Staatliche und private Dienstleistungen

"Heißer Flirt — bei uns findest du dein passendes Gegenstück"

Eine Dating-Plattform setzte für "Flirt-Chats" Mitarbeiter mit Scheinprofilen ein

Die Dating-Plattform geizte nicht mit vollmundigen Versprechen wie: "Heißer Flirt — bei uns findest du dein passendes Gegenstück". "Du kannst bei Amourny auf einen Blick erkennen, wer gerade online ist und dich sofort via Flirt, chatten auf die Suche nach interessanten Bekanntschaften begeben. … bietet Menschen mit gleichen Interessen die Möglichkeit, sich näher kennen zu lernen."

Dass der "heiße Flirt" — zu bezahlen mit "Flirtchips" — zum Teil mit Mitarbeitern der Plattform stattfand, wurde den Kunden in den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" (AGB) des Plattformbetreibers sogar mitgeteilt:

"100% Flirtchance … Allerdings gibt es immer mal einen Mangel an Frauen bzw. Männern, … so dass keine geeigneten Flirtpartner anwesend sind … setzen wir immer mal wieder Controller ein, welche unter anonymen Scheinaccounts Dialoge führen ... unter mehreren Identitäten am Chat teilnehmen … ohne sich zu erkennen zu geben …".

Der Verbraucherzentrale Bundesverband beanstandete die AGB der Dating-Plattform und kritisierte die Werbung als unlauter: Wenn Mitarbeiter unter fiktiven Nutzer-Profilen aufträten, widerspreche dies dem Zweck der Kunden: Sie wollten mit "echten Menschen" flirten, Freundschaften schließen oder sogar eine Partnerschaft erreichen. Dafür zahlten sie Gebühren. "Controller" mit einer Schein-Identität könne aber niemand kennenlernen …

Das Landgericht Flensburg gab den Verbraucherschützern Recht (8 O 29/22). Die einschlägigen AGB-Klauseln seien unwirksam. Angeblich bahne die Dating-Plattform Gespräche und Flirts an, aus denen sich eine persönliche Bekanntschaft entwickeln könne: mit Menschen mit gleichen Interessen. Diesem Vertragszweck widerspreche es aber, beim Chatten Mitarbeiter mit "Fake-Profilen" einzusetzen. Aus einer professionellen Kommunikation entwickle sich kein persönlicher Kontakt.

Controller würden fürs Flirten bezahlt und die Scheinprofile dienten dazu, ihre wahre Identität zu verschleiern. Die Nutzer der Plattform wüssten nie, ob sie es mit einer anderen Nutzerin/einem anderen Nutzer oder mit Controllern zu tun haben. Die Hinweise darauf in den AGB reichten nicht aus, um die mit großspurigen Versprechen geweckten Erwartungen der Kunden auf persönliche Bekanntschaften zu korrigieren. Die Reklame für "Amourny" sei daher irreführend. (Der Betreiber hat die Plattform mittlerweile abgeschaltet.)

Kostenloses Online-Probeabonnement

Verlängert sich ein Internetabo nach der Testphase automatisch, können es Verbraucher nicht mehr widerrufen

Im konkreten Fall geht es um die Internet-Lernplattform "Sofatutor" für österreichische Schüler. Ihnen wird zunächst ein 30-tägiges, kostenloses Probeabo angeboten. Während der Testphase von 30 Tagen kann es fristlos gekündigt werden. Nach Ablauf dieser Frist wird das Abonnement kostenpflichtig. Läuft der kostenpflichtige Abonnementzeitraum ab, ohne dass das Abonnement gekündigt wurde, verlängert es sich erneut automatisch.

Beim Abschluss des Vertrags über ein Probeabo informiert die Lernplattform über diese Bedingungen. Der österreichische "Verein für Konsumenteninformation" beanstandete die Konditionen als unzulässig: Das Recht, den Vertrag zu widerrufen, stehe den Verbrauchern nicht nur während der Probephase bei "Sofatutor" zu, sondern auch nach der Umwandlung des Probeabos in ein kostenpflichtiges Abonnement.

Von der Lernplattform forderte der Verein, die Vertragskonditionen entsprechend zu ändern. Das österreichische Gericht, das den Streit entscheiden sollte, bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung, wie das Widerrufsrecht der Abonnenten nach der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie zu interpretieren sei.

Der EuGH hatte gegen die Vertragsbedingungen der Lernplattform keine Einwände (C-565/22). Bei einem Abonnementvertrag, der anfangs kostenlos sei und sich ohne Kündigung automatisch kostenpflichtig verlängere, stehe den Verbrauchern aufgrund der Verlängerung kein erneutes Widerrufsrecht zu.

Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn ein Anbieter beim Abschluss des Abonnements die Abonnenten nicht explizit, klar und verständlich darüber informiere, dass das Abo nach der kostenlosen Testphase kostenpflichtig sei. Dann könnten die Abonnenten das Abo auch nach der Verlängerung noch widerrufen. Die Informationen von "Sofatutor" seien in diesem Punkt aber korrekt.

Irreführender Algorithmus

Unzureichende Ergebnisse bei der Deutsche-Bahn-Suchfunktion "Schnellste Verbindung anzeigen"

Auf der Webseite "bahn.de" und in der App "DB Navigator" bot die Deutsche Bahn AG den Kunden eine Suchmaske an, mit der sie die schnellste Verbindung von A nach B finden konnten. Sie mussten dazu Start und Ziel eingeben, sowie die gewünschte Abfahrtszeit oder Ankunftszeit mit Datum. Standardmäßig voreingestellt: "schnellste Verbindung anzeigen". Regelmäßig bekamen Internetnutzer dann drei Verbindungen genannt.

Der Algorithmus hielt sich stur an die eingegebene Abfahrtszeit und zeigte nach der schnellsten Zugverbindung die jeweils zeitlich folgende zweitschnellste bzw. drittschnellste Verbindung. Nicht angezeigt wurden jedoch schnellere Verbindungen, deren Abfahrtszeit kurz vor der eingegebenen Abfahrtszeit lag.

Das führte im Einzelfall zu absurden Resultaten: Dauerte die schnellste Zugfahrt eine Stunde, wurde ein anderer Zug, der eine Minute vorher abfuhr und für die Strecke ebenfalls eine Stunde brauchte, nicht angezeigt. Während ein Zug, der eine Minute nach der eingegebenen Abfahrtszeit abfuhr und zwei Stunden brauchte, als zweitschnellste Verbindung angezeigt wurde.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt nannte die Suchfunktion "schnellste Verbindung anzeigen" deshalb irreführend (6 W 61/23). Das OLG gab der Deutschen Bahn AG auf, den Algorithmus zu ändern (was vom Bahnunternehmen auch bereits umgesetzt wurde). Verbraucher erwarteten bei so einer Suchanfrage eine Antwort darauf, wie sie möglichst schnell von A nach B gelangten.

Genau das leiste die beanstandete Suchfunktion aber nicht. Letztlich komme es nur auf die objektive Gesamtfahrdauer an. In der Ergebnisliste der Suchfunktion würden aber an zweiter und dritter Stelle nicht die nächstschnelleren Verbindungen genannt, sondern nur solche, die zeitlich später starteten.

Segelyachten gestrandet

Fahrrinnen in der Hafeneinfahrt waren mit schwarz-grünem Wimpel fehlerhaft markiert

Die Zufahrt zu einem Hafen in Schleswig-Holstein ist wegen einiger Untiefen mit grünen und roten Tonnen gekennzeichnet. Nur wenn Schiffe und Boote innerhalb der Markierung bleiben, laufen sie nicht auf Grund: Rote Bojen oder Markierungen müssen bei der Einfahrt an Backbord liegen, grüne Bojen oder Markierungen an Steuerbord.

Doch im Jahr 2018 musste eine Tonne gewartet werden. Die Hafenverwaltung ließ sie entfernen und durch eine Fischernetz-Markierung mit schwarz-grünem Wimpel ersetzen. In den folgenden Wochen gerieten zwei Segelyachten in eine Untiefe und strandeten. Einer der Eigentümer verlangte anschließend Schadenersatz.

Zu Recht, entschied das Landgericht Lübeck. Das Urteil wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Schleswig bestätigt: Die Hafenverwaltung hafte für zwei Drittel des Schadens (7 U 177/22). Der Kapitän müsse sich ein Mitverschulden von einem Drittel auf seinen Schadenersatzanspruch anrechnen lassen, so das OLG: Denn er hätte das Fehlen der Tonne erkennen und vor der Einfahrt in die Fahrrinne in die Seekarten schauen müssen.

Grundsätzlich hätten aber beide Havarien deutlich gezeigt, dass der ersatzweise platzierte Wimpel — eine schwarz-grüne Fischernetz-Markierung — komplett ungeeignet sei, um Fahrrinnen zu kennzeichnen. Diese provisorische "Notlösung" stelle kein übliches Seezeichen dar und habe den Schiffsverkehr erheblich gefährdet. Die Wimpel-Markierung sei schon wegen der zwangsläufigen Verwechslungsgefahr kein geeigneter Ersatz für die fehlende Tonne. Auch wenn sie nur vorübergehend eingesetzt worden sei, begründe dieser Fehler eine Amtshaftung für die Folgen.

Kein Steuerabzug für "Essen auf Rädern"

Kurzartikel

Senioren oder kranke Personen, die sich nicht selbst versorgen können und sich deshalb von "Essen auf Rädern" warme Mahlzeiten liefern lassen, können die Kosten für diesen Service nicht von der Steuer absetzen. Verpflegungskosten seien "Teil der üblichen Lebensführung" und keine außergewöhnliche Belastung, so das Finanzgericht Münster: So müssten z.B. auch Berufstätige unterwegs Geld für Mittagessen ausgeben oder Eltern für die Verpflegung ihrer Kinder in Kindergärten aufkommen.

Exklusive Partnervermittlung

Geld zurück, wenn die Partnervorschläge bei der Kundin keinen Gefallen finden?

Rund 7.400 Euro gab eine Münchnerin aus, um mit Hilfe einer "exklusiven Partneragentur" (so die Eigenwerbung) ihr Liebesglück zu finden. Mit einer Vermittlerin besprach sie ihre berufliche und private Situation. Dann füllte die Frau das Formular "So stelle ich mir meinen Partner vor" aus. Doch von 31 Partnervorschlägen entsprach kein Mann ihrem "Anforderungsprofil".

So blieb die Suche letztlich erfolglos und die Kundin verlangte ihr Geld zurück. Ihr Vorwurf: Anders als vertraglich vereinbart, habe ihr die Agentur keine adäquaten Partner vorgeschlagen. Die Kandidaten hätten nun wirklich keinen besonderen Eindruck gemacht — dabei betone die Agentur doch in der Werbung besonders ihre Exklusivität und verspreche "abgestimmte und handverlesene Partnersuche".

Das Landgericht München I schloss eine Rückabwicklung des Vermittlungsvertrags aus (29 O 11980/22). Darauf habe die Frau keinen Anspruch, so das Landgericht, denn ein grobes Missverhältnis zwischen der Leistung der Agentur und der Höhe des geforderten Betrags sei nicht zu erkennen. Laut Vertrag schulde die Partneragentur der Kundin keine erfolgreiche Vermittlung, sondern "brauchbare Vorschläge", die in etwa ihren Angaben zum Wunschpartner entsprechen. Diese Angaben seien so weit wie möglich berücksichtigt worden (groß, schlank, sportlich ...).

Die Partnervorschläge seien keineswegs als "durchweg unbrauchbar" einzustufen. Die Kundin habe der Agentur u.a. vorgehalten, ihren Wunsch nach einem Partner aus München ignoriert zu haben. Die Agenturmitarbeiterin habe ihr dazu aber mitgeteilt, dass dies die Partnersuche so erschweren würde, dass man sie nicht in die Datenbank aufnehmen könnte.

Dass nur Partner aus München und näherer Umgebung in Frage kämen, sei also nie vereinbart worden, schlussfolgerte das Landgericht. Der Vorwurf der Kundin, dass die Partneragentur die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht bzw. schlecht erfüllt habe, sei nicht gerechtfertigt. (Die Kundin hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.)

Vater soll Unterhaltsvorschuss für Kinder zurückzahlen

Facebook-Beziehungsstatus beweist nicht, dass Eltern "nicht dauerhaft getrennt leben"

2018 hatte sich ein Ehepaar getrennt, die beiden minderjährigen Kinder des Paares leben beim Vater. Der Teilzeit-Jobber beantragte 2019 für die Kinder beim Jugendamt Unterhaltsvorschuss: Von seinem bisschen Geld könne die Familie nicht leben. Und anders als vereinbart könne die Mutter keinen Barunterhalt zahlen. Sein Antrag wurde zunächst bewilligt. Nach einigen Monaten hob das örtliche Jugendamt die positiven Bescheide jedoch wieder auf und forderte das Geld zurück.

Begründung der Behörde: Entgegen seinen Angaben lebe der Vater offenkundig doch nicht "dauerhaft getrennt" von der Kindesmutter. Denn sein Facebook-Profil enthalte den Eintrag, er befinde sich mit ihr "in einer Beziehung". Laut Unterhaltsvorschussgesetz stehe aber Unterhaltsvorschuss nur Alleinerziehenden zu: Er solle Kindern zugutekommen, bei denen ein Elternteil Alltag und Erziehung alleine bewältigen müsse.

Zunächst legte der Vater gegen den Behördenbescheid erfolglos Widerspruch ein. Mit seiner Klage setzte er sich beim Verwaltungsgericht (VG) Meiningen jedoch durch. Das VG erklärte die Rückzahlungsforderung für rechtswidrig: Dem Vater stehe für beide Kinder Unterhaltsvorschuss zu (8 K 805/21 ME). Die Mutter der Kinder habe als Zeugin glaubwürdig geschildert, dass keine "Lebensgemeinschaft" mehr bestehe und keiner der Ex-Partner sie wiederherstellen wolle.

Ein Facebook-Eintrag sei nicht geeignet, das Gegenteil zu beweisen. Grundsätzlich dürfe das Jugendamt zwar schon auf Informationen in sozialen Medien zurückgreifen. Allein aus dem Facebook-Beziehungsstatus könne man aber nicht ableiten, dass die Ex-Partner wieder zusammenlebten. Hier komme es nur auf die tatsächlichen Umstände an. Im konkreten Fall sei bei den Eltern nicht der Wille erkennbar, die familiäre Gemeinschaft wieder aufzunehmen.

Kein Mobilfunknetz in der Wohnung

Der Mobilfunkanbieter muss den Kunden für zehn Monate Netzausfall entschädigen

Ein Mobilfunkkunde konnte in seiner Wohnung nicht mehr telefonieren. Nach ein paar Wochen meldete er dem Unternehmen die Störung: Da sei wohl ein Mobilfunkmast ausgefallen. Neun Monate später funktionierte das Netz immer noch nicht. Nun reichte es dem Kunden: Seit zehn Monaten zahle er für nichts! Der Kunde zog vor Gericht und verlangte finanziellen Ausgleich.

Der Mobilfunkanbieter sah das überhaupt nicht ein: Der Sendemast vor Ort sei gar nicht ausgefallen, sondern nur ausgelastet gewesen, weil andere Basisstationen gestört waren. Und im Übrigen hätte der Kunde ja über WLAN telefonieren können. Mit dieser Argumentation kam das Unternehmen jedoch beim Landgericht Göttingen nicht durch: Es muss dem Kunden 2.800 Euro Entschädigung zahlen (4 O 78/23).

Wenn nach einer Kundenbeschwerde eine Störung nicht innerhalb von zwei Tagen beseitigt werde, könnten Verbraucher laut Telekommunikationsgesetz Entschädigung verlangen: ab dem Folgetag für jeden Tag des vollständigen Ausfalls der vereinbarten Dienstleistungen. Eine Störung liegt nach Ansicht des Landgerichts auch vor, wenn nicht der Sendemast am Wohnort des Kunden ausfällt, sondern andere Basisstationen.

Um eine Störung anzunehmen, sei kein Mindestradius für einen Ausfall des Funkdienstes erforderlich. Letztlich sei der für den Kunden "zuständige" Sendemast nicht funktionsfähig gewesen — nur darauf komme es an. Der Mobilfunkanbieter könne Kunden erst recht nicht auf die Möglichkeit verweisen, ersatzweise mit per WLAN zu telefonieren: Angesichts der Mängel bei der WLAN-Versorgung sei das WLAN kein gleichwertiger Ersatz für das Telefonieren mit Mobilfunk.

Beamtin Mitglied einer fragwürdigen Sekte?

Anfrage eines Landtagsabgeordneten steht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit

Ein CSU-Abgeordneter richtete an die Bayerische Staatsregierung eine Anfrage zur Sektenproblematik. Unter anderem ging es um das Gerücht, eine leitende Beamtin der Stadt B. sei Angehörige der Sekte Guru Thakar Singh und an Kindesmisshandlungen beteiligt gewesen. Die Beamtin wollte dem Abgeordneten die Verbreitung solcher Behauptungen verbieten lassen.

Das lehnte das Oberlandesgericht Nürnberg jedoch ab (5 U 98/94). Der Abgeordnete habe seine Anfrage auf einen Fernsehbericht gestützt, der zeige, wie Sektenmitglieder Kinder beim Meditieren durch leichte Schläge am Einschlafen hinderten. Dies sei als eine Form von Misshandlung einzustufen.

Da die Beamtin tatsächlich für die dubiose Sekte tätig gewesen sei, sei die Anfrage des Abgeordneten von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Mittlerweile habe sich die Beamtin zwar von den Praktiken der Sekte distanziert. Das ändere aber nichts an ihrer Tätigkeit in der Vergangenheit, auf die sich die Anfrage bezogen habe.

Beamtin mit Corona infiziert

Gericht verneint trotz ihrer Arbeit in einem schlecht gelüfteten, kleinen Büro einen Dienstunfall

Eine Beamtin erkrankte im März 2020 an Covid. Davon erholte sie sich nicht mehr, Ärzte diagnostizierten Long-Covid. Im August 2022 wurde die Frau in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Vom Dienstherrn verlangte sie Leistungen der Unfallfürsorge: Ihre Krankheit sei als Dienstunfall anzuerkennen, weil sie sich bei der Arbeit angesteckt habe.

Im Gebäude des Landkreises habe sie sich ein winziges und obendrein schlecht belüftetes Büro mit zwei Kolleginnen geteilt, die sich ebenfalls mit dem Corona-Virus infiziert hätten. Auf dem Weg ins Büro habe sie zudem täglich durch einen Flur des Ausländeramts gehen müssen, der ständig mit wartenden Antragstellern überfüllt sei: Auch hier habe sie nie den richtigen Abstand zu anderen Personen einhalten können.

Das Verwaltungsgericht Neustadt verneinte einen Dienstunfall: Dass sich die Beamtin im Kreishaus infiziert habe, stehe nicht mit Sicherheit fest (1 K 486/22). Die Covid-Infektion gehöre zwar zu den Krankheiten, die unter Umständen als Dienstunfall eingestuft werden könnten. Das setze allerdings voraus, dass ein Beamter aufgrund der Art des Dienstes dem Ansteckungsrisiko in besonderer Weise ausgesetzt war. Bei der Corona-Pandemie treffe dies in erster Linie auf Personal in Kliniken und Arztpraxen zu.

Doch ein kleines Büro ohne Publikumsverkehr sei trotz schlechter Lüftung kein besonders gefährlicher Dienstort. Hier seien die Beamten dem Corona-Virus nicht in einem besonders hohen Maß ausgesetzt, sondern genauso wie an anderen Orten auch - zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo es auch gelegentlich eng werde. Das Ansteckungsrisiko sei für die Beamtin nicht höher gewesen als für andere Berufstätige.

Das gelte auch für den Flur des Ausländeramts, wo die Frau häufig am Publikum habe vorbeilaufen müssen: Auch der Flur sei kein außergewöhnlich gefährlicher Dienstort. Anders als bei längeren Unterhaltungen mit direkt gegenüberstehenden Personen sei beim bloßen Vorbeigehen an Personen das Ansteckungsrisiko gering. Ob in diesem Flur überhaupt jemand infiziert war, wisse ohnehin niemand.

Polizeihund beißt Kind

Lässt der Hundeführer das Tier fahrlässig frei laufen, muss er persönlich für die Folgen einstehen

Ein Polizeibeamter war mit seinem Diensthund am Strand spazieren gegangen und hatte ihn dort von der Leine gelassen. Ohne besonderen Anlass fiel der Hund ein spielendes Kind an, biss es in den Kopf und in die Beine. Das Kind wurde sofort ärztlich behandelt, erlitt zum Glück keine dauerhaften Verletzungen bzw. Narben.

Das Land Schleswig-Holstein, Dienstherr des Polizeihundeführers, zahlte an die Mutter 2.000 Euro Schmerzensgeld. Diese Summe hatte die Frau im Namen des Kindes gefordert. Anschließend verlangte das Bundesland den Betrag vom Polizeibeamten: Er hafte persönlich für den Vorfall, weil er seine Pflichten als Hundeführer grob verletzt habe.

Das sah der Beamte anders: Er ließ es auf einen Rechtsstreit mit dem Dienstherrn ankommen. Das Landgericht Lübeck besichtigte den fraglichen Strandabschnitt, befragte die Mutter des Kindes und gab schließlich dem Bundesland Recht (15 O 81/22). Der Polizeibeamte habe grob fahrlässig gehandelt.

In der Freizeit dürfe der Hundeführer das Tier nicht frei laufen lassen. Das gelte jedenfalls dann, wenn unbeteiligte Dritte in der Nähe seien. Als der Beamte den Hund von der Leine ließ, seien Mutter und Kind nicht weit von ihm entfernt gewesen — er habe sie gar nicht übersehen können. Der Strandabschnitt sei sehr gut zu überblicken und kurz vor der Hundeattacke habe das Kind auf einem kleinen Steindeich balanciert.

Hunde müssten immer so geführt werden, dass von ihnen keinerlei Gefahr ausgehe. Dieses Gebot gelte selbstverständlich auch für Polizeihunde. Wenn ein Polizeihundeführer grob fahrlässig gegen diesen Grundsatz verstoße, müsse er persönlich für die Folgen geradestehen. (Der Beamte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Energieversorger gab Kundendaten weiter

Die "anlasslose Übermittlung von Daten" an Auskunfteien ist unzulässig

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) beanstandete die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Stromanbieters Eprimo, genauer: die Datenschutzhinweise des Energieversorgers. Demnach war das Unternehmen berechtigt, bei der Schufa oder anderen Auskunfteien Bonitätsauskünfte über potenzielle Kunden einzuholen. Zudem räumte sich Eprimo das Recht ein, auch selbst Kundendaten an Auskunfteien zu übermitteln, z.B. über das Ende einer Geschäftsbeziehung.

Letzteres verstoße gegen die Datenschutz-Grundverordnung, kritisierten die Verbraucherschützer und forderten, diese AGB-Klausel nicht mehr zu verwenden. Der Energieversorger behalte es sich nicht nur vor, Daten von Kunden weiterzugeben, die sich vertragswidrig verhielten. Vielmehr sei die einschlägige AGB-Klausel so allgemein formuliert, dass Eprimo personenbezogene Daten auch ohne einen derartigen Anlass übermitteln dürfe.

Der vzbv könne als Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen auch gegen Datenschutzverstöße vorgehen, betonte das Landgericht Frankfurt (2-24 O 156/21). Datenschutz und Verbraucherschutz hingen sachlich zusammen. Laut Datenschutz-Grundverordnung dürften Daten nur aus einem anerkannten Grund verarbeitet und weitergegeben werden.

So ein Grund liege vor, wenn Energieversorger bei Auskunfteien die Verletzung vertraglicher Pflichten meldeten, z.B. verzögerte Zahlungen von Kunden. Solche Informationen seien wichtig, um Bonität und Zahlungsmoral von Kunden zu bewerten. Daten dürften auch übermittelt werden, wenn dies für die Vertragsabwicklung notwendig sei oder um berechtigte Interessen des Stromanbieters zu wahren.

Kundendaten ohne so einen Anlass an Schufa und Kollegen weiterzugeben, sei dagegen unzulässig. Die strittige AGB-Klausel sei unwirksam, weil sie so weit gefasst sei, dass man von einer grundlosen "Vorratsdatensammlung" sprechen könne. Eprimo dürfte so den Auskunfteien auch Informationen wie den Stromverbrauch und Vertragslaufzeiten melden. Das könne sogar für vertragstreue Kunden negative Folgen haben. Wer öfter den Anbieter wechsle, werde dadurch geringere Chancen auf einen neuen Vertragsabschluss haben.

Polizei stellt Motorrad sicher

Zur Abwehr von Gefahren durch illegale Rennen ist so eine Maßnahme rechtmäßig

Zwei Polizeibeamte fuhren in Ludwigshafen zu einem Einsatz, als zwei entgegenkommende Motorradfahrer mit röhrenden Motoren "vorbeischossen". Die Polizisten hörten das schnelle Hochschalten der Gänge und vermuteten sofort ein illegales Straßenrennen. Sie wendeten deshalb ihren Wagen und verfolgten die Motorradfahrer.

An einer Ampel blieben die Motorradfahrer schließlich stehen — einer flüchtete. Bei der Verkehrskontrolle stellte sich heraus, dass der andere Fahrer schon mehrmals bei verbotenen Straßenrennen erwischt worden war. Sein Motorrad war für Rennen konstruiert und mit 998 ccm Hubraum in der Lage, bis zu 285 km/h schnell zu fahren.

Um weitere Rennen und damit Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer zu vermeiden, stellten die Polizeibeamten das Motorrad sicher. Gegen den Möchtegern-Rennfahrer wurde wegen des Rennens Strafbefehl erlassen. Und auch sein Motorrad bekommt er so schnell nicht wieder: Das Verwaltungsgericht Neustadt wies seine Klage auf Freigabe ab (5 K 692/22.NW).

Die Polizisten hätten bei der Datenabfrage erfahren, dass der Motorradfahrer ein Wiederholungstäter sei. Zu Recht hätten die Beamten daher angenommen, dass sich die zwei rasenden Motorradfahrer ein Rennen geliefert hätten und der kontrollierte Fahrer wohl jederzeit wieder an so einem Rennen teilnehmen würde. Von illegalen Straßenrennen gehe erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer aus.

Hinter diesen besonders wichtigen Rechtsgütern müsse das Recht des Motorradbesitzers an seinem Eigentum zurückstehen. Das Motorrad herauszugeben komme auch deshalb nicht in Frage, weil sich der Mann absolut uneinsichtig zeige. Vor Gericht habe er darauf beharrt, dass ihm kein Fehlverhalten und keine Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern nachzuweisen sei. Anhaltspunkte für ein Umdenken seien also nicht zu erkennen.

Streit über die Gasabrechnung

Kurzartikel

Bei einem Streit mit Kunden über den Umfang des Gasverbrauchs muss das Energieversorgungsunternehmen die Richtigkeit seiner Abrechnung beweisen. Hat eine staatlich anerkannte Prüfstelle festgestellt, dass ein geeichter, technisch einwandfrei funktionierender Zähler installiert war und ordnungsgemäß abgelesen wurde, ist aber davon auszugehen, dass die berechnete Gasmenge tatsächlich verbraucht wurde. Ungewöhnlich hohe Verbrauchswerte allein können die Annahme nicht erschüttern, dass ein geprüfter und geeichter Zähler den Verbrauch zuverlässig misst.

Auf der Suche nach Schwarzhörern

Wer eine Antennensteckdose in der Wohnung hat, muss Auskunft geben, ob er Radio hört

Rundfunkgebühren zu zahlen, ist für Rundfunkhörer und Fernsehzuschauer Pflicht. Personen, die keine Gebühren zahlen, müssen sich gegenüber der Landesrundfunkanstalt rechtfertigen, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen", dass sie ein Radio oder einen Fernseher besitzen. Ein Wohnungseigentümer klagte gegen diesen Auskunftsanspruch der Rundfunkanstalt.

Die Klage verschaffte dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Gelegenheit, näher zu beleuchten, welche Anhaltspunkte vorliegen müssen, um Nachforschungen bei Betroffenen einzuleiten (10 S 489/94). Es sei statistisch belegt, dass fast alle Haushalte in der Bundesrepublik über Empfangsgeräte verfügten, aber nur 90 Prozent Gebühren zahlten.

Allein mit dieser Tatsache ließen sich Nachfragen bei den übrigen 10 Prozent der Haushalte allerdings nicht rechtfertigen. Hinzukommen müssten vielmehr Anhaltspunkte, die sich auf die jeweils in Anspruch genommene Person bezögen. Ein Anhaltspunkt seien z.B. Bild- oder Tonsignale aus der betreffenden Wohnung. Die Lebenserfahrung spreche auch dafür, dass Personen, deren Wohnung über Antennensteckdosen verfüge, auch entsprechende Empfangsgeräte besäßen.

Im vorliegenden Fall müsse der Wohnungseigentümer daher der Rundfunkanstalt die verlangte Auskunft erteilen.

Frist versäumt, KfW-Förderung verloren

Energie-Effizienz-Experte haftet nicht für entgangene KfW-Zuschüsse zur Gebäudesanierung

Der Eigentümer eines denkmalgeschützten Hauses wollte es energetisch sanieren und dafür Fördermittel der staatlichen KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) beantragen. Er beauftragte einen Architekten, der mit der KfW zusammenarbeitete: Er sollte ihn bei der Sanierung als Energie-Effizienz-Experte begleiten. Der Experte empfahl für das Gebäude geeignete Sanierungsmaßnahmen und erklärte dem Bauherrn, welche KfW-Zuschüsse in Frage kämen.

Auf Basis der Berechnungen des Architekten beantragte der Hauseigentümer die Zuschüsse, die ihm die KfW schriftlich zusagte. In einem Bescheid stand der Hinweis, er müsse innerhalb einer bestimmten Frist belegen, dass die geplanten Maßnahmen ausgeführt wurden. Nach Abschluss der Bauarbeiten ließ der Bauherr, wie gefordert, auch den hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage durchführen. Den Nachweis für diese Maßnahme erhielt er jedoch erst nach Ablauf der von der KfW gesetzten Frist.

Damit verfielen die Zuschüsse, der Hauseigentümer erhielt von der KfW keine Förderung. Vom Architekten verlangte er Schadenersatz, weil er ihn unzureichend beraten habe. Diesem Vorwurf widersprach jedoch das Landgericht Bielefeld (7 O 325/21).

KfW-Energie-Effizienz-Experten übernähmen grundsätzlich keine Garantie dafür, dass die angestrebten Fördermittel ausgezahlt würden, stellte das Landgericht klar. Sie schuldeten dem Bauherrn keinen bestimmten Erfolg, sondern fachliche Beratung zur technischen Seite der Sanierung.

Der Energie-Effizienz-Experte gebe Tipps zu den Sanierungsmaßnahmen und wie weit sie technisch "förderfähig" seien. Er bestätige den Antrag des Bauherrn. Einerseits sei der Energie-Effizienz-Experte also technischer Berater des Bauherrn, andererseits übe er eine Kontrollfunktion für die KfW aus. Für die Antragstellung und das Genehmigungsverfahren bei der KfW sei der Bauherr selbst zuständig. Insbesondere sei der Experte nicht verpflichtet, die Fristen zu kontrollieren.

Der Architekt sei völlig korrekt vorgegangen. Er habe den Bauherrn über alle Bedingungen für die Zuschüsse informiert und auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, einen hydraulischen Abgleich durchführen zu lassen. Weitere Pflichten müsse der Energie-Effizienz-Experte in diesem Zusammenhang nicht erfüllen. Für den Verlust der Fördermittel hafte er daher nicht. Anders läge der Fall nur, wenn der Bauherr mit dem Experten eigens vertraglich vereinbart hätte, seinen Aufgabenkreis um die Fristenkontrolle zu erweitern.

Unwirksame Klausel im Mobilfunkvertrag

Verbraucher können das Endgerät frei wählen, mit dem sie das Internet nutzen

Ein Verbraucherschutzverband beanstandete eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Mobilfunkanbieters. Demnach sollten sich die Kunden nur mit Endgeräten ins Internet einklinken, die eine "mobile Nutzung unabhängig von einem permanenten, kabelgebundenen Stromanschluss" ermöglichten. Kunden sollten also mit Smartphones, Tablets etc. im Netz surfen, aber nicht mit stationären LTE-Routern.

Das Telekommunikationsunternehmen dürfe diese Klausel in seinen Mobilfunkverträgen künftig nicht mehr verwenden, forderten die Verbraucherschützer. Sie widerspreche EU-Recht: Verbraucher hätten das Recht, den Internetzugang mit Endgeräten ihrer Wahl zu benützen. Der Verband gewann den Streit mit dem Mobilfunkanbieter in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (III ZR 88/22).

Mobilfunkanbieter könnten die Wahlfreiheit der Verbraucher bei den Endgeräten nicht per AGB-Klausel wirksam einschränken, urteilten die Bundesrichter. Wenn sich Geräte technisch dafür eigneten, über das Mobilfunknetz eine Internetverbindung herzustellen, dürften sie nicht von der Nutzung des Internetzugangs ausgeschlossen werden. Ob dem Internetzugangsdienst ein Mobilfunkvertrag, ein Festnetzvertrag oder ein anderer Vertragstyp zugrunde liege, spiele dabei keine Rolle.

Landung mit dem Tandem-Fallschirm missglückt

Anbieterin der Tandem-Sprünge schuldet dem verletzten Passagier Schmerzensgeld

Im Sommer 2018 hatte sich ein Mann den Traum vom Fliegen erfüllt und einen Tandem-Fallschirmsprung gebucht. Mit einem erfahrenen Fallschirmspringer war er vom Flugzeug des Unternehmens abgesprungen. Doch der Sprung endete wetterbedingt mit einem heftigen Aufprall bei der Landung, bei dem sich der Kunde schwer verletzte.

Gebrochene Wirbel machten eine umfangreiche Operation notwendig. Zurück blieben Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule, Schmerzen und Lähmungserscheinungen im linken Bein. Von der Anbieterin der Tandem-Sprünge forderte der Kunde Schmerzensgeld. Zu Recht, entschied das Landgericht Köln und sprach dem Mann 20.000 Euro zu, obwohl der Anbieterin und ihrem Personal kein Verschulden vorzuwerfen war (3 O 176/19).

Hier gehe es um einen Luftbeförderungsvertrag, so das Landgericht. Denn der Schwerpunkt der vertraglich vereinbarten Leistung bestehe im Transport mit dem Flugzeug bis zu einer Höhe, die für einen Fallschirmsprung ausreiche. Werde ein Fluggast durch einen Unfall an Bord oder beim Ein- oder Aussteigen verletzt, hafte das Flugunternehmen — unabhängig von eigenem Verschulden — gemäß Luftverkehrsgesetz für die Unfallfolgen.

Ein Luftbeförderungsvertrag ende üblicherweise dann, wenn sich der Fluggast wieder auf dem Boden befinde und "wieder auf eigenen Füßen stehe". Auch bei einem Tandempassagier sei das so: Er sei nicht mit einem Kursteilnehmer zu vergleichen, der Fallschirmspringen erlernen wolle und sich darauf gründlich vorbereite. Tandempassagiere seien Kunden ohne jede Erfahrung, die nach einer kurzen Einweisung mitfliegen und den Ablauf des Sprungs in keiner Weise beeinflussen könnten.

Langzeitarbeitsloser soll Grundsicherung zurückzahlen

Jobcenter fordert wegen einer vor Jahren abgebrochenen Ausbildung einen hohen Betrag: unverhältnismäßig!

Vor einigen Jahren hatte ein (damals) 20-Jähriger seinen Ausbildungsplatz verloren, weil er wiederholt unentschuldigt fehlte. Danach hatte sich der Mann arbeitslos gemeldet. Wegen des Ausbildungsabbruchs erhielt er vorübergehend 30 Prozent weniger Grundsicherung. Insgesamt bezog der Mann fast vier Jahre lang Grundsicherungsleistungen, bis plötzlich das Jobcenter rund 51.000 Euro zurückforderte.

Begründung: Durch sein sozialwidriges Verhalten habe der Langzeitarbeitslose seinerzeit die Hilfebedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt. Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Elektroniker hätte er auf dem Arbeitsmarkt sehr gute Chancen gehabt. Gegen die Rückforderung setzte sich der Mann zur Wehr: Dass er immer noch arbeitslos sei, habe mit seinem Verhalten als Auszubildender nichts mehr zu tun.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab ihm Recht (L 11 AS 346/22). Dass der Mann die Kündigung des Ausbildungsvertrags durch den Betrieb mit seinem Verhalten schon fast provoziert habe, sei durchaus als sozialwidrig einzustufen. Mittlerweile seien aber mehrere Jahre vergangen. Das damalige Verhalten sei nicht mehr ursächlich dafür, dass der Mann immer noch Grundsicherung benötige. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass er mit einem regulären Berufsabschluss durchgängig gearbeitet hätte, gebe es auch nicht.

Vor allem sei es unverhältnismäßig, Jahre nach einer "typischen Jugendsünde" einen derart hohen Betrag zurückzuverlangen: Müsste der Arbeitslose diese Summe abstottern, würde dies erst recht jede Erwerbsperspektive für ihn zerstören. Bei jungen Menschen sei es ein weit verbreitetes Phänomen, dass sie die Berufsausbildung vernachlässigten oder abbrechen. Für Außenstehende sei das leichter als unklug und irrational zu erkennen. Doch die Betroffenen seien in der Regel erst später so einsichtig.

Strompreiserhöhung angekündigt

"Vorher — nachher": Energieversorger muss Preisbestandteile einander gegenüberstellen

Ein Energieversorgungsunternehmen hatte im Frühjahr 2018 Sonderverträge für Strom und Gas angeboten und die Kunden per E-Mail darüber informiert, dass es ab Mai 2018 die Strompreise erhöhen werde. Die Nachricht enthielt weder eine Gegenüberstellung des vor und nach der Erhöhung gültigen Preises, noch wurden einzelne Kostenfaktoren aufgeschlüsselt. Aus diesem Grund mahnte ein Verbraucherschutzverein das Unternehmen ab.

Als der Energieversorger darauf nicht reagierte, zogen die Verbraucherschützer vor Gericht und verlangten mehr Transparenz bei der Kundeninformation. Während das Landgericht Köln eine detaillierte Gegenüberstellung der Preisbestandteile für überflüssig hielt, gab das Oberlandesgericht (OLG) Köln dem Verein Recht: Eine so knapp gehaltene Information über eine Preisanpassung sei intransparent, Verbrauchern fehle so jede Grundlage für einen Marktvergleich.

Erfolglos legte das Energieversorgungsunternehmen Revision ein: Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des OLG (VIII ZR 199/20). Das Unternehmen habe den Kunden per E-Mail Verbrauchsabrechnungen geschickt und dabei — sozusagen im Anhang — kurz eine Preiserhöhung angekündigt. Diese Information sei in der Tat unzulänglich.

Energieversorger müssten Kunden über beabsichtigte Preisänderungen umfassend unterrichten und zwar unabhängig davon, ob die Verbraucher in der Grundversorgung seien oder nicht. Energielieferanten müssten die einzelnen (nach ihren Geschäftsbedingungen im Strompreis enthaltenen) Preisbestandteile vor und nach der Anpassung aufschlüsseln und einander gegenüberstellen.

Wenn Kunden, so wie hier, nur über Umfang und Anlass der Änderung informiert würden, könnten sie nicht erkennen, auf welchen Kostenfaktoren die Preiserhöhung im Einzelnen beruhe. Unter diesen Umständen könnten die Verbraucher die Angebote verschiedener Versorger nicht richtig vergleichen und auch nicht prüfen, ob es sinnvoll sei, von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen.