2021 erschien eine Frau in einer Aschaffenburger Apotheke, um sich ein digitales Impfzertifikat ausstellen zu lassen. Sie legte einen Impfausweis vor, der dokumentierte bzw. dokumentieren sollte, dass sie zwei Mal gegen Corona geimpft worden war. Die Apothekerin informierte die Polizei, weil sie das Dokument anzweifelte.
Amtsgericht und Landgericht Aschaffenburg kamen aufgrund des Ermittlungsberichts der Polizei zu dem Schluss, dass sich die Frau mit einem gefälschten Impfausweis ein Zertifikat hatte erschleichen wollen. Das Amtsgericht brummte der Frau 3.200 Euro Geldstrafe auf, das Landgericht wies ihre Berufung gegen das Urteil ab.
Bei der Verhandlung vor dem Landgericht wurde der Polizeibericht vorgelesen, der durchaus Argumente beinhaltete, die für eine Fälschung sprachen: Die Frau sei keine Patientin des Arztes gewesen, der sie angeblich geimpft habe. Dessen Praxis sei am vermeintlichen Tag der zweiten Impfung geschlossen gewesen. Und die angeblich verwendeten Impf-Chargen hätten an den Impf-Tagen ihr Verfallsdatum bereits überschritten gehabt. Das Landgericht fand den Bericht so plausibel, dass es den Fall nicht weiter prüfte.
Dieses Vorgehen wurde von der nächsten Instanz, dem Bayerischen Obersten Landesgericht, hart kritisiert: Es verwies den Fall zurück (202 StRR 29/23). Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei lückenhaft: Es habe Indizien zugrunde gelegt, die es nur aus dem polizeilichen Ermittlungsbericht abgeleitet habe — ohne sich von der Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse zu überzeugen. Dabei stehe nicht einmal fest, wie die Beamten selbst zu diesen Ergebnissen gelangt seien, ob sie z.B. dafür Zeugen befragt hätten.
Auf diese Weise könne das Revisionsgericht (d.h. das Bayerische Oberste Landesgericht) die Beweiswürdigung der Vorinstanz überhaupt nicht prüfen. Es sei nicht erkennbar, auf wessen Angaben die Ermittlungsergebnisse beruhten und ob die Auskunftspersonen glaubhaft über die Tatsachen berichten konnten. Die Beamten seien selbst nur Zeugen vom Hörensagen. Gerichtlich verwertbar seien solche Angaben aus zweiter Hand nur, wenn sie durch weitere Tatsachen gestützt würden. Solche seien dem Urteil aber nicht zu entnehmen.
Außerdem habe das Landgericht aus dem falschen Eintrag im Impfausweis ohne weiteres geschlossen, sie könne nicht vom angeblichen Aussteller — einem Arzt — stammen. Das sei aber ein Trugschluss, wie die Erfahrungen mit falschen Attesten zeigten. Zahlreiche Ärzte hätten falsche Bescheinigungen ausgestellt, um Personen von der Maskenpflicht zu befreien.