Eine 24-Jährige ging wegen Kopfschmerzen und Beschwerden im Halswirbelbereich (HWS) zunächst zum Hausarzt. Dessen Spritzen wirkten nicht. Deshalb konsultierte die junge Frau einen Allgemeinmediziner, der sich auf Sportmedizin und Chirotherapie spezialisiert hatte. Er stellte fest, dass der vierte Halswirbel blockiert war, und löste diese durch chiropraktische Manipulation. Eine Woche später brachte ein Krankenwagen die Frau in die Notaufnahme einer Klinik.
Beim Einrenken der HWS-Blockade sei die Wirbelarterie (arteria vertebralis) verletzt worden, lautete die Diagnose. Sehr starke Kopfschmerzen und Durchblutungsstörungen von Hirnbereichen waren die Folge, die wiederum Sehstörungen, Taubheit in den Fingern und Schwindel auslösten. Nach zwei Wochen wurde die Frau aus der Klinik entlassen und vom Hausarzt weiter behandelt. Vom Sportarzt forderte sie 15.000 Euro Entschädigung für den Behandlungsfehler.
Ein ärztlicher Kunstfehler sei nicht bewiesen, erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg. Das OLG sprach der Patientin jedoch 7.500 Euro Schmerzensgeld wegen unterlassener Risikoaufklärung zu (5 U 10/08). Sie habe dem Eingriff nicht wirksam zugestimmt, so das OLG, weil sie vorher nicht über Erfolgsaussichten, Gefahren und mögliche Alternativen informiert wurde. Deshalb sei die chiropraktische Behandlung rechtswidrig gewesen.
Verletzungen der Arterien gehörten zu den seltenen, aber typischen Risiken manueller Eingriffe an der Halswirbelsäule. Das betreffe nicht nur unsachgemäße Rotationsbewegungen, sondern bei entsprechender Konstitution des Patienten auch durchaus sachgerecht durchgeführte manuelle Therapie. Grundsätzlich müssten Ärzte einen Patienten auch über seltene Risiken aufklären, wenn diese im Fall des Falles den Patienten schwer belasten würden.
Das treffe bei einer Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff - mit möglicher Hirnschädigung bis hin zur Todesfolge - zweifellos zu. Weil das "Einrenken" durch den Chiropraktiker ambulant und ohne vorbereitende Maßnahmen durchgeführt werde, gehe der unwissende Laie von einer risikolosen Routinemaßnahme aus. Anders als bei einer Operation rechne er hier nicht mit möglicherweise gravierenden Komplikationen, die sein Leben grundlegend verändern könnten. Um so wichtiger sei es, Patienten vorher gründlich über die Gefahren zu informieren.