Frau X ging mit ihrem Golden Retriever spazieren und begegnete einem zwölfjährigen Mädchen, das mit seiner Bulldogge unterwegs war. Die nicht angeleinte Bulldogge stürmte auf den anderen Hund zu, den die Halterin an der Leine führte.
Mehrere Zeugen, darunter auch die Zwölfjährige, sagten später aus, die Bulldogge sei um den Retriever herumgesprungen. Doch niemand sah genau, von welchem Hund Frau X in die Hand gebissen wurde.
Mit einem Rettungswagen wurde sie ins Krankenhaus gebracht und erstversorgt. Nach einer Wundinfektion musste die Hundehalterin operiert werden, war lange arbeitsunfähig und kann die Hand bis heute nicht richtig bewegen. Frau X erklärte, die aggressive Bulldogge habe sie gebissen und verklagte die Mutter des Mädchens als (Mit-)Hundehalterin auf Schadenersatz und 5.000 Euro Schmerzensgeld.
Das Landgericht gab ihr Recht: Als Tierhalterin müsse die Mutter für den Schaden einstehen, der durch die Bulldogge entstanden sei. Dabei komme es letztlich nicht darauf an, welcher Hund Frau X nun wirklich gebissen habe. So sah es auch das Oberlandesgericht Hamm (I-7 U 54/22). Wer der Beißer war, sei egal: Auf jeden Fall habe nämlich das für Tiere typische, unberechenbare Verhalten der Bulldogge die Verletzung verursacht.
Eine Interaktion der Hunde habe zwar durchaus stattgefunden. Der Golden Retriever habe die Bulldogge nur angeknurrt, aber auf diese Weise auch zu der "Auseinandersetzung" beigetragen. Diesen kleinen Beitrag ihres eigenen Tieres zum Unfall müsse sich die Verletzte anspruchsmindernd anrechnen lassen (mit 20 Prozent). Im Wesentlichen sei die Aggression jedoch von der Bulldogge ausgegangen.
Anders als die Bulldoggen-Halterin behaupte, treffe Frau X nicht deshalb eine Mitschuld am Hundebiss, weil sie die Leine des Retrievers nicht fallen ließ. Hätten die Hunde einen richtigen Kampf begonnen und Frau X hätte sich eingemischt, um sie zu trennen — wäre sie ein unnötiges Risiko eingegangen.
Doch in der konkreten Situation habe sie sich mit ihrem Verhalten nicht selbst gefährdet. Vielmehr wäre die Auseinandersetzung der Hunde wohl eher eskaliert, hätte sie auch den Retriever von der Leine gelassen. Wie Frau X dadurch den Biss hätte vermeiden können, sei nicht ersichtlich.