Sonstiges

Leber durch Schmerzmittel geschädigt?

Kein Schmerzensgeld, wenn unklar ist, welche Substanz Hepatitis auslöste

In einer Münchner Universitätsklinik verschrieb man dem Patienten, der an einer Nervenstörung litt, Tegretal gegen Nervenschmerzen. Darüber hinaus sollte der Mann bei akuten Kopfschmerzen Paracetamol einnehmen, höchstens 1000 Milligramm. Das ist eines der gängigen Schmerzmittel am Markt. Auf die Einnahme dieses Medikaments bzw. dessen Wechselwirkung mit Tegretal führte der Patient die Fettlebererkrankung zurück, die sich bei ihm einstellte.

Der Mann verklagte die Klinik auf 200.000 Euro Schmerzensgeld: Ihm diese beiden Medikamente gleichzeitig zu verschreiben, sei ein grober Behandlungsfehler gewesen. Das Landgericht München I befragte mehrere medizinische Sachverständige und wies schließlich die Zahlungsklage ab (9 O 19374/07).

Die Experten waren, wie so oft, unterschiedlicher Ansicht: Der vom Gericht beauftragte Sachverständige erklärte, die von der Klinik angeratene Dosierung der beiden Arzneimittel sei vertretbar. Ein schädlicher Effekt für die Leber trete "normalerweise" nur bei viel höheren Dosen ein. Für einen Leberschaden habe es zudem während der Behandlung des Patienten keinerlei Anhaltspunkte gegeben. Erhöhte Gamma-GT-Werte könnten unterschiedliche Ursachen haben, seien kein eindeutiges Indiz für Hepatitis.

Der vom Patienten beauftragte Experte verwies darauf, dass Paracetamol Leberversagen auslösen könne. Das steht fest. Was jedoch nicht feststand, war, welche Substanz nun tatsächlich die Leber des Betroffenen geschädigt hatte. Das Gericht entschied deshalb zu Ungunsten des Patienten: Ein Behandlungsfehler sei nicht bewiesen. (Der Patient hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Abwrackprämie wird von Hartz-IV-Leistungen abgezogen

Landessozialgericht: Prämie verschafft dem Empfänger erhebliche Geldmittel

Ein Empfänger von Hartz-IV-Leistungen ("Grundsicherung für Arbeitsuchende") fragte bei der für ihn zuständigen Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung (ARGE) nach, ob er sich beim Kauf eines Neuwagens die staatliche Abwrackprämie für Altwagen als Einkommen anrechnen lassen müsste. Das bejahte der betreffende Mitarbeiter am Telefon.

Der Mann zog vor das Sozialgericht, um prüfen zu lassen, ob die Prämie tatsächlich von der Grundsicherung abgezogen wird: Jeder, der die Abwrackprämie beantrage, profitiere davon, argumentierte der Hilfeempfänger. Nach dem Gleichheitsgrundsatz müsse das auch für ihn gelten. Doch seine Klage blieb erfolglos, auch beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 20 B 59/09 AS ER und L 20 B 66/09 AS).

Der Hilfeempfänger habe keinen Anspruch darauf, ebenso behandelt zu werden wie andere Anwärter auf die Umweltprämie, die keine Grundsicherung erhielten. Schließlich müsse die Allgemeinheit mit ihren Steuern bereits für die Hartz-IV-Leistungen aufkommen. Werde die Abwrackprämie fürs Altauto gewährt, verbessere dies die finanzielle Lage von Hilfeempfängern erheblich.

Als zusätzliche Leistung neben der Grundsicherung wäre sie nicht gerechtfertigt. Die Prämie verschaffe dem Hilfeempfänger Geldmittel in mehrfacher Höhe einer monatlichen Regelleistung für den privaten Konsum (wenn auch für ein langlebiges und höherwertiges Verbrauchsgut). Sie diene damit dem gleichen Zweck wie die Hartz-IV-Leistungen.

Wenn durch Schulden Jobverlust droht ...

... ist der Träger der Grundsicherung verpflichtet, eine Schuldnerberatung zu finanzieren

Ihr verstorbener Vater hinterließ der 42-jährigen Arbeiterin einen argen Schlamassel: Bei Immobiliengeschäften in ihrem Namen hatte er erhebliche Schulden aufgehäuft, die nun auf der Frau lasteten. Ihr Lohn wurde teilweise gepfändet, der Verlust des Girokontos drohte und der Arbeitgeber murrte. Aus Angst, sie werde durch die Schulden bald auch noch ihre Akkordarbeit verlieren, wandte sich die Arbeiterin an eine Schuldnerberatungsstelle.

Der Berater nahm sich viel Zeit für sie. Für fünf Stunden guten Rats sollte die Frau 225 Euro zahlen - die sie natürlich nicht übrig hatte. Daher beantragte sie, der Sozialhilfeträger oder der Träger der Grundsicherung möge den Betrag übernehmen. Als erwerbstätige Person habe die Arbeiterin keinen Anspruch auf Sozialhilfe, so das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, aber die ARGE (Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung) als Träger der Grundsicherung sei zahlungspflichtig (L 20 SO 54/07).

Bei Personen, denen die Hilfebedürftigkeit drohe und die dringend auf Beratung in finanziellen Dingen angewiesen seien, müsse man die gesetzliche Regelung zur vorbeugenden Schuldnerberatung von Sozialhilfeempfängern entsprechend anwenden. Gemessen an den Zielen des Sozialgesetzbuchs sei es sinnvoll, so eine Hilfe auch Personen zu gewähren, die noch Arbeit hätten - eben um deren Verlust vorzubeugen. Würde man den Antrag auf Kostenübernahme ablehnen, könnte die Arbeitnehmerin womöglich eben dadurch hilfebedürftig werden und dem Steuerzahler zur Last fallen.

Humorlose Karnevalisten

Karnevalsverein wollte ein Vorstandsmitglied wegen Meinungsverschiedenheiten ausschließen

Das Motto des Düsseldorfer Rosenmontagszugs 2008 lautete: "Mer kann och alles överdriewe". Einige Jecken nahmen das Motto anscheinend in falscher Weise ernst. Jedenfalls wollten sie den 1998 gewählten Kommandanten des "Gardekorps" aus dem Karnevalsverein ausschließen. Was war geschehen?

Schon vor dem Karneval 2008 hatte es Streitereien im Vorstand gegeben. Und beim Rosenmontagszug 2008 war der "Kommandant" doch glatt mit seiner Ehefrau im erhöhten Bereich des Prunkwagens mitgefahren, der für den Präsidenten, einen Ehrengast und für eine Solotänzerin reserviert ist. Bei so einem groben Faux-Pas hört für Karnevalisten offenbar der Spaß auf.

Der Vorstand legte dem "Kommandanten" nahe, er solle freiwillig von seinem Amt zurücktreten. Als er sich weigerte, beschloss der Vorstand in seiner Abwesenheit einstimmig, ihn aus der Prinzengarde der Stadt Düsseldorf hinauszuwerfen. Das ließ sich der "Kommandant" nicht bieten und zog vor Gericht.

Das Amtsgericht Düsseldorf erklärte den Rausschmiss für unzulässig (52 C 10352/08). Als von der Korpsversammlung gewählter Kommandant gehöre der Jecke zum Vorstand des Karnevalsvereins. Über den Vereinsausschluss von Vorstandsmitgliedern entscheide laut Vereinssatzung nicht der Vorstand, sondern die Mitgliederversammlung.

Der Vereinsvorstand dürfe den in der Wahl zum Ausdruck gebrachten Willen der Mitglieder nicht missachten. Das widerspräche nicht nur demokratischen Prinzipien - die auch für Vereine verbindlich seien -, sondern auch genuin karnevalistischen Prinzipien wie "Jeder Jeck ist anders" und "Man muss auch gönne könne".

Auf dem Laufband verunglückt

Patientin eines Physiotherapeuten benutzte es eigenmächtig und ohne Anleitung

Der Hausarzt hatte einer Frau Krankengymnastik verordnet. In der Praxis des Physiotherapeuten nahm sie außerdem am Funktionstraining teil. Sie konnte zu diesem Zweck jederzeit die Praxisräume aufsuchen. Bei einem ihrer Besuche beschloss die Patientin, allein das Laufband auszuprobieren - obwohl man ihr dessen Funktionsweise nicht erklärt hatte. Es gehörte nicht zu ihrem Trainingsprogramm.

Die Frau stellte sich auf die Lauffläche und startete das Gerät. Kaum setzte sich das Band in Bewegung, verlor sie das Gleichgewicht und stürzte. Dabei geriet ihr linker Unterarm zwischen das Band und die metallene Verkleidung des Geräts, Hand und Unterarm wurden arg gequetscht. Vom Physiotherapeuten forderte die verletzte Patientin Schadenersatz und Schmerzensgeld. Ihre Zahlungsklage war beim Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg erfolglos (6 U 212/08).

Den Unfall habe sich die Frau selbst zuzuschreiben, so das OLG, sie habe sich durch ihr unvorsichtiges Verhalten selbst gefährdet. In der physiotherapeutischen Praxis würden alle Patienten mit den Geräten vertraut gemacht, an denen sie trainieren sollten. Der nach den gesundheitlichen Bedürfnissen der Patientin erstellte Trainingsplan enthielt kein Laufband. Man habe sie auch darauf hingewiesen, dass sie nur die im Trainingsplan vorgesehenen Geräte benutzen sollte.

Für den Physiotherapeuten und seine Mitarbeiter habe also kein Anlass bestanden, ihr zu zeigen, wie das Laufband funktionierte. Darin sei kein Versäumnis zu sehen: Von einem erwachsenen und vernünftigen Patienten könne man erwarten, dass er nur Geräte benutzt, in die er eingewiesen wurde. Zumindest hätte die Frau die auf dem Gerät angebrachte Gebrauchsanweisung zur Kenntnis nehmen können: Da stehe gut lesbar, dass das Band mit dem (nicht zu übersehenden) roten Knopf sofort zu stoppen sei und auf keinen Fall ohne Aufsichtsperson eingeschaltet werden sollte.

Schwangere Patientin nicht auf HIV getestet

Gynäkologe muss für das aidskranke Kind Schmerzensgeld zahlen

Als die Frau schwanger wurde, war sie höchstwahrscheinlich bereits mit dem HI-Virus infiziert - wie die Experten später im Rechtsstreit um Schmerzensgeld erläuterten. Damals wusste sie allerdings nichts davon. Und ihr Gynäkologe bot der Patientin keinen HIV-Test an. Die Mutter hat den Virus auf ihren Jungen übertragen, bei dem die Aids-Erkrankung schon kurz nach der Geburt ausbrach. Darunter wird er lebenslang leiden.

Mutter und Kind forderten Schmerzensgeld vom Gynäkologen: Die Infektion des Neugeborenen hätte man ziemlich sicher vermeiden können, wenn klar gewesen wäre, dass die Patientin HIV-positiv war. Der Mediziner pochte dagegen auf die Mutterschaftsrichtlinien, in denen stand, ein HIV-Test sei "gegebenenfalls ... bei jeder Schwangeren durchzuführen". Das sei nur eine Empfehlung. Den Test zu unterlassen, sei also kein Verstoß gegen fachärztliche Standards.

Das Landgericht München I gab Gutachten in Auftrag und befragte medizinische Experten (9 O 14628/04). Ergebnis: Allein die Formulierung "gegebenenfalls" widerlege noch nicht, dass es zum fachärztlichen Standard von Gynäkologen gehöre, bei Schwangeren einen HIV-Test zu machen. Ein Sachverständiger habe bei einer repräsentativen Umfrage unter allen Münchner Gynäkologen ermittelt, dass fast alle ihre schwangeren Patientinnen auf HIV testeten (die Quote lag bei 93,3 Prozent). Bei solchen Werten in der medizinischen Praxis könne man schon auf einen Standard schließen.

Der Junge könnte heute gesund sein, wenn der Test nicht versäumt worden wäre. Meist werde der Virus beim Stillen übertragen, manchmal auch schon bei der Geburt. Wenn das Kind einer infizierten Mutter durch Kaiserschnitt zur Welt komme und anschließend auf das Stillen verzichtet werde, sei eine HIV-Infektion fast zu 100 Prozent auszuschließen. Das Versäumnis des Gynäkologen habe daher die Krankheit des Jungen verursacht. (Die Höhe des Schmerzensgeldes wurde noch nicht festgelegt.)

Modellflieger im Landschaftsschutzgebiet?

Verwaltungsgericht lässt Verein von Modellfliegern abblitzen

Eine ehemalige Raketenstellung der Bundeswehr in Finnentrop/Nordrhein-Westfalen - jetzt Teil eines Landschaftsschutzgebiets - ist heiß begehrt. Ein Motocrossverein war bereits mit dem Antrag gescheitert, das Areal als Übungsgelände nutzen zu dürfen. Nun versuchte ein Verein von Modellfliegern, eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken. Ausnahme deshalb, weil die Landschaftsschutzverordnung im Prinzip verbietet, auf geschützten Flächen Modellsport zu betreiben.

Das Verwaltungsgericht Arnsberg ließ auch diesen Verein abblitzen (1 K 2770/08). Das frühere Militärgelände sei zwar noch nicht umgebaut. Dennoch sei es richtig, es in das Schutzgebiet einzubeziehen. Andernfalls würde der Erholungswert des angrenzenden Geländes beeinträchtigt. Das Landschaftsrecht bestimme, dass solche Flächen der "stillen Erholung" dienen sollten.

Das sei mit dem Vereinszweck unvereinbar. Modellhubschrauber mit Verbrennungsmotoren verursachten Lärm und andere Emissionen, die Natur stelle da nur eine Kulisse dar. Der Lärm sei - wie beim Ortstermin festgestellt - noch aus einer Entfernung von mehreren hundert Metern gut zu hören. Das würde die vielen Erholungsuchenden beeinträchtigen. Der Verein müsse sich anderswo um eine Fläche für den Modellflug bemühen.

Spielhalle mit Automaten als Gaststätte?

Schenkt der Betreiber Getränke aus, muss er das Nichtraucherschutzgesetz beachten

Die Stadt Hannover knöpfte dem Betreiber einer Spielhalle Bußgeld ab: Er ignoriere in seiner Spielhalle mit Geldspielautomaten das Rauchverbot, hielt man ihm vor. Der Geschäftsmann wies jeden Vorwurf weit von sich: Da seine Spielhalle keine Gaststätte im Sinne des Niedersächsischen Nichtraucherschutzgesetzes sei, dürften seine Gäste rauchen. Seine Klage gegen den Bußgeldbescheid scheiterte jedoch beim Oberlandesgericht Celle (322 SsBs 75/09).

Begründung: Der Betreiber der Spielhalle serviere dort kostenlos warme und kalte Getränke, also handle es sich um eine Gaststätte. Auf die Ausnahme für die "Abgabe unentgeltlicher Kostproben" könne er sich nicht berufen. Denn Kostproben dienten dazu, die Kunden zum Kauf von Getränken anzuregen. Hier sei der Zweck aber ein anderer, nämlich die Gäste so lange wie möglich zum Bleiben und zum Spielen an den Automaten zu bewegen und so den Gewinn des Betreibers zu erhöhen.

Fast 100 Pudel in der Wohnung

Hunde wurden ins Tierheim gebracht: Streit um die Kosten

Die Tierschutzbehörde eines Landkreises hatte die Pudelzüchterin schon länger im Visier: Immer wieder waren Mängel in der Tierhaltung festgestellt worden. Die Frau wurde aufgefordert, den Bestand drastisch zu reduzieren. Andernfalls werde man ihr die Hunde wegnehmen und auf ihre Kosten im Heim unterbringen. Nichts geschah. Bei der nächsten Kontrolle fanden Beamte in der total verschmutzten Wohnung 98 Pudel.

Daraufhin ordnete die Behörde an, alle Hunde abzuholen und in verschiedene Tierheime zu transportieren. Fünf Tiere mussten eingeschläfert, einige vom Tierarzt behandelt werden. Manche Pudel fanden ein neues Zuhause; die Heime gaben sie gegen eine Spende an Interessenten ab. Ein paar Jahre nach der "Razzia" bei der Pudelzüchterin forderte der Landkreis von ihr über 30.000 Euro: Ersatz für die Kosten der Unterbringung und Betreuung, Ersatz für die Tierarztkosten.

Beim Verwaltungsgericht Koblenz erzielte die Pudelzüchterin mit ihrer Klage gegen den Kostenbescheid zumindest einen vorläufigen Erfolg (2 K 1388/08.KO). Das Vorgehen des Landkreises sei korrekt gewesen, aber nicht der Kostenbescheid. Ein Kostenbescheid müsse nachvollziehbar sein, so das Gericht. Das sei hier nicht der Fall, deshalb werde der Bescheid ausnahmsweise aufgehoben.

Weitere Sachaufklärung sei nötig. Die Tierheime stellten unterschiedliche Tagessätze in Rechnung. Unklar sei, wie lange einzelne Tiere im Heim blieben und wie viele Pudel medizinisch versorgt werden mussten. Teilweise sei den Rechnungen nicht einmal zu entnehmen, ob überhaupt Pudel aus dem Bestand der Züchterin behandelt wurden oder ob die Kosten durch andere Tiere entstanden.

Auskunft des Finanzamts ...

... über den Status von Mitarbeitern ist ein gerichtlich überprüfbarer Verwaltungsakt

Ein Unternehmen verlangte vom Finanzamt Auskunft darüber, ob seine Mitarbeiter als Arbeitnehmer oder als Selbständige einzustufen seien (= Anrufungsauskunft gemäß § 42e Einkommensteuergesetz). Die Finanzbeamten prüften die Unterlagen und erteilten mehrfach die Auskunft, es handle sich um selbständig tätige Mitarbeiter, für die keine Lohnsteuer abzuführen sei.

Plötzlich wendete sich das Blatt und das Finanzamt widerrief die Auskunft: Die Mitarbeiter seien doch Arbeitnehmer. Gegen den Widerruf könne das Unternehmen aber nicht klagen. Es habe nur die Möglichkeit, später den Lohnsteuerbescheid anzufechten. Dem widersprach der Bundesfinanzhof (BFH), der damit gleichzeitig seine eigene Rechtsprechung änderte (VI R 54/07).

Wenn das Finanzamt Auskunft über den Status von Mitarbeitern erteile, stelle das einen Verwaltungsakt dar, gegen den der Klageweg offen stehe, urteilte der BFH nun. Derlei Anfragen beim Finanzamt sollten Konflikte zwischen Arbeitgebern und den Finanzämtern vermeiden. Steuerliche Fragen - die ja häufig auch die wirtschaftlichen Dispositionen eines Arbeitgebers berührten - sollten möglichst früh geklärt werden.

Es sei mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens unvereinbar, Arbeitgeber zuzumuten, nachträglich den Lohnsteuerbescheid anzufechten. Wenn Arbeitgeber einer Auskunft über den Status ihrer Mitarbeiter widersprechen wollten, müsse das Finanzgericht die Auskunft prüfen. Das Finanzamt dürfe den Arbeitgebern nicht abverlangen, zunächst mal die Lohnsteuer aufs Geratewohl einzubehalten (gegebenenfalls rechtswidrig) oder abzuführen (auch u.U. rechtswidrig).

Überforderter Busfahrer kündigte

Kündigung aus wichtigem Grund: Keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

Sechs Jahre lang hatte der Mann für die Hanauer Straßenbahn AG Busse gefahren. Anschließend arbeitete er als Fahrer für ein privates Busunternehmen. Schon nach zweieinhalb Monaten kündigte er den Arbeitsvertrag und beantragte Arbeitslosengeld. Weil er seinen Job freiwillig aufgegeben hatte, bewilligte es ihm die Agentur für Arbeit jedoch erst einmal nicht. Sie brummte ihm eine Sperrzeit von zwölf Wochen auf.

Gegen den negativen Bescheid zog der Mann vor das Sozialgericht. Er verwies auf die schlechten Arbeitsbedingungen bei dem Unternehmen, die ihm keine andere Wahl gelassen hätten. Stets habe er erst spät am Abend erfahren, ob und wann er am nächsten Tag arbeiten sollte. Der Lohn sei ihm nicht pünktlich gezahlt und die vorgeschriebenen Lenkzeiten nie eingehalten worden.

Das Landessozialgericht Hessen gab dem Busfahrer Recht (L 9 AL 129/08). Liege ein wichtiger Grund für eine Kündigung vor, dürfe gegen den Arbeitnehmer keine Sperrzeit verhängt werden. Werde jemand durch die Arbeitsbedingungen objektiv überfordert, stelle das einen wichtigen Grund im Sinne des Sozialgesetzbuchs dar. Der Busfahrer habe derart unter Druck gestanden, dass er die Anforderungen nicht erfüllen konnte.

Der Mann habe nie gewusst, wann er fahren musste und daher seine Freizeit nicht planen können. Um die ineinander verschachtelten Fahrten vorzubereiten, habe er immer zu wenig Zeit gehabt. Auch die Fahrtzeiten selbst habe das Unternehmen so knapp kalkuliert, dass der Arbeitnehmer häufig um Entlastung bitten musste. Unter diesen schwierigen Bedingungen habe seine Konzentration gelitten, was früher oder später auch die Verkehrssicherheit hätte beeinträchtigen können.

Vater missbrauchte geistig behinderte Tochter

Deren Betreuerin verklagte ihn im Namen der Tochter auf Schmerzensgeld

Das geistig und körperlich schwer behinderte Mädchen wurde von seinem Vater sexuell missbraucht. Es wurde schwanger und brachte eine Tochter zur Welt. Mittlerweile lebt das vergewaltigte Mädchen in einem Pflegeheim. Die Betreuerin verlangte im Namen ihres Schützlings vom Vater 7.500 Euro Schmerzensgeld.

Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte den Vater zur Zahlung (19 U 29/07). Die Tochter sei unfähig zu jedem Widerstand: Das habe der Vater genutzt für sexuelle, inzestuöse Übergriffe. Eine Vergewaltigung richte sich gegen die personale Würde der Frau. Das sei durch ein Schmerzensgeld auszugleichen, selbst wenn man hier davon ausgehen müsse, dass die Missbrauchte aufgrund ihrer massiven geistigen Behinderung den Missbrauch verstandesmäßig nicht als solchen wahrgenommen habe.

Auch die Beschwerlichkeiten der Schwangerschaft und der Schnittentbindung habe das Mädchen erdulden müssen. Die Betreuerin könne der Tochter mit dem Schmerzensgeld Annehmlichkeiten verschaffen, die ihr im Pflegeheim sonst nicht zur Verfügung stünden, und so für ein bisschen mehr Lebensfreude sorgen.

Wildschweine zerwühlten Streuobstwiese

Landwirt erhält keinen Schadenersatz, weil er das Grundstück nicht einzäunte

Am Waldrand besaß der Bauer eine Wiese mit Obstbäumen. Was er an Obst erntete, verkaufte er. Obst, das schon vorher von den Bäumen fällt, zieht Wild an - in dem Fall eine Wildschwein-Familie, die das ganze Grundstüsck zerwühlte. Anschließend stritt der Landwirt mit den Jagdpächtern des angrenzenden Jagdbezirks um Schadenersatz für den Wildschaden. Der Streit landete beim Amtsgericht Schorndorf (2 C 1011/08).

Der Amtsrichter wies die Klage des Landwirts ab und verwies auf das Bundesjagdgesetz: Der Inhaber des Jagdrechts müsse Wildschäden an Weinbergen, Gärten, Obstgärten, Baumschulen und Forstkulturen etc. nur ersetzen, wenn der Eigentümer Schutzvorrichtungen installiert habe, um den Schaden abzuwenden. Das sei sinnvoll, denn an allen diesen Orten bestehe ein erhöhtes Risiko für Wildschaden: Zu den Obstgärten zähle auch eine Streuobstwiese. Jede Ansammlung von Obstbäumen sei wegen des Fallobstes für Wild ein Anziehungspunkt. Deshalb hätte der Grundstückseigentümer die Wiese einzäunen müssen.

Vergeblich wies der Landwirt darauf hin, dass er für einen Zaun im Außenbereich eine Erlaubnis der Gemeinde benötige, die man ihm verweigert habe. Das könne nicht zu Lasten der Jagdpächter gehen, erklärte der Amtsrichter ungerührt. Vom "Rechtsverhältnis des Grundstückseigentümers zur Gemeinde" seien die Jagdpächter nicht betroffen. Man könne sie nicht allein deshalb zu Schadenersatz verurteilen, weil dem Landwirt baurechtlich verboten wurde, einen Zaun zu errichten - zumal sie darauf keinen Einfluss hätten.

Arbeitgeber lud zu einer Reise ein

Mitarbeiterin verletzte sich bei Fahrt mit dem Snowmobil: kein Arbeitsunfall

Es handelte sich um eine so genannte "Incentive-Reise": Das sind Reisen, die Arbeitgeber finanzieren, um verdiente Mitarbeiter zu belohnen. Passiert während solcher Reisen ein Unfall, muss dafür nicht die gesetzliche Unfallversicherung einspringen, so das Sozialgericht Darmstadt (S 3 U 27/07).

Der konkrete Fall: Eine IT-Firma mit Sitz in Darmstadt lud Mitarbeiter, die am Umsatz 2005 in besonderer Weise beteiligt waren, im Frühjahr 2006 zu einer Reise nach Lappland ein. Zu den so ausgezeichneten Mitarbeitern gehörte eine 33 Jahre alte Angestellte. Bei der Fahrt mit einem Snowmobil verletzte sie sich an der Lendenwirbelsäule. Zuhause musste sie im Krankenhaus behandelt werden.

Für die Kosten sollte die Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung aufkommen. Diese lehnte ab: Outdooraktivitäten seien Freizeitvergnügen und keine versicherte Tätigkeit. Der Unfall sei also kein Arbeitsunfall, für den die gesetzliche Unfallversicherung einspringen müsste. So sah es auch das Sozialgericht Darmstadt und wies die Zahlungsklage der Arbeitnehmerin gegen die Berufsgenossenschaft ab.

Versichert seien Arbeitnehmer zwar nicht nur während der Arbeit, sondern auch bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wie Betriebsfeiern oder Betriebsausflügen. Eine Incentive-Reise sei aber keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung.

Die IT-Firma habe nicht alle Arbeitnehmer dazu eingeladen, sondern nur besonders engagierte Mitarbeiter, die auf diese Weise belohnt und neu motiviert werden sollten. Sich so für besondere Leistungen zu bedanken bzw. die Mitarbeiter durch eine Belohnungsreise enger an sich zu binden, sei natürlich legitim. Doch werde dadurch nicht der gesetzliche Unfallversicherungsschutz auf sonst unversicherte Tätigkeiten ausgeweitet.

Undichtes Dach einer Wohnanlage

Verzögert sich eine Reparator ohne Verschulden der Eigentümer, haften sie nicht für Mietausfall

Das Dach einer Wohnungseigentumsanlage war undicht. Auf einer Eigentümerversammlung wurde 1997 beschlossen, das Dach komplett zu sanieren. Jahre vergingen, bis die Kostenverteilung vereinbart und Bauexperten mit der Planung fertig waren. 2001 schlug ein anderer Sachverständiger eine kostengünstigere Art der Sanierung vor: Die Pläne wurden geändert, erst 2003 wurden die neuen von den Eigentümern mit Mehrheit abgesegnet.

Nun verklagte B, Eigentümer der Dachgeschosswohnung, die übrigen Eigentümer auf Schadenersatz in Höhe von 130.000 Euro: Er habe seine Wohnung fünf Jahre lang wegen der angeblich unmittelbar bevorstehenden Dachsanierung nicht vermieten können.

Wenn es der Eigentümergemeinschaft als Verschulden anzukreiden wäre, dass die notwendige Sanierung zu spät durchgeführt wurde, dann hätte B Anspruch auf Schadenersatz für den Mietausfall, betonte das Oberlandesgericht (OLG) München (32 Wx 120/08). Das träfe sogar dann zu, wenn die Eigentümergemeinschaft wirksam beschlossen hätte, die Instandsetzung aufzuschieben oder aufzuheben, so das OLG.

Denn auch bestandskräftige Beschlüsse könnten ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. B habe aber keine schuldhafte Pflichtverletzung der anderen Eigentümer belegen können. Mit den Beschlüssen von 1997 und 1998 seien die Eigentümer ihrer Pflicht nachgekommen, in einem angemessenen Zeitraum dafür zu sorgen, dass Schäden am Gemeinschaftseigentum behoben würden.

Warum diese Pläne so lange nicht in die Tat um gesetzt worden seien, habe dem Gericht niemand (auch B nicht) nachvollziehbar erläutern können. Dass die Eigentümer 2003 den Vorschlag akzeptierten, das Dach kostengünstiger zu modernisieren, sei ohnehin nicht kritikabel. Der Beschluss, Kosten zu sparen, überschreite den Ermessensspielraum der Wohnungseigentümer nicht.

Juristischer Schriftsatz kam einen Tag zu spät

Wenn eine Anwältin auf die Leerungszeiten "ihres" Briefkastens vertraut, ist das kein Versäumnis

Ein Bürger legte gegen ein für ihn negatives Urteil Berufung ein. Doch die Berufungsbegründung seiner Anwältin kam einen Tag nach Fristablauf beim Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken an. Damit ist in der Regel der Fall erledigt - außer, der Betroffene kann nachweisen, dass die Frist ohne sein Verschulden (bzw. des Anwalts) versäumt wurde. Gelingt ihm das, wird so verfahren, als hätte er die Frist nicht versäumt, d.h. juristisch: Es wird ihm "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt.

Im konkreten Fall trug der Kläger vor, seine Anwältin habe am Tag vor Fristablauf die Berufungsbegründung verfasst. Kurz nach der Mittagspause habe sie das Schreiben in einen Briefkasten in Kanzleinähe eingeworfen, der werktags regelmäßig um 14.30 Uhr geleert werde. Gegen 14 Uhr sei sie dorthin gegangen, für den Weg benötige man zu Fuß höchstens acht Minuten.

Das OLG bejahte trotzdem ein Verschulden: Der Absender eines fristgebundenen Schriftsatzes dürfe nicht auf die gewöhnlichen Postlaufzeiten vertrauen, wenn er die Postsendung so kurz vor der Leerungszeit in den Briefkasten werfe. Dem widersprach der Bundesgerichtshof: Wer die von der Deutschen Post-AG angegebenen Leerungszeiten beachte, habe alles Nötige getan (IV ZB 2/08).

Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post dürften Anwälten und ihren Mandanten nicht als Versäumnis angerechnet werden. Darauf hätten sie keinerlei Einfluss. In ihre Verantwortung falle es nur, das Schriftstück so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den üblichen organisatorischen Vorgaben der Deutschen Post-AG den Empfänger fristgerecht erreiche.

Anders läge der Fall nur, wenn etwa ein Streik der Postmitarbeiter oder Ähnliches angekündigt und Verzögerungen absehbar wären. Im Normalfall dürfe jedoch eine Prozesspartei darauf vertrauen, dass Postsendungen, die sie im Bundesgebiet werktags aufgibt, am folgenden Werktag ausgeliefert werden.

BVerfG mahnt effektiven Rechtsschutz an

Eine Prozessdauer von 22 Jahren ist nicht mehr akzeptabel

Die Bank hatte Frau T - Eigentümerin mehrerer Grundstücke mit Kiesvorkommen, die 1986 finanziell in der Klemme war - einen Kredit versprochen, um die Zwangsversteigerung abzuwenden. Doch die Bank hatte ihr Versprechen am Tag der Versteigerung zurückgezogen. T verklagte das Kreditinstitut auf Schadenersatz, weil sie so die Grundstücke weit unter Wert habe verschleudern müssen. 1990 sprach das Oberlandesgericht Frau T einen Teilanspruch zu und verwies die Sache ans Landgericht zurück.

Entschieden wurde bis heute nicht. Das lag auch an Frau T, hatte sie doch erst auf einen Vergleich mit der Bank gehofft und den Prozess aussetzen lassen. Später änderte sie wiederholt ihre Anträge, den Anwalt oder lehnte Richter als befangen ab. 1996 hatte das Landgericht ein Gutachten in Auftrag gegeben, um den Verkehrswert der Grundstücke zu prüfen: Dabei wurden die Kiesvorkommen nicht berücksichtigt. 11 Jahre später beauftragte es erneut einen Gutachter damit, die Grundstücke zu bewerten - diesmal Kiesvorkommen inklusive.

Nun erhob T Verfassungsbeschwerde gegen die überlange Dauer des Verfahrens, die gegen das Prinzip effektiven Rechtsschutzes verstoße. So sah es auch das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2662/06). Obwohl T durch ihr Verhalten dazu beigetragen habe, den Prozess in die Länge zu ziehen, sei es nicht hinnehmbar, dass nach über 22 Jahren immer noch kein Ende des Verfahrens absehbar sei. Das Landgericht müsse es zu einem Ende bringen. Dafür müsse man notfalls auch Personal woanders abziehen.

P.S.: Für diesen Rüffel benötigte übrigens das Bundesverfassungsgericht auch mindestens zweieinhalb Jahre. Wie dem Aktenzeichen zu entnehmen ist, wurde die Verfassungsbeschwerde 2006 erhoben.

Nachts müssen die Gäste drinnen sitzen ...

Stadt Koblenz verbot das Bewirten im Freien nach 23 Uhr

Die Stadt Koblenz legte sich für die Nachtruhe ihrer Bewohner ins Zeug: Drei Gaststätten am Münzplatz wurde es verboten, nach 23 Uhr ihre Gäste im Freien zu bewirten: Sie hätten regelmäßig die zulässigen Lärmwerte überschritten. Gegen das Verbot legten die Gastwirte Widerspruch ein: Die Immissionen seien verkehrt ermittelt worden, behaupteten sie. Außerdem sei es falsch, nur sie mit einem Verbot zu belegen. Andere Gaststätten im Stadtgebiet würden nicht einmal kontrolliert.

Das Verwaltungsgericht Koblenz stellte sich auf die Seite der Kommune (1 L 807/09, 1 L 808/09, 1 L 809/09). Das Landes-Immissionsschutzgesetz verbiete zwischen 22 Uhr und sechs Uhr früh jede Störung der Nachtruhe. Die sei gar nicht zu vermeiden, wenn Restaurant-Gäste draußen tafelten: Da klirrten Gläser und Geschirr, da würden Stühle verrückt, da unterhielten sich die Gäste und lachten.

Es komme daher gar nicht mehr darauf an, ob die Stadt die Intensität der Geräusche 100-prozentig genau gemessen habe. Man könne jedenfalls nicht ausschließen, dass die Nachtruhe der Anwohner am Münzplatz gestört werde. Die Stadt Koblenz sei geradezu verpflichtet, dagegen vorzugehen. Das wirtschaftliche Interesse der Gastwirte müsse gegenüber dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung zurücktreten.

Sollte es zutreffen, dass die Stadt gegen andere Gastwirte pflichtwidrig nichts unternehme, begründe das keinen Anspruch der Gastwirte am Münzplatz darauf, von der Stadtverwaltung ebenfalls rechtswidrig verschont zu werden.

Auf Lockvogel-Inserat hereingefallen

Partnerschaftsvermittler zockte Senior ab: sittenwidriger Vertrag

Die in einer Anzeige des Partnerschaftsvermittlungsinstituts abgebildete Dame hatte dem 74-Jährigen gut gefallen. Um sie kennenzulernen, rief er die angegebene Telefonnummer an. Statt mit der Dame, die angeblich gerne einen Partner finden wollte, sprach er am Telefon natürlich mit dem Vermittler. Dass solche Inserate nur Kunden anlocken sollen, war dem Senior nicht klar.

Nach dem Telefongespräch bekam er Besuch von einer Mitarbeiterin des Instituts, die ihm einen Freundschaftsvermittlungsvertrag aufschwatzte. Für zwei Partnervorschläge sollte er 2.500 Euro berappen. Der Mann zahlte 2.000 Euro an, widerrief aber anschließend die Vereinbarung. Das Amtsgericht Aachen erklärte den Vertrag für nichtig (104 C 350/08). Für einen Partnervorschlag 1.250 Euro zu verlangen, sei überhöht, so der Amtsrichter.

Die Gegenleistung des Instituts stehe zur Leistung des Kunden in einem auffälligen Missverhältnis, zumal das Institut in keiner Weise für die Eignung der benannten Frauen einstehe (oder auch nur für deren Vermittlungswilligkeit). Darüber hinaus sei der Vertrag auch deshalb sittenwidrig, weil der Vermittler das fehlende Urteilsvermögen des Seniors ausgenutzt habe, um Geld zu verdienen.

Der Kunde habe die Tragweite des Vertrags überhaupt nicht einschätzen können. Auch vor Gericht habe er immer wieder beteuert, dass er nur Kontakt zu der Frau aus der Anzeige haben wollte. Statt dessen habe man ihm eine ganz andere Partnerin vorgeschlagen, die er gar nicht kennen lernen wollte. Wie solche Institute vorgehen, habe er bis heute nicht verstanden. Den mangelnden Durchblick habe der Vermittler zielgerichtet dazu genutzt, um dem Senior "mehr oder minder wertlose Leistungen zu einem deutlich überteuerten Preis" anzudrehen.

Arbeitsloser beantragt Zuschuss ...

... um die Wohnung einzurichten: Grundsicherungsträger muss ihn gewähren

Der arbeitslose Berliner B hatte 2003 eine Wohnung mit 42 Quadratmetern gemietet. Damals bezog er Arbeitslosenhilfe, ab 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz-IV-Leistungen"). 2003 hatte B die Wohnung nicht eingerichtet, weil er zuerst seine Schulden abzahlen wollte. Sobald er wieder Arbeit habe, so dachte B, werde er sich auch Möbel anschaffen. Vorerst könne er ja auf einer alten Matratze auf dem Boden schlafen.

Zu seinem Pech blieb es bei diesem Provisorium, denn B fand keine neue Stelle. Deshalb beantragte er im November 2005 beim Träger der Grundsicherung, ihm einen Zuschuss für eine Erstausstattung zu gewähren: Schränke für Küche und Wohnzimmer, ein Bett mit Lattenrost und neuer Matratze, einen Schuhschrank für den Flur. Sein Antrag wurde abgelehnt. Man gestand B nur ein Darlehen von 344 Euro zu - daraufhin zog er vor Gericht.

Zu Recht, wie Bundessozialgericht entschied (B 14 AS 45/08 R). Der Grundsicherungsträger sei verpflichtet, Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung als Zuschuss - eventuell auch als Sachleistung - und nicht nur als Darlehen zu gewähren. Dass der Arbeitslose die Wohnung schon im November 2003 bezogen und damals auf den Erwerb von Möbeln verzichtet habe, stehe dem nicht entgegen.