Der Beamte B unternahm mit 16 anderen Freunden des Rennradsports eine Fahrradtour. Auf einem Streckenabschnitt, bei dem es leicht bergab ging, trat er neben einem Bekannten locker in die Pedale. Radfahrer H überholte die beiden und berührte dabei das Rad des Bekannten — der in der Folge mit dem Lenker von B zusammenstieß. Alle drei Sportler stürzten, B flog gegen einen Baum und verletzte sich erheblich.
Das Bundesland Hessen, Dienstherr des Beamten, verlangte von Radfahrer H Schadenersatz für die Behandlungskosten und für Dienstbezüge, die es B während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit gezahlt hatte. Radfahrer H pochte darauf, dass ihm kein grober Regelverstoß vorzuwerfen sei: So eine Kollision könne bei einer Trainingsfahrt im Pulk immer passieren. Jeder Teilnehmer nehme das Risiko freiwillig auf sich.
Bei ernsthaftem Training im Pulk treffe das Argument zu, erklärte das Oberlandesgericht Frankfurt (1 U 31/19). Wenn viele Rennradfahrer schnell im Windschatten fahren, mit geringem Abstand hintereinander und nebeneinander, sei das grundsätzlich riskant.
Ereigne sich dabei ein Unfall, hafte — wie bei allen gefährlichen Sportarten — der Verursacher dafür nur, wenn er diesen durch eine erhebliche Regelverletzung verursacht habe. Grundsätzlich gehe man bei solchen Sportarten davon aus, dass sich alle Teilnehmer bewusst einem Risiko aussetzten.
Bei dem Unfall von Herrn B habe sich aber nicht das für eine "Fahrt im Pulk" typische Risiko realisiert. Die Gruppe sei zum Unfallzeitpunkt eher gemütlich und in großen Abständen gefahren. Das sei eine ruhige Phase der Tour gewesen, bei der alle Radfahrer mit Ausnahme von H entspannt den Berg herunterrollten. Unter diesen Umständen gelte kein genereller Haftungsausschluss.
H habe beim Überholen keinen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten können, weil zwischen den beiden Radfahrern und dem linken Wegesrand nicht genug Platz gewesen sei. An so engen Stellen dürften Radfahrer nicht überholen. Mit Schlenkern der Fahrräder sei immer zu rechnen, sei es nun das eigene oder das Rad des Überholten. Bei jedem Schlenker könnten sich die Räder berühren, darauf habe es H einfach ankommen lassen. Da er den Unfall durch fahrlässiges Verhalten herbeigeführt habe, hafte er für die Unfallfolgen.