Staatliche und private Dienstleistungen

Strompreiserhöhung angekündigt

"Vorher — nachher": Energieversorger muss Preisbestandteile einander gegenüberstellen

Ein Energieversorgungsunternehmen hatte im Frühjahr 2018 Sonderverträge für Strom und Gas angeboten und die Kunden per E-Mail darüber informiert, dass es ab Mai 2018 die Strompreise erhöhen werde. Die Nachricht enthielt weder eine Gegenüberstellung des vor und nach der Erhöhung gültigen Preises, noch wurden einzelne Kostenfaktoren aufgeschlüsselt. Aus diesem Grund mahnte ein Verbraucherschutzverein das Unternehmen ab.

Als der Energieversorger darauf nicht reagierte, zogen die Verbraucherschützer vor Gericht und verlangten mehr Transparenz bei der Kundeninformation. Während das Landgericht Köln eine detaillierte Gegenüberstellung der Preisbestandteile für überflüssig hielt, gab das Oberlandesgericht (OLG) Köln dem Verein Recht: Eine so knapp gehaltene Information über eine Preisanpassung sei intransparent, Verbrauchern fehle so jede Grundlage für einen Marktvergleich.

Erfolglos legte das Energieversorgungsunternehmen Revision ein: Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des OLG (VIII ZR 199/20). Das Unternehmen habe den Kunden per E-Mail Verbrauchsabrechnungen geschickt und dabei — sozusagen im Anhang — kurz eine Preiserhöhung angekündigt. Diese Information sei in der Tat unzulänglich.

Energieversorger müssten Kunden über beabsichtigte Preisänderungen umfassend unterrichten und zwar unabhängig davon, ob die Verbraucher in der Grundversorgung seien oder nicht. Energielieferanten müssten die einzelnen (nach ihren Geschäftsbedingungen im Strompreis enthaltenen) Preisbestandteile vor und nach der Anpassung aufschlüsseln und einander gegenüberstellen.

Wenn Kunden, so wie hier, nur über Umfang und Anlass der Änderung informiert würden, könnten sie nicht erkennen, auf welchen Kostenfaktoren die Preiserhöhung im Einzelnen beruhe. Unter diesen Umständen könnten die Verbraucher die Angebote verschiedener Versorger nicht richtig vergleichen und auch nicht prüfen, ob es sinnvoll sei, von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen.

Dienstunfall eines Postbeamten

Reißt die Bizepssehne beim Heben eines schweren Pakets, ist die berufliche Tätigkeit die Ursache

Bei einem Postbeamten riss die Bizepssehne, als er ein ca. 30 Kilo schweres Paket in seinen Zustellwagen hievte. Der Mann musste operiert werden und verbrachte einige Tage im Krankenhaus. Laut einem fachärztlichen Gutachten wurde der Sehnenriss direkt durch das Beladen des Fahrzeugs ausgelöst.

Trotzdem lehnte die Unfallkasse für Post und Telekom (die UK PT übernimmt für Postbeamte die Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung) Leistungen aufgrund eines Dienstunfalls ab: Das Anheben eines Pakets könne keinen Sehnenriss verursachen, meinte die UK PT. Die Bizepssehne sei auf große Belastungen ausgelegt und könne dadurch nicht reißen, wenn sie nicht bereits vorgeschädigt sei.

Mit dieser Argumentation war das Verwaltungsgericht (VG) Aachen nicht einverstanden: Es gab dem Postbeamten Recht, der Leistungen von der Unfallkasse eingeklagt hatte (1 K 2167/21). Der Beamte habe sich sofort nach dem Vorfall ärztlich untersuchen lassen, so das VG.

Ergebnis: Die Magnetresonanztomographie zeige eine frische traumatische Verletzung. Auch die im Operationsbericht beschriebene Ausfransung der Sehne sei typisch für einen unfallbedingten Riss — es habe keine Hinweise auf eine Vorschädigung der rechten Bizepssehne gegeben.

Außerdem stelle es keine alltägliche Belastung dar, mit einem Arm ein 30 Kilo schweres Paket anzuheben. Hier habe sich also ein berufsspezifisches Risiko verwirklicht, das unmittelbar mit der Tätigkeit des Postbeamten zusammenhänge. Von einem anlagebedingten Leiden, das nur rein zufällig während des Dienstes zum Vorschein gekommen sei und auch im privaten Bereich hätte auftreten können, könne hier keine Rede sein.

Vom Recht, nicht erreichbar zu sein

In der Freizeit müssen Arbeitnehmer keine Dienst-SMS lesen

Notfallsanitäter müssen mit Änderungen des Dienstplans rechnen, das ist sogar im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst so festgehalten. Umstritten im konkreten Fall: Wie kurzfristig dürfen diese Änderungen sein? Und: Muss ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit auf eine einschlägige Nachricht (SMS) des Arbeitgebers reagieren?

Ein Notfallsanitäter war zwei Mal telefonisch und per SMS nicht erreichbar. Am nächsten Tag meldete er sich zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt zum Dienst. Deshalb mahnte ihn der kommunale Arbeitgeber wegen "unentschuldigten Fehlens" ab und strich Stunden von seinem Arbeitszeitkonto. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer: Er habe seine Arbeitspflichten nicht verletzt, denn in der Freizeit müsse er sich nicht darüber informieren, wann er arbeiten müsse.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein gab ihm Recht (1 Sa 39 öD/22). Anders als der Arbeitgeber meine, gehöre es nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Sanitäters, sich ständig über dienstliche Änderungen zu informieren und damit seine Freizeit zu unterbrechen. Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen, sei eine Arbeitsleistung.

Dass der Zeitaufwand dafür gering sei, ändere daran nichts. Arbeit verwandle sich nicht in Freizeit, wenn sie nur in geringem Umfang anfalle. Arbeitnehmer hätten das Recht, in ihrer Freizeit unerreichbar zu sein. Das sei notwendig, um ihre Gesundheit zu schützen und in den Ruhezeiten ausreichende Erholung zu gewährleisten.

Freizeit bedeute: Arbeitnehmer müssten in diesem Zeitraum dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung stehen und könnten selbstbestimmt entscheiden, wie sie diese verbringen. Es sei wesentlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts, "dass ein Mensch selbst entscheide, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht".

Der Arbeitgeber habe erst mit Beginn des Dienstes um 7.30 Uhr darauf vertrauen können, dass der Notfallsanitäter die (am Vortag geschickte) SMS zur Kenntnis nahm. Ab Dienstbeginn sei der Arbeitnehmer verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehöre es, die in der Freizeit auf dem Handy eingegangenen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen. (Der Arbeitgeber wird gegen das Urteil Revision zum Bundesarbeitsgericht einlegen.)

Corona-Infektion als Dienstunfall?

VG Düsseldorf: Lehrerinnen sind dem Infektionsrisiko nicht in besonderem Maße ausgesetzt

Zwei Lehrerinnen erkrankten im Herbst 2020 an Covid-19. Beide Beamtinnen verlangten vom Bundesland Nordrhein-Westfalen, ihrem Dienstherrn, die Infektion mit dem Corona-Virus als Dienstunfall anzuerkennen. Das ist die Voraussetzung für Leistungen der Unfallfürsorge wie z.B. die Übernahme der Kosten von Rehabilitationsmaßnahmen.

Die Grundschullehrerin erklärte, sie habe sich während einer Lehrerkonferenz angesteckt, nach der das halbe Kollegium an Corona erkrankte. Eine Oberstudienrätin führte die Infektion auf Gespräche mit Schülern zurück, die — obwohl ohne Symptome — zu diesem Zeitpunkt bereits erkrankt waren.

Beide Anträge wurden mit dem Argument abgelehnt, die Lehrerin könne sich auch außerhalb des Schuldienstes infiziert haben. Ein Zusammenhang mit dem Schuldienst stehe nicht fest. So beurteilte auch das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf die Sache und wies die Klage der Beamtinnen ab (23 K 8281/21).

In aller Regel könne man Ort und Zeit einer Infektion nachträglich nicht eindeutig feststellen, erklärte das VG, so auch im konkreten Fall. Dennoch würden Infektionskrankheiten unter bestimmten Bedingungen als Berufskrankheiten und Dienstunfälle anerkannt. Das setze allerdings voraus, dass Beamte durch die Art ihrer Tätigkeit in besonderem Maße dem Infektionsrisiko ausgesetzt seien.

Lehrer schwebten aber nicht in größerer Gefahr, an Corona zu erkranken, als die restliche Bevölkerung. Bei den Beamtinnen habe sich eben ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das alle Menschen treffen könne. Die Folgen schicksalhafter Einflüsse seien kein Fall für die dienstliche Unfallfürsorge. Für die Behandlungskosten von erkrankten Beamten seien dann die Beihilfe und die private Krankenversicherung zuständig.

Pausen können zur Arbeitszeit gehören

Muss sich ein Beamter in einer Pause für den Einsatz bereithalten, stellt sie keine "Ruhezeit" dar

Im Juli 2013 beantragte ein Bundespolizist, ihm Pausenzeiten als Arbeitszeit anzurechnen: Es ging um zahlreiche Pausen von 30 bis 45 Minuten. In dieser Zeit hatte sich der Beamte in Uniform und mit Dienstwaffe für einen möglichen Einsatz bereithalten müssen. Da die Dienstherrin des Beamten, die Bundesrepublik Deutschland, seinen Antrag ablehnte, zog der Mann vor Gericht.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte seinen Anspruch auf Freizeitausgleich (2 C 24.21). In den betroffenen Pausen habe sich der Beamte nicht entspannen oder Freizeitaktivitäten widmen können, so die Bundesrichter. Vielmehr habe er ständig erreichbar sein müssen, um sofort für einen eventuell notwendigen Einsatz verfügbar zu sein (z.B. für Durchsuchungsmaßnahmen oder die Vollstreckung eines Haftbefehls).

Unter derartigen Umständen seien Pausen als Arbeitszeit einzustufen. Wenn ein Beamter auf diese Weise pro Woche mehr arbeite als eigentlich vorgesehen (im Beamtendeutsch: "Zuvielarbeit" leiste), stehe ihm dafür Freizeitausgleich zu. Das gelte für alle Pausen in "Bereitschaft", auch für diejenigen, in denen der Beamte nicht zu einem Einsatz gerufen wurde.

Der Anspruch bestehe allerdings erst ab dem Zeitpunkt, an dem der Beamte den Antrag gestellt habe — nicht rückwirkend.

Keine Windkraftanlagen im Wald?

Waldeigentümer klagten erfolgreich gegen das Windradverbot im Thüringer Waldgesetz

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Regelung im Thüringer Waldgesetz gekippt, die den Bau von Windkraftanlagen in Waldgebieten grundsätzlich ausschloss (1 BvR 2661/21). Mit ihrer Entscheidung gaben die Verfassungsrichter Waldbesitzern Recht, die gegen diese Regelung Verfassungsbeschwerde eingelegt hatten. Thüringen muss also nun das Gesetz ändern.

Hintergrund: Etwa ein Drittel der Fläche des Bundeslandes Thüringen besteht aus Wald — darunter viele Flächen, die aufgrund von Borkenkäferbefall oder Sturmschäden gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt forstwirtschaftlich genutzt werden können. Thüringer Waldbesitzer wehrten sich gegen das Windradverbot, weil sie beabsichtigten, solche geschädigten "Waldbestände" zu roden und auf den Kahlflächen Windräder zu errichten.

Zu Recht kritisierten die Waldbesitzer das generelle Verbot als unzulässigen Eingriff in ihr Eigentum, erklärte das BVerfG. Der Freistaat Thüringen habe damit seine Gesetzgebungskompetenz überschritten: Das Bodenrecht sei Sache des Bundes und der Bundesgesetzgeber verfolge das (im Bundesbaugesetzbuch geregelte) Ziel, Windenergieanlagen im Außenbereich besonders zu fördern.

Bundesländer könnten zwar Waldgebiete unter Schutz stellen, wenn diese aufgrund ihrer Lage, wegen besonderer Schönheit oder ihrer ökologischen Funktion schutzwürdig seien. Das sei bei den betreffenden Flächen jedoch nicht (mehr) der Fall. Es gehe den Thüringer Waldbesitzern um Flächen, die durch Schädlingsbefall, Trockenheit und Stürme stark geschädigt oder sowieso schon baumlos seien. Auf Kahlflächen sei das Windradverbot sinnlos und halte nur unnötig die Energiewende auf.

Diensthund eines Försters verletzt - im Dienst?

Der Dienstherr des Beamten muss die Tierarztkosten für den Jagdhund übernehmen

Eine Bahnstrecke führt durch den Waldbezirk, für den der Förster zuständig ist. Zu seinen Aufgaben gehört es, den Bewuchs an den Gleisen zu kontrollieren. Auch bei diesen Kontrollgängen begleitet den Förster sein Jagdhund — wie immer im Außendienst. Bei einem dieser Kontrollgänge riss sich der Hund von der Leine los, wurde von einem Zug erfasst und verletzt.

Von seinem Dienstherrn, dem Land Hessen, verlangte der Förster die Tierarztkosten von ca. 2.000 Euro ersetzt. Doch die zuständige Behörde winkte ab. Begründung: Der Förster sei mit dem Hund nicht auf der Jagd, das Tier also "nicht im Dienst" gewesen, als der Unfall passiert sei. Mit Erfolg verklagte der Beamte das Land auf Zahlung.

Auch wenn der Diensthund nicht bei seiner unmittelbaren Aufgabe — der Jagd — verletzt worden sei, habe der Förster Anspruch auf Kostenübernahme, entschied das Verwaltungsgericht Wiesbaden (3 K 1799/19). Hier komme es nur darauf an, dass der Beamte selbst im Dienst gewesen sei. Bäume und Sträucher neben den Gleisen zu kontrollieren, gehöre zu den Dienstpflichten des Försters.

Der Hund begleite ihn bei allen Reviergängen und nicht nur bei der Jagd. Schließlich brauche ein Jagdhund viel Auslauf. Er werde zwar bei den Kontrollgängen an der Bahnstrecke nicht unbedingt benötigt. Davon hänge aber der Anspruch des Beamten auf Schadenersatz nicht ab.

Preisgarantie ist verbindlich!

Energieversorger darf die Preise für Strom und Gas nicht wegen gestiegener Einkaufskosten erhöhen

Energieversorger sind an ihre Preisgarantien gebunden, hat das Landgericht Düsseldorf entschieden (12 O 247/22). Im konkreten Fall ging es um das Unternehmen ExtraEnergie: Es hatte sich in der Werbung als "krisensicher" angepriesen und seinen Kunden Verträge mit eingeschränkter Preisgarantie angeboten.

"Eingeschränkte Preisgarantie" bedeutet: Preisänderungen sind bei so einem Vertrag nur zulässig, wenn von Staats wegen Mehrkosten anfallen (höhere Steuern, Abgaben, Umlagen). Aber nicht, wenn das Unternehmen selbst im Einkauf für Energie mehr ausgeben muss.

Als die ExtraEnergie GmbH trotz der Preisgarantie ankündigte, sie müsse "leider wegen gestiegener Beschaffungskosten auf dem Großhandelsmarkt" die Preise für die Endkunden anpassen (sprich: erhöhen), ging die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gerichtlich dagegen vor. Die Verbraucherschützer beantragten mit Erfolg im Eilverfahren, dem Unternehmen die Preiserhöhung für Strom und Gas zu verbieten.

Wenn ein Vertrag zwischen Verbraucher und Energieversorger eine Preisgarantie enthalte, müsse das Unternehmen den Vertragspartner weiterhin zu den vertraglich vereinbarten Preisen beliefern, erklärte das Landgericht: Dann rechtfertigten gestiegene Beschaffungskosten keine Preiserhöhung.

(PS: Die Verbraucherzentrale stellt Kunden der ExtraEnergie GmbH einen Musterbrief zur Verfügung, mit dem sie der Preiserhöhung widersprechen können.)

"Kein Mindestumsatz erforderlich"

Diese Werbung für den Prepaid-Basistarif von "Alditalk" ist irreführend

Im Internet wirbt die Medion AG für den "Basis-Prepaid-Tarif" von "Alditalk" mit dem Versprechen, hier werde "kein Mindestumsatz" verlangt. Das sei falsch, kritisierte der Bundesverband der Verbraucherzentralen: Bei diesem Tarif könne der Kunde (nach Aktivierung der SIM-Karte) das Startguthaben nur zwölf Monate lang nutzen. Nach Ablauf dieses "Aktivitätszeitfensters" sei der Kunde auf dem Handy noch zwei Monate erreichbar, danach werde die SIM-Karte deaktiviert.

Um das Abschalten zu vermeiden, müsse der Kunde das Guthaben aufladen. Werde der Mindestbetrag von fünf Euro aufgeladen, verlängere sich das Zeitfenster um vier Monate, dann müsse man erneut aufladen. Erreichten Kunden das Maximalguthaben von 200 Euro, müssten sie mindestens fünf Euro vom Guthaben "abtelefonieren" — ansonsten könnten sie nicht mehr aufladen und die Nutzung des Handys nicht mehr verlängern.

Das Landgericht Essen gab den Verbraucherschützern Recht und verbot die Reklame als irreführend (1 O 314/21). Wenn Kunden im Prepaid-Basistarif in regelmäßigen Abständen ihr Guthaben auffüllen müssten, um die Abschaltung zu verhindern, könne keine Rede davon sein, dass bei diesem Tarif kein Mindestumsatz verlangt werde.

Die Werbeaussage erwecke den falschen Eindruck, nach dem Erwerb des Starter-Sets müssten Kunden nichts mehr zahlen, um dauerhaft über das Handy erreichbar zu sein. Das treffe jedoch nicht zu, da die (vertraglich zugesicherte) weitere Nutzung der SIM-Karte von einer Zahlung abhänge, die nichts mit dem Verbrauch des Kunden zu tun habe. Wenn Kunden das maximale Guthaben erreichten, müssten sie darüber hinaus Guthaben verbrauchen, um das so genannte "Aktivitätszeitfenster" verlängern zu können.

Augenbrauen "falsch" pigmentiert?

Geschmacksabweichungen bedeuten nicht, dass das Kosmetikstudio fehlerhaft gearbeitet hat

Ein Mann ließ sich in einem Kosmetikstudio die Augenbrauen pigmentieren, 280 Euro kostete die Prozedur. Vorher zeichnete die Kosmetikerin das Permanent Make-up vor und zeigte dem Kunden im Spiegel, wie es anschließend "ungefähr" aussehen werde. Dass er mit dem Endergebnis (Form, Farbe) einverstanden sei, bestätigte der Mann schriftlich. Zusätzlich unterschrieb er nach der Pigmentierung ein Schriftstück, indem er zusicherte, er habe das Permanent Make-up überprüft und als einwandfrei beurteilt.

Obwohl sich die Kosmetikerin also doppelt abgesichert hatte, glaubte der Mann, er könne sein Honorar zurückbekommen: Er beschwerte sich nachträglich, die Farbe sei zu dunkel und die Pigmentierung entstelle ihn. Die Kosmetikerin habe ihm in Höhe der Augenbrauen "zwei schwarze Balken" tätowiert. Der Kunde verlangte 3.500 Euro Schmerzensgeld, zusätzlich müsse ihm das Studio die Kosten der Korrekturbehandlung mit einem Laser (289 Euro) ersetzen.

Seine Zahlungsklage scheiterte beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (17 U 116/21). Er rüge die Farbe als zu dunkel, so das OLG, dabei habe er nicht einmal dargelegt, welchen anderen Farbton er ausgewählt habe. Letztlich seien das Geschmacksfragen. Bei der Pigmentierung von Augenbrauen müssten Kunden mit optischen Abweichungen rechnen. Hier gehe es nicht um eine rein handwerkliche Leistung, vielmehr hätten Kosmetiker einen künstlerischen Gestaltungsspielraum.

Aus optischen Abweichungen könne man jedenfalls nicht auf einen Mangel der Arbeit schließen. Fachlich sei die Behandlung einwandfrei durchgeführt worden. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Kunde dem Kosmetikstudio konkrete Vorgaben gemacht hätte. Dass die Tätowierung von einer exakten Absprache zur Gestaltung des Permanent Make-ups abweiche, habe der Kunde jedoch nicht belegt. Im Gegenteil: Er habe dem Permanent Make-up ausdrücklich zugestimmt und das Werk der Kosmetikerin in der Abnahmeerklärung als "einwandfrei" gebilligt.

In den vorzeitigen Ruhestand versetzt

Bei einem dienstunfähigen Beamten setzt das kein Eingliederungsmanagement voraus

Viele Jahre hatte ein Beamter als Ausbilder auf einem Feuerlöschboot gearbeitet. 2018 war er lange Zeit krankgeschrieben. Deshalb schlug der Dienstherr ein so genanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vor: Dabei soll der erkrankte Beamte (in Betrieben: der Arbeitnehmer) mit Vorgesetzten und einem Arbeitsmediziner klären, ob und wie man die Situation am Arbeitsplatz verbessern könnte, um die Dienstfähigkeit bzw. Arbeitsfähigkeit des Betroffenen zu erhalten.

So ein Verfahren lehnte der Feuerwehr-Ausbilder jedoch rundweg ab. Daraufhin wurde er zur arbeitsmedizinischen Untersuchung und zum Amtsarzt geschickt. Ergebnis beide Male: Der Hauptbrandmeister sei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, seine Dienstpflichten zu erfüllen.

2019 wurde er in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Dagegen wehrte sich der Mann nun ausgerechnet mit dem Argument, vorher hätte man ein BEM durchführen müssen. Vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern wurde dies verneint: Die Versetzung in den Ruhestand sei auch ohne BEM rechtmäßig (2 LZ 537/21).

Das Eingliederungsmanagement habe den Zweck, Vorbeugungsmaßnahmen zu besprechen und umzusetzen, um den Eintritt einer dauerhaften Dienstunfähigkeit zu vermeiden. Dass der Hauptbrandmeister dauerhaft dienstunfähig sei, stehe aber bereits fest. Dazu lägen überzeugende Gutachten des Arbeitsmediziners und des Amtsarztes vor. Unter diesen Umständen sei kein BEM mehr erforderlich.

Der Dienstherr habe auch erläutert, dass ein anderweitiger, eventuell zeitlich begrenzter Einsatz des Beamten z.B. im Innendienst nicht in Betracht komme. Für den Hauptbrandmeister stehe am Tätigkeitsort keine angemessene Stelle zur Verfügung.

2.331 Euro "Verwahrgebühr" für Kfz-Kennzeichen!

Der Autobesitzer hatte die EU-Kennung überklebt: Gebührenbescheid ist überhöht

In Rheinland-Pfalz stellten Polizeibeamte bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle ein Kfz-Kennzeichen sicher: Denn der Autobesitzer hatte die EU-Kennung des Kennzeichens mit schwarzer Folie abgeklebt und die Stempelplakette fehlte.

Nach einigen Wochen schrieb ihm die Verkehrsbehörde: Der Autobesitzer sollte mitteilen, ob er damit einverstanden sei, dass das Kfz-Kennzeichen entsorgt werde. Andernfalls falle pro Tag eine Verwahrgebühr von sieben Euro an. Auf dieses Schreiben reagierte der Mann nicht.

Elf Monate später meldete sich die Verkehrsbehörde erneut bei ihm: Sie beabsichtige nun, das sichergestellte Kfz-Kennzeichen zu entsorgen. Diesmal antwortete der Autobesitzer und stimmte der Entsorgung zu: Er habe ohnehin angenommen, dies sei längst geschehen. Das erste Schreiben der Behörde habe er nicht erhalten.

Damit war die Angelegenheit aber keineswegs erledigt. Das Bundesland setzte nun eine Verwahrgebühr von 2.331 Euro fest (333 Tage zu je 7 Euro).

Das Verwaltungsgericht Trier hob den Gebührenbescheid auf (8 K 728/22). Grundsätzlich dürfe das Land zwar Gebühren für die Verwahrung von Kennzeichen erheben. Es habe aber auch die Pflicht, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Geringwertige Gegenstände wie ein Kfz-Kennzeichen — das man für ca. zehn Euro erwerben könne und an dem auch kein ideelles Interesse bestehe — seien zügig zu entsorgen.

Die zuständige Behörde müsse in einem angemessenen Zeitraum, d.h. innerhalb von 14 Tagen klären, ob der Autobesitzer der Entsorgung zustimme und dann das Aufbewahren sofort beenden. Auch wenn der Autobesitzer zunächst eine Antwort schuldig geblieben sei: Eine Verwahrgebühr für 333 Tage festzusetzen, sei unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

"Inbox-Werbung" ist unzulässig

Im Posteingangsfach kostenloser E-Mail-Dienste darf Reklame nur mit Erlaubnis des Nutzers eingeblendet werden

Ausgangspunkt des Verfahrens war der Streit zweier Stromlieferanten. Ein Stromunternehmen hatte einen so genannten Freemail-Dienst (d.h. einen kostenlosen E-Mail-Provider wie z.B. GMX oder web.de) damit beauftragt, seine Werbung in den Mail-Eingangs-Ordnern der Kunden anzuzeigen ("Inbox"). Der Konkurrent sah darin einen Wettbewerbsverstoß: Derartige Reklame setze die Einwilligung der Nutzer voraus.

Der Bundesgerichtshof gab dem Konkurrenten Recht (I ZR 25/19). Ohne eine ausdrückliche Genehmigung der Kunden des Mail-Dienstes sei es wettbewerbswidrig, illegal und eine unzumutbare Belästigung, Inbox-Reklame einzublenden.

Natürlich finanzierten sich Freemail-Dienste teils durch Werbung. Nutzer, die pauschal ihr Einverständnis mit Werbeeinblendungen erklärten, um für die Nutzung des E-Mail-Dienstes nichts zahlen zu müssen, stimmten damit aber nicht zugleich der Inbox-Werbung zu.

Vielmehr müssten die Nutzer klar und präzise über die Modalitäten der Verbreitung von Inbox-Reklame informiert worden sein — insbesondere darüber, dass die Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden. Wenn Nutzer danach trotzdem einwilligten, die Werbenachrichten zu erhalten, sei das Einverständnis wirksam erteilt.

EU-Subvention für Landwirt zu Unrecht gestrichen

Er soll die "Vor-Ort-Kontrolle" durch das Landwirtschaftsamt vereitelt haben

Im Rahmen eines EU-Förderprogramms hatte das Landwirtschaftsamt Parchim einem Landwirte-Ehepaar rund 377.000 Euro Fördermittel für Investitionen zugesagt (u.a. für einen Stall und Wirtschaftsgebäude). Bei unangekündigten Kontrollen werde man die zweckmäßige Verwendung der Mittel prüfen, stand im Leistungsbescheid. Nach einem Hinweis auf Subventionsmissbrauch wurde so eine Kontrolle angeordnet.

Zum Pech des Bauern erschienen zwei Beamte vor dem Hoftor, als er gerade wegen eines wichtigen Auswärtstermins wegfahren wollte. Der Mann war nach einem Stromausfall am Hof spät dran und gestresst. "Jetzt könnten sie die Ställe nicht kontrollieren", sagte er den Beamten und vertröstete sie auf den Abend oder den nächsten Tag. Unterwegs organisierte der Landwirt aber doch per Handy einen Vertreter für eine sofortige Besichtigung.

Um das zu melden, rief er die Beamten ca. 30 Minuten später an. Doch ihr Diensthandy war ausgeschaltet: Sie waren von Amts wegen angewiesen, den Akku zu schonen. Die Behörde widerrief nun den Förderbescheid und verlangte das Geld zurück, weil der Landwirt die "Vor-Ort-Kontrolle" unmöglich gemacht habe.

Gegen die Sanktion wehrte sich das Ehepaar zunächst erfolglos, erst das Bundesverwaltungsgericht gab ihm Recht (3 C 8.21). Der Widerruf der Subvention sei unzulässig, so die Bundesrichter: Der Bauer habe nicht gegen die Förderauflagen verstoßen.

Natürlich müssten Landwirte auch unangemeldete Kontrollen zulassen, aber im Rahmen des Zumutbaren. Wer unangekündigt erscheine, müsse mit der Möglichkeit rechnen, weder den Betriebsinhaber, noch einen Vertreter anzutreffen. Landwirte seien nicht zu ständiger Anwesenheit auf dem Betriebsgelände verpflichtet. Andere Termine müssten sie wegen einer Kontrolle nur absagen, wenn dies ohne große Nachteile möglich sei.

Das Angebot, sie auf den nächsten Tag zu verschieben, genüge zwar nicht. Das würde den Kontrollzweck gefährden. Der Bauer hätte also trotz Zeitdrucks sofort versuchen müssen, eine Vertretung zu organisieren. Das habe er aber im Auto nachgeholt. Daher hätten die Beamten — wenn der Anruf sie erreicht hätte — nach einer halben Stunde zurückfahren und den Betrieb überprüfen können. Letztlich sei das Landwirtschaftsamt dafür verantwortlich, dass die Kontrolle nicht geklappt habe. Kontrolleure müssten für die Behörde und für die Kontrollierten erreichbar sein.

"Aloha"-Tattoo der bayerischen Polizei unwürdig?

Ein Polizist kämpft hartnäckig darum, das Bundesverfassungsgericht lässt nochmal prüfen

Der Mann meint es offenbar wirklich ernst: Seit fast einem Jahrzehnt zieht ein bayerischer Polizist durch alle Gerichtsinstanzen, weil er sich den Schriftzug "Aloha" auf den Unterarm tätowieren lassen möchte. Der Schriftzug soll ihn an seine Flitterwochen auf Hawaii erinnern ("ein traumhafter Urlaub"). An anderen Körperstellen kommt die Begeisterung des Polizeibeamten für Figuren und Symbole aus dem Hawaiianischen bereits durch mehrere Tattoos zum Ausdruck.

2013 hatte er die Erlaubnis für "Aloha" auf dem Unterarm beim Polizeipräsidium Mittelfranken beantragt und blitzte damit ab. Zuletzt scheiterte der Polizist im Mai 2020 am Bundesverwaltungsgericht: Das Beamtengesetz des Freistaats verbiete es Polizisten, sich am Kopf, am Hals, an Händen und Unterarmen tätowieren zu lassen, hatten die Verwaltungsrichter geurteilt.

Auch dadurch ließ sich der Mann nicht entmutigen: Er legte gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde ein. Und das Bundesverfassungsgericht verwies den Fall nun ans Bundesverwaltungsgericht zurück — mit der Auflage, das Anliegen des Beamten nochmals zu prüfen (2 BvR 1667/20).

So direkt stehe das Tattoo-Verbot im bayerischen Beamtengesetz nämlich nicht drin, fanden die Verfassungsrichter. Da stehe vielmehr: Die oberste Dienstbehörde könne zum äußeren Erscheinungsbild von Beamten Näheres bestimmen. Zum "äußeren Erscheinungsbild" zählten auch "Haar- und Barttracht" und andere "sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale".

Zu Tätowierungen gebe es in den Bundesländern unterschiedliche Vorschriften. Im "Beamtenstatusgesetz" der Bundesrepublik heiße es: "Das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert."

So eindeutig, wie die Verwaltungsrichter dies sahen, sei die Rechtslage also nicht, geben die Verfassungsrichter zu bedenken: Die Frage, ob in Bezug auf den bayerischen Polizeibeamten die Voraussetzungen für ein Tattoo-Verbot vorlägen, bedürfe "weiterer Klärung".

Posttraumatische Belastungsstörung eines Bahnmitarbeiters

Wurde sie von einem Gleisselbstmord ausgelöst, ist die Erkrankung als berufsbedingt anzuerkennen

Der Selbstmörder hatte sich auf dem Bahnsteig bei einem Kundendienstmitarbeiter nach einem Zug erkundigt. In den Zug stieg er aber nicht ein, sondern rannte zu dessen Ende. Der Bahnmitarbeiter lief ihm kurz nach, sah ihn plötzlich nicht mehr. Der anfahrende Zug stoppte. Kurz darauf fand der Bahnmitarbeiter den zweigeteilten Leichnam des Mannes auf den Gleisen und alarmierte die Zentrale.

Der verstörte Bahnmitarbeiter schlief nachts nicht mehr und wurde vom Hausarzt für kurze Zeit krankgeschrieben. Danach trat er den Dienst wieder an. Doch das Erlebte holte ihn immer wieder ein: Der 52-Jährige litt unter Albträumen und Schreckhaftigkeit. Auf Anraten des Gesundheitsdienstes der Bahn begann er elf Monate nach dem Unfall eine Psychotherapie. Fachärzte diagnostizierten eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Bei der Unfallversicherung Bund und Bahn beantragte der Bahnmitarbeiter, die Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalls anzuerkennen. Die bestritt jedoch einen Zusammenhang der psychischen Probleme mit dem Unfallereignis. Der Versicherte habe schließlich nach zwei Wochen "Auszeit" weiterarbeiten können. Der Tod seines Bruders komme eher als Auslöser für die PTBS in Betracht. Auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe jedenfalls kein Anspruch.

Das Landessozialgericht Hessen entschied, dass die Unfallversicherung die PTBS als Folge des schlimmen Erlebnisses anerkennen muss (L 3 U 146/19). Der Versicherte sei Zeuge eines gewaltsamen Todes geworden und zeige die typischen Merkmale einer PTBS, das wiederholte Aufleben des Traumas in Erinnerungen (Flash-backs) und Albträumen. Er meide Bahnhöfe und Bahnsteige, weil er dort ständig den Selbstmörder vor sich sehe.

Dass der Versicherte zunächst die Arbeit wieder aufgenommen habe, widerlege den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Selbstmord und der PTBS nicht: Unmittelbar nach dem Unfall habe er alles darangesetzt, weiter zu funktionieren. Dass psychische Probleme erst Monate nach dem auslösenden Ereignis zunähmen, sei für eine PTBS geradezu typisch. Im Einzelfall könne es sogar noch länger dauern als elf Monate.

Mit dem Miterleben des Selbstmords und den psychischen Folgen habe sich ein berufsbedingtes Risiko verwirklicht, für das die gesetzliche Unfallversicherung zuständig sei. Dass sich beim Entstehen der PTBS auch andere Schicksalsschläge ausgewirkt haben könnten, erscheine demgegenüber als unwesentlich. Einige medizinische Sachverständige hätten dies sogar ausgeschlossen.

Ein abgestelltes Paket ist nicht zugestellt

Abstellgenehmigung reicht nicht: Paketdienst muss die Empfänger über eine abgestellte Sendung auch informieren

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beanstandete folgende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Paket- und Expresszustelldienstes: "Hat der Empfänger eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als zugestellt, wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt worden ist." Die AGB-Klausel benachteilige die Verbraucher in unangemessener Weise und sei unwirksam, fand die Verbraucherzentrale.

Der Bundesgerichtshof gab ihr Recht (I ZR 212/20). Prinzipiell sei es durchaus zulässig, Pakete auf diese Weise zuzustellen. Liege eine Abstellgenehmigung des Empfängers vor, könne der Zusteller Sendungen am vereinbarten Ort ablegen, wenn der Paketempfänger nicht zu Hause sei. In diesem Fall müsse der Zusteller jedoch den Empfänger darüber informieren, dass und wann er das Paket an der "Ablieferungsstelle" hinterlassen habe.

Die Empfänger per E-Mail oder App zu verständigen, dass die Sendung dort abgestellt wurde, sei ohne Weiteres zumutbar. Das sehe aber die strittige AGB-Klausel nicht vor und benachteilige damit die Verbraucher. Wenn sich ein Paketdienst nicht dazu verpflichte, die Empfänger zu benachrichtigen, berücksichtige er die Interessen von Absender und Empfänger unzureichend und befreie sich einseitig von allen Risiken bei Verlust.

Verbraucher können Online-Ticketkauf nicht widerrufen

Das gilt auch dann, wenn Eintrittskarten bei einer Ticketvermittlerin gekauft wurden

Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 fielen alle Veranstaltungen aus, u.a. ein Konzert in Braunschweig. Verbraucher R hatte dafür Eintrittskarten im Internet erworben — allerdings nicht beim Veranstalter, sondern über die Internetplattform der "CTS Eventim", einer Ticketvermittlerin. Der Konzertveranstalter gab für die verhinderten Konzertbesucher Gutscheine aus.

Damit war Kunde R jedoch unzufrieden: Er zog vor das Amtsgericht Bremen und verlangte das Eintrittsgeld zurück. Doch die deutsche Regierung hatte die Gutscheinregelung vorgesehen, um die von der Pandemie gebeutelte Veranstaltungsbranche zu schützen. Trotzdem sah das Amtsgericht eine Möglichkeit, den Streit zu Gunsten des Verbrauchers zu entscheiden.

Er könnte "Bares" zurückbekommen, wenn er das Recht hätte, seinen Vertrag mit "CTS Eventim" gemäß der EU-Verbraucherschutzrichtlinie zu widerrufen, so das Amtsgericht. Verbraucher, die mit einem Unternehmer einen Fernabsatzvertrag (Versandhandel oder Onlinehandel) schließen, dürfen den Vertrag zwei Wochen lang ohne Angabe von Gründen widerrufen.

Das Amtsgericht bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung, ob die EU-Verbraucherschutzrichtlinie auch gilt, wenn ein Verbraucher Tickets online bei einer Vermittlerin gekauft hat. Für die Veranstaltungsbranche gebe es eine Ausnahmeregelung, so die Antwort des EuGH: Für termingebundene Freizeitveranstaltungen gelte das Widerrufsrecht nicht (C-96/21).

Die Ausnahmeregelung solle die Veranstalter von Konzerten und Sportevents vor großem wirtschaftlichem Risiko durch das Widerrufsrecht bewahren. Sie müssten nämlich Plätze für Online-Ticketkäufer freihalten, die sie aber im Falle eines Widerrufs sehr wahrscheinlich nicht mehr anderweitig vergeben könnten.

Auch beim Onlinekauf der Eintrittskarten bei einer Vermittlerin sei das Widerrufsrecht ausgeschlossen, da (und sofern) das mit dem Widerrufsrecht verbundene finanzielle Risiko allein den Konzertveranstalter treffen würde. Herr R wird sich also mit dem Gutschein begnügen müssen.

Vom Kaminkehrer schlecht beraten?

Laut Gesetz musste der Hauseigentümer seinen Kachelofen stilllegen oder nachrüsten

Bei einer Kontrolle des 1994 eingebauten Kachelofens informierte der Kaminkehrer den Hauseigentümer darüber, dass der Ofen den aktuellen gesetzlichen Anforderungen in Sachen Luftreinheit nicht mehr entsprach (1. Bundesimmissionsschutzverordnung). Er müsse daher den Kachelofen bis Ende 2020 stilllegen oder nachrüsten.

Der Hauseigentümer wollte auch für den Fall eines Heizungsdefekts weiterhin gerüstet sein und eine zweite Wärmequelle haben. Er investierte 7.000 Euro und ließ den Kachelofen durch einen neuen ersetzen. Diese Ausgabe sollte allerdings der Kaminkehrer finanzieren. Der Hauseigentümer verlangte 7.000 Euro Schadenersatz, weil ihn der Kaminkehrer falsch beraten habe.

Begründung: Im Katastrophenfall hätte er, der Hauseigentümer, den Ofen auch ohne Nachrüstung nutzen dürfen. Wenn er das gewusst hätte, hätte er seinen Kachelofen als "Schmuckstück" behalten und kein Geld für einen neuen Ofen ausgegeben. Über diese - wenn auch eingeschränkte - Nutzungsmöglichkeit hätte ihn der Kaminkehrer informieren müssen, fand der Hauseigentümer. Doch das Landgericht München I wies seine Zahlungsklage ab (15 O 4553/21).

Die Auskunft des Kaminkehrers, der Kachelofen müsse außer Betrieb genommen oder nachgerüstet werden, sei zutreffend, vollständig und verständlich gewesen. Der Kaminkehrer sei nicht verpflichtet, den Hauseigentümer auf die Möglichkeit des Notbetriebs in einem absoluten Ausnahmefall hinzuweisen. Nach so einer Information hätte der Hauseigentümer schon explizit fragen müssen. Er habe sich aber nicht erkundigt, was "Außerbetriebnahme" bedeute.

Anspruch auf Schadenersatz setze zudem einen Schaden voraus. Dem Hauseigentümer sei aber durch den Abriss des Kachelofens und den Einbau des neuen Kamins kein Schaden entstanden. Denn er besitze jetzt einen neuen, gut funktionierenden Kachelofen. Wenn er die geforderte Auskunft erhalten hätte, hätte er nur zwei Möglichkeiten gehabt: entweder den vorhandenen Kachelofen vorerst — bis zum Katastrophenfall! — nicht mehr zu benützen oder eben nachzurüsten. Auf keinen Fall wäre es ihm gelungen, für weniger Geld als 7.000 Euro einen nach aktuell gültigen Maßstäben uneingeschränkt tauglichen Ofen zu bekommen.

Mit dem Smartphone in Kanada unterwegs

Mobilfunkunternehmen müssen Reisende auf hohe Gebühren im Nicht-EU-Ausland hinweisen

Ein Münchner Verein hatte für seinen Vorstand einen Flatrate-Mobilfunk-Vertrag abgeschlossen. Kostenpunkt: 50,17 Euro pro Monat. Als der Vereinsvorstand nach Kanada reiste, wählte sich das Handy dort ins Netz ein. Am Ende der Reise waren Roamingkosten von 2.464 Euro aufgelaufen. Einen Teil zahlte der Verein. Das Mobilfunkunternehmen erließ ihm per Kulanzgutschrift 400 Euro.

Die restliche Forderung trat es an eine Inkassofirma ab, die den Verein auf Zahlung von 1.961 Euro verklagte. Vor Gericht ging es im Wesentlichen um die Frage, ob der Mobilfunkanbieter den Kunden vor den drohenden hohen Kosten hätte warnen müssen. Auf jeden Fall, fand der Verein. Der Standpunkt des Unternehmens: Informationspflicht bestehe nur gegenüber Verbrauchern, aber nicht in Bezug auf Vereine oder Firmen.

Das Amtsgericht München sah das anders (113 C 23543/20). Der Verein müsse noch 552 Euro begleichen, die restliche Summe könne die Inkassofirma nicht verlangen. Der Kunde könne dem Anspruch des Mobilfunkunternehmens eine berechtigte Forderung nach Schadenersatz entgegenhalten: Denn der Anbieter habe gegen seine Pflicht verstoßen, den Kunden über hohe Kosten im Nicht-EU-Ausland zu informieren. Schließlich werde ein Flatrate-Tarif vereinbart, weil der Kunde auf berechenbare Kosten Wert lege.

Die Informationspflicht des Mobilfunkunternehmens sei in erster Linie aus dessen "überlegener Sachkunde" abzuleiten. Mobilfunkkunden könnten horrende Kosten durch Roaming nicht verhindern, weil sie deren Entstehen gar nicht erst bemerkten. Im Gegensatz dazu habe der Mobilfunkanbieter jederzeit Einblick in Höhe und Ursache der Kosten. Er könne die Kunden auch problemlos durch automatisierte Nachrichten per SMS oder E-Mail darauf hinweisen.

Im konkreten Fall sei der Kunde zwar kein Verbraucher, sondern ein Verein. Diese Tatsache rechtfertige es aber nicht, dass das Mobilfunkunternehmen seine überlegene Sachkunde ausnütze. Bei unternehmerischen Vertragspartnern sei allerdings die Grenze, ab der Informationspflicht bestehe, höher anzusetzen. Denn bei ihnen könne man Erfahrung im Geschäftsverkehr unterstellen, deshalb seien sie weniger schutzbedürftig als "Otto Normalverbraucher". Bei Geschäftskunden besteht nach Ansicht des Amtsgerichts Informationspflicht ab einem Betrag in zehnfacher Höhe des Basistarifs (hier also: 501,70 Euro).