Sonstiges

Vom Hund ins Ohr gebissen

"Streicheln" begründet kein Mitverschulden am Hundebiss, wenn die Verletzte mit dem Tier vertraut war

Eine junge Frau besuchte ihre Freundin, man plauderte in der Küche. Ein Rottweiler-Rüde saß dabei, der dem Bruder der Freundin gehörte. Die Besucherin war mit dem Hund sehr vertraut, hatte schon oft mit ihm gespielt und gekuschelt. Doch als sie sich diesmal zu ihm hinunterbeugte und ihn am Kopf streichelte, schnappte der Rottweiler nach ihr und biss sie ins linke Ohr.

Die Wunde musste mit vielen Stichen genäht werden. Die Frau war über eine Woche arbeitsunfähig und klagt über anhaltende Schmerzen. Vom Tierhalter verlangte sie Entschädigung, doch der schob die Schuld auf die Verletzte: Sie habe den Hundebiss provoziert, weil sie den Hund beim Fressen gestört habe.

Das Landgericht Frankenthal konnte dagegen kein Verschulden der Frau erkennen und sprach ihr 4.000 Euro Schmerzensgeld zu (9 O 42/21). Grundsätzlich hafteten Tierhalter unabhängig von eigenem Verschulden für die Folgen, wenn ihr Haustier jemanden verletze (es sei denn, das Haustier werde beruflich eingesetzt, was hier nicht zutreffe).

Eigenes Fehlverhalten müsste sich die Verletzte zwar als Mitverschulden anspruchsmindernd anrechnen lassen. Es stelle aber kein falsches Verhalten oder gar eine Provokation des Hundes vor, wenn man ihn streichle oder umarme. Das gelte zumindest dann, wenn eine Bekannte - wie hier - das Tier lange und gut kenne und wenn der Hund ihr gegenüber noch nie aggressives Verhalten an den Tag legte.

Mehr Einfluss für den Berufsbetreuer?

Legt die Betreute Einspruch ein, muss das Gericht prüfen, ob sie das Für und Wider vernünftig abwägen kann

Für eine Frau, die nach einem Schlaganfall an kognitiven Störungen leidet und körperlich behindert ist, war ein Berufsbetreuer bestellt worden. 2020 erweiterte das Amtsgericht dessen Kompetenzen um das Recht zur Aufenthaltsbestimmung und bei der Vermögenssorge. Künftig sollten alle Ausgaben der Betreuten mit einem Wert von mehr als 75 Euro von der Zustimmung des Betreuers abhängen ("Einwilligungsvorbehalt").

Gegen diese Entscheidung und die Auswahl des Berufsbetreuers legte die Frau Rechtsbeschwerde ein. Während das Landgericht die Beschwerde rundweg ablehnte, erreichte die Betreute beim Bundesgerichtshof zumindest einen vorläufigen Erfolg (XII ZB 158/21). Gegen den freien Willen des/der Betreuten dürfe eine Betreuung weder eingerichtet, noch erweitert werden, betonten die Bundesrichter.

Wenn der/die Betroffene so einer Maßnahme widerspreche, müsse das Gericht prüfen, ob er/sie trotz der Krankheit noch zu freier Willensbestimmung fähig sei. Entscheidend sei, ob Betreute den Grund und die Tragweite der Maßnahme intellektuell erfassen könnten oder nicht. Wenn die Betreute im konkreten Fall in der Lage sei, ihre Defizite richtig einzuschätzen und die Vor- und Nachteile der Maßnahme abzuwägen, dann beruhe ihr Einspruch auf ihrem freien Willen und sei zu berücksichtigen.

Die vorliegenden Sachverständigengutachten belegten nicht, dass die Betreute außerstande sei, Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Da werde festgestellt, diese Fähigkeit sei "in der Beziehung zu ihrer dominanten Jugendfreundin stark eingeschränkt, deren Dominanz könne die Betreute keine eigenen Entscheidungen entgegensetzen … Das reiche nicht aus, um der Frau objektiv die Fähigkeit zu freier Willensbildung abzusprechen. Das Landgericht müsse sich mit dem Fall noch einmal befassen und eventuell ein weiteres Gutachten anfordern.

Überholen bei "unklarer Verkehrslage"

Kurzartikel

Hält ein Auto hinter einem parkenden Kleinlaster an und ist unklar, ob die Fahrerin stehen bleiben oder vorbeifahren möchte, stellt es einen Verkehrsverstoß dar, wenn ein von hinten kommender Linienbus zum Überholen des Autos ansetzt. Schert die Autofahrerin im gleichen Moment nach links aus, ohne nach hinten zu blicken, und stößt mit dem Auto gegen den Bus, haften der Busfahrer und die Autofahrerin jeweils zur Hälfte für den Schaden.

Geschwindigkeitsverstoß verjährt oder nicht?

Wird die Identität eines Temposünders nicht rechtzeitig festgestellt, genügt auch ein Radarfoto

Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr verjähren innnerhalb von sechs Monaten. Sobald die Behörden jedoch einen bestimmten Verkehrsteilnehmer im Verdacht haben und gegen ihn ermitteln, wird dadurch die Verjährungsfrist unterbrochen.

Eine niedersächsische Kreisbehörde verfügte zwar über ein Radarfoto von einer Schnellfahrerin, hatte jedoch ihre Identität nicht klären können. Sie übersandte das Bild der Polizei zur Identifizierung. Als die Polizei den Namen der Verkehrssünderin endlich herausgefunden hatte, waren sechs Monate seit der Tat verstrichen. Dennoch wurde die Frau mit einer Geldbuße und einem Fahrverbot belegt.

Das Oberlandesgericht Celle hatte daran nichts auszusetzen und wies die Klage der Autofahrerin gegen die Sanktion ab (2 Ss (OWi) 339/94). Einerseits sei zwar ihr Einwand richtig: Nur, wenn sich die Ermittlungen gegen einen individuell bestimmten Täter richteten, halte dies die Verjährung auf. Andererseits bedeute "individuell bestimmt" aber nicht, dass der Name des Täters oder der Täterin bekannt sein müsse. Es reiche vielmehr aus, wenn ein Foto vorliege - vorausgesetzt, es sei scharf genug und zeige so viele Merkmale, dass man ihn oder sie damit identifizeiren könne.

Umstrittene Schottergärten

OVG: Niedersächsische Baubehörde durfte die Beseitigung von Kiesbeeten im Vorgarten anordnen

Ehepaar B besitzt in Diepholz (Niedersachsen) ein Einfamilienhaus. Im Vorgarten haben die Hauseigentümer zwei je 50 qm große Kiesbeete angelegt, in die sie vereinzelt Koniferen und Bodendecker einsetzten. Die kommunale Bauaufsicht verlangte von ihnen, den Schottergarten zu beseitigen: Nicht überbaute Flächen müssten nach der niedersächsischen Bauordnung Grünflächen sein.

Ihre Kiesbeete seien doch Grünflächen, konterten die Eheleute: Sie hätten schließlich ein paar Sträucher im Vorgarten angepflanzt. Wenn man außerdem den Rasen und die Pflanzen hinter dem Wohnhaus berücksichtige, sei ihr Garten insgesamt ein "ökologisch wertvoller Lebensraum". Die Hauseigentümer wehrten sich gegen die Anordnung der Baubehörde, den Vorgarten zu begrünen, scheiterten jedoch mit ihrer Klage beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg (1 LA 20/22).

"Grünflächen" müssten grün sein, stellte das OVG fest. Damit seien naturbelassene oder angelegte, auf jeden Fall mit Pflanzen bewachsene Flächen gemeint. Das schließe einzelne Steinelemente im Garten nicht aus, wenn sie das Gesamtbild nicht dominierten. Beim Vorgarten von Ehepaar B handle es sich dagegen um Kiesflächen, in die die Hauseigentümer nur punktuell Koniferen, Sträucher und Bodendecker eingepflanzt hätten.

So ein Schottergarten erfülle die Anforderungen der Bauordnung nicht. Wie es hinter dem Haus aussehe, spiele dabei keine Rolle. Diese Interpretation der Bauordnung widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, die "Versteinerung der Stadt" so gering wie möglich zu halten.

Nicht nur Diepholz, auch einige andere niedersächsische Kommunen haben, um diese Absicht umzusetzen, Schottergärten verboten. Allerdings fehlt ihnen häufig das Personal für die Kontrolle der Vorgärten. Während Naturschutzverbände den Beschluss des OVG als Signal gegen die zunehmende Bodenversiegelung begrüßten, weil diese Lebensraum für Tiere und Pflanzen zerstöre, kritisierte der Eigentümerverband "Haus und Grund" den Beschluss als unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentumsrechte.

Alter Nagel im Huf

Dressurpferd lahmte nach dem Beschlagen durch den Hufschmied

Ein Gestüt für Vielseitigkeitssport hatte den Hufschmied bestellt, um vier Pferde frisch zu beschlagen. Nach dieser Prozedur wurde das Dressurpferd D sofort in die Box zurückgeführt. Am späten Nachmittag reinigte ein Mitarbeiter D’s Hufe und sattelte das Tier. Ein Mitglied der Geschäftsleitung unternahm mit dem Pferd einen leichten Ausritt von ungefähr einer halben Stunde.

Am nächsten Morgen wurde das Tier am Stallboden liegend vorgefunden: D konnte das vordere rechte Bein nicht mehr belasten. Ein Mitarbeiter untersuchte das Bein und entdeckte im Hufstrahl einen alten, ungefähr 3,5 Zentimeter langen Nagel, den er entfernte. Anschließend wurde die Verletzung in einer Pferdeklinik behandelt.

Die Inhaberin des Gestüts veranschlagte die Kosten auf 33.700 Euro und verlangte dafür vom Hufschmied Schadenersatz: Bevor er das Dressurpferd beschlagen habe, habe es nie Probleme mit den Hufen gehabt. Für die Verletzung sei der Hufschmied verantwortlich, weil er so schlampig arbeite. Offenbar habe er Nägel auf den Boden fallen und dort liegen lassen. Andernfalls hätte D nicht auf einen Nagel treten können.

Das Landgericht Koblenz wies die Klage der Pferdebesitzerin ab (3 O 80/21). Sie behaupte, D sei beim Beschlagen der Hufe in den alten Nagel getreten, der sich in den Hufstrahl gebohrt habe. Ein Verschulden des Hufschmieds sei jedoch nicht bewiesen, so das Landgericht, vielmehr gebe es daran begründete Zweifel. Denn zwischen dem Beschlagen und dem Ausritt am Nachmittag habe ein Gestütsmitarbeiter die Hufe des Tieres ausgekratzt. Ihm hätte der Nagel auffallen müssen.

Daher stehe nicht mit Sicherheit fest, dass sich das Dressurpferd schon vor dem Ausritt verletzt habe. Dass der "unordentliche Arbeitsplatz" bzw. die schlampige Arbeitsweise des Hufschmieds die Verletzung verursacht habe, sei möglich. Dass sich D den Nagel anderswo auf dem Gestüt oder auf dem Gelände eingetreten habe, sei aber ebenso wahrscheinlich. Da die Verantwortung des Hufschmieds nicht zweifelsfrei erwiesen sei, müsse er für die Behandlungskosten nicht haften.

Sex im Parkhaus

Kölner Parkhausbetreiber haftet nicht für Sex-Schäden an einer Motorhaube

Ein Geschäftsreisender hatte seinen Wagen über Nacht im Parkhaus am Kölner Hauptbahnhof abgestellt. Als er das Auto am Morgen abholen wollte, erlebte er eine böse Überraschung: Die Motorhaube hatte Dellen, der Lack war zerkratzt. Auf seine Beschwerde hin gingen Mitarbeiter des Parkhauses der Sache nach. Sie prüften die Videoaufnahmen der Überwachungskamera und bekamen überraschend Sex geboten.

Zwei Personen hatten sich in der Nacht auf der Motorhaube miteinander vergnügt — offenbar sehr intensiv. Zu erkennen waren die "Liebenden" auf der Aufnahme jedoch nicht. Verständlicherweise wollte der Autobesitzer die Folgen des Treibens nicht einfach so hinnehmen. Er forderte vom Parkhausbetreiber 4.700 Euro Schadenersatz für die Reparaturkosten.

Falsche Adresse, meinte jedoch das Landgericht Köln: Den Parkhausbetreiber treffe kein Vorwurf (21 O 302/22). Wie die Videoaufnahme dokumentiere, habe das Liebesspiel auf der Motorhaube nur neun Minuten gedauert. Diese Zeitspanne sei so kurz, dass hier von einer Pflichtverletzung des Betreibers oder seiner Mitarbeiter keine Rede sein könne, erklärte das Landgericht.

Weder der Betreiber, noch seine Mitarbeiter seien verpflichtet, die Videoaufzeichnungen Tag und Nacht ununterbrochen zu beobachten, um mögliche Verstöße gegen Sicherheit und Ordnung festzustellen oder sogar zu verhindern. Und so blieb der Autobesitzer auf dem Schaden sitzen.

Mächtige Linde stört den Nachbarn

WEG muss überhängende Äste so weit zurückschneiden, wie es die Baumschutzverordnung erlaubt

Im Garten einer Wohnungseigentumsanlage steht eine mächtige Linde — direkt an der Grundstücksgrenze. Ihre ausladende Krone von ca. zwölf Metern ragt weit ins angrenzende Grundstück hinein und verschattet das Wohnhaus des Nachbarn. Wegen des Lichtmangels sind schon einige seiner Mieter vorzeitig ausgezogen. Die Wurzeln des Baums dringen im Nachbargrundstück an die Oberfläche, Wurzeln und Blätter verstopfen das Siel zum Kellereingang.

Nach vielen Beschwerden des Nachbarn beantragte die Eigentümergemeinschaft (WEG) beim Bezirksamt Hamburg-Altona die Erlaubnis, die Linde zu fällen. Das komme bei so einem gesunden Baum nicht in Frage, teilte die Behörde mit. Schatten auf dem Wohnhaus rechtfertige es nicht, eine vitale Linde abzuholzen. Das verstieße gegen die Baumschutzverordnung. Das Bezirksamt genehmigte nur einen Pflegeschnitt der Baumkrone.

Dem Nachbarn dauerten die Verhandlungen mit der Behörde zu lange, einen Pflegeschnitt hielt er sowieso für unzureichend. Er zog vor Gericht und verlangte von der WEG, die Äste und Wurzeln der Linde bis zur Grundstücksgrenze zurückzuschneiden — vorausgesetzt, dies werde vom Bezirksamt erlaubt. In Bezug auf die Äste setzte sich der Nachbar beim Amtsgericht Hamburg-Altona durch (317 C 18/22).

Grundsätzlich müssten Grundstückseigentümer dafür sorgen, dass überhängende Zweige die Nachbarn nicht beeinträchtigten, so das Amtsgericht. Allerdings dürften Eingriffe nicht gegen die Hamburger Baumschutzverordnung verstoßen: Naturschutz gehe vor, wenn ein Baum — wie die Linde — grundsätzlich erhaltenswert sei. Eingriffe würden nur ausnahmsweise genehmigt, wenn ein Baum das Eigentum des Nachbarn unverhältnismäßig beeinträchtige, d.h. massiver, als dies bei Bäumen üblich sei.

Nach dem Gutachten des Baumsachverständigen sei ein Rückschnitt der Krone akzeptabel, wenn keine Äste beschnitten würden, die dicker als fünf Zentimeter seien. Soweit dürfe und müsse die WEG die Lindenkrone stutzen. Ein Rückschnitt der Wurzeln würde dagegen die Standsicherheit des Baumes gefährden.

Auf diese Maßnahme habe der Nachbar keinen Anspruch, weil die Wurzeln keine besonderen Nachteile verursachten. Überirdisches Wurzelwachstum gehöre zu den typischen Begleiterscheinungen von Bäumen, die in der Regel hinzunehmen seien. Außerdem sei das Wachstum hier auch auf eine fehlerhaft verlegte Wurzelsperre zurückzuführen, die man eventuell korrigieren könne.

Glatteisunfall vor einem Klinikum

Streupflicht setzt nicht zwingend "allgemeine Glätte" in der ganzen Stadt voraus

Eine 69-jährige Altenpflegerin arbeitete immer noch einige Stunden in der Woche. Im Dezember 2020 wollte sie vor ihrer Schicht gegen 11 Uhr das Corona-Testzentrum einer Berliner Klinik aufsuchen. Auf einem vereisten Weg vor dem Klinikgebäude rutschte sie aus und stürzte. Den Winterdienst hatte die Klinik auf eine Dienstleistungsfirma übertragen, die an diesem Tag auf dem Gelände nicht gestreut hatte.

Beim Sturz zog sich die Frau einen Sehnenriss am rechten Bein zu. Sie musste sich operieren lassen und wochenlang auf Krücken gehen, musste sich mehreren Reha-Maßnahmen unterziehen und konnte in dieser Zeit nicht arbeiten. Vom Klinikträger und von der Winterdienstfirma forderte die Verletzte 20.000 Euro Schmerzensgeld. Das Landgericht Berlin wies ihre Klage ab: Am Unfalltag habe in Berlin keine allgemeine Glätte geherrscht, daher habe die Firma nicht streuen müssen.

Das Kammergericht Berlin sprach dem Glatteisopfer immerhin 5.000 Euro zu (21 U 56/22). Der zum Winterdienst Verpflichtete müsse nicht nur räumen und streuen, wenn in der ganzen Stadt allgemeine Glätte herrsche. Streupflicht gelte auch dann, wenn nur lokal auf einer Fläche — wie hier vor der Klinik — eine ernsthafte Gefahr für Personen drohe. Daher komme es nicht darauf an, wie rutschig die Berliner Straßen gewesen seien: Auf dem Klinikgelände hätte die Firma jedenfalls streuen müssen: Schließlich sei am Samstag mit Publikumsverkehr zu rechnen.

Klinikbesucher P, der sich um die gestürzte Frau gekümmert habe, habe ausgesagt, dass alle Wege, die von der Straße und vom Parkplatz aus zu den Klinikgebäuden führten, total vereist gewesen seien. Wegen der Glätte habe er Mühe gehabt, der Frau aufzuhelfen und wäre dabei fast selbst gestürzt. Daher hätten die Klinikverantwortlichen spätestens gegen zehn Uhr selbst streuen oder die Winterdienstfirma dazu auffordern müssen. Auch wenn sie den Winterdienst auf einen externen Dienstleister übertragen hätten, treffe sie trotzdem eine Kontrollpflicht.

Pflanzenschutzmittel verdirbt Rucola-Ernte

Kartoffelbauer muss den Nachbarbetrieb für Schäden durch abgedriftetes Spritzmittel entschädigen

Ein Kartoffelbauer hatte auf seinem Acker ein Pflanzenschutzmittel versprüht. Das führte zu einem unbeabsichtigten "Kollateralschaden" beim benachbarten Gemüsebauern, der sich auf den Anbau von Rucola spezialisiert hat. Denn das Spritzmittel ist für Kartoffeln, nicht aber für Rucola zugelassen. Die Rucola-Pflanzen auf dem angrenzenden Feld waren nach der Sprühaktion für den Nachbarn wertlos.

Das Landgericht Frankenthal verurteilte den Kartoffelbauern dazu, den Rucola-Erzeugerbetrieb mit 80.000 Euro für den Ernteausfall zu entschädigen (8 O 66/21). Wie der Agrar-Sachverständige erläutert habe, sei das ausgebrachte Kartoffel-Spritzmittel auf den angrenzenden Rucola-Acker abgedriftet, so das Landgericht. Die Rucola-Pflanzen seien so kontaminiert gewesen, dass der Gemüsebauer die Ernte nicht mehr habe verkaufen können: Die Werte auf den Rucolapflanzen seien zehnmal höher gewesen als die gesetzlich zulässigen Grenzwerte.

Die Hauptabnehmer des Gemüsebauern seien Supermärkte, die in Bezug auf Pflanzenschutzmittel eine "Nulltoleranz"-Strategie verfolgten. Daher habe der Gemüsebauer den Rucola nur noch auf den Kompost werfen können. Für ihn sei es nicht möglich, den Rucola vor Kontamination zu schützen. Vielmehr müsse derjenige, der ein Pflanzenschutzmittel versprühe, darauf achten, dass er die umliegenden Äcker nicht gefährde. (Der Kartoffelbauer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Landwirt möchte für einen Sohn ein Haus bauen

"Wohnraum für zwei Generationen" genügt für einen landwirtschaftlichen Betrieb

Den landwirtschaftlichen Betrieb hat Landwirt H seinem älteren Sohn bereits übergeben. Alle vier Wohnungen seines Wohnhauses auf dem Hof sind belegt. Hier wohnen H als "Altenteiler" mit seiner Frau, seine Schwester und seine betagten, pflegebedürftigen Schwiegereltern. In der vierten Wohnung im Dachgeschoss leben die zwei Söhne des Landwirts. Für den älteren Sohn möchte H auf einem Grundstück im Außenbereich ein weiteres Wohnhaus bauen.

Da es das Betriebsleiterhaus für den aktuellen Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs werden solle, sei der Bau im Außenbereich zulässig, argumentierte H im Bauantrag. Doch das Landratsamt lehnte die Baugenehmigung ab. Zu Recht, entschieden das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (1 LA 154/21). Im Außenbereich dürfe nur ausnahmsweise gebaut werden, wenn ein Bauvorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb diene.

Obwohl das weitere Wohnhaus für den Betriebsleiter gedacht sei, treffe dies hier nicht zu. Denn es sei schon genügend Wohnraum für die Landwirte vorhanden. In der Regel reiche es aus, wenn für einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb Wohnraum für zwei Generationen zur Verfügung stehe. Mit den Wohnungen im Hofgebäude sei daher der Fortbestand des Betriebs generationsübergreifend gesichert.

Darauf, dass alle Wohnungen im Haus bewohnt seien und sein älterer Sohn eine eigene Wohnung möchte, könne sich Landwirt H nicht mit Erfolg berufen, um eine Baugenehmigung durchzusetzen. Er habe Angehörige auf dem Hof aufgenommen, das sei solidarisch und menschlich verständlich.

H könne aber nicht verlangen, ein Wohngebäude für seinen Betriebsnachfolger im Außenbereich errichten zu dürfen, wenn er den Bedarf für diesen Wohnraum selbst geschaffen habe: Es gebe diesen Bedarf nur deshalb, weil H auf dem Hof vorhandenen Wohnraum anderen Personen überlassen habe. Der Landwirt habe keinen Anspruch darauf, den von ihm selbst verursachten Nutzungskonflikt auf Kosten des Außenbereichs zu lösen.

Brandgefährliche Fassadenverkleidung muss weg!

Die Anordnung der Baubehörde betrifft das Gemeinschaftseigentum und damit die WEG

Nach der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower überprüfte die Baubehörde in Hannover den Brandschutz älterer Hochhäuser, darunter eine 1970 errichtete Wohnungseigentumsanlage mit 48 Wohneinheiten. Die Außenwände des Gebäudes sind mit brennbaren Leichtbauplatten aus Holzwolle gedämmt. Deshalb ordnete die Bauaufsicht 2019 an, die Eigentümergemeinschaft (WEG) müsse die brandgefährliche Fassadenverkleidung bis spätestens 2021 entfernen.

Da die WEG diese Anordnung nicht befolgte, setzte die Baubehörde im Mai 2022 ein Zwangsgeld von 100.000 Euro fest und drohte weitere Sanktionen an. Dagegen wehrte sich die WEG: Bisher habe man sich noch nicht auf einen Beschluss zur Sanierung der Fassade einigen können. Außerdem müsste die Behörde auch anordnen, dass die einzelnen Wohnungseigentümer die Sanierungsmaßnahme dulden müssten.

Das sei überflüssig, entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (1 ME 106/22). Rechte und Pflichten in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum beträfen nur die WEG. Wenn in einer Eigentumsanlage Gemeinschaftseigentum wie die Fassade gegen öffentliches Baurecht verstoße, sei die WEG der richtige Adressat einer bauaufsichtlichen Anordnung. Die WEG müsse die Forderungen der Bauaufsicht erfüllen und wenn sie das nicht tue, richteten sich auch die Sanktionen gegen sie.

Einzelne Eigentümer seien von der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums ausgeschlossen. Daher könnten sie die WEG auch nicht daran hindern, eine wirksame Anordnung der Bauaufsicht umzusetzen. Es sei auch gleichgültig, ob noch Eigentümerbeschlüsse in dieser Sache fehlten oder dass sich einige Eigentümer der Sanierung widersetzten. Die bauaufsichtliche Anordnung sei von der WEG zwingend zu befolgen, unabhängig von der internen Willensbildung der Eigentümer.

Hinterbliebenengeld für Angehörige

Angehörige von Unfallopfern können bei "besonderem Näheverhältnis" Entschädigung erhalten

2018 war ein 81-Jähriger bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlte seiner Tochter vorgerichtlich 3.000 Euro Hinterbliebenengeld.

Hintergrund: Wird der Tod einer Person schuldhaft verursacht (z.B. durch einen Verkehrsunfall oder einen Arztfehler), können Angehörige Anspruch auf Hinterbliebenengeld vom Schuldigen haben — vorausgesetzt, sie standen der getöteten Person besonders nahe (§ 844 Bürgerliches Gesetzbuch).

Im konkreten Fall war das Vater-Tochter-Verhältnis sehr eng. Er hatte der Tochter alle Vollmachten erteilt, sie kümmerte sich intensiv um alle Belange des Vaters. Nach dem Unfall litt die Tochter sehr unter dem Verlust und hatte lange mit Schlafstörungen zu kämpfen. Vom Kfz-Versicherer verlangte sie mehr Hinterbliebenengeld. Das Landgericht Flensburg sprach ihr weitere 3.500 Euro zu, das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig sogar 7.000 Euro.

Die Versicherung legte gegen das Urteil Revision ein und bekam vom Bundesgerichtshof im Prinzip Recht (VI ZR 73/21). Das OLG müsse sich mit dem Fall noch einmal befassen und die Höhe der Entschädigung überprüfen, so die Bundesrichter. Der in einem früheren Gesetzentwurf zum Hinterbliebenengeld genannte Betrag von 10.000 Euro sei nur eine Orientierungshilfe. Im Einzelfall hänge die Höhe des Betrags ab von Intensität und Dauer des seelischen Leids eines Angehörigen und vom Grad des Verschuldens auf der Seite des Schädigers.

Das Hinterbliebenengeld sei jedenfalls niedriger anzusetzen als Schmerzensgeld. Wenn ein Angehöriger den Tod einer nahestehenden Person direkt an der Unfallstelle miterlebe und durch den Schock selbst erkranke, spreche man von einem "Schockschaden". Dafür könnten Angehörige Schmerzensgeld beanspruchen.

Und das müsse in der Regel höher sein als Hinterbliebenengeld, denn das Schmerzensgeld gleiche einen eigenen Gesundheitsschaden des Hinterbliebenen aus. Das Hinterbliebenengeld solle die betroffenen Angehörigen für das Leid entschädigen, das mit dem Verlust einer geliebten Person verbunden sei. Der seelische Schmerz falle aber nicht so schwer ins Gewicht wie ein eigener Gesundheitsschaden.

Digitale Klingelanlage unzumutbar?

Kurzartikel

Vermieter dürfen nach Ansicht des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg nicht eigenmächtig eine analoge durch eine digitale Klingelanlage ersetzen. Die neue Anlage sei nicht funktionstüchtig, weil die Mieter sie mit Smartphone, Computer oder Festnetztelefon bedienen müssten. Für die Mieter sei es aber unzumutbar, sich eigens für die Klingelanlage Geräte anzuschaffen. Der Vermieter müsse den ursprünglichen Zustand wiederherstellen.

Unklare Klausel zu Schönheitsreparaturen

Kurzartikel

Mieter müssen weder Fenster, noch Außentüren von außen streichen. Eine Klausel im Mietvertrag, nach der die Mieter "zum Streichen der Fenster und der Außentüren von innen" verpflichtet sind, ist unklar formuliert und damit unwirksam. Denn es wird nicht deutlich, dass sich der Zusatz "von innen" auch auf die Fenster beziehen soll, Mieter auch die Fenster nur von innen streichen müssen. Mit einer unklaren Klausel kann der Vermieter die laufenden Schönheitsreparaturen nicht wirksam auf die Mieter abwälzen.

Verbotene Pflanzenschutzmittel

Der Schutz der Bienen darf nicht durch eine Notfallzulassung für Pestizide ausgehebelt werden

Die Pestizide Clothianidin und Thiamethoxam waren 1991 von der Europäischen Union (EU) als Pflanzenschutzmittel zugelassen worden. Doch 2018 wurden sie von der EU verboten, weil inzwischen klar geworden war, dass sie für Bienen eine große Gefahr darstellen. Die Wirkstoffe sollen für das Bienensterben (mit-)verantwortlich sein. Seit 2018 dürfen daher Pflanzen aus Saatgut, das mit diesen Wirkstoffen besprüht wurde, nur im Gewächshaus gezogen werden und keinesfalls ins Freiland gelangen.

Trotzdem genehmigte das belgische Landwirtschaftsministerium den Einsatz beider Stoffe und erklärte dies zur "Notfallzulassung": Gemüsebauern dürften sie vorbeugend bei Saatgut von Zuckerrüben, Kopfsalat, Chicorée und anderem Gemüse anwenden, das fürs Freiland bestimmt sei.

Dagegen klagten ein Imker und einige Naturschutzverbände. Der belgische Staatsrat legte das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vor, der in dieser Frage ein eindeutiges Stoppschild aufstellte (C-162/21): EU-Mitgliedstaaten dürften Pflanzenschutzmittel, die die EU ausdrücklich verboten habe, auch nicht per Notfallzulassung genehmigen.

Belgien verweise damit zwar auf eine Ausnahmevorschrift in der Pflanzenschutzmittelverordnung. Doch die Ausnahmeregel sei nur auf Wirkstoffe anwendbar, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich genannt seien. Ziel der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung sei es, die Gesundheit von Menschen und Tieren zu schützen. Diese Aufgabe habe Vorrang vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu effektivieren.

Wegen "Corona" selbständige Tätigkeit aufgegeben

Das Jobcenter muss Folgen der Pandemie berücksichtigen, wenn es Sperrzeiten verhängt

Von 2000 bis 2020 führte Herr X erfolgreich eine Eventagentur. Seine selbständige Tätigkeit musste er 2020 wegen der Corona-Pandemie aufgeben: Bekanntlich legten die Kontaktbeschränkungen, die zum Infektionsschutz angeordnet wurden, den gesamten Veranstaltungsbereich lahm. X suchte sich vorübergehend einen Job als Berufskraftfahrer. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte er am 31.1.2022 zum 28.2.2022, weil er danach seine Agentur wieder in Gang bringen wollte.

Gleichzeitig meldete sich Herr X arbeitslos. Das Jobcenter verhängte gegen ihn eine Sperrzeit von zwölf Wochen, weil er seinen Arbeitsplatz gekündigt und damit die Arbeitslosigkeit "mutwillig" herbeigeführt habe. Während der Sperrzeit besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gegen den Behördenbescheid klagte der Mann. Da klar war, dass die angestrebte Entscheidung erst nach vielen Wochen fallen würde, beantragte er zugleich einstweiligen Rechtsschutz — um nicht völlig ohne Einkommen dazustehen.

Beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen erreichte Herr X zumindest einen Teilerfolg (L 9 AL 106/22 B ER). Hier sei von einem Härtefall auszugehen, erklärte das Gericht, deshalb sei die Sperrzeit auf sechs Wochen zu verkürzen. Herr X habe zwar sein Arbeitsverhältnis selbst beendet — dies aber aufgrund der berechtigten Annahme, die selbständige Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Das könne man wohl kaum als grob fahrlässig einstufen.

Auch wenn Anfang 2022 die weitere Entwicklung der Pandemie noch unsicher gewesen sei, wäre es unverhältnismäßig hart, Herrn X für die Kündigung mit zwölf Wochen Sperrzeit zu bestrafen. Immerhin sei der Mann vor der coronabedingten Schließung seines Geschäfts erfolgreich selbständig tätig gewesen. Und es bestehe durchaus begründete Hoffnung, dass er mit der Eventagentur erfolgreich einen Neuanfang schaffen könne. Das Jobcenter müsse bei der Verhängung von Sanktionen auch Folgen der Pandemie berücksichtigen.

FDP muss Scientology-Mitglieder behalten

Parteiausschluss wäre undemokratisch, solange ihnen kein verfassungswidriges Verhalten vorzuwerfen ist

Das parteieigene Gericht des FDP-Landesverbands Bayern schloss Mitglieder aus der Partei aus, die in der Scientology-Organisation tätig waren. Begründung: Das Eintreten für diese "zwielichtige Vereinigung" sei unvereinbar mit liberalen Wertvorstellungen. Die Betroffenen wehrten sich dagegen und riefen das Bundeschiedsgericht ihrer Partei an.

Sie hatten mit ihrer Beschwerde Erfolg (B-3-2/II-94). Der Ausschluss sei zurückzunehmen, so das Parteigericht, weil das Grundgesetz von den Parteien verlange, "zur freifließenden Meinungsbildung der Gesellschaft hin offen" zu sein und sich daran zu beteiligen. Anders läge der Fall, wenn sich die betroffenen Parteimitglieder verfassungswidrig verhalten und/oder verfassungswidrigen Organisationen angeschlossen hätten. Die Scientology-Organisation sei jedoch von den zuständigen Behörden bislang nicht so eingestuft worden. Man verkenne dabei nicht die ernstzunehmenden Einwände gegen diese Gruppierung. Doch allein die Mitgliedschaft könne den Ausschluss aus der FDP nicht rechtfertigen.

Dienstunfall eines Postbeamten

Reißt die Bizepssehne beim Heben eines schweren Pakets, ist die berufliche Tätigkeit die Ursache

Bei einem Postbeamten riss die Bizepssehne, als er ein ca. 30 Kilo schweres Paket in seinen Zustellwagen hievte. Der Mann musste operiert werden und verbrachte einige Tage im Krankenhaus. Laut einem fachärztlichen Gutachten wurde der Sehnenriss direkt durch das Beladen des Fahrzeugs ausgelöst.

Trotzdem lehnte die Unfallkasse für Post und Telekom (die UK PT übernimmt für Postbeamte die Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung) Leistungen aufgrund eines Dienstunfalls ab: Das Anheben eines Pakets könne keinen Sehnenriss verursachen, meinte die UK PT. Die Bizepssehne sei auf große Belastungen ausgelegt und könne dadurch nicht reißen, wenn sie nicht bereits vorgeschädigt sei.

Mit dieser Argumentation war das Verwaltungsgericht (VG) Aachen nicht einverstanden: Es gab dem Postbeamten Recht, der Leistungen von der Unfallkasse eingeklagt hatte (1 K 2167/21). Der Beamte habe sich sofort nach dem Vorfall ärztlich untersuchen lassen, so das VG.

Ergebnis: Die Magnetresonanztomographie zeige eine frische traumatische Verletzung. Auch die im Operationsbericht beschriebene Ausfransung der Sehne sei typisch für einen unfallbedingten Riss — es habe keine Hinweise auf eine Vorschädigung der rechten Bizepssehne gegeben.

Außerdem stelle es keine alltägliche Belastung dar, mit einem Arm ein 30 Kilo schweres Paket anzuheben. Hier habe sich also ein berufsspezifisches Risiko verwirklicht, das unmittelbar mit der Tätigkeit des Postbeamten zusammenhänge. Von einem anlagebedingten Leiden, das nur rein zufällig während des Dienstes zum Vorschein gekommen sei und auch im privaten Bereich hätte auftreten können, könne hier keine Rede sein.

"American Bully" zählt zu den gefährlichen Hunden

Hundehalter wehrt sich erfolglos gegen Anordnungen des Berliner Veterinäramts

Mittelpunkt dieses Streits ist eine Hündin, in deren Impfbuch steht, sie gehöre der Rasse "American Bully" an. Diese Rassebezeichnung ist nämlich auf der Berliner Liste gefährlicher Hunde nicht aufgeführt. Trotzdem verlangte das Veterinäramt Spandau vom Hundehalter, sein Tier entweder als gefährlichen Hund im Sinne des Berliner Hundegesetzes anzuzeigen oder ein Rassegutachten vorzulegen, das das Gegenteil belegen könne.

Hintergrund: Auf der Liste gefährlicher Hunde stehen in erster Linie Kampfhunde, Rassen wie z.B. der American Staffordshire Terrier, der Bullterrier, der Rottweiler und Kreuzungen solcher Hunderassen. Derartige Hunde zu halten, ist häufig mit Auflagen wie Leinenzwang und/oder Maulkorbpflicht verbunden. Bezogen auf den Hundehalter kann es ebenfalls Auflagen geben, z.B., dass er/sie ein Führungszeugnis vorlegen oder eine Sachkundeprüfung ("Hundeführerschein") ablegen muss.

Gegen die Anordnung der Behörde wehrte sich der Hundehalter: Beim "American Bully" handle es sich um eine z.B. in den USA anerkannte eigene Rasse. Das sei bekannt gewesen, als die Berliner Liste gefährlicher Hunde aufgestellt worden sei. Wenn die Rasse auf der Liste fehle, könne sein Tier nicht als gefährlich gelten — das wäre ja Willkür.

Beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin blitzte der Hundehalter jedoch ab (37 K 517/20). Es stützte seine Entscheidung auf das Gutachten eines Sachverständigen, nach dem die Hündin Merkmale eines American Staffordshire Terriers aufweist. Um einen Hund als gefährlich im Sinne des Berliner Hundegesetzes einzustufen, sei das ausreichend, so das VG. Das gelte jedenfalls dann, wenn wesentliche Merkmale des Tieres mit dem Rassestandard einer auf der Liste stehenden Hunderasse übereinstimmten.

Die Forderung der Veterinärbehörde sei daher berechtigt und vom Hundehalter zu befolgen. Wenn die Rassebezeichnung "American Bully" nicht wörtlich so auf der Liste genannt werde, stehe das der Einstufung als gefährlicher Hund nicht entgegen. Der Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass der Name "American Bully" keine eigenständige Hunderasse bezeichne, sondern eine "Designer-Rasse", die dem American Staffordshire Terrier im Charakter sehr ähnlich sei.