Sonstiges

Motorhaube springt während der Fahrt auf!

Der Kfz-Halter war vorher mit dem Auto beim TÜV: Bundesland haftet für Totalschaden

Der Kfz-Halter hatte beim TÜV die Hauptuntersuchung (HU) durchführen lassen und war anschließend mit dem Renault Clio nach Hause gekommen. Dann übernahm seine Frau den Wagen und fuhr mit einer Begleiterin auf die Oldenburger Stadtautobahn. Dort sprang in voller Fahrt plötzlich die Motorhaube hoch — die Autofahrerin sah nichts mehr. Sie schaffte es trotzdem, den Wagen auf den Seitenstreifen zu lenken und anzuhalten. Die Frauen kamen mit dem Schrecken davon.

Allerdings verursachte der Aufprall der Haube am Renault Clio Totalschaden. Der Kfz-Halter verklagte das Bundesland Niedersachsen — Dienstherr des TÜV-Prüfers — auf Schadenersatz. Vor Gericht sagte der Prüfer aus, er prüfe nach der Kontrolle des Motors regelmäßig, ob die Motorhaube richtig eingerastet sei. Das Landgericht hielt sein Verschulden nicht für belegt und wies die Klage ab. Mit Erfolg legte der Autobesitzer gegen das Urteil Berufung ein.

Laut Sachverständigengutachten stehe fest, dass die Motorhaube nicht korrekt verriegelt gewesen sei, erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg (6 U 31/22). Der Schließmechanismus sei entfettet und total trocken gewesen, habe der Experte festgestellt: Deshalb sei das Schloss nicht richtig eingerastet. Offenkundig habe also der Prüfer nicht sichergestellt, dass die Motorhaube korrekt arretiert war, so das OLG: Eine andere Schadensursache komme nicht in Betracht. Daher müsse das Bundesland für den Schaden einstehen.

Dass der Kfz-Halter oder seine Frau nach der TÜV-Untersuchung die Motorhaube nochmals geöffnet und danach nicht richtig verschlossen hätten, könne man ausschließen. Direkt nach der HU beim TÜV hätten sie das Schloss auch nicht kontrollieren müssen: Wer sein Auto bei einer Prüfstelle untersuchen lasse, dürfe sich darauf verlassen, dass dort die Motorhaube wieder richtig arretiert werde. Mitverschulden müsse sich der Kfz-Halter daher nicht anrechnen lassen.

Anwohnerklage gegen Geflügelzuchtbetrieb

Hauseigentümerin muss sich mit den rundherum üblichen Gerüchen abfinden

In einem Umkreis von zwei Kilometern rund um das Wohnhaus im Außenbereich befinden sich zahlreiche gewerbliche Tiermastbetriebe, überwiegend für Geflügel. In rund 150 Metern Entfernung liegt ein Grundstück mit zwei Ställen für 13.000 Masthähnchen, die allerdings ab 2012 nicht mehr genutzt wurden. 2014 erlaubte der Landkreis dem Eigentümer dieses Grundstücks, die Ställe an einen Züchter von Junghennen zu verpachten.

Weil sie Gestank befürchtete, klagte Frau X, Eigentümerin des Wohnhauses, gegen die Baugenehmigung: In der Umgebung sei aufgrund des Strukturwandels die Landwirtschaft rückläufig, argumentierte sie, Stallgeruch also nicht mehr "ortstypisch". Noch dazu sei da eine gewerbliche Tierhaltungsanlage geplant, die ihr Grundstück intensiver beeinträchtigen würde als ein Bauernhof. Dies sei für Anwohner unzumutbar, zumal die Ställe mit veralteter Lüftungstechnik ausgerüstet seien.

Welche Geruchsimmissionen man als unzumutbar oder als akzeptabel bewerte, hänge von den Bedingungen im Einzelfall ab, erklärte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (1 LB 20/19). Im ländlichen Außenbereich seien Tiergerüche "ortsüblich": Was anderswo nicht mehr akzeptabel wäre, präge hier die Umgebung. Wohnen genieße hier von vornherein weniger Schutz. Das gelte unabhängig davon, ob die Gerüche von einer landwirtschaftlichen oder von einer gewerblichen Tierhaltungsanlage stammten.

Das Grundstück der Anwohnerin liege zwischen mehreren großen Zuchtbetrieben und sei damit bereits erheblich vorbelastet. Anders als Frau X behaupte, sei die Umgebung nach wie vor von Intensivtierhaltung geprägt und nicht von Wohnbauten. Nach übereinstimmender Schätzung der Sachverständigen würden sich die Immissionen durch den Junghennen-Stall im Rahmen des hier Zumutbaren (25% der Jahresstunden) bewegen. Das sei sicher lästig, aber nicht gesundheitsschädlich.

"Schädlichen Umwelteinwirkungen" im Sinne des Gesetzes werde die Anwohnerin also in Zukunft nicht ausgesetzt. Solange die Immissions-Grenzwerte nicht überschritten werden, spiele es auch keine Rolle, ob die Lüftung im Stall dem aktuellen Stand der Technik entspreche. Darauf hätten die Nachbarn dann keinen Anspruch.

Fake-Attest aus dem Internet

Wer ein "Blanko-Formular" benutzt, um der Maskenpflicht zu entgehen, kann sich strafbar machen

Auch unter den Medizinern gibt es Leute, denen es in erster Linie auf Gewinn ankommt. Während der Pandemie blühte unter anderem das Geschäft mit Blanko-Attesten zur Befreiung von der Maskenpflicht. Wer keinen Mund-Nasenschutz tragen wollte, konnte sich im Internet Formulare herunterladen, überschrieben mit "Ärztliches Attest". Darin bescheinigte der ausstellende Arzt dem Verwender — der die eigenen Personalien eintragen musste —, dass es für ihn/sie aus medizinischen Gründen nicht ratsam sei, eine Maske zu tragen.

So ein Pseudo-Attest zeigte ein Mann der Polizei, die ihn bei einer Kontrolle auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Das brachte ihm eine Anzeige ein. Das Landgericht Hannover verurteilte den Maskenverweigerer wegen "Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses" zu einer Geldstrafe. "Blanko-Atteste" zu verwenden, könne strafbar sein, bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Celle (2 Ss 58/22).

Die Formulare erweckten den Anschein, als könne der Angeklagte aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen — und als hätte ein Mediziner dies bei einer ärztlichen Untersuchung festgestellt. Da man die Formulare aber im Internet herunterladen könne, ohne den Arzt jemals gesehen zu haben, seien diese scheinbaren Atteste "unrichtig".

Dennoch verwies das OLG den Fall ans Landgericht zurück, weil ihm die Höhe der Geldstrafe nicht ausreichend begründet erschien. Vor allem aber sei zu prüfen, ob das Formular vom Arzt unterschrieben war (mit eingescannter Unterschrift). Ansonsten liege nämlich gar kein Gesundheitszeugnis im Sinne des Gesetzes vor.

Mieter muss Einbaumöbel nicht streichen

Kurzartikel

Vermieter dürfen per Mietvertrag die Pflicht, in der Mietwohnung Schönheitsreparaturen durchzuführen, auf die Mieter abwälzen. Aber nicht unbegrenzt: Eine Vertragsklausel, die den Mieter nicht nur verpflichtet, Decken und Wände zu streichen bzw. zu tapezieren, sondern ihm zusätzlich auferlegt, die mitvermieteten Einbaumöbel zu streichen, ist unwirksam.

Aus der Tiefgarage raus- und in die Baugrube reingefahren

Baufirma haftet für Autoschaden durch ungesicherte Baustelle

In Speyer führte Anfang 2021 ein Bauunternehmen Straßenbauarbeiten durch. Alle Hauseigentümer und Hausverwaltungen in der Straße waren darüber informiert. Vor einem Wohnhaus mit Tiefgarage hoben die Mitarbeiter der Baufirma zwischen Gehweg und Straße einen Leitungsgraben aus. Den Graben deckten sie vor der Garagenausfahrt mit Stahlplatten ab, damit die Bewohner ihn überfahren konnten.

Nach einigen Tagen entfernten die Bauarbeiter jedoch die Stahlplatten, weil Arbeiten im Graben zu erledigen waren. Zunächst wurde ein Mann dort positioniert, um Ausfahrende zu warnen. Doch der widmete sich nach einer Weile einer anderen Aufgabe. Eine Hausbewohnerin fuhr aus der Tiefgarage heraus und sah nicht, dass die Stahlplatten fehlten. Prompt landeten die Vorderräder ihres Wagens im Graben.

Für die Reparaturkosten von rund 6.000 Euro forderte die Frau Schadenersatz von der Baufirma. Zu Recht, entschied das Landgericht Frankenthal (9 O 32/21). Baustellen müssten umfassend gesichert werden. Anwohner müssten gefahrlos aus der Tiefgarage herausfahren können. Die Autofahrerin habe zwar über die Bauarbeiten Bescheid gewusst, Sie habe aber darauf vertrauen dürfen, dass die Baugrube — wie in den Tagen zuvor — abgedeckt war. Den offenen Graben habe sie beim Herausfahren nicht erkennen können.

Wer bei Straßenbauarbeiten Baugruben aushebe, müsse zuverlässig dafür sorgen, dass Anwohner und Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Da das Bauunternehmen seine Sicherungspflichten verletzt habe, müsse es für die Folgen haften. Die Hausverwaltung zu informieren und irgendwo auf der Straße die üblichen Warnschilder aufzustellen, genüge nicht, wenn ein geöffneter Graben beim Herausfahren aus der Tiefgarage nicht sichtbar sei.

EU-Subvention für Landwirt zu Unrecht gestrichen

Er soll die "Vor-Ort-Kontrolle" durch das Landwirtschaftsamt vereitelt haben

Im Rahmen eines EU-Förderprogramms hatte das Landwirtschaftsamt Parchim einem Landwirte-Ehepaar rund 377.000 Euro Fördermittel für Investitionen zugesagt (u.a. für einen Stall und Wirtschaftsgebäude). Bei unangekündigten Kontrollen werde man die zweckmäßige Verwendung der Mittel prüfen, stand im Leistungsbescheid. Nach einem Hinweis auf Subventionsmissbrauch wurde so eine Kontrolle angeordnet.

Zum Pech des Bauern erschienen zwei Beamte vor dem Hoftor, als er gerade wegen eines wichtigen Auswärtstermins wegfahren wollte. Der Mann war nach einem Stromausfall am Hof spät dran und gestresst. "Jetzt könnten sie die Ställe nicht kontrollieren", sagte er den Beamten und vertröstete sie auf den Abend oder den nächsten Tag. Unterwegs organisierte der Landwirt aber doch per Handy einen Vertreter für eine sofortige Besichtigung.

Um das zu melden, rief er die Beamten ca. 30 Minuten später an. Doch ihr Diensthandy war ausgeschaltet: Sie waren von Amts wegen angewiesen, den Akku zu schonen. Die Behörde widerrief nun den Förderbescheid und verlangte das Geld zurück, weil der Landwirt die "Vor-Ort-Kontrolle" unmöglich gemacht habe.

Gegen die Sanktion wehrte sich das Ehepaar zunächst erfolglos, erst das Bundesverwaltungsgericht gab ihm Recht (3 C 8.21). Der Widerruf der Subvention sei unzulässig, so die Bundesrichter: Der Bauer habe nicht gegen die Förderauflagen verstoßen.

Natürlich müssten Landwirte auch unangemeldete Kontrollen zulassen, aber im Rahmen des Zumutbaren. Wer unangekündigt erscheine, müsse mit der Möglichkeit rechnen, weder den Betriebsinhaber, noch einen Vertreter anzutreffen. Landwirte seien nicht zu ständiger Anwesenheit auf dem Betriebsgelände verpflichtet. Andere Termine müssten sie wegen einer Kontrolle nur absagen, wenn dies ohne große Nachteile möglich sei.

Das Angebot, sie auf den nächsten Tag zu verschieben, genüge zwar nicht. Das würde den Kontrollzweck gefährden. Der Bauer hätte also trotz Zeitdrucks sofort versuchen müssen, eine Vertretung zu organisieren. Das habe er aber im Auto nachgeholt. Daher hätten die Beamten — wenn der Anruf sie erreicht hätte — nach einer halben Stunde zurückfahren und den Betrieb überprüfen können. Letztlich sei das Landwirtschaftsamt dafür verantwortlich, dass die Kontrolle nicht geklappt habe. Kontrolleure müssten für die Behörde und für die Kontrollierten erreichbar sein.

Unfallrenten der DDR müssen weitergezahlt werden

Das gilt auch dann, wenn nach bundesdeutschem Recht kein Arbeitsunfall vorliegt

Ein deutscher Kriegsgefangener hatte sich in einem belgischen Steinkohlebergwerk eine Tuberkulose-Erkrankung zugezogen. Der Rat des Bezirks Leipzig sprach ihm 1968 wegen einer Berufskrankheit eine Unfallrente zu. Nach der Wende wollte die nunmehr für Berufskrankheiten zuständige Berufsgenossenschaft die Rente nicht mehr zahlen: Nach dem Recht der Bundesrepublik lägen die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nicht vor.

Der Versicherte zog gegen den Bescheid der gesetzlichen Unfallversicherung vor Gericht - mit Erfolg. Verwaltungsakte der DDR können nur aufgehoben werden, wenn sie rechtsstaatlichen Grundsätzen oder dem Einigungsvertrag widersprechen, entschied das Bundessozialgericht (2 RU 24/94). So ein Fall sei aber hier nicht gegeben. Eine nach DDR-Recht zuerkannte Rente wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit könne dem Rentenempfänger nicht mit der Begründung entzogen werden, dass dies nach bundesdeutschem Recht nicht als Arbeitsunfall oder als Berufskrankheit anzuerkennen, somit die Berufsgenossenschaft nicht zuständig sei.

Riesiges Holzkreuz im Garten

Miteigentümerin fühlt sich von dem überdimensionierten religiösen Symbol gestört

In einem Düsseldorfer Haus mit zwei Wohnungen bildeten zwei Damen eine Eigentümergemeinschaft. Frau X, eine gläubige Rentnerin, ließ im Garten ein riesiges Holzkreuz aufstellen. Es war 7,36 Meter hoch, um ganz genau zu sein. Das war Frau X wichtig, weil der Berg Golgatha, auf dem Jesus gekreuzigt wurde, 736 Meter hoch sei.

Die Miteigentümerin Y teilte, vorsichtig ausgedrückt, ihre religiöse Begeisterung nicht. Frau Y zog vor Gericht und verlangte, Frau X müsse das Kreuz entfernen.

Das riesige Bauwerk störe die Mitbewohnerin bei jedem Blick in den Garten, trug ihr Anwalt vor. Das Kreuz beeinträchtige ihren Lebensalltag ganz erheblich. Nicht nur der Anblick tagsüber: In der Nacht beleuchte Frau X das Kreuz mit einer Leuchtkette, Frau Y könne deshalb kaum Einschlafen.

Das Amtsgericht gab der Miteigentümerin Recht und das Landgericht Düsseldorf bestätigte das Urteil (25 S 56/21). Die Rentnerin müsse das Holzkreuz aus dem Garten entfernen. Auf vernünftige Betrachter wirke es wie ein bedrückender und störender Fremdkörper, durch den der Garten die "Züge einer Gedenkstätte" annehme. Das beeinträchtige Frau Y in ihrem Eigentumsrecht an Haus und Garten.

Doch Frau Y wollte wohl das Urteil nicht mehr abwarten und sich nicht länger mit der Hausnachbarin herumschlagen: Sie hat ihre Wohnung vor der Gerichtsentscheidung verkauft und ist umgezogen.

Wärmedämmung für den Klimaschutz

Berliner Hauseigentümer müssen auch grenzüberschreitende Dämmschichten dulden

Eine Berliner Wohnbaugesellschaft wollte die Fassade eines 1906 gebauten Gebäudes sanieren lassen. Unter anderem sollte an der Giebelwand des Altbaus eine 16 Zentimeter dicke Dämmschicht angebracht werden, die allerdings über die Grundstücksgrenze ins Nachbargrundstück hineingeragt hätte. Als die Eigentümerin des Nachbarhauses der Maßnahme widersprach, pochte das Wohnbauunternehmen auf das Berliner Nachbargesetz: Demnach müssen Nachbarn auch grenzüberschreitende Dämmschichten akzeptieren.

Diese Regelung greife rechtswidrig in ihr Eigentumsrecht ein und sei verfassungswidrig, argumentierte die Nachbarin. Doch ihre Klage gegen die Wärmedämmung scheiterte in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (V ZR 23/21). Das rigide Berliner Nachbargesetz sei gerade noch mit dem Schutz des Eigentums vereinbar, fanden die Bundesrichter.

Die Regelungen anderer Bundesländer seien weniger strikt: Dort könnten Nachbarn grenzüberschreitende Dämmung abwehren, wenn sie "unzumutbar" sei. Das berücksichtige die Interessen der betroffenen Nachbarn besser, während das Berliner Gesetz ganz klar auf Energieeinsparung im Gebäudebestand und damit auf mehr Tempo beim Klimaschutz abziele. In Berlin könnten Nachbarn die Dämmung nicht abwehren, bekämen dafür aber eine finanzielle Entschädigung. So habe Berlin langwierige Streitigkeiten um Dämmmaßnahmen verhindern wollen.

Denn hier gehe es eben nicht nur um gegensätzliche Interessen zweier Grundstückseigentümer, sondern vor allem um Klimaschutz und damit um das Allgemeinwohl. Um im Interesse aller Bürger Heizenergie einzusparen, sollten so viele Bestandsgebäude so schnell wie nur möglich wärmegedämmt werden.

Klimaschutz habe Verfassungsrang: Weil das Ziel des Wohnbauunternehmens, Energiekosten zu sparen, mit dem Interesse der Allgemeinheit am Klimaschutz übereinstimme, habe im konkreten Nachbarschaftsstreit dieses Ziel Vorrang vor dem Eigentumsrecht der Nachbarin.

Wohin mit Überbleibseln einer Biogasanlage?

Die Betreiberin muss Gärrückstände nicht unbedingt selbst lagern: Sie sind auch als Düngemittel nutzbar

Vor einigen Jahren wurde die Düngeverordnung geändert. Seit Januar 2020 sind Betreiber von Biogasanlagen verpflichtet, die erzeugten Gärrückstände neun Monate lang sicher zu lagern, sofern sie nicht selbst über landwirtschaftliche Flächen verfügen, auf denen sie die Gärreste ausbringen können. Eine GmbH, der Landwirte als Gesellschafter angehören, die selbst aber nicht über Äcker verfügt, wehrte sich gegen die Pflicht zum Lagern.

Um die Auflage zu erfüllen, müsste sie für ca. 500.000 Euro ein weiteres Gärrestesilo bauen, argumentierte die Anlagenbetreiberin. Das wäre wirtschaftlich unsinnig, da ihre Gesellschafter freie Lager und ausreichend landwirtschaftliche Flächen besäßen. Mit ihnen habe sie Abnahmeverträge geschlossen, die Gärreste würden als Düngemittel ordnungsgemäß verwertet.

Damit war jedoch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen nicht einverstanden. Deshalb zog die Anlagenbetreiberin vor Gericht, um feststellen zu lassen, dass diese Praxis zulässig sei und der Düngeverordnung entspreche. Beim Verwaltungsgericht (VG) Oldenburg kassierte sie zunächst eine Niederlage. Die Düngeverordnung verfolge die Ziele Bodenschutz und Gewässerschutz, so das VG: Eine Verwertung von Gärrückständen als Düngemittel entspreche dem Gewässerschutz nicht.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hob das Urteil des VG auf und gab der GmbH Recht (10 LC 247/20). Biogasanlagenbetreiber müssten die Gärrückstände nicht zwingend neun Monate lang lagern, wenn sie diese an Dritte zur landwirtschaftlichen Nutzung abgeben könnten.

Allerdings müsse dann die Anlagenbetreiberin durch Verträge mit Eigentümern landwirtschaftlicher Grundstücke sicherstellen, dass die Gärreste landwirtschaftlich, insbesondere als Düngemittel, verwertet werden - und zwar gemäß den Regelungen der Düngeverordnung. Sei das gewährleistet, müsse sie keine eigenen Lagerkapazitäten vorhalten bzw. errichten.

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen kann jetzt noch die nächste Instanz anrufen. Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, denn der Rechtsstreit ist von grundsätzlicher Bedeutung für den Betrieb von Biogasanlagen in Deutschland.

"Aloha"-Tattoo der bayerischen Polizei unwürdig?

Ein Polizist kämpft hartnäckig darum, das Bundesverfassungsgericht lässt nochmal prüfen

Der Mann meint es offenbar wirklich ernst: Seit fast einem Jahrzehnt zieht ein bayerischer Polizist durch alle Gerichtsinstanzen, weil er sich den Schriftzug "Aloha" auf den Unterarm tätowieren lassen möchte. Der Schriftzug soll ihn an seine Flitterwochen auf Hawaii erinnern ("ein traumhafter Urlaub"). An anderen Körperstellen kommt die Begeisterung des Polizeibeamten für Figuren und Symbole aus dem Hawaiianischen bereits durch mehrere Tattoos zum Ausdruck.

2013 hatte er die Erlaubnis für "Aloha" auf dem Unterarm beim Polizeipräsidium Mittelfranken beantragt und blitzte damit ab. Zuletzt scheiterte der Polizist im Mai 2020 am Bundesverwaltungsgericht: Das Beamtengesetz des Freistaats verbiete es Polizisten, sich am Kopf, am Hals, an Händen und Unterarmen tätowieren zu lassen, hatten die Verwaltungsrichter geurteilt.

Auch dadurch ließ sich der Mann nicht entmutigen: Er legte gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde ein. Und das Bundesverfassungsgericht verwies den Fall nun ans Bundesverwaltungsgericht zurück — mit der Auflage, das Anliegen des Beamten nochmals zu prüfen (2 BvR 1667/20).

So direkt stehe das Tattoo-Verbot im bayerischen Beamtengesetz nämlich nicht drin, fanden die Verfassungsrichter. Da stehe vielmehr: Die oberste Dienstbehörde könne zum äußeren Erscheinungsbild von Beamten Näheres bestimmen. Zum "äußeren Erscheinungsbild" zählten auch "Haar- und Barttracht" und andere "sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale".

Zu Tätowierungen gebe es in den Bundesländern unterschiedliche Vorschriften. Im "Beamtenstatusgesetz" der Bundesrepublik heiße es: "Das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert."

So eindeutig, wie die Verwaltungsrichter dies sahen, sei die Rechtslage also nicht, geben die Verfassungsrichter zu bedenken: Die Frage, ob in Bezug auf den bayerischen Polizeibeamten die Voraussetzungen für ein Tattoo-Verbot vorlägen, bedürfe "weiterer Klärung".

In der Schulpause vom Ast getroffen

Außerhalb des Schulgeländes sind Schüler in der Pause nicht gesetzlich unfallversichert

Ein bereits volljähriger Hamburger Gymnasiast hatte sich in einer Pause mit zwei Mitschülern in den Stadtpark neben der Schule zurückgezogen, um Zigaretten zu rauchen. Das hatte die Schulleitung den älteren Schülern erlaubt. An diesem Wintertag herrschte Sturm mit Schneefall. Eine heftige Windböe riss über dem Schüler einen dicken Ast ab, der ihm auf den Kopf fiel und ein schweres Schädel-Hirn-Trauma auslöste.

Während des Aufenthalts in der Schule sind Schüler gesetzlich unfallversichert. Das müsse auch für ihn gelten, fand der verletzte Gymnasiast: Schließlich behandle die Schulleitung den Stadtpark wegen des sehr beengten Schulhofs quasi als "erweiterten Schulhof". Doch die Unfallkasse weigerte sich, für die Behandlungskosten aufzukommen.

Zu Recht, entschied das Bundessozialgericht: Es wies die Klage des Schülers auf Leistungen von der Unfallkasse ab (B 2 U 20/20 R). Außerhalb des Schulgeländes seien Schüler nicht gesetzlich unfallversichert: Die Verantwortung der Schule sei auf das Schulgelände beschränkt. Nur hier gelte ihre Aufsichtspflicht und nur hier könne sie ihren Einfluss geltend machen: Beides ende am Schultor.

Auch wenn der Schulhof relativ klein sei: Die Schüler müssten das Schulgelände in den Pausen nicht unbedingt verlassen, um sich zu erholen. Die Erlaubnis des Schulleiters galt in erster Linie dafür, sich in der Pause draußen "Snacks" oder Getränke zu besorgen. Dass auf dem Schulhof Rauchverbot gelte und der Schüler daher nur im Stadtpark rauchen konnte, führe nicht zu Versicherungsschutz. Eine Rauchpause im Stadtpark sei (nicht verboten, aber) kein notwendiger Bestandteil der Unterrichtspause.

Radfahrer wie ein Fahrradpolizist gekleidet

Gericht wertet "POZILEI"-Jacke als strafbaren Missbrauch der Polizeiuniform

Es war schon ein merkwürdiger Auftritt in einem seltsamen Outfit: Ein ca. 40 Jahre alter Mann fuhr auf dem Pedelec in Paderborn herum. Dabei trug er eine dunkelblaue Hose und eine neongelbe Jacke mit silbernen Reflektorstreifen und der Aufschrift "POZILEI" in großen, grau-silberfarbenen Druckbuchstaben. An einer Kreuzung klopfte der Radfahrer gegen ein Autofenster und ermahnte eine Autofahrerin wegen ihrer "unmöglichen" Fahrweise.

Dass er Polizist sei, behauptete der Mann allerdings nicht. Den Vorwurf der Amtsanmaßung ersparten ihm deshalb die Polizeibeamten, denen er schließlich aufgefallen war. Sie erstatteten jedoch Anzeige wegen unbefugten Tragens einer Uniform.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wertete den Auftritt ebenso und verurteilte den "Pozilisten" zu 1.650 Euro Geldbuße (4 RVs 62/22). Vergeblich pochte der Übeltäter darauf, es sei doch alles nur ein Jux gewesen.

Strafbares "unbefugtes Tragen" einer Uniform sei schon dann zu bejahen, wenn jemand ein Outfit trage, das einer Uniform zum Verwechseln ähnlich sehe, erklärte das OLG humorlos. Dass der Angeklagte eine dunkle Jeans getragen habe, ändere daran nichts: Denn das gesamte Erscheinungsbild habe den Eindruck einer Polizeiuniform erweckt — zumindest für nicht sonderlich sachkundige bzw. nicht genau prüfende Beobachter.

Die neonfarbene Jacke des Angeklagten unterscheide sich von der Jacke der nordrhein-westfälischen Fahrradpolizei nur durch die Aufschrift POZILEI. Und dieser "Buchstabensalat" ziele geradezu auf eine Verwechslung ab. Dass alle vor Gericht geladenen Zeugen aussagten, sie hätten durchaus bemerkt, dass der Pedelec-Fahrer kein Polizeibeamter war, irritierte das OLG in seiner Einschätzung nicht: Die Vorschrift solle schon "vor der bloßen Gefahr von Verwechslungen" schützen.

Schadenersatz für Kapitalanleger

Er hatte auf Wertpapierprospekte mit geschönten Jahresabschlüssen einer AG vertraut

Nach der Jahrtausendwende erwarb eine Aktiengesellschaft (AG) günstige Immobilien und modernisierte sie, um sie mit Gewinn wieder zu verkaufen. Dieses Geschäftsmodell finanzierte das Unternehmen mit der Ausgabe von Hypothekenanleihen. Acht Anleihen gab das Unternehmen im Lauf seiner Geschäftstätigkeit aus, nur zwei zahlte es zurück. Die übrigen blieb es den Kapitalanlegern schuldig: Sie hatten ein Emissionsvolumen von insgesamt 450 Millionen Euro.

Im Vertrauen auf die Wertpapierprospekte der AG hatte ein Anleger zwischen 2010 und 2013 Wertpapiere der Anleihen 5,6 und 7 gekauft — allerdings nicht direkt von der AG, sondern von einem anderen Marktteilnehmer. Bestandteil der Wertpapierprospekte waren die Jahresabschlüsse der AG in den Jahren 2008 und 2009, die ein hohes Eigenkapital auswiesen. Doch in Wirklichkeit stand das Unternehmen überhaupt nicht gut da: Bei den Jahresabschlüssen waren nämlich diverse Forderungsausfälle nicht berücksichtigt.

Diese Ausfälle führten die AG schließlich in die Pleite. Die korrigierten Jahresabschlüsse der AG wurden erst veröffentlicht, als der Kapitalanleger die fragwürdigen Anleihen schon erworben hatte. Später verklagte er die damaligen Vorstände des Unternehmens auf Rückzahlung des investierten Betrags: Sie müssten für die geschönten Bilanzen in den Wertpapierprospekten haften. Nur, weil man ihn über die tatsächliche Finanzlage des die Wertpapiere ausgebenden Unternehmens täuschte, habe er Anleihen gekauft.

Auch der Bundesgerichtshof ging von Kapitalanlagebetrug aus: Er verurteilte die Verantwortlichen zur Zahlung von Schadenersatz (III ZR 131/20). Die Vorstände könnten sich nicht darauf berufen, dass ein Wirtschaftsprüfer die strittigen Jahresabschlüsse uneingeschränkt bestätigt habe. Das wäre nur aussagekräftig, wenn der Prüfer alle Unterlagen einsehen konnte, die notwendig waren, um die Finanzlage des Unternehmens zu beurteilen. Dass die AG-Vorstände dem Wirtschaftsprüfer alle wesentlichen Unterlagen zur Verfügung stellten, stehe aber nicht fest. Das hätten sie nicht bewiesen.

Dass der Anleger die Wertpapiere nicht direkt vom ausgebenden Unternehmen erworben habe, spiele für seinen Anspruch auf Schadenersatz keine Rolle. Kapitalanlagebetrug sei strafbar — unabhängig davon, von wem das Papier gehandelt werde. Mit dem entsprechenden Paragraphen des Strafgesetzbuchs (§ 264a) habe der Gesetzgeber alle potenziellen Kapitalanleger vor Verlust schützen und zugleich die Funktion des Kapitalmarkts sichern wollen.

Einbruch gelingt trotz Alarmanlage

Juwelierin verlangt Schadenersatz vom Verkäufer der Einbruchmeldeanlage

Eine Juwelierin hatte in ihrem Laden eine Einbruchmeldeanlage mit Videoüberwachung installieren lassen. Doch das hinderte unbekannte Täter nicht daran, wenige Monate danach das Juweliergeschäft auszuräumen: Sie stiegen zuerst ins Gebäude nebenan ein und durchbrachen dann die Gebäudewand zu den Ladenräumen. Innerhalb von zweieinhalb Minuten rafften sie Goldschmuck im Wert von rund 9.000 Euro zusammen.

Die Alarmanlage meldete zwar den Einbruch bei der Polizei. Doch als die Beamten ungefähr neun Minuten später am Juweliergeschäft eintrafen, waren die Täter längst über alle Berge. Nach Ansicht der Juwelierin war der Verkäufer der Alarmanlage verpflichtet, den Verlust zu ersetzen. Begründung: Die Alarmanlage habe nach wenigen Sekunden ein erstes Foto gemacht, den Einbruch bei der Polizei-Leitzentrale jedoch erst 1,5 Minuten später gemeldet.

Selbst eine frühere Meldung hätte den erfolgreichen Einbruch ins Juweliergeschäft nicht verhindert, urteilte das Landgericht Frankenthal und wies die Zahlungsklage der Geschäftsfrau ab (9 O 3/21). Die Alarmanlage fotografiere sogar mit Blitzlicht — aber auch vom erkennbaren Auslösen der Anlage hätten sich die Einbrecher nicht stören lassen. Sogar dann, wenn die Polizei zwei Minuten früher am Tatort gewesen wäre, hätte sie die Täter schon nicht mehr angetroffen.

Zwischen dem Verlust und der angeblich verspäteten Meldung des Einbruchs in der Leitzentrale bestehe also kein ursächlicher Zusammenhang. Außerdem weise die Anlage laut Sachverständigengutachten weder technische Mängel auf, noch sei sie fehlerhaft installiert: Sie funktioniere einwandfrei. Wenn die Alarmanlage die Leitstelle nicht sofort bei der ersten registrierten Bewegung informiere, sei das kein Defekt, habe der Alarmanlagen-Experte erläutert: Die Systeme seien häufig so programmiert, damit nicht jedes Kleintier im Laden Alarm auslöse.

Besonders gewandte Einbrecher könnten das Auslösen des Systems durch bestimmte Tricks hinauszögern oder umgehen. Dieser Umstand sei dem Verkäufer und Installateur der Anlage nicht als fachlicher Fehler anzukreiden, so der Sachverständige. Fazit des Landgerichts: Der Verkäufer müsse eine funktionstaugliche Anlage liefern und korrekt installieren. Habe er diese Pflicht erfüllt, müsse er für die Folgen eines Einbruchs nicht geradestehen.

Werbung für Restaurant mit nachgemachten Banknoten

Bundesgerichtshof: Bei deutlichem Textaufdruck ist das kein Fall von Geldfälschung

Dass jemand auf strafbare Weise Falschgeld verbreitet, davon geht die Justiz in der Regel auch dann aus, wenn Banknoten erkennbar schlecht nachgemacht sind: Denn das Zahlen mit Bargeld geht ja meistens schnell - nicht alle schauen da genau hin.

Der Bundesgerichtshof verneinte aber in folgendem Fall eine Geldfälschung: Dem "Anbieter" war es gelungen, 100.000-Lire-Scheine an den Mann zu bringen, die jeweils auf der Vorder- und Rückseite mit einem vierzeiligen Werbeaufdruck versehen waren. Der Text enthielt die Worte "FAC SIMILE" und den Namen eines Restaurants.

Die Karlsruher Richter betonten zwar, die Erfahrung lehre, dass selbst schlechteste Fälschungen zur Täuschung geeignet sind (1 StR 681/94). Hier springe der Textaufdruck jedoch auch einem flüchtigen Betrachter ohne weiteres ins Auge. Mit echten Lire-Scheinen könne man die Falsifikate nicht verwechseln. Dass die Opfer dennoch übertölpelt worden seien, deute zwar auf Betrug hin, nicht jedoch auf Geldfälschung.

Reiseveranstalter bläst Reise ab

Amtsgericht kürzte mit Verweis auf die Corona-Pandemie die Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude

Zwei Reisende hatten sich schon sehr auf ihren Urlaub gefreut. Doch die Reiseveranstalterin sagte die Pauschalreise vier Tage vorher ab, weil der Flug nicht ausgebucht war. Die beiden Kunden verlangten vom Reiseunternehmen Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude.

Im Prinzip gab ihnen das Amtsgericht Recht, es beschränkte aber die Entschädigung auf 20 Prozent des Reisepreises. Während sich überall das Corona-Virus ausbreite, halte sich das Maß der Frustration über eine Reiseabsage ja wohl in Grenzen — so lautete sinngemäß die Begründung.

Mit Erfolg legten die beiden Reisenden gegen dieses Urteil Berufung ein: Das Landgericht Hannover erhöhte die Entschädigung immerhin auf die Hälfte des Reisepreises (7 S 28/21). Das sei angemessen, da die Reise wirklich sehr kurzfristig storniert worden sei.

Dass das Amtsgericht den Schadenersatz wegen der Corona-Pandemie herabgesetzt hatte, hielt das Landgericht nicht für nachvollziehbar. Wieso sollte der Frust von Reisenden darüber, dass ihr Urlaub wenige Tage vor Reisebeginn abgesagt wurde, ausgerechnet deshalb geringer ausfallen, weil es weltweit zu pandemiebedingten Einschränkungen kam?

Haus mit undichtem Keller gekauft

Verkäufer verschwiegen den Mangel: Die Käufer müssen sich an den Kosten einer neuen Abdichtung nicht beteiligen

2010 hatte Ehepaar A von Ehepaar B ein ca. 40 Jahre altes Reihenhaus gekauft. Wie üblich, wurde im schriftlichen Kaufvertrag die Haftung für Mängel ausgeschlossen. Allerdings hatten die Verkäufer B absichtlich verschwiegen, dass immer wieder Schimmel auftrat, weil der Keller des Hauses schlecht abgedichtet war.

Erst drei Jahre nach ihrem Einzug entdeckten die Käufer die feuchten Stellen. Daraufhin zogen sie vor Gericht und verlangten, die Verkäufer müssten eine neue Kellerabdichtung finanzieren. Nach dem Kostenvoranschlag einer Fachfirma sollte sie rund 23.000 Euro kosten.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf sprach dem Ehepaar A nur 2.500 Euro zu: Mit dem Betrag könne es die Feuchtigkeitsschäden im Keller beseitigen lassen. Dafür müssten die Verkäufer einstehen, weil sie den Mangel arglistig verschwiegen hätten — nicht aber für eine völlig neue Abdichtung, die den Wert des Hausgrundstücks erhöhen würde.

Mit Erfolg legten die Hauskäufer gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof ein (V ZR 231/20). Das OLG habe richtig gesehen, dass hier der Gewährleistungsausschluss nicht greife, betonten die Bundesrichter. Denn die Verkäufer hätten die mangelhafte Abdichtung und ihre Folgen verschwiegen. Anders als das OLG meine, sei aber vom Schadenersatzbetrag nicht der Wertzuwachs abzuziehen, den eine fachlich einwandfreie Abdichtung des Kellers mit sich bringe.

Grundsätzlich gelte zwar: Ein durch arglistige Täuschung geschädigter Käufer solle einen Ausgleich für den Schaden erhalten, daraus nicht zusätzlich Profit ziehen. Andererseits gelte aber auch: Wenn der Verkäufer eine mangelhafte Sache verkauft habe, müsse er den Mangel eben beseitigen. Sei dies nur durch ein neues Teil möglich — hier: eine neue Kellerabdichtung —, müsse der Verkäufer diesen Nachteil in Kauf nehmen. Jedenfalls bis zur Grenze des finanziell Zumutbaren, die hier noch keineswegs erreicht sei.

Das Ehepaar A müsse sich daher an den Kosten der neuen Abdichtung nicht beteiligen, auch wenn das Haus dadurch eine Wertsteigerung erfahre.

Lecker: Glyphosat im Honig

Agrarunternehmen muss Imker für verunreinigten Honig entschädigen

Im Frühling 2019 hatte ein Imker seine Bienenkästen neben einer landwirtschaftlichen Fläche aufgestellt, die von einem Agrarunternehmen bewirtschaftet wird. Ende April behandelten Mitarbeiter des Unternehmens die Äcker mit Unkrautbekämpfungsmitteln. Sie enthielten den Schadstoff Glyphosat, der durch das (jetzt zum Bayer-Konzern gehörende) amerikanische Unternehmen Monsanto zu fragwürdiger Berühmtheit gelangte und vermutlich krebserregend ist.

Die nichtsahnenden Bienen trugen die belasteten Pollen in den Bienenstock. Der Imker musste Wachs und vier Tonnen Honig vernichten, weil sie mit Unkrautvernichter verunreinigt waren. Diesen Verlust konnte er nicht auffangen und musste den Betrieb aufgeben. Vom Agrarunternehmen forderte er Schadenersatz. Zu Recht, entschied das Landgericht Frankfurt (Oder) und sprach dem Imker 14.500 Euro zu (13 O 97/20).

Dies sei aber eine Einzelfall-Entscheidung, betonte das Landgericht: Ob Imker Landwirte informieren müssen, wenn sie Bienenwagen aufstellen, sei damit nicht grundsätzlich geklärt. Und auch nicht die Frage, ob Landwirte bei einem Glyphosat-Einsatz prinzipiell damit rechnen müssten, dass Bienenstöcke in der Nähe stehen.

Ausschlaggebend für das Urteil im konkreten Fall sei gewesen, dass niemand die gut erkennbaren Bienenstöcke übersehen konnte. Wenn man dies bedenke und zudem berücksichtige, wie intensiv die Pflanzen und damit auch der Honig mit Glyphosat kontaminiert waren, sei das Vorgehen des Agrarunternehmens als rechtswidrig und fahrlässig zu bewerten.

Online-Glücksspiel mit Kreditkarte

Der Zocker fordert von der Bank den abgebuchten Einsatz zurück, weil das Online-Casino illegal ist!

Mit seiner Kreditkarte, ausgestellt von einer großen deutschen Bank, zahlte ein Münchner im April 2020 über 3.000 Euro bei einem Online-Casino ein. Als die Bank den Betrag von seinem Girokonto abbuchte, veranlasste er eine Rücklastschrift. Der Bankkunde war der Ansicht, er müsse die Kreditkartenrechnung nicht begleichen.

Originell seine Begründung dafür: Das Online-Casino sei verboten, was der Bank seit Januar 2020 bekannt sei. Sie habe auch gewusst, wo er die Kreditkarte einsetzte. Denn Transaktionen an Anbieter von Online-Glückspielen würden bei Kreditkartenzahlung mit einem Buchstabencode gekennzeichnet ("MCC 7995").

Dieses Wissen bestritt die Bank. Außerdem könne der Kontoinhaber die Abbuchung schon deshalb nicht verhindern, weil er den Einsatz der Karte selbst autorisiert habe.

Das Kreditinstitut verklagte den Münchner auf Zahlung und bekam vom Amtsgericht München Recht (173 C 10459/21). Möglicherweise sei der Online-Glücksspielvertrag sittenwidrig. Nichtig sei dann aber nur der Vertrag zwischen dem Zocker und dem Glückspielveranstalter, nicht sein Vertrag mit der Bank. Setze ein Spieler beim illegalen Glücksspiel eine Kreditkarte ein, erfasse dies den Zahlungsdienste-Vertrag mit der Bank nicht. Der Anspruch der Kreditkartenausstellerin entfalle dadurch nicht.

Dass die Zahlungen mit "MCC 7995" gekennzeichnet waren, beweise keineswegs, dass die Bank über das illegale Treiben Bescheid wusste: Dieser Code unterscheide nicht zwischen legalem und illegalem Glücksspiel. Das Kreditinstitut müsse da auch keine Nachforschungen anstellen und dürfe von rechtstreuem Verhalten des Kunden ausgehen.

Die Rechtsansicht des Spielers würde zu einem absurden Ergebnis führen, das dem Willen des Gesetzgebers absolut widerspräche: Könnten Karteninhaber an illegalem Glücksspiel teilnehmen, ohne im Fall von Verlusten der Bank die Verluste erstatten zu müssen, wäre dies ein Freibrief fürs risikolose Zocken zu Lasten der Kreditkarteninstitute. Spieler könnten ihre Gewinne behalten, die Geldinstitute müssten das Verlustrisiko tragen.