Soziale Sicherung

Arztbesuch während der Arbeitszeit

Auf dem Rückweg vom Arzt zum Betrieb sind Arbeitnehmer nicht gesetzlich unfallversichert

Ein Arbeitnehmer suchte während der Arbeitszeit seinen Orthopäden auf. Nach dem ca. einstündigen Arztbesuch fuhr er zum Betrieb zurück. Auf dem Rückweg wurde der Mann bei einem Verkehrsunfall erheblich verletzt. Bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall — Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung — beantragte der Arbeitnehmer Leistungen.

Doch die Berufsgenossenschaft erklärte sich für unzuständig und zahlte nicht: Sein Verkehrsunfall sei kein Arbeitsunfall gewesen. Der Weg zum Arzt und zurück sei keine unfallversicherte berufliche Tätigkeit, sondern eine private Angelegenheit. Das Sozialgericht Dortmund gab der Berufsgenossenschaft Recht und wies die Klage des Verletzten auf Leistungen ab (S 36 U 131/17).

Mit dem Besuch beim Orthopäden habe der Mann keine arbeitsvertragliche Pflicht erfüllt — er sei nicht im betrieblichen Interesse unterwegs gewesen. Ein Arztbesuch verfolge den Zweck, die Gesundheit zu erhalten oder wieder herzustellen. Deshalb sei er dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen. Dass Mediziner mit der Gesundheit des Arbeitnehmers auch dessen Arbeitskraft sicherten oder wieder herstellten — und damit nebenbei auch betrieblichen Belangen dienten — ändere daran nichts.

Tod eines deutschen Firmenvertreters in Spanien

Gesetzliche Unfallversicherung zahlt nur bei "befristeter Entsendung ins Ausland"

Eine deutsche Firma schickte einen Mitarbeiter nach Spanien. Bis zur Gründung einer spanischen Tochterfirma sollte er dort das Unternehmen vertreten. Auf dem Weg von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz verunglückte er in Spanien tödlich. Die Hinterbliebenen verlangten Leistungen von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland.

Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts fehlte es dafür jedoch an der entscheidenden Voraussetzung (2 RU 37/93): Der Auslandsaufenthalt des Beschäftigten sei nicht befristet gewesen. Wann der Firmenvertreter nach Deutschland zurückkehren sollte, sei offen gewesen. Allein die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis zur Firma in der Heimat noch bestand, genüge nicht, um Ansprüche auf Leistungen von der deutschen Sozialversicherung zu begründen.

Taschengeld von der Oma

Kurzartikel

Ein 24-Jähriger, der durch selbständige Tätigkeit ein geringes Einkommen erzielte, beantragte beim Jobcenter aufstockende Grundsicherungsleistungen. Das Jobcenter darf bei der Berechnung der Leistungen die 50 Euro Taschengeld, die der junge Mann monatlich von seiner Oma bekommt, nicht als Einnahme berücksichtigen. Zum einen, weil der geringe Betrag (1/8 des Regelbedarfs) kaum ins Gewicht fällt. Zum anderen, weil der Antragsteller nach dem Willen der Oma mit dem Taschengeld Bewerbungskosten finanzieren sollte. Den Betrag auf die Grundsicherung anzurechnen, würde daher seine Bemühungen beeinträchtigen, "auf eigene Füße zu kommen".

Hartz-IV-Empfänger mit Schweizer Bankkonto!

Wer arglistig Vermögen verschweigt, muss die Sozialleistungen ans Jobcenter zurückzahlen

Rund 175.000 Euro muss ein Ehepaar zurückzahlen, das fast zehn Jahre lang zu Unrecht Grundsicherungsleistungen bezogen hatte. Beim Jobcenter hatten die Antragsteller 2005 angegeben, kein verwertbares Vermögen zu besitzen. Der Schwindel flog auf, als das Bundesland Rheinland-Pfalz 2014 eine CD mit Kontodaten deutscher Staatsbürger bei der Schweizer Bank "Credit Suisse" erwarb.

Bei der Überprüfung stellte sich heraus, dass der Ehemann bei der "Credit Suisse" ein Konto mit einem Guthaben von ca. 147.000 Euro unterhielt. Daraufhin forderte das Jobcenter die gezahlten Leistungen zurück: Die Hilfeempfänger seien keineswegs hilfebedürftig. Vergeblich klagte das Ehepaar dagegen und behauptete, dass es sich nicht um sein Vermögen handle.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bestätigte den Anspruch der Sozialbehörde auf Rückzahlung (L 13 AS 77/15). Das Ehepaar habe verwertbares Vermögen auf dem Schweizer Konto arglistig verschwiegen. Die Hartz-IV-Empfänger hätten auf das Girokonto Bargeld eingezahlt, ein Auto finanziert, den Hauskredit getilgt. Gleichzeitig hätten sie beim Jobcenter mit Kontoauszügen den Eindruck der völligen Überschuldung erweckt.

So hätten sie einen Kontoauszug mit einem Saldo von Minus 33.000 Euro vorgelegt. Gleich danach hätten die Eheleute diesen Fehlbetrag ausgeglichen— durch verschwiegene Wertpapierverkäufe von 88.000 Euro. Bei der Sozialbehörde habe das Paar mit ständigen aggressiven Beschwerden und Beleidigungen planvoll versucht, sich genauerer Überprüfung zu entziehen.

Der Ehemann könne sich nicht darauf berufen, dass er bereits in einem Strafverfahren wegen querulatorischen Wahns für schuldunfähig erachtet worden sei. Das hindere ihn nämlich nicht daran, beim Jobcenter die Wahrheit zu sagen. Zumal er immer dann, wenn es ihm opportun erscheine, auch in der Lage sei, seine Anliegen sachlich und höflich zu vertreten.

Risikosport Eishockey

"Krefeld Pinguine" müssen bei der gesetzlichen Unfallversicherung Risikozuschlag zahlen

Anders als bei den übrigen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung zahlen bei der gesetzlichen Unfallversicherung die Arbeitgeber allein die Beiträge. Wie hoch der Beitrag ist, den ein Arbeitgeber an die zuständige Berufsgenossenschaft — Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung — zahlen muss, richtet sich nach der Gehaltssumme im Unternehmen und nach dem Unfallrisiko im Unternehmen ("Gefahrenklasse").

Der Profi-Eishockeyverein "Krefeld Pinguine" ist als Arbeitgeber seiner Spieler ebenfalls Mitglied bei einer Berufsgenossenschaft. Für das Jahr 2012 verlangte diese vom Verein über den Beitrag hinaus einen Risikozuschlag von mehr als 15.000 Euro.

Diese Forderung hielten die "Pinguine" für rechtswidrig: Als Grund für den Zuschlag habe die Berufsgenossenschaft nur einen einzigen Versicherungsfall nennen können. Dazu komme, dass ein Eishockeyverein Versicherungsfälle und damit Risikozuschläge gar nicht vermeiden könne. Es gebe keine Möglichkeit, "vorbeugend gegenzusteuern" und Fouls gegnerischer Spieler zu verhindern.

Das Sozialgericht Düsseldorf entschied den Streit zu Gunsten der Berufsgenossenschaft (S 6 U 460/14). Sie dürfe Arbeitgebern Nachlässe auf den Beitrag bewilligen, in deren Betrieb "nichts passiert" sei, oder nach Versicherungsfällen Zuschläge erheben. Diese Entscheidung könne sie auch auf Basis von nur einem Unfall jährlich treffen, der in den Verantwortungsbereich des Unternehmens falle.

In der Tat hätten Profi-Sportvereine beim Eishockey keine Chance, das Unfallrisiko einzugrenzen oder vorbeugend tätig zu werden, räumte das Sozialgericht ein. Das mache den Zuschlag aber nicht rechtswidrig. Da, wo das Risiko hoch sei, dürften Berufsgenossenschaften Zuschläge kassieren, um insgesamt im Interesse aller versicherten Mitglieder ein ausgewogenes Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben zu erreichen.

Arbeitsunfall auf der Bowlingbahn

Kurzartikel

Rutscht ein Angestellter während eines Bowling-Turniers, das vom Partnerunternehmen seines Arbeitgebers bei einem Betriebstreffen veranstaltet wird, auf der Bowlingbahn aus und verletzt sich beim Sturz an der Schulter, kann das einen Arbeitsunfall darstellen. Versicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung besteht jedenfalls dann, wenn sich der Verletzte auf Anordnung des Arbeitgebers am Turnier beteiligt hat. Dann stand der betriebliche Zweck im Vordergrund und nicht das Vergnügen am Sport: An betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen teilzunehmen, zählt zu den Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag.

Betriebliche Hinterbliebenenversorgung

"Altersabstandsklausel" eines Arbeitgebers ist zulässig: Keine Witwenrente für eine wesentlich jüngere Frau

Der 1950 geborene Angestellte hatte 1995 eine um 28 Jahre jüngere Frau geheiratet. Nach der "Versorgungsordnung" seines Arbeitgebers stand den Arbeitnehmern eine betriebliche Altersrente zu, den Angehörigen Hinterbliebenenversorgung. Allerdings mit einer Einschränkung: Anspruch auf Leistungen hatten Ehepartner nur, wenn sie höchstens 15 Jahre jünger waren als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer.

Als der Angestellte 2011 starb, verklagte die Witwe den Arbeitgeber auf Zahlung von Witwenrente: Die "Altersabstandsklausel" in der "Versorgungsordnung" des Unternehmens verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Regelung benachteilige sie nämlich aufgrund ihres Alters, das sei diskriminierend und rechtswidrig.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) teilte diese Bedenken nicht und wies die Klage der Witwe ab (3 AZR 43/17). Zwar sei es richtig, dass die Klausel eine genau definierte Gruppe von Ehepartnern wegen ihres Alters benachteilige, räumte das BAG ein. Das sei aber zulässig, weil sachlich gerechtfertigt: Verspreche ein Arbeitgeber den Mitarbeitern eine Hinterbliebenenversorgung, habe er ein legitimes Interesse daran, das damit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen.

Betroffen vom Leistungsausschluss seien nur Ehepartner, die sehr viel jünger seien. Ein Altersabstand von 15 Jahren übersteige den üblichen Abstand bei weitem. Die Regelung sei angemessen, da sie die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer nicht übermäßig beeinträchtige. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren sei die Lebensplanung der Ehepartner ohnehin darauf ausgerichtet, dass der jüngere Partner einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringe. Zumindest müssten die Partner damit rechnen.

Beim Grillabend verunglückt

Stürzt eine Angestellte während einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, handelt es sich um einen Arbeitsunfall

Eine Industriekauffrau nahm an einem Workshop in einem Hotel teil. Den Workshop veranstaltete ihr Arbeitgeber, um das Betriebsklima und die Zusammenarbeit der Abteilungen zu verbessern. Zum Konzept gehörte auch ein geselliges Beisammensein am Abend, bei dem gegrillt wurde. Gegen Mitternacht ging die beschwipste Angestellte etwas zu beschwingt zur Toilette. Sie knickte auf dem Weg um und brach sich das linke Sprunggelenk.

Ihr Antrag auf Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung wurde von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall abgewiesen: Hier habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. An einem Grillabend teilzunehmen, stelle keine versicherte Tätigkeit dar. Gegen den ablehnenden Bescheid klagte die verletzte Arbeitnehmerin und bekam vom Sozialgericht Dortmund Recht (S 18 U 211/15).

Die Industriekauffrau habe sich zwar nicht bei der Arbeit verletzt, so das Sozialgericht, aber während einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung des Arbeitgebers. Die Teilnahme am Workshop (Grillabend inklusive) sei für Mitarbeiter verbindlich gewesen und habe betrieblichen Zwecken gedient. Daher habe während der Veranstaltung Unfallversicherungsschutz bestanden.

Dass möglicherweise um Mitternacht keine Anwesenheitspflicht mehr galt, ändere daran nichts: Zum Unfallzeitpunkt hatten die Vorgesetzten der Arbeitnehmerin den Grillabend noch nicht offiziell für beendet erklärt. Dass die Frau Alkohol getrunken habe, wie bei einem Grillabend üblich, widerlege die Annahme eines Arbeitsunfalls ebenfalls nicht. Sie sei durchaus noch in der Lage gewesen, sich - dem Zweck der Veranstaltung entsprechend - am geselligen Beisammensein angemessen zu beteiligen.

Tinnitus durch Kindergeschrei?

Kurzartikel

Die gesetzliche Unfallversicherung ist nicht verpflichtet, die Tinnitus-Therapie einer Erzieherin zu finanzieren, die ihre Ohrgeräusche darauf zurückführt, dass ihr ein Kind am Arbeitsplatz "Kinderheim" ins Ohr geschrien hat. Das könne schon deshalb keinen Arbeitsunfall darstellen, so das Sozialgericht, weil nach dem Wissensstand der Medizin auch sehr laute menschliche Schreie keinen Schallpegel erreichten, der einen Tinnitus oder andere dauerhafte Hörschäden auslösen könne.

Umzug zum Lebensgefährten

Arbeitslosengeld: Jobcenter verhängt Sperrzeit gegen eine Frau, die für den Umzug den Job aufgab

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen macht sich dafür stark, die Benachteiligung unverheirateter Paare beim Arbeitslosengeld zu beenden. Worum geht es? Wenn ein Arbeitnehmer freiwillig ohne "wichtigen Grund" seinen Job aufgibt, erhält er/sie zwölf Wochen lang kein Arbeitslosengeld ("Sperrzeit").

Ehepaare waren da bis jetzt privilegiert: Ein Umzug zum Ehepartner galt als "wichtiger Grund" für eine Kündigung — Familienzusammenführung! Ein Umzug zum Lebensgefährten dagegen nicht. Sollte das Bundessozialgericht das Urteil des LSG bestätigen, wird sich das ändern.

Im konkreten Fall war eine 1955 geborene Verkäuferin aus Schleswig-Holstein zu ihrem Lebensgefährten gezogen, der ca. 175 km entfernt in Niedersachsen wohnt. 2011 hatte sich das Paar kennen gelernt. Zwei Jahre lang besuchte die Frau ihren Freund oft und suchte gleichzeitig an seinem Wohnort Arbeit, allerdings ohne Erfolg.

Der Lebensgefährte arbeitete für ein Seniorenheim als Hausmeister und Gärtner. Für ihn kam ein Umzug nicht in Frage: Angesichts seiner gesundheitlichen Probleme anderswo eine vergleichbare Stelle zu finden, war aussichtslos. 2013 musste sich der damals 60 Jahre alte Mann einigen Operationen unterziehen. Die Freundin kümmerte sich intensiv um ihn, dann wurde ihr die ständige Fahrerei zu viel.

Sie kündigte ihren Halbtagsjob und zog nach Niedersachsen. Beim örtlichen Jobcenter beantragte die Frau Arbeitslosengeld. Doch der Sachbearbeiter verhängte erst einmal zwölf Wochen Sperrzeit: Dass sie mit ihrem Freund zusammen ziehen wolle, rechtfertige keine Kündigung, erklärte er im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung.

Doch das LSG Niedersachsen-Bremen gab der arbeitslosen Frau Recht (L 7 AL 36/16). Sie habe es nicht auf den Bezug von Arbeitslosengeld abgesehen, wie die Vielzahl ihrer Bewerbungen belege. Vielmehr habe die Verkäuferin ihr Arbeitsverhältnis beendet, um eine gefestigte, auf Dauer angelegte Partnerschaft am Wohnort des Partners fortzusetzen. Dass das Paar vorher noch keine gemeinsame Wohnung hatte, ändere nichts daran, dass es sich hier um eine eheähnliche Beziehung handle.

In Fällen wie diesen die Arbeitsaufgabe mit Sperrzeit zu bestrafen, sei zweifelhaft und nicht mehr zeitgemäß. Viele Gründe könnten — unabhängig vom Trauschein — für einen Umzug zum Partner sprechen (die finanzielle Situation, eine Schwangerschaft, der Wohnungsmarkt). Die Sperrzeit sei kein Instrument, um "gesellschaftspolitische, religiöse oder moralische Vorstellungen" durchzusetzen. Sie solle nur den Missbrauch der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung verhindern. (Das LSG ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles die Revision zum Bundessozialgericht zu.)

Schlafkrankheit durch Grippeimpfung

Junge Frau erhält als Entschädigung für einen Impfschaden Versorgungsrente

2009 wurde weltweit vor den Folgen der Schweinegrippe gewarnt und die Bevölkerung aufgefordert, sich impfen zu lassen. Deshalb ließen auch Eltern aus Rheinland-Pfalz ihre damals zwölf Jahre alte Tochter gegen Grippe impfen. Wenige Monate später litt das Mädchen unter anhaltender Müdigkeit.

Zudem traten weitere Symptome auf, die allerdings erst Jahre später als Anzeichen der Schlafkrankheit (Narkolepsie) erkannt wurden. Die Narkolepsie kann zwar mit Medikamenten behandelt werden, gilt aber letztlich als unheilbar. Die Patienten sind tagsüber schläfrig und verlieren mitunter plötzlich ihre Muskelspannung.

Als diese Diagnose feststand, beantragte die junge Frau beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Mainz Versorgungsleistungen. Nach § 60 Infektionsschutzgesetz steht Personen eine Entschädigung zu, die durch eine Schutzimpfung einen Gesundheitsschaden erleiden - das gilt jedenfalls dann, wenn die Impfung von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich ausgeführt wurde.

Die Behörde lehnte den Antrag ab, doch die Klage der Impfgeschädigten gegen diesen Bescheid hatte beim Sozialgericht Koblenz Erfolg (4 VJ 4/15). Das Sozialgericht sprach ihr eine Versorgungsrente von 326 Euro im Monat zu, weil es die Krankheit als Impfschaden einstufte, gestützt auf das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen.

Außerdem seien europaweit bereits zahlreiche Fälle dokumentiert, die einen Zusammenhang zwischen der Schweinegrippeimpfung und der Schlafkrankheit bestätigten und zu Ansprüchen auf Entschädigung führten, so das Sozialgericht. (Das Landesamt bestreitet diesen Zusammenhang und hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Erntehelferin nicht sozialversichert

Inhaber eines Biohofs spart trickreich Sozialversicherungsbeiträge einer Obstpflückerin

Auf dem Biohof werden Erdbeeren und andere Obstsorten angebaut. Eines Tages unterzog die Rentenversicherung den landwirtschaftlichen Betrieb einer Betriebsprüfung. Bei den Personalunterlagen der Erntehelfer entdeckte der Prüfer Folgendes: Um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, hatte der Betriebsinhaber eine Erntehelferin abwechselnd geringfügig beschäftigt (Pflanzen und Pflegen von Beerensträuchern) und kurzfristig beschäftigt (zum Pflücken der Beeren).

Für eine geringfügige Beschäftigung (so genannte Minijobs mit höchstens 450 Euro Entgelt) müssen Arbeitgeber nur eine kleine Pauschale an die Sozialversicherung zahlen. Für eine kurzfristige Beschäftigung (= begrenzt auf drei Monate oder 70 Arbeitstage) fallen gar keine Beiträge an. Deshalb spaltete der Arbeitgeber die Arbeit der Erntehelferin in zwei "Jobs" auf.

So gehe das nicht, erklärte der Betriebsprüfer dem Inhaber des Biohofs: Das Pflanzen und Pflegen der Beerensträucher und das Pflücken von Beeren seien verschiedene Tätigkeiten, die seien aber keineswegs unabhängig voneinander. Die Arbeit der Erntehelferin sei als einheitliches Beschäftigungsverhältnis im Obstanbau anzusehen. Dafür müsse der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge abführen. Wenn man Arbeitszeiten und Entgelt zusammenzähle, handle es sich nicht mehr um eine geringfügige oder um eine kurzfristige Beschäftigung.

Die Rentenversicherung forderte für die Erntehelferin über 5.000 Euro Beiträge nach. Gegen diesen Bescheid klagte der Hofinhaber, scheiterte jedoch beim Sozialgericht Heilbronn (S 1 R 219/17). Die Erntehelferin sei beim Biohof sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen, so das Gericht, weil ihr Entgelt insgesamt die Obergrenze für eine geringfügige Beschäftigung überschritt.

Die Pflege von Beerenpflanzen und die Beerenernte: Diese einfachen Tätigkeiten im Obstanbau hängen notwendig zusammen. Sie könnten nicht in mehrere Beschäftigungsverhältnisse aufgeteilt werden, sondern seien als "einheitliche Beschäftigung in der landwirtschaftlichen Produktion von Beeren" zu werten. Diese Produktion beginne mit dem Anpflanzen und ende mit dem Beerenpflücken. Daher fordere die Rentenversicherung zu Recht eine Nachzahlung der Beiträge.

Unfall mit der Motorsäge

Wer aus Gefälligkeit für Verwandte Brennholz sägt, ist nicht gesetzlich unfallversichert

Eine Angestellte im öffentlichen Dienst fuhr von Baden-Württemberg nach Hessen zu Tante und Onkel, um den betagten Verwandten beim Sägen von Brennholz für den Kachelofen zu helfen. Sie bediente eigenhändig eine motorbetriebene Wippsäge. Dabei geriet die Frau mit der rechten Hand ins Sägeblatt und brach sich einige Finger. Sehr lange litt sie unter Beschwerden.

Bei der Berufsgenossenschaft beantragte die Verletzte erfolglos Leistungen für eine Rehabilitationsmaßnahme: Hier habe es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt, erklärte die Berufsgenossenschaft, die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung: Die 42-Jährige habe sich bei einer Gefälligkeit für Verwandte verletzt. Dafür sei die gesetzliche Unfallversicherung nicht zuständig.

Das wollte die Angestellte nicht wahrhaben und klagte gegen den ablehnenden Bescheid: Für Tante und Onkel sei sie "wie eine Beschäftigte tätig gewesen". Zudem sei sie doch für diese anstrengende und gefährliche Arbeit extra zum Wohnort der Verwandten nach Hessen gefahren und habe sich einen ganzen Tag Zeit genommen. Das Sozialgericht Heilbronn gab der Berufsgenossenschaft Recht und wies die Klage ab (S 8 U 1443/17).

In Ausnahmefällen könne zwar auch ohne festes Beschäftigungsverhältnis Unfallversicherungsschutz bestehen, wenn jemand so ähnlich wie ein Beschäftigter arbeite. Eine so genannte "Wie-Beschäftigung" setze aber eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert voraus, die nicht auf einer Sonderbeziehung beruhe — wie eben Familienbande, Freundschaften, Hilfe unter Vereinsmitgliedern — und die normalerweise ihrer Art nach von abhängig Beschäftigten ausgeführt werde.

Das treffe hier nicht zu: Beim Sägen von Brennholz habe die Angestellte nicht so ähnlich "wie eine Beschäftigte gearbeitet": Sie habe dem alten Ehepaar regelmäßig geholfen, nicht nur beim Zerkleinern vom Holz. Der Grund dafür sei allein ihr gutes Verhältnis zur einzigen Tante, so das Sozialgericht. Das Holz sei nicht aus gewerblichen Gründen, zum Verkauf gesägt worden, sondern für den privaten Gebrauch. Die Arbeit an der Wippsäge sei auch nicht so gefährlich, dass nur Experten sie bedienen könnten.

Bahn-Mitarbeiterin zu Unrecht verdächtigt

Ungerechtfertigte Leibesvisitation mit psychischen Folgen kann einen Arbeitsunfall darstellen

Frau M arbeitete am Service-Point des Fernbahnhofs am Frankfurter Flughafen. Die Bahnsteig-Aufsicht übergab ihr einen gefundenen Rucksack. Den Inhalt der Fundsache dokumentierte die Bahn-Mitarbeiterin zusammen mit einem Kollegen. Später stellten Beamte der Bundespolizei fest, dass Geld, Schmuck und eine Festplatte aus dem Rucksack fehlten. Sie nahmen die 44-Jährige auf das Polizeirevier mit. Dort musste sie sich komplett ausziehen und wurde einer Leibesvisitation unterzogen.

Diese ungerechtfertigte Maßnahme schockte Frau M derart, dass sie psychisch erkrankte. Bei der Berufsgenossenschaft beantragte sie Leistungen für eine Therapie. Doch die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte ab: Die Probleme der Angestellten seien nicht die Folge eines Arbeitsunfalls. Auch wenn die polizeiliche Kontrolle während ihrer Arbeitszeit stattfand, handle es sich dabei um eine "private Angelegenheit".

Mit dieser Auskunft fand sich Frau M nicht ab und klagte gegen den ablehnenden Bescheid der Berufsgenossenschaft. Das Landessozialgericht Hessen gab ihr Recht (L 3 U 70/14). Auslöser der ungerechtfertigten Leibesvisitation sei allein die berufliche Tätigkeit gewesen, bei der der Bahn-Mitarbeiterin keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Es habe keinen privaten Anlass für die polizeiliche Maßnahme gegeben.

Die peinliche Leibesvisitation bei der Polizei habe bei der Frau zu einem Gefühl des "Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit und Ohnmacht" geführt, das eine gesundheitliche Schädigung nach sich zog. Daher sei hier ein Arbeitsunfall zu bejahen. So ein Vorfall sei anders zu beurteilen als etwa der Fall eines alkoholisierten Arbeitnehmers, der auf dem Heimweg von der Arbeit bei einer Verkehrskontrolle versuche, sich der Blutentnahme zu entziehen.

Würde der betrunkene Arbeitnehmer dabei verletzt, bestände kein Versicherungsschutz: Denn der Auslöser des Gesundheitsschadens wäre nicht die berufliche Tätigkeit, sondern der Alkoholkonsum und sein Widerstand gegen die Kontrolle. Das würde den Unfallversicherungsschutz auf dem Heimweg unterbrechen. Sei aber ein Arbeitnehmer, so wie hier Frau M, allein infolge der beruflichen Tätigkeit polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt und erleide dadurch einen Gesundheitsschaden, müsse die gesetzliche Unfallversicherung einspringen. Das sei keine Privatangelegenheit.

Lebensgefährtin beantragt Witwenrente

Ohne Trauschein gibt es keine Leistung von der Rentenversicherung des Partners

Nach dem Tod ihres Partners beantragte die Lebensgefährtin Witwenrente. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte lehnte den Rentenantrag ab, weil der Versicherte nicht mit ihr verheiratet war. Das Bundessozialgericht bestätigte einmal mehr diese Rechtsauffassung: Ohne Trauschein kein Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente (4 RA 18/93).

Zwar lägen die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch vor, da der Verstorbene Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen habe. Das Gesetz knüpfe aber den Anspruch auf Witwenrente an das Bestehen einer gültigen Ehe beim Tod des Versicherten. Nach dem Grundgesetz stehe die Ehe unter besonderem staatlichen Schutz. Damit sei nicht gesagt, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften keine Akzeptanz fänden. Lebensgefährten könnten jedoch nicht alle Vorteile beanspruchen, die Eheleuten wegen des besonderen Schutzes für die Ehe zuständen, ohne die mit der Ehe verbundenen Rechtspflichten zu übernehmen.

Schlägerei auf dem Arbeits-Heimweg

Das Opfer wurde von einem Kollegen zusammengeschlagen: Arbeitsunfall?

Nach dem Einsatz auf einer Baustelle fuhren mehrere Arbeiter mit dem Firmentransporter zurück zum Firmensitz und Wohnort. Alle Kollegen waren von der Arbeit verschwitzt. Sie fingen an zu streiten, ob sie wegen der "schlechten Luft" die Fenster öffnen oder besser Zugluft und Erkältungsgefahr meiden sollten. Harsche Worte fielen, das Fenster wurde mehrmals geöffnet und wieder geschlossen.

Als Kollege A, der am Steuer saß, den Kollegen B vor seiner Wohnung absetzte, eskalierte die Situation. A stieg ebenfalls aus und wurde von B angegriffen. Als Kollege A zu Boden ging, trat ihn B mit dem Fuß gegen den Kopf — aus Gründen des Arbeitsschutzes trug er Schuhe mit Stahlkappen. Fahrer A erlitt eine Schädelprellung, Blutergüsse und Hautabschürfungen an Armen und Beinen.

B wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Berufsgenossenschaft legte den Streithähnen zwar ihren "Fragebogen Streit" vor. Sie lehnte es dann aber ab, den Vorfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Begründung: Der Streit sei nicht aus betrieblichen Gründen eskaliert, sondern wegen kultureller und persönlicher Differenzen. Schließlich stamme B aus der Türkei, A aus dem Kosovo.

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg fand jedoch, die Körperverletzung sei nicht — oder jedenfalls nicht in erster Linie — auf einen privaten Konflikt der Kollegen zurückzuführen (L 1 U 1277/17). Die Bauarbeiter seien auf dem direkten Heimweg von der Arbeit zunächst über betriebliche Vorgänge in Streit geraten, dann über die "müffelnde" Arbeitskleidung. A habe — bei der versicherten Tätigkeit als Fahrer des Firmenwagens — das Fenster öffnen wollen, B habe sich darüber geärgert.

Als er ausstieg, habe er zwei Türen aufgerissen — damit A "frische Luft bekäme". Um die Türen zu schließen und den Heimweg fortzusetzen, sei Fahrer A ausgestiegen. B habe versucht, ihn am Schließen der Türen zu hindern, was schließlich in eine Schlägerei ausartete. In der Straftat des B habe der Streit über Themen mit konkretem Bezug zur Arbeit "nachgewirkt". Die Berufsgenossenschaft müsse daher als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung die Behandlungskosten übernehmen, entschied das LSG.

Arbeitsunfall auf dem Heimweg?

Jeder noch so kleine Umweg kann Arbeitnehmer den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung kosten

Gesetzlich unfallversichert sind Arbeitnehmer nicht nur während der Arbeit, sondern auch auf dem direkten Weg von ihrem Zuhause zum Arbeitsplatz und vom Arbeitsplatz nach Hause, also bei einem so genannten "Wegeunfall".

"Direkter Weg" ist wörtlich zu verstehen: Schon ein kleiner Umweg aus privaten Gründen — z.B. Proviant besorgen beim Bäcker — kostet den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Da sind die Sozialgerichte pingelig, wie ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts Landshut wieder einmal zeigt (S 13 U 243/16).

Im Frühjahr 2016 kam ein Arbeitnehmer von seiner Spätschicht nach Hause und stellte sein Auto im Carport ab. Es regnete. Weil er im Dunkeln seine Katze zu sehen glaubte, nahm der Mann nicht den gepflasterten Weg zur Haustür, sondern suchte erst im Garten nach dem Tier. Auf dem nassen Rasen rutschte er aus und verletzte sich beim Sturz an der Schulter. Die Berufsgenossenschaft weigerte sich, den Sturz als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Zu Recht, entschied das Sozialgericht Landshut. Als der Arbeitnehmer die Rasenfläche betrat, habe er den versicherten Arbeitsweg verlassen. Dabei habe er nicht mehr das Ziel im Auge gehabt, von der Arbeit nach Hause zu kommen. Vielmehr habe er sich nun um seine Katze kümmern wollen. Das sei ein privates Motiv und habe nichts mit der versicherten Tätigkeit zu tun. Versicherungsschutz bestehe nur, solange sich der Versicherte an den "schnellsten, sichersten oder kostengünstigsten" Arbeitsweg halte.

Bedarfsgemeinschaft ohne Trauschein

Partner sind verheiratet, aber nicht miteinander: Jobcenter darf sie als Bedarfsgemeinschaft behandeln

Das Paar hatte sich 2008 über eine Internetplattform kennengelernt, als beide noch mit anderen Partnern verheiratet waren. Aus dem Internet-Flirt wurde eine Beziehung, schließlich trennten sich die beiden von ihren Ehepartnern. Im Frühjahr 2012 mietete das Paar zusammen eine Wohnung und beantragte beim Jobcenter aufstockende Grundsicherungsleistungen.

Das Jobcenter behandelte das Paar als Bedarfsgemeinschaft. Das bedeutet: Das Einkommen eines erwerbstätigen Partners wird bei den Leistungen für den einkommenslosen Partner angerechnet. Und die Leistungen sind etwas geringer als Leistungen für Alleinstehende.

Dagegen wehrte sich das Paar mit einem originellen Einwand: Als Bedarfsgemeinschaft könnten nur Partner gelten, die grundsätzlich heiraten könnten. Das sei für sie aber unmöglich, denn die Doppelehe sei in Deutschland verboten.

Damit kamen die Antragsteller beim Sozialgericht Düsseldorf nicht durch (S 12 AS 32/14). Die Partner führten einen gemeinsamen Haushalt, so das Sozialgericht, und sie seien auch willens, füreinander einzustehen. Das genüge, um ein Paar als Bedarfsgemeinschaft anzusehen. Außerdem bestehe bei Lebensgefährten durchaus die Möglichkeit einer Heirat — das Verbot der Doppelehe ändere daran nichts.

Beide Partner lebten von ihren Ehepartnern getrennt, die Ehen seien zerrüttet. Wenn jemand "auf dem Papier" noch verheiratet sei, schließe das eine Partnerschaft und Bedarfsgemeinschaft mit einer weiteren Person nicht aus. Im konkreten Fall hing es nur von der Entscheidung des Paares ab, ob sie als Lebensgefährten zusammen wohnen oder sich scheiden lassen wollten. Später hätten sich die Partner dann ja auch für eine Scheidung entschieden.

Türkeireise wegen Borreliose

Ist eine Behandlung in Deutschland möglich, muss die Krankenkasse keine Auslandsbehandlung finanzieren

Ein Mann türkischer Herkunft war vor Jahren von einer Zecke gebissen worden. Nicht alle, aber viele Zecken übertragen Bakterien, die die Infektionskrankheit Borreliose auslösen. Dieses Zecken-Opfer erwischte es. Im Dezember 2014 reiste der 40 Jahre alte Patient in die Türkei und ließ dort die schmerzhafte Borreliose behandeln.

Nach der Reise reichte er bei seiner Krankenkasse einige Arztrechnungen ein, insgesamt 860 Euro. Die Krankenversicherung lehnte es jedoch ab, die Kosten zu erstatten. Diese Behandlung wäre auch im Inland möglich gewesen, teilte sie mit. Zudem hätte er vor der Reise Kostenübernahme für eine Auslandsbehandlung beantragen müssen.

Mit dieser Niederlage fand sich der Versicherte nicht ab und zog vors Sozialgericht. Seine Forderung begründete er so: Die deutschen Ärzte, die er konsultiert habe, hätten gegen seine Schmerzen nichts ausgerichtet und ihm eine psychiatrische Behandlung empfohlen. Erst durch die Behandlung in der Türkei sei er jetzt halbwegs wieder hergestellt und schmerzfrei. Die Kosten seien relativ gering und für die Reisekosten habe er sowieso keine Erstattung verlangt.

Doch auch beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen konnte sich der Versicherte nicht durchsetzen (L 16 KR 284/17). Die Kosten medizinischer Behandlungen im Ausland würden generell nur übernommen, wenn entweder ein Notfall vorliege oder wenn es um Behandlungen gehe, die in Deutschland nicht angeboten werden. Beides treffe hier nicht zu. Eine Borreliose sei in Deutschland sehr gut zu behandeln. Der Patient sei hierzulande auch keineswegs "erfolglos austherapiert", wie er behaupte.

Bisher habe er nämlich nur Ärzte in unmittelbarer Nähe seines Wohnorts aufgesucht und keinerlei Fachärzte konsultiert. Dass er subjektiv das Gefühl habe, die — nicht näher beschriebene — Behandlung in der Türkei habe ihm gut getan, begründe keinen Anspruch auf Kostenübernahme. Hätte er vor der Reise einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt, hätte die Krankenkasse diese zwar nicht bewilligt. Sie hätte ihm aber auf jeden Fall gute Tipps geben können, welche Spezialisten im Inland in der Lage wären, ihm zu helfen.

"Hilfebedürftige" Hauseigentümerin?

Arbeitslose Frau muss ihr Haus verkaufen: 205 qm sind für zwei Personen unangemessen

Nach über einem Jahr ohne Job beantragte die Eigentümerin eines Wohnhauses Arbeitslosengeld II. Das Jobcenter gewährte die Hartz-IV-Leistungen nur als Darlehen, nicht als Zuschuss. Begründung: Die Antragstellerin besitze ein Haus mit 205 qm Wohnfläche. Sie habe also Vermögen und sei nicht hilfebedürftig.

Das Sozialgericht Detmold gab dem Jobcenter Recht und wies die Klage der Frau auf Hartz-IV-Leistungen als Zuschuss ab (S 18 AS 924/14). Ein selbstgenutztes Haus zähle zwar zum so genannten Schonvermögen, das Hilfeempfänger behalten dürften, so das Sozialgericht. Aber nur, wenn die Größe des Hauses "angemessen" sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei bei einem 4-Personen-Haushalt ein Wohnhaus mit 130 qm Wohnfläche als angemessen einzustufen. Dieser Grenzwert sinke, wenn weniger als vier Personen in einem Wohnhaus lebten. Die Antragstellerin bewohne ihr Haus zusammen mit ihrer Tochter. Und das bedeute: Die Wohnfläche des Hauses von 205 qm übersteige die Wohnfläche, die als angemessen anzusehen wäre, um mehr als das Doppelte.

Demnach sei die arbeitslose Frau nicht hilfebedürftig. Der Verkehrswert des Hauses sei deutlich höher als der Vermögensfreibetrag, der ihr zustehe. Also müsse sie das Haus verkaufen und den Erlös für den Lebensunterhalt verwenden. Unzumutbar wäre das nur, wenn der auf dem Markt zu erzielende Wert dem wirklichen Wert des Gebäudes nicht entspräche, also ein Verkauf offensichtlich unwirtschaftlich wäre.

Dafür gebe es hier jedoch keine Anhaltspunkte. Laut dem Gutachten eines Immobiliensachverständigen könne die Eigentümerin das Haus innerhalb von zwölf Monaten zum Verkehrswert verkaufen. Um diesen Zeitraum zu überbrücken, bekomme sie vorübergehend Leistungen auf Darlehensbasis.