunkvertrag vorzeitig verlängert

Bei vorzeitiger Verlängerung mit neuem Smartphone ist eine Vertragsbindung von mehr als zwei Jahren zulässig

Grundsätzlich ist die Laufzeit von Handyverträgen auf 24 Monate beschränkt. Unter bestimmten Bedingungen kann sie aber auch mal länger dauern, wie folgendes Urteil zeigt. Ein Mobilfunkkunde übernahm den Handyvertrag seines Vaters, fünf Monate bevor die Vertragslaufzeit endete. Mit der Deutschen Telekom AG vereinbarte er eine Tarifänderung und bekam ein neues Samsung-Smartphone. Damit verlängerte sich der Vertrag — ab dem Ende der Vertragslaufzeit — um weitere zwei Jahre, lief insgesamt also 29 Monate.

Das dauerte dem Kunden zu lang. In seinem Namen klagte der Bundesverband der Verbraucherzentralen gegen den Mobilfunkanbieter. Die Verbraucherschützer waren der Ansicht, es handle sich um einen neuen Vertrag, weil wesentliche Vertragsbestandteile geändert wurden. Eine Vertragsbindung, die 24 Monate überschreite, sei daher unzulässig.

Kunden hätten mehrere Möglichkeiten, konterte die Telekom: Sie könnten den Vertrag fristgerecht kündigen, ihn um 12 Monate verlängern, einen neuen Tarif vereinbaren, den Vertrag vorzeitig verlängern. Wähle der Kunde die letzte Möglichkeit und wünsche zugleich ein neues Smartphone, stimme er damit zu, den bestehenden Vertrag ab dem Ende der Laufzeit um 24 Monate zu verlängern.

Das Oberlandesgericht Köln gab der Telekom Recht (6 U 160/20). Ausdrücklich erkläre der Mobilfunkanbieter auf seiner Webseite: Wer bereit sei, den Vertrag zu verlängern, könne vorzeitig ein neues Smartphone erhalten. Dass sich die Laufzeit von 24 Monaten an die ursprünglich vereinbarte Laufzeit anschließe, werde ebenfalls deutlich hervorgehoben.

Würden gleichzeitig neue Konditionen vereinbart (Downloadgeschwindigkeit, Datenvolumen, Grundpreis), handle es sich deshalb nicht automatisch um einen neuen Vertrag. Vertragsinhalte könnten auch im Rahmen eines bestehenden Vertrags geändert werden.

Als Ausgleich für die lange Vertragsbindung habe der Kunde die gewünschten, verbesserten Leistungen erhalten (die sofort nach ihrer Vereinbarung wirksam wurden) und dazu ein sehr günstiges Handy. Die verlängerte Laufzeit liege also nicht einseitig im Interesse des Unternehmens, sondern entspreche dem Interesse von Kunden, die neue Vertragskonditionen und ein subventioniertes Smartphone möchten.

Irreführende Werbung mit 5G-Leistungen

Mobilfunkunternehmen darf nicht so tun, als könnte es den 5G-Standard überall anbieten

Werbung mit 5G-Leistungen beim Telefonieren und Surfen ist unzulässig, wenn der Telekommunikationsanbieter nicht darauf hinweist, dass der 5G-Tarif noch längst nicht überall verfügbar ist, urteilte das Landgericht Koblenz (4 HK O 51/20).

Ein Telekommunikationsunternehmen hatte die Reklame eines Konkurrenten als irreführend beanstandet. Auf seiner Webseite warb der Konkurrent für seine 5G-Tarife (5G ist der neueste Mobilfunkstandard mit der schnellsten Datenübertragung). Ein Kasten mit verschiedenen Flat-Tarifen versprach Preise "ab 9,99 Euro" monatlich.

Zu dem Preis von 9,99 Euro waren die 5G-Leistungen des Anbieters allerdings nirgendwo erhältlich. Und nicht alle Tarife, die in diesem Kasten angeboten wurden, umfassten 5G-Leistungen. Sie sind bisher ohnehin noch nicht bundesweit verfügbar.

Die Unterlassungsklage war beim Landgericht Koblenz erfolgreich. Wenn Reklame für 5G-Leistungen einen "ab … Preis" groß herausstelle, zu dem diese Leistungen jedoch nicht genutzt werden könnten, täusche dies die potenziellen Kunden. Die Werbung müsse außerdem deutlich darauf hinweisen, dass 5G-Leistungen derzeit nur regional verfügbar seien. Darüber wüssten allenfalls besonders technikinteressierte Verbraucher Bescheid.

Vergeblich pochte der beklagte Mobilfunkanbieter darauf, es sei allgemein bekannt, dass sich das 5G-Netz erst im Aufbau befinde. Schließlich seien die 5G-Lizenzen erst vor kurzer Zeit versteigert worden. Diese Argumentation überzeugte das Landgericht nicht: Der durchschnittlich informierte Verbraucher wisse nicht, wie beschränkt derzeit die 5G-Leistungen nutzbar seien. Das sei nur in wenigen Städten möglich: in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main und in Köln.

Ingenieur soll Arbeitslosengeld zurückzahlen

Die Sanktion ist unzulässig, wenn der Arbeitslose nicht über den Beginn der Sperrzeit informiert wurde

Ein 42 Jahre alter Wirtschaftsingenieur im Bereich Maschinenbau verlor im Herbst 2016 seinen Job und bezog anschließend Arbeitslosengeld I. Im Juni 2017 erhielt er vom Sachbearbeiter des Jobcenters einen Vermittlungsvorschlag: Der Arbeitslose sollte sich bei einer J-GmbH als Projektleiter bewerben. Da er sich dort jedoch nicht vorstellte, verhängte das Jobcenter eine dreiwöchige Sperrzeit und forderte rund 1.400 Euro Arbeitslosengeld zurück.

Das Stellenangebot habe seinen Fachkenntnissen nicht entsprochen, rechtfertigte sich der Mann: Im Bereich Energie und Wasserzähler fehle ihm das Fachwissen, er sei Logistikplaner für Materialfluss. Prinzipiell habe er sich intensiv um Arbeit bemüht und sich öfter beworben als vorgeschrieben. Auch bei der J-GmbH hätte er sich vorgestellt, wenn man ihn über die Sperrzeit informiert hätte. Das sei aber nicht geschehen.

Die Sanktion sei unwirksam, weil der Ingenieur nicht über den Beginn einer eventuellen Sperrzeit unterrichtet wurde, entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (L 11 AL 95/19). Arbeitslose müssten vollständig darüber informiert sein, wie es sich auf ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld auswirke, wenn sie ein Arbeitsangebot ablehnten oder nicht zu einem Vorstellungsgespräch kämen. Ohne gründliche "Rechtsfolgenbelehrung" dürfe keine Sperrzeit verhängt werden.

Damit die Belehrung ihre Warnfunktion für den Arbeitslosen erfüllen könne, müsse klar und verständlich erläutert werden, welche Folgen eine Ablehnung habe und wann sie eintreten könnten. Im konkreten Rechtsstreit habe das Jobcenter behauptet, diese Pflicht erfüllt zu haben. Auf der Rückseite des Vermittlungsangebots, das man dem Ingenieur übergeben habe, stehe die vorgeschriebene Rechtsfolgenbelehrung.

Da heiße es aber nur: "Hinweise dazu, unter welchen Voraussetzungen … eine Sperrzeit eintritt, enthält das ‚Merkblatt für Arbeitslose. Ihre Rechte — Ihre Pflichten‘. Dieser Verweis gehe komplett ins Leere. Denn das zitierte Merkblatt, das von der Bundesagentur für Arbeit und von den Jobcentern an alle Arbeitsuchenden verteilt werde, enthalte keinen Hinweis auf den Beginn einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung.

Zugführer als unzuverlässig eingestuft

Geschwindigkeitsverstöße rechtfertigen den Entzug des Triebfahrzeugführerscheins

Das Eisenbahnbundesamt entzog im Oktober 2020 einem Zugführer den Triebfahrzeugführerschein, unter anderem wegen mehrerer Geschwindigkeitsverstöße. Dagegen klagte der Mann, scheiterte jedoch im vorläufigen Verfahren um Eilrechtsschutz beim Oberverwaltungsgericht Münster (11 B 2060/20).

Die zuständige Behörde könne einem Zugführer den Triebfahrzeugführerschein entziehen, wenn er sich als unzuverlässig erweise, erklärte das Oberverwaltungsgericht. Habe er erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen, treffe das eindeutig zu. Dann dürfe das Eisenbahnbundesamt davon ausgehen, dass der Zugführer auch künftig seine Tätigkeit nicht ordnungsgemäß ausführen werde.

Im August 2020 sei der Eisenbahner als Führer eines mit Gefahrgut beladenen Güterzugs schneller gefahren als die erlaubten 90 km/h. Anders als der Zugführer meine, sei dieser Fehler nicht mit einem Kfz-Geschwindigkeitsverstoß vergleichbar. Denn ein Pkw habe offensichtlich ein anderes Beschleunigungs- und Bremsverhalten als ein Güterzug. Bereits bei einer Fahrt im April 2019 habe der Zugführer mehrmals die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 10 bis 30 km/h überschritten und sei zudem an einem haltzeigenden Einfahrsignal vorbeigefahren.

Dieses Fehlverhalten, das zu einem Unfall hätte führen können, liege nicht so lange zurück, als dass es bei der Einschätzung seiner Zuverlässigkeit keine Rolle mehr spielen dürfte. Damals habe der Zugführer auf eine Ausnahmesituation verwiesen. Aber auch sein späteres Verhalten zeige, dass er nicht nur in so einer Situation Regeln missachte, sondern auch unabhängig von äußeren, beeinträchtigenden Umständen.

So habe der Zugführer während einer Fahrt mit ca. 90 km/h ein Video aufgenommen und später ins "Netz" gestellt. Das lasse auf einen erheblichen Mangel an Sicherheitsbewusstsein und Verantwortlichkeit schließen, erst recht, da er Gefahrgüter transportierte. Dass ein Zugführer sachfremde, ablenkende Nebentätigkeiten wie das Anfertigen von "Selfie-Videos" mit dem Handy unterlassen müsse, verstehe sich von selbst.

Das Eisenbahnbundesamt habe daher angemessen reagiert. Es müsse die am Eisenbahnverkehr teilnehmenden Personen und Sachgüter vor Gefahren schützen. Dieses Ziel rechtfertige den Entzug des Führerscheins, zumal der Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufsausübung nicht endgültig sei. Der Zugführer könne nach einer Sperrzeit von sechs Monaten den Triebfahrzeugführerschein erneut beantragen.

Energieversorger möchte nur elektronischen Kontakt zum Kunden

So eine Vertragsklausel ist unwirksam: Online-Verträge sind auch per Brief kündbar

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen beanstandete Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Hamburger Energieversorgers LichtBlick. Kunden konnten beim Unternehmen Strom- und Gaslieferverträge telefonisch abschließen. Es wirbt auch auf Wochenmärkten für sich, Bedingung für den Vertragsschluss ist allerdings die Angabe einer E-Mail-Adresse.

Eine Vertragsklausel von LichtBlick lautete: "Diese Lieferverträge sind reine Online-Verträge, d.h. die Kommunikation erfolgt ausschließlich auf elektronischen Kommunikationswegen". Wenn aus Gründen, die der Kunde zu vertreten habe, der Postweg genutzt werden müsse, werde dafür Entgelt fällig, hieß es weiter.

Die Verbraucherschützer kritisierten die Klauseln als unzulässig, das Landgericht Hamburg gab ihnen Recht (312 O 94/20). Die Regelungen benachteiligten die Kunden unangemessen und seien daher unwirksam.

Der Energieversorger dürfe die Kunden nicht zu elektronischer Kommunikation zwingen, so das Landgericht, das widerspreche gesetzlichen Vorgaben. Verbraucher könnten den Vertrag mit dem Unternehmen allemal mit einem Brief widerrufen oder kündigen. Kunden könnten auch ein Einschreiben schicken, um den Zugang beim Unternehmen sicher nachweisen zu können. Irgendwo auf der Webseite von LichtBlick stehe das sogar im Kleingedruckten, das genüge als Information jedoch nicht.

Die AGB-Klausel sei mindestens unklar. Wer nicht wisse, dass er entgegen der Klausel auch die Papierform wählen dürfe, könne die Klausel nur so verstehen, als sei eine Kündigung per Brief ausgeschlossen. Intransparent sei auch die Entgeltklausel: LichtBlick wolle den Kunden Kosten für Briefe "verursachergerecht" in Rechnung stellen, z.B. solange sie sich nicht auf dem Kundenportal registriert haben. Damit stehe in keiner Weise fest, welche Kosten auf die Kunden zukämen. Offen bleibe zum Beispiel, ob neben dem Porto noch Bearbeitungsgebühren verlangt würden.

Fahrradkuriere wehren sich

Sie mussten bei der Arbeit ihr eigenes Rad und das eigene Smartphone verwenden

Arbeitgeber müssen Arbeitnehmern die nötigen Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen. Eigentlich selbstverständlich, möchte man meinen. Nicht so bei Lieferando und Co.

Zwei Fahrradkuriere, die Essen und Getränke auf Bestellung bei Restaurants abholen und zu Kunden fahren, zogen vor deshalb vor Gericht. Sie wollten nicht länger ihr eigenes Datenvolumen für die Internetnutzung in der Arbeit einsetzen bzw. das eigene Fahrrad verschleißen.

Zwar steht in den Arbeitsverträgen der beiden Kuriere, dass sie für die von ihnen genutzte Ausstattung des Lieferdienstes ein Pfand von 100 Euro hinterlegen müssen. Zur Ausstattung gehören aber weder das Fahrrad, noch ein Handy.

Ein Smartphone benötigen die Fahrradkuriere, weil sie die App des Lieferdienstes nutzen müssen. Vertraglich sind sie verpflichtet, nur Räder in "verkehrstauglichem Zustand" zu benützen. Für Fahrradreparaturen bekommen die Arbeitnehmer aber nur minimale Guthaben bei einem Vertragspartner des Arbeitgebers.

Diese Gestaltung des Arbeitsvertrags ist unzulässig, entschied das LAG Hessen (14 Sa 306/20 und 14 Sa 1158/20). Ohne jeden finanziellen Ausgleich müssten die Lieferfahrer ihr Fahrrad und ihr Smartphone zur Arbeit mitbringen. Dass der Arbeitgeber den Kurieren nicht einmal diese unverzichtbaren Arbeitsmittel zur Verfügung stelle, benachteilige die Arbeitnehmer unangemessen.

Laut Gesetz müssten Arbeitgeber die Betriebsmittel stellen bzw. diese finanzieren. Arbeitgeber müssten auch das Risiko dafür übernehmen, dass Arbeitsmittel gelegentlich nicht funktionierten. Das gelte auch für den Lieferdienst: Mini-Guthaben für Fahrradreparaturen reichten bei diesem Job nicht aus.

Autounfall während der Dienstfahrt

Muss der Dienstherr des Beamten den Schaden ersetzen, der nach einem Toilettenbesuch in der Raststätte entstand?

Im Auftrag des Ministeriums war ein bayerischer Landwirtschaftsamtmann zu einer Feldvorführung mit dem eigenen Wagen aufs Land gefahren. Am Nachmittag kehrte er über die Autobahn nach München zurück. Während der Fahrt machte der Beamte an einer Autobahnraststätte Halt, um die Toilette aufzusuchen. Als er danach wieder auf die Autobahn auffahren wollte, stieß sein Wagen mit einem anderen Fahrzeug zusammen.

Den Sachschaden sollte nun der Dienstherr des Beamten ersetzen. Doch der winkte kühl ab: Toilettenbesuche gehörten nicht zu den "unfallgeschützten Tätigkeiten von Beamten". Mit dieser Aussage fand sich der Mann nicht ab. Er klagte auf Schadenersatz und setzte sich beim Verwaltungsgericht (VG) Regensburg durch (RO 12 K 19.2080).

Der Verkehrsunfall habe sich während einer Dienstreise und infolge des Dienstes ereignet, urteilte das VG. Es sei klar, dass ein Beamter auch einmal eine Toilette aufsuchen müsse, wenn er den ganzen Tag in dienstlichem Auftrag unterwegs sei. So eine Pause gehöre deshalb zu den "unfallgeschützten Tätigkeiten" eines Beamten.

Das gelte jedenfalls dann, wenn der Beamte eine naheliegende Gelegenheit wie eine Raststätte dafür nutze — und nicht unnötigerweise Umwege fahre oder einen riskanten Ort aufsuche.

Partnervermittlungsvertrag widerrufen

Die Partneragentur erfüllt den Vertrag erst mit der Zusendung von Partnervorschlägen

Eine Seniorin suchte nach dem Glück im Alter und meldete sich auf eine Kontaktanzeige. Inseriert hatte allerdings kein Herr auf Partnerinnensuche, sondern eine Partnervermittlungsagentur mit dem vielversprechenden Namen "Glück für Zwei". Das Unternehmen schickte einen Vertreter und man kam ins Geschäft. Die Kundin zahlte 8.330 Euro für 21 Vorschläge passender Kandidaten, welche die Agentur in einem "Partnerdepot" für sie zusammenstellen sollte.

Sofort vermittelte ihr das Unternehmen drei Kontakte, doch die Herren sagten der Dame aus unterschiedlichen Gründen nicht zu. Eine Woche nach Vertragsschluss widerrief sie den Vermittlungsvertrag. Die Agentur schickte daraufhin flugs weitere 17 Partnervorschläge und behielt das Honorar. Begründung: Sie habe für die Kundin ein Partnerdepot erstellt und damit die vereinbarte Dienstleistung erbracht. Laut Vertrag entfalle das Widerrufsrecht der Kunden, wenn die Agentur den Vertrag vollständig erfüllt habe.

Daraufhin klagte sich die Seniorin durch die Instanzen, um das Honorar zurückzubekommen. Der Bundesgerichtshof stellte sich auf ihre Seite: Der Widerruf sei wirksam, weil das Unternehmen den Vertrag noch nicht erfüllt habe (III ZR 169/20).

Die Agentur müsse 7.139 Euro wieder herausrücken. Auf die Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der ihre Hauptleistung darin bestehe, ein Partnerdepot zusammenzustellen, könne sich die Agentur nicht berufen: Diese Klausel benachteilige die Kunden unangemessen und sei unwirksam.

Der Seniorin sei es bei dem Vertrag darauf angekommen, Partnervorschläge zu erhalten — vermutlich sähen das alle Kunden so. Die wesentliche Leistung der Agentur bestehe darin, den Kunden Partnerkontakte zukommen zu lassen und nicht darin, ein Partnerdepot zu erstellen. Für Menschen auf Partnersuche sei allein die Zusendung von aktuellen, ausführlichen Partnervorschlägen mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Bevor die Seniorin widerrufen habe, habe ihr die Agentur aber erst drei Kandidaten genannt gehabt.

Nach Vertragsende den geliehenen Router behalten

Vodafone darf dem Kunden in so einem Fall nicht den Neupreis des Geräts berechnen

Gelegentlich kommt es vor, dass Kunden mit Internet- bzw. Telefonvertrag den vom Telekommunikationsanbieter geliehenen oder gemieteten Router nach dem Ende der Vertragslaufzeit nicht zurückgeben. Gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Vodafone-Konzerns mussten die Ex-Kunden dann für das Gerät bis zu 250 Euro berappen.

Gegen diese Abzocke zog die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vor Gericht und hatte beim Landgericht Düsseldorf Erfolg (12 O 83/20). Wenn Kunden kündigten und dann — entgegen den Vertragsbedingungen — den gemieteten oder geliehenen Router behalten, stehe dem Telekommunikationsanbieter natürlich Schadenersatz zu, erklärte das Landgericht.

Das Unternehmen dürfe ihnen aber nicht den Neupreis in Rechnung stellen, sondern nur den Preis eines gebrauchten Geräts. Vodafone müsse ja in diesen Fällen keinen neuen Router als Ersatzgerät kaufen — das Unternehmen verfüge schließlich über eine Vielzahl von Geräten, die es einsetzen könne.

Und noch einen Erfolg für die Verbraucher konnte die Verbraucherzentrale erreichen: Das Gericht erklärte auch AGB-Klauseln von Vodafone zur Rücksendung des Geräts für unwirksam. Misslang die Rücksendung, sollten Kunden nämlich auch dann Schadenersatz für den Router zahlen, wenn sie für die fehlgeschlagene Rücksendung nicht verantwortlich waren. Diese Regelung widerspricht den gesetzlichen Vorschriften zum Schadenersatz.

Landwirt zweigt Strom aus dem Netz ab

Ohne Liefervertrag versorgte der Landwirt jahrelang seinen Schweinestall mit Energie

Aus dem Niederspannungsnetz des örtlichen Stromnetzbetreibers zweigte ein Landwirt in Nordrhein-Westfalen jahrelang Strom für seinen Schweinestall ab. Für den Stall hatte er keinen Stromversorgungsvertrag mit einem Lieferanten abgeschlossen. Offenbar fiel der nicht abgerechnete Verbrauch lange Zeit niemandem auf — was wohl daran lag, dass der Landwirt mehrere mit einem Zähler ausgestattete Verbrauchsstellen auf dem Hof hatte. Der Schweinestall war nur eine davon.

Letztlich bemerkte dann doch ein Mitarbeiter des Stromnetzbetreibers, dass dieser Netzanschluss ohne Liefervertrag benutzt wurde. Nun verlangte das Unternehmen vom Landwirt eine ansehnliche Summe als Ausgleich für den Stromverbrauch. Der "Kunde" konterte ungerührt: Stromnetzbetreiber dürften gemäß Energiewirtschaftsgesetz keinen Strom liefern — also dürften sie ihn auch nicht in Rechnung stellen.

Mit dieser Logik kam der Landwirt jedoch beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf nicht durch: Er wurde zu "Aufwendungsersatz" verurteilt (I-27 U 19/19). Dass Stromnetzbetreiber keinen Strom liefern dürften, sei zwar richtig, räumte das OLG ein. Das zu tun, habe das Unternehmen allerdings gar nicht beabsichtigt …

Schließlich habe der Landwirt den Strom ohne Wissen des Stromnetzbetreibers aus dem Netz abgezweigt und verbraucht. Dafür stehe dem Unternehmen ein Ausgleich zu. Der Netzbetreiber sei unfreiwillig und unaufgefordert (= ohne Auftrag), aber doch im Interesse des Landwirts tätig geworden. (Der Landwirt kann gegen das Urteil noch Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.)

Beamter nach Unfall dienstunfähig

Kein finanzieller Ausgleich für Urlaub, den der erkrankte Beamte Jahre früher nicht antreten konnte

Aufgrund eines Dienstunfalls war ein Beamter ab Januar 2017 dauerhaft erkrankt. Nach einem erfolglosen Versuch der Wiedereingliederung wurde er 2019 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Danach verlangte der Mann vom Dienstherrn finanziellen Ausgleich für Urlaub, den er 2017 und 2018 nicht hatte nehmen können.

Für das Jahr 2017 lehnte der Dienstherr den Ausgleich ab: Der Urlaubsanspruch sei verfallen, weil der Beamte den Urlaub krankheitsbedingt nicht in der vorgesehenen Frist antreten konnte.

Über diese Frist sei er vom Dienstherrn nicht informiert worden, konterte der Ruheständler, und berief sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): Der Mindestjahresurlaub verfalle nur, wenn der Dienstherr den Beamten darauf hingewiesen habe, dass er Urlaub — oder bei längerer Krankheit dessen Übertragung auf das nächste Jahr — rechtzeitig beantragen müsse.

Die Klage des Ruheständlers scheiterte beim Verwaltungsgericht Trier (7 K 2761/20.TR). Beamte könnten Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die während einer längeren Krankheit entstehen, nicht unbegrenzt ansammeln. Urlaub gewähre der Dienstherr, damit sich die Beschäftigten erholen könnten: Mit großem zeitlichem Abstand entfalle dieser Zweck des Jahresurlaubs.

Grundsätzlich sollten Beamte im Urlaubsjahr Urlaub nehmen, bei längerer Krankheit könnten sie ihn auf das Folgejahr übertragen. Wenn sie krankheitsbedingt keinen Urlaub machen könnten, verfalle der Anspruch darauf (auch nach der Rechtsprechung des EuGHs!) 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres. Im konkreten Fall also mit Ablauf des März 2019.

Mit dem Anspruch auf Urlaub entfalle auch der Anspruch auf finanziellen Ausgleich für nicht angetretenen Urlaub. Dass der Beamte vom Dienstherrn über die Verfallsfrist nicht eigens informiert worden sei, spiele hier keine Rolle: Denn nicht die fehlende Information sei der Grund dafür, dass er keinen Urlaub genommen habe, sondern seine Dienstunfähigkeit.

Dienstunfall in der Freizeit

Polizist springt seiner attackierten Lebensgefährtin bei und wird vom Angreifer verletzt

Als seine Lebensgefährtin von einigen Männern verbal angegriffen und beleidigt wurde, eilte ihr der Polizeibeamte M zu Hilfe. In der Freizeit ohne Uniform unterwegs, gab sich M als Polizist zu erkennen, als der Konflikt zu eskalieren drohte. Das beruhigte allerdings die Lage nicht, im Gegenteil. Einer der Männer fuhr M mit seinem Auto an und verletzte ihn am Bein. Anschließend versetzte er dem Polizisten einen Fausthieb gegen den Kopf.

M verlor kurz das Bewusstsein. Auf der Stelle alarmierte seine Lebensgefährtin mit dem Handy die Polizei, die einen Streifenwagen schickte. Die Polizisten beendeten die Auseinandersetzung und stellten die Personalien der Angreifer fest. Der Schläger wurde später wegen Körperverletzung verurteilt. Der Beamte M beantragte beim Land Rheinland-Pfalz, dem Dienstherrn, seine Verletzungen als Folge eines Dienstunfalls anzuerkennen.

Der Dienstherr lehnte dies jedoch ab: Der Streit habe sich im Privaten abgespielt. Gefahr in Verzug — d.h. eine Lage, in ein Polizist sofort einschreiten müsse — habe nicht bestanden. Wegen der Beleidigungen hätte der Beamte M die zuständige Polizeidienststelle verständigen oder selbst den Konflikt entschärfen können. Von einem Unfall im Dienst könne jedenfalls nicht die Rede sein.

Das sah M natürlich anders: Er habe sich eingemischt, weil das Aggressionspotenzial unkalkulierbar gewesen sei. Zumindest der Mann, der ihn geschlagen habe, sei äußerst bedrohlich aufgetreten. Um weitere Straftaten zu verhindern, habe er nicht auf eine Polizeistreife gewartet, sondern gesagt, dass er Polizist sei. Damit habe er sich quasi "als Polizeibeamter selbst in den Dienst versetzt".

Und zwar zu Recht, entschied das Verwaltungsgericht Neustadt (1 K 354/20 NW). Herr M sei aus objektiv triftigen Gründen eingeschritten. Es habe sich um eine aggressive, aufgeheizte Konfliktsituation gehandelt, deren Ausgang für den Beamten nicht absehbar gewesen sei. Schließlich gehöre die Gefahrenabwehr zu den Kernaufgaben der Polizei. Beleidigungen zu ahnden, gehöre ebenfalls dazu.

Das private Motiv des Polizisten, seine Lebensgefährtin zu unterstützen, ändere nichts daran, dass er auch dienstlich dazu verpflichtet gewesen sei, den Konflikt zu beruhigen. Auf diesen Effekt habe er gesetzt, als er sich als Polizeibeamter zu erkennen gab. Daher ständen M Leistungen für die im Dienst erlittenen Verletzungen zu, auch wenn er bei diesem Streit in der Freizeit keine Uniform getragen habe.

Finanzamt besteht auf "E-Bilanz"

Für Kleinstbetriebe kann die elektronische Übermittlung an die Behörde unzumutbar sein

Die X-GmbH ist eine kleine Dienstleistungsfirma. 2015 betrug ihr Umsatz ca. 70.000 Euro, der Gewinn bescheidene 300 Euro. In diesem Jahr übermittelte die Firma ihre Bilanz plus Gewinn- und Verlustrechnung elektronisch ans Finanzamt, mit einem vom Bundesanzeiger Verlag vertriebenen Computerprogramm. Das kostete den Geschäftsführer der GmbH vier Arbeitstage — ein unzumutbarer Aufwand, meinte er.

Deshalb beantragte er beim Finanzamt, die Firma 2016 von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung zu befreien. Begründung: Die Buchhaltungssoftware der Firma sei mit den Vorgaben der Finanzverwaltung für die Bilanzübermittlung nicht kompatibel. Einen Steuerberater mit einer E-Bilanz zu beauftragen, koste über 2.000 Euro. Die Alternative wäre, die Software umzustellen. Doch auch das wäre ein riesiger Arbeitsaufwand, von den jährlichen Mehrkosten ganz zu schweigen.

Bei der Steuerbehörde stieß der Antrag der X-GmbH nicht auf Wohlwollen: Für die Finanzverwaltung habe die automatisierte Überprüfung der E-Bilanz nur Vorteile, lautete der Bescheid. Vorteilhaft fürs Finanzamt, aber sehr nachteilig für die Firma, fand der Geschäftsführer und klagte. Das Finanzgericht Münster gab der X-GmbH Recht (5 K 436/20 AO).

Auf Antrag könne das Finanzamt "auf eine elektronische Übermittlung verzichten", um "unbillige Härten" zu vermeiden, so stehe es im Einkommensteuergesetz (§ 5b, Absatz 2). Dazu sei die Behörde sogar verpflichtet, wenn eine E-Bilanz wirtschaftlich unzumutbar sei und so liege der Fall hier, erklärte das Finanzgericht. Die X-GmbH habe keinen Steuerberater und verfüge selbst nicht über die technischen Mittel, um eine E-Bilanz zu erstellen.

Die Firma habe für die Buchführung 2010 ein Computerprogramm angeschafft, mit dem sie einen Jahresabschluss erstellen könne. Das Programm verfüge aber nicht über den IT-Standard, der für die elektronische Übermittlung einer E-Bilanz nötig wäre. Technisch "aufzurüsten" wäre für die X-GmbH nur mit erheblichem Aufwand möglich. Das zu fordern, sei bei einem Kleinstbetrieb mit geringem Umsatz und geringem Gewinn unverhältnismäßig. Genau solche Betriebe habe der Gesetzgeber mit der Härtefallregelung schützen wollen.

Impfschaden eines Soldaten?

Die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs begründet keinen Anspruch auf Entschädigung

2010 war der damals 22 Jahre alte Soldat vor einem Auslandseinsatz gegen Gelbfieber geimpft worden. In den folgenden Monaten klagte er über Schwindelanfälle, Sprachprobleme, unsicheren Gang und verlangsamte Augenbewegungen. Der Truppenarzt erklärte es für möglich, dass die neurologischen Ausfälle mit der Impfung zusammenhingen. Daraufhin forderte der Soldat Entschädigung von der Bundeswehr.

Doch der Dienstherr sah sich nicht in der Pflicht: Mittlerweile sei bei dem Mann eine Gehirnentzündung (Rhombenzephalitis) festgestellt worden. Es gebe diverse Anhaltspunkte dafür, dass er bereits vor der Gelbfieber-Impfung daran erkrankt sei.

Wenn früher gelegentlich Sprachstörungen oder verzögerte Blickbewegungen auftraten, habe das nur an Überarbeitung gelegen, konterte der Soldat. Jetzt leide er an den Folgen eines berufsbedingten Impfschadens, für den ihn der Dienstherr gemäß Infektionsschutzgesetz entschädigen müsse.

Dass die Impfung die neurologische Erkrankung verursacht habe, stehe nicht mit Gewissheit fest, urteilte das sachverständig beratene Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen: Es wies deshalb die Klage auf Entschädigung ab (L 10 VE 11/16). Die bloße Möglichkeit, dass der Impfstoff den Soldaten geschädigt habe, reiche für einen Rechtsanspruch auf Entschädigung nicht aus. Einen Impfschaden müsse man nach gesicherten Ergebnissen der medizinischen Forschung beurteilen.

Die genaue Ursache der Rhombenzephalitis sei wissenschaftlich noch nicht erforscht, was auch auf andere neurologische Erkrankungen zutreffe. Fest stehe dagegen: Der verwendete Impfstoff sei über 600 Millionen Mal verimpft worden — dennoch gebe es in medizinischen Schriften keine Hinweise darauf, dass als Folge neurologische Ausfälle auftraten. Das sei den Arbeitsergebnissen der Ständigen Impfkommission und der weltweiten Forschung zu Impfschäden zu entnehmen.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit gebe es also für die Gehirnentzündung des Soldaten andere Gründe, zumal er bereits vor der Gelbfieber-Impfung erste Symptome der Krankheit gezeigt habe. Alle befragten Sachverständigen hätten es ausgeschlossen, dass Überarbeitung der Grund für diese Symptome gewesen sein könnte.