Sonstiges

Eine Pauschale ist eine Pauschale

Tochter will nach der Urnenbeisetzung der Mutter den vereinbarten Pauschalpreis nicht zahlen

2008 war eine Münchnerin gestorben. Ihre Tochter, Frau A, vereinbarte mit einem Beerdigungsinstitut, dass die Mutter zum Pauschalpreis von 1.500 Euro in einer Urne beigesetzt werden sollte. Nach den Feierlichkeiten weigerte sich die Kundin jedoch, den Betrag zu begleichen.

Begründung: Der im Preis enthaltene Transport zum Friedhof sei ausgefallen. Andere Gebühren und Auslagen habe das Institut nicht belegt. Außerdem habe sie eigentlich eine anonyme Beerdigung gewünscht, die 500 Euro billiger gewesen wäre. Das Beerdigungsinstitut verklagte Frau A auf Zahlung und bekam vom Amtsgericht München Recht (161 C 3964/09).

Laut Vertrag habe Frau A mit dem Institut eine Pauschale vereinbart. Nun sei es gerade Sinn und Zweck einer Pauschale, dass die Leistung - hier also die Beisetzung - mit einem Betrag abgegolten werde, anstatt einzelne Leistungen abzurechnen. Dass es preiswertere Varianten gebe, spiele daher keine Rolle. Auch die Frage, ob das Institut den Leichentransport durchgeführt habe, könne offenbleiben. Denn: Wie sich der vereinbarte Preis zusammensetze, sei bei einer Pauschale gleichgültig.

Ex-Beamter fordert Unfallruhegeld

Lehrer entging einem Amoklauf und erkrankte psychisch: Dienstunfall?

Die Staatliche Wirtschaftsschule Freising (Bayern) hatte 1996 Schüler M hinausgeworfen. Die Schuld daran gab M dem Schulleiter und seinem Lehrer L: An denen werde er sich eines Tages rächen, kündigte er damals schon an. Im Februar 2002 erschien der junge Mann schwer bewaffnet in der Schule, tötete den Schulleiter und suchte L. Vergeblich, denn der Lehrer lag zu seinem Glück mit Grippe im Bett.

M zündete mehrere Sprengsätze und tötete sich anschließend selbst. L war zu Beginn des Amoklaufs von der Polizei informiert worden und fuhr erst, als alles vorbei war, freiwillig in die Schule. Die Konfrontation mit den Toten war wohl trotzdem ein Schock: Jedenfalls wurde L bald darauf wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in den Ruhestand versetzt.

Seitdem bezieht er ein gekürztes Ruhegehalt und kämpft um Unfallruhegeld. Während das Verwaltungsgericht einen indirekten Gesundheitsschaden bejahte, ließ der bayerische Verwaltungsgerichtshof den Lehrer abblitzen: Ein Dienstunfall liege nicht vor, weil L zum Zeitpunkt des Amoklaufs nicht im Dienst war. Deshalb habe er auch keinen körperlichen Schaden davongetragen, sei nicht angegriffen worden, so wie es der verirrte junge Mann vorhatte.

Mit dieser Argumentation war das Bundesverwaltungsgericht nicht einverstanden (2 C 134.07). Auch psychische Schäden könnten die Folge eines Vergeltungsangriffs sein (so nennt man es, wenn ein Beamter wegen eines korrekten dienstlichen Verhaltens angegriffen wird). Dann wäre der Amoklauf als Dienstunfall einzustufen. Allerdings müsse ein ärztliches Attest belegen, dass die Krankheit auf den Angriff zurückzuführen sei und nicht etwa auf eine bestimmte Veranlagung des Opfers. Wenn das zutreffe, stehe dem ehemaligen Lehrer Unfallruhegeld zu.

Wohnungseigentümer überschreiten mit Hausverbot ...

... für den Lebensgefährten einer Eigentümerin ihre Kompetenzen

Frau U machte es den Mitbewohnern wirklich nicht leicht. Die psychisch kranke Frau - sie litt an einer "schizoaffektive Psychose" - weinte oft laut oder schrie. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, Herrn R, störte sie regelmäßig die Nachtruhe im Haus. Eines Tages beschloss die Wohnungseigentümerversammlung, Herrn R ein generelles Hausverbot zu erteilen. Sofort legte Frau U dagegen Rechtsmittel ein, die jedoch nicht von Erfolg gekrönt waren.

Gegen die gerichtliche Entscheidung erhob die Eigentümerin Verfassungsbeschwerde und bekam vom Bundesverfassungsgericht Recht (2 BvR 693/09). Das Landgericht habe den Umfang der Eigentumsgarantie falsch ausgelegt, so die Verfassungsrichter. Jeder Wohnungseigentümer bestimme über die Nutzung seines Eigentums selbst, dazu gehöre es auch, die Wohnung gemeinsam mit Dritten zu benützen. In ihrer Wohnung habe allein Frau U das Hausrecht.

Im Hinblick auf die Garantie des Eigentums könne auch einmal eine nicht so angenehme Nutzung des Eigentums hinzunehmen sein. Zudem habe das Landgericht nicht geprüft, ob es vielleicht ein milderes Mittel als ein Hausverbot gegeben hätte, das störende Verhalten abzustellen. Es sei dem Urteil nicht einmal zu entnehmen, ob die Eigentümer Herrn R dazu aufgefordert hätten, nachts Ruhe zu geben. Erst wenn das erfolglos versucht wurde, komme ein Hausverbot in Betracht, aber nur ein zeitlich beschränktes - beschränkt auf die nächtliche Ruhezeit.

Die gläserne Eingangstür

Kaufhauskundin prallt gegen die Tür und fordert Schmerzensgeld

Eine 66 Jahre alte Münchnerin wollte im Sommer 2008 in der Kaufhof-Filiale am Stachus etwas besorgen. Am Eingang stieß sie mit dem Kopf gegen die geschlossene Glastüre. Die Kundin erlitt angeblich eine Gehirnerschütterung und konnte eine Weile nur verschwommen sehen.

Vom Betreiber des Kaufhauses verlangte die Frau 1.500 Euro Schmerzensgeld und 1.249 Euro für eine Haushaltshilfe, die sie beschäftigen musste. Der Kaufhaus-Inhaber sei für das Missgeschick verantwortlich, meinte sie, weil man die Glastüre nicht erkennen konnte. Ein paar Aufkleber seien leicht zu übersehen, die Griffe viel zu unauffällig. Außerdem sei es sehr heiß gewesen. Alle anderen Glastüren hätten offen gestanden, nur eben diese nicht.

Die Zahlungsklage der Kaufhauskundin scheiterte beim Amtsgericht München (172 C 1190/09). Die zuständige Richterin sah sich die Fotos an, die der Anwalt der Frau vorgelegt hatte; sie zog daraus allerdings andere Schlüsse.

Die Metallgriffe reichten fast über die gesamte Türhöhe und fielen sofort ins Auge, erklärte die Amtsrichterin. Auch der Metallrahmen an der unteren Türkante sei deutlich erkennbar. Auf einem ca. 80 Zentimeter breiten Rahmen stehe auffällig der Schriftzug des Kaufhauses. Darüber hinaus klebten an der Glastüre mehrere Aufkleber: die Öffnungszeiten, ein Aufkleber mit Pay-Back-Informationen und ein Aufkleber "Rauchen verboten".

Die Kundin hätte also sehr wohl sehen können, dass sie auf eine geschlossene Türe zuging. Generell gelte: Im Eingangsbereich eines Kaufhauses müsse ein verständiger Besucher mit dem Vorhandensein von Glastüren rechnen. Man dürfe nicht sorglos darauf vertrauen, den Eingang ungehindert passieren zu können. (Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil blieb beim Landgericht München I ohne Erfolg.)

Fehlerhaft befestigtes Autorad ...

... löst sich während der Fahrt und beschädigt ein anderes Auto: Behebbarer Mangel?

Den Gebrauchtwagen hatte die Frau einige Wochen vorher beim Händler gekauft. Dann passierte der Unfall: Im Fahren löste sich ein Vorderrad, rollte über die Straße und beschädigte ein anderes Auto. Der "neue" Gebrauchte blieb fast heil. Nach diesem Vorfall wollte ihn die Autofahrerin trotzdem zurückgeben. Das sollte ein Anwalt für sie erledigen.

Der Rechtsanwalt forderte den Autohändler auf, den Schaden zu ersetzen und den Kauf rückgängig zu machen. Den Mangel zu beheben (d.h., den Kaufvertrag nachträglich durch Lieferung einwandfreier Ware zu erfüllen), sei nicht mehr möglich, denn das schlecht montierte Rad "sei ja nun ab". Da er dieser Ansicht war, setzte der Anwalt dem Verkäufer auch keine Frist für die Beseitigung des Mangels.

Das erwies sich als Fehler: Die Käuferin verlor deshalb den Prozess gegen das Autohaus. Anschließend verklagte sie den Anwalt auf Ersatz für Anwalts- und Gerichtskosten. Beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte die Frau damit Erfolg (17 U 282/08). Der Anwalt habe die Mandantin falsch beraten, so das OLG.

Der Schaden am fremden Auto sei nicht mehr rückgängig zu machen, den müsse der Versicherer ersetzen. Das sei aber zu trennen vom Umgang mit dem Kaufvertrag für den Gebrauchtwagen: Wenn ein Rad schlecht befestigt sei, könne dieser Mangel durchaus behoben werden. In so einem Fall dürfe man nicht gleich vom Kaufvertrag zurücktreten.

So ein technischer Defekt sei eine Bagatelle; ihn zu beheben, koste nicht viel. Jedenfalls nicht mehr als fünf Prozent des Kaufpreises: Alles was darunter liege, sei eine Bagatelle. Auch deshalb rechtfertige es dieser Mangel nicht, den Kauf rückgängig zu machen. Daher hätte der Anwalt auf jeden Fall dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung setzen müssen, anstatt der Kundin zum Rücktritt vom Kauf zu raten.

NS-Siedlung "Roter Adler" ...

... steht unter Denkmalschutz: Bewohner darf nichts verändern

Die 1937 bis 1938 gebaute Wohnsiedlung "Roter Adler" in Berlin-Wittenau steht unter Denkmalschutz. Ein Bewohner der Siedlung brachte 2007 an seinem Haus ein Vordach an und ersetzte die ursprüngliche Leuchte durch eine Edelstahllampe. Vom Bezirksamt Reinickendorf wurde er gebeten, den "Eingriff" in die einheitliche Ästhetik rückgängig zu machen.

Darauf reagierte der Hausbesitzer mit grundsätzlicher Kritik: Angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen sei es für ihn nicht nachvollziehbar, dass dem unbekannten Architekten der Siedlung und den Initiatoren des NS-Volks-wohnungsbauprogramms ein Denkmal gesetzt werde. Außerdem entsprächen seine Veränderungen durchaus dem schlichten Baustil der Anlage und damit dessen Ideal der Einfachheit.

Den Rechtsstreit mit der Denkmalschutzbehörde um die Erlaubnis für Vordach und Edelstahllampe verlor der Hausbesitzer. Das Verwaltungsgericht Berlin betonte, die Siedlung "Roter Adler" sei trotz ihrer Entstehungsgeschichte schutzwürdig (VG 16 A 166/08). Sie stehe gerade als Zeugnis für das damalige Wohnungsbaukonzept unter Denkmalschutz, wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Geschichte der Stadt.

Nach einer Ortsbesichtigung teilten die Richter auch die Ansicht der Denkmalschutzbehörde, dass die Veränderungen des Hausbesitzers zu weit gingen und nicht genehmigt werden könnten. Das Vordach und die Edelstahllampe gäben seinem Haus eine individuelle Note. Schon deshalb fügten sie sich nicht in das einheitliche Erscheinungsbild der Siedlung ein.

Strom braucht man auch im Bauwagen

Hartz-IV-Empfänger erhält Darlehen für eine neue Solaranlage

Ein Hartz-IV-Empfänger wohnt seit längerer Zeit in einem (etwa zehn Quadratmeter großen) Bauwagen, der auf einem Wagenplatz in Frankfurt am Main steht. Der Platz ist nicht an die öffentliche Stromversorgung angeschlossen. Mit einem Holzofen heizt der 43-Jährige seinen Bauwagen, Strom erzeugt er mit einer Solaranlage. Im Oktober 2007 ging sie kaputt und der Mann beantragte beim Rhein-Main-Job-Center eine neue Solaranlage.

Das Job-Center wollte ihm allenfalls ein Darlehen für die "preisgünstigste Stromversorgung" bewähren. Eine Solaranlage für 6.195 Euro sei zu teuer, dafür gebe es kein Darlehen. In der Bauwagensiedlung dürfe er keinen Stromgenerator aufstellen, konterte der Hilfeempfänger, und klagte ein Darlehen von 6.195 Euro ein. Beim Landessozialgericht Hessen setzte er sich gegen das Job-Center durch (L 7 AS 326/09 B ER).

Hartz-IV-Empfänger hätten Anspruch auf Ersatz für "angemessene Unterkunftskosten", so die Richter. In Frankfurt liege die durchschnittliche Jahresmiete (inklusive Nebenkosten) für angemessenen Wohnraum für eine Person bei etwa 5.360 Euro. Verglichen damit sei das Darlehen für eine neue Solaranlage am Bauwagen nicht unverhältnismäßig hoch.

Bei selbst genutztem Wohneigentum gehöre auch der Kauf einer Solaranlage zu den Unterkunftskosten, wenn keine andere Möglichkeit der Stromversorgung bestehe. Eine funktionierende Stromversorgung gehöre zum elementaren Lebensbedarf - von diesem Grundbedürfnis des Lebens und Wohnens dürfe man niemanden ausschließen.

Markwort contra Willemsen

Kritisches Interview zu "Lügen in den Medien" war keine Rufschädigung

2008 tourten die Autoren und Kabarettisten Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen mit einem zeitkritischen Bühnenprogramm durch die Republik. Es hieß: "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort - Die Weltgeschichte der Lüge". Aus diesem Anlass gab Roger Willemsen wenige Tage vor einem Bühnenauftritt einer Tageszeitung ein Interview.

Darin erläuterte er seine Ansicht, dass vor allem in den Medien nicht mehr seriös gearbeitet, sondern immer mehr und immer offener gelogen werde. Als ein Beispiel unter vielen erwähnte Herr Willemsen einen Bericht über den Schriftsteller Ernst Jünger in der Zeitschrift "Focus". "Das Focus-Interview, das Markwort mit Ernst Jünger geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der Bunten erschienen".

Markwort, Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Focus", wollte diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, der seinem Ansehen schade. Der Zeitungsverlag dürfe dieses Interview nie mehr abdrucken, forderte Markwort, auch nicht auszugsweise. Doch anders als die Vorinstanzen erklärte der Bundesgerichtshof die strittigen Äußerungen für unbedenklich (VI ZR 226/08).

Die Aussage "Heute wird offen gelogen" richte sich nicht gegen Herrn Markwort persönlich, sondern gegen die Berichterstattung im Magazin "Focus", für die der Chefredakteur verantwortlich sei. Es handle sich um eine Meinungsäußerung mit einem "wahren Tatsachenkern". Willemsen sei der Meinung, in den Medien fehle es an Wahrheitsliebe.

Diese Ansicht müsse man nicht teilen, aber es sei jedenfalls nicht unzulässig, sie öffentlich zu vertreten. Roger Willemsen verfolge ein schützenswertes Interesse - nämlich das Interesse an Wahrheit und Seriosität der Medienarbeit. Die Kritik tangiere zwar das Persönlichkeitsrecht von Herrn Markwort. Da er aber das Interview mit Ernst Jünger nicht selbst geführt habe, müsse hier der Persönlichkeitsschutz hinter dem Recht des Zeitungsverlags auf Pressefreiheit zurücktreten.

Ausrangierte Elektro(nik)geräte

Hersteller müssen auch fremde Altgeräte auf eigene Kosten entsorgen

Gemäß Elektro- und Elektronikgerätegesetz sind die Produzenten verpflichtet, Altgeräte zurückzunehmen und zu entsorgen. Organisiert wird das von der "Stiftung Elektro-Altgeräte Register": Die Stiftung weist die bei den kommunalen Sammelstellen in Containern gesammelten Geräte den Herstellern zum Entsorgen zu, entsprechend dem jeweiligen Marktanteil des Produzenten pro Geräteart. Nach diesem System müssen die Produzenten auch fremde Altgeräte entsorgen.

Ein Hersteller hochwertiger elektronischer Kommunikationsgeräte zog dagegen gerichtlich zu Felde: Er müsse aufgrund der Einteilung der Altgeräte in nur fünf verschiedene Sammelgruppen Geräte entsorgen, die nicht aus seiner Produktpalette stammten. Die Einteilung sei zu undifferenziert. Das Berechnungssystem der Stiftung sei intransparent und benachteilige die Hersteller qualitativ hochwertiger Produkte mit langer Lebensdauer.

Beim Bundesverwaltungsgericht stieß das Unternehmen mit seinen Einwänden nicht auf Zustimmung (7 C 20.08). Das vom EU-Recht vorgeschriebene Verursacherprinzip erlaube es, den Produzenten die Entsorgungskosten für fremde Altgeräte aufzuerlegen. Nur so gelinge eine möglichst umfassende Entsorgung von Elektroschrott im Interesse des Umweltschutzes.

Diese Pflicht sei auch finanziell zumutbar, weil sie sich am Marktanteil der Hersteller orientiere. Zudem gebe es weitere Möglichkeiten finanziellen Ausgleichs. Wie der Gesetzgeber die Geräte in Produktgruppen eingeteilt habe, sei nur bedingt gerichtlich überprüfbar: Die Grenzen seines Beurteilungsspielraums habe er jedenfalls nicht überschritten.

Altersgrenze für die Verbeamtung ...

... darf nicht allein durch Verwaltungsvorschriften geregelt werden

Zwei angestellte Lehrerinnen, geboren 1964 und 1967, beantragten die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Das Land Rheinland-Pfalz lehnte ihre Anträge 2008 ab, weil sie die Altersgrenze von 40 Jahren schon überschritten hatten. Mit dieser Begründung dürfe das Bundesland die Lehrerinnen nicht abspeisen, urteilte das Verwaltungsgericht Koblenz (6 K 1357/08.KO, 6 K 465/09.KO).

Über die Anträge müsse nochmals entschieden werden. Zwar sei es im Prinzip zulässig, den Zugang zu öffentlichen Ämtern durch eine Altersgrenze einzuschränken. Angesichts der langen Dauer des Beamtenverhältnisses müsse der Staat auf ein angemessenes Verhältnis von aktivem Dienst einerseits und den Ansprüchen eines Beamten auf Versorgung während des Ruhestandes andererseits sicherstellen.

Aber das Höchstalter müsse durch Gesetz festgelegt werden und daran fehle es in Rheinland-Pfalz. Höchstaltersgrenze und Ausnahmen davon seien nur durch Verwaltungsvorschriften geregelt. So würden Lehrkräfte auch jenseits der Altersgrenze eingestellt, wenn sie ein Mangelfach unterrichteten und zudem die Gefahr bestehe, dass sie in andere Bundesländer abwanderten, um die Verbeamtung zu erreichen.

Diese Ausnahmen seien nur zwischen Finanz- und Bildungsministerium abgesprochen. In Rheinland-Pfalz lägen also derzeit Entscheidungen über den Zugang zum Beamtenstatus und der Umgang mit der Altersgrenze allein im Ermessen von Verwaltungsbeamten. Das sei unzulässig. (Die Berufung gegen das Urteil wurde zugelassen.)

Vermieter erwirkt Räumungsurteil

Die Kommune wies die Mieter wegen drohender Obdachlosigkeit wieder ins Haus ein

Der befristete Mietvertrag für das Einfamilienhaus war abgelaufen, außerdem waren die Mieter mit der Miete in Rückstand. Daher hatte der Vermieter wenig Mühe, vor Gericht mit seiner Räumungsklage durchzukommen. Doch die Mieter verließen weder das Haus, noch bemühten sie sich, eine neue Unterkunft zu finden.

Als der Vermieter deshalb beantragte, die Räumung zu vollstrecken, machte ihm jedoch die kommunale Ordnungsbehörde einen Strich durch die Rechnung. Sie verfügte kurzerhand, die Mieter müssten bleiben, weil sie andernfalls obdachlos wären.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt erklärte diese Maßnahme für rechtswidrig (3 L 946/09). Die Einweisung greife ohne ausreichende Begründung in das Eigentumsrecht des Vermieters ein. Man könne hier erstens gar nicht davon sprechen, dass Obdachlosigkeit drohe: Denn angesichts der Untätigkeit der Mieter sei völlig unklar, ob sie sich anderweitig eine Unterkunft besorgen könnten oder nicht.

Zweitens hätte die kommunale Ordnungsbehörde vorher andere Möglichkeiten prüfen müssen: Sie hätte die Mieter z.B. in einem Hotelzimmer oder in eigenen Immobilien unterbringen können. Notfalls müsse sie auch in Nachbargemeinden versuchen, ein Quartier zu finden. Eine Einweisung komme nur im Ausnahmefall in Frage. Bevor die Kommune die Rechte des Vermieters beschneide, müsse sie prüfen, ob sie die Situation mit eigenen Mitteln lösen könne.

Für die Künstlersozialversicherung ...

... sind die Juroren der "Superstar"-Fernsehshow Unterhaltungskünstler

Lange weigerte sich der Fernsehsender RTL, für die Honorare der Juroren seiner Fernsehshow "Deutschland sucht den Superstar" die Künstlersozialabgabe abzuführen. Der Rechtsstreit mit der Künstlersozialversicherung ging bis in die letzte Instanz: Beim Bundessozialgericht verlor ihn der Fernsehsender (B 3 KS 4/08 R).

Die Juroren aus der Musikbranche seien wesentlicher Teil des Show-Konzepts, so die Richter. Sie seien hier als Unterhaltungskünstler tätig und nicht als externe Fachjury mit Expertenstatus. Ihre Kommentare zu den musikalischen Bemühungen der Kandidaten/Kandidatinnen - mal unterhaltsam, mal bissig, manchmal auch jenseits der Grenzen des guten Geschmacks - trügen wesentlich zum Erfolg der Sendungen bei.

Die gut bezahlten Juroren präsentierten eine Mischung aus Musikkritik und Polemik mit Elementen von Comedy, Satire, Improvisation und Unterhaltung. Das sei eine eigenschöpferische, persönliche Leistung der Juroren und daher der Unterhaltungskunst zuzuordnen.

Deshalb sei der Fernsehsender verpflichtet, die Juroren in der Künstlersozialversicherung zu versichern und die Abgabe abzuführen. Im übrigen habe das Gericht schon immer darauf hingewiesen, dass für eine Integration in die Künstlersozialversicherung keine "besondere künstlerische Gestaltungshöhe" vorausgesetzt werde.

7.999 Euro für 16 Kontaktvorschläge

Partnervermittlungsvertrag mit krassem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

2005 hatte der Mann eine Partneragentur angerufen, weil ihm das Foto einer Dame in einem Zeitungsinserat gefallen hatte. Deren Daten rückte der Partnervermittler nicht heraus - sie "wohne zu weit entfernt". Er schickte aber am nächsten Tag eine Mitarbeiterin in die Wohnung des Interessenten, die ihm einen Vertrag aufschwatzte. In den nächsten Monaten erhielt der Kunde 16 Kontaktvorschläge von der Agentur und traf sich mit acht Damen.

Nach etwa einem Jahr kündigte er den Partnervermittlungsvertrag: Man habe ihn übervorteilt und Honorar in Höhe von 7.999 Euro abgeluchst. Das mache pro Anschrift 533,27 Euro, sozusagen für nichts: Denn mehr als Namen, Anschrift und Telefonnummer, versehen jeweils mit einem nichtssagenden Satz, habe die Agentur nicht geliefert.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ließ die im Gewerbe gängigen Preise recherchieren und erklärte den Vertrag für sittenwidrig (24 U 34/09). Die Leistung eines Partnervermittlers einzuschätzen, sei schwer: Erfolg könne er nicht garantieren. Aber zumindest die Preise für Adressen könne man vergleichen. Üblicherweise würden für ein Dutzend Kontaktadressen zwischen 2.000 und 3.000 Euro verlangt, so das OLG. Hier liege das Honorar um mindestens 200 Prozent darüber. Da könne man durchaus von einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung sprechen.

Obendrein habe die Mitarbeiterin der Agentur den Kunden bei einem "Beratungsgespräch" in seiner Wohnung zum Vertrag überredet - ein unseriöses Haustürgeschäft. In ihrem Eifer, schnell ein Geschäft abzuschließen, habe sie ihn kaum über die Vertragsbedingungen informiert. Anschließend sei die Mitarbeiterin mit dem Kunden auch noch zu dessen Bank gegangen, um sofort zu kassieren und zu verhindern, dass er "es sich noch einmal überlegt". Dabei habe sie gewusst, dass der Kunde bei seinem bescheidenen Einkommen von 1.300 Euro seinen Bausparvertrag kündigen musste, um das Honorar aufzubringen.

Spinne in der Tiefgarage

Wenn jemand durch einen Schreck stürzt, verwirklicht sich ein "allgemeines Lebensrisiko"

Eine Wohnungseigentümerin ging mit ihrem Ehemann in die offene Tiefgarage der Wohnanlage, um mit dem Auto wegzufahren. Als sie gerade in den Wagen steigen wollte, sah ihr Mann eine dicke schwarze Spinne, die sich von ihrem Netz herunterließ - direkt neben dem Kopf seiner Frau. Er rief "pass auf, eine Spinne". Im gleichen Moment bemerkte die Frau das Tier, trat reflexartig einen Schritt zurück und verlor das Gleichgewicht.

Beim Sturz zog sich die Frau Prellungen und einen komplizierten Bruch am rechten Handgelenk zu. Vergeblich verlangte sie von der Immobilienfirma, welche die Wohnanlage betrieb und verwaltete, Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro: Die Firma hätte die Garage reinigen und Spinnweben entfernen lassen müssen. Das zu organisieren, gehöre zu ihren Aufgaben.

Das sei zwar richtig, erklärte das Oberlandesgericht Karlsruhe, habe aber mit dem Sturz der Wohnungseigentümerin nichts zu tun (7 U 58/09). Es könne offen bleiben, ob die Frau eher durch den Ruf ihres Mannes erschreckt oder erst durch den Anblick der Spinne zu ihrer hastigen, ruckartigen Rückwärtsbewegung veranlasst wurde. Jedenfalls gehe es hier um ein "allgemeines Lebensrisiko", für das nicht die Immobilienfirma einstehen müsse.

Dass sich eine Spinne in der Garage niederließ, belege keineswegs, dass die Reinigung unzulänglich war. Durch die Öffnungen an einer Seite der Garage könnten jederzeit Spinnen eindringen und Netze bauen. Werde die Reinigung vernachlässigt, erhöhe sich vielleicht ihre Zahl. Das genüge aber nicht um zu beweisen, dass bei gründlicherer Reinigung diese eine Spinne nicht dort gewesen und so der Sturz vermieden worden wäre.

Tätowierter Löwenkopf gefiel nicht

Ist ein Tattoo nicht fehlerhaft, liegt keine rechtswidrige Körperverletzung vor

Der Kunde eines Tattoo-Studios ließ sich - nach einer Vorlage - einen Löwenkopf an der Innenseite der rechten Wade stechen. Mit dem Ergebnis war er unzufrieden: Das Bild weiche von der Vorlage ab, beanstandete er. Das Tattoo sei fehlerhaft und müsse nachgearbeitet werden. Das werde ihm erneut Schmerzen bereiten. Daher müsse ihm das Studio die 200 Euro Vergütung zurückgeben und wegen rechtswidriger Körperverletzung 2.500 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Seine Zahlungsklage scheiterte beim Amtsgericht und beim Landgericht Kassel (1 S 34/09). Das Stechen eines Tattoos stelle zwar eine Körperverletzung dar, so das Landgericht: Wer sich tätowieren lasse, tue das aber freiwillig. Und die Einwilligung des Kunden werde nicht dadurch unwirksam, dass ihm das Resultat nicht gefalle - sofern der Tätowierer nach den "Regeln der Kunst" vorgegangen sei.

Und das treffe hier zu. Mit dem Studio habe der Kunde die Vorlage ausgewählt und zugesehen, wie der Tätowierer die Schablone auf seinem Bein anlegte. Da habe er sehr gut erkennen können, wie der Löwenkopf geneigt sei. Infolgedessen durfte der Tätowierer davon ausgehen, dass ihm das recht sei.

Kleine Abweichungen an der Form der Nase oder bei der Augengröße könne es beim Stechen immer geben, habe die Sachverständige ausgesagt. Selbst "mit gutem handwerklichen Können und Einsatz" sei das nicht auszuschließen. Dann müsse man nachträglich korrigieren, oft seien mehrere Sitzungen nötig.

Eine Nachbehandlung sei also keineswegs unüblich und verweise nicht notwendigerweise auf eine fehlerhafte Ausführung, schlussfolgerte das Landgericht. Die angestrebte Wirkung werde mit dem Löwenkopf durchaus erreicht, die Ähnlichkeit von Vorlage und Tätowierung sei groß. Nur wenn das Tattoo völlig anders aussähe, wäre ein Schmerzensgeld angebracht.

Miese Fischdosendeckel?

Patentschrift eines Konkurrenten beschreibt Nachteile eines Produkts

Firma D, Produzentin von Fischdosendeckeln, meldete 1993 ein Patent an: für einen Dosen-Aufreißdeckel aus Blech. Wie in Patentschriften üblich, beschrieb Firma D darin den Stand der Technik. Dabei benannte sie auch Nachteile eines Aufreißdeckels des Konkurrenten R, die der Fischdosendeckel von D überwinde ...

Das Patent wurde 2002 erteilt, die Patentschrift 2003 veröffentlicht. Grund genug, um gegen die "Verleumdung" einzuschreiten, fand Unternehmer R: Sein Produkt werde geschäftsschädigend herabgesetzt, damit verstoße Firma D gegen die Regeln des fairen Wettbewerbs. Firma D müsse die einschlägigen Stellen der Patentschrift vom Patentamt löschen lassen.

Dem widersprach der Bundesgerichtshof: Hier gehe es um ein Patentverfahren. Daher sei eine Klage, die sich auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb stütze, unzulässig (I ZR 46/07). Unternehmer R könne den Inhalt einer Patentschrift nicht mit einer Wettbewerbsklage beeinflussen. Patente würden nur nach den Regeln des Patentgesetzes erteilt - und Rechtsstreitigkeiten seien nur nach dem im Patentgesetz vorgesehenen Verfahren auszutragen.

Anders läge der Fall, wenn Firma D die nachteiligen Aussagen über das Produkt von R unabhängig vom Patentverfahren öffentlich wiederholen würde, etwa in Werbeanzeigen. Das wäre als unlauterer Wettbewerb einzustufen. Doch gebe es dafür keinerlei Anhaltspunkte.

Fluggäste erheblich verspäteter Flüge ...

... haben Anspruch auf Ausgleichszahlung von der Fluggesellschaft

Laut der EU-Verordnung (Nr. 261/2004) über "Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste" können diese von einer Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung (250 bis 600 Euro, je nach Entfernung) verlangen, wenn der von ihnen gebuchte Flug annulliert wurde.

Zwei europäische Gerichte, der Bundesgerichtshof und das Handelsgericht Wien, wandten sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), um feststellen zu lassen, ob das auch für erheblich verspätete Flüge gilt. Sie hatten über Klagen von Fluggästen der Air France und von Condor zu entscheiden, die an ihrem jeweiligen Zielflughafen mit einer Verspätung von 25 bzw. 22 Stunden angekommen waren und deshalb auf einer Ausgleichszahlung bestanden.

Die steht ihnen zu, entschied der EuGH (C-402/07 und C-432/07). Begründung: Fluggäste, die mit erheblicher Verspätung befördert werden, verlieren viel Zeit. Sie erleiden also den gleichen Schaden wie Fluggäste, deren Flug kurzfristig "gecancelt" wird.

Wenn ein Flug annulliert werde, hätten die Fluggäste selbst dann Anspruch auf Entschädigung, wenn ihnen die Fluggesellschaft einen Ersatzflug anbiete - vorausgesetzt, sie hätten, verglichen mit dem ursprünglich gebuchten Flug, drei Stunden oder mehr verloren. Fluggäste verspäteter Flüge, die ihr Endziel auch erst drei oder mehr Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreichten, müssten genauso behandelt werden.

Nur wenn die Verspätung bedingt sei durch außergewöhnliche Umstände, die eine Airline durch zumutbare Maßnahmen nicht vermeiden könne, entfalle der Ausgleichsanspruch der Fluggäste. Technische Probleme am Flugzeug gehörten dazu allerdings nicht: Flugzeuge sorgfältig zu warten, gehöre zum Alltagsgeschäft einer Fluglinie.

Berliner Feuerwehr kassierte ab

Für Einsätze bei Verkehrsunfällen Autofahrern zu hohe Gebühren abgeknöpft

Die Berliner Feuerwehr bekam vom Verwaltungsgericht einen Rüffel. Auf Basis der "Feuerwehrbenutzungsgebührenordnung" (!) hatte sie nach Einsätzen bei Verkehrsunfällen zwei Autofahrer abkassiert - und zuviel verlangt, wie das Verwaltungsgericht Berlin entschied (VG 1 A 244/08 und VG 1 A 272/08).

Im ersten Fall war ein Mazda auf das Gleisbett der Straßenbahn geraten. Die Feuerwehr rückte mit zwei Einsatzfahrzeugen an und zog das Auto heraus. Das dauerte - inklusive An- und Abfahrt - 27 Minuten, wofür die Feuerwehr dem Mazda-Halter einen Gebührenbescheid über 736 Euro schickte. Das ist der Tarif für den Einsatz von zwei Feuerwehr-Fahrzeugen bei einer Einsatzdauer bis zu einer Stunde.

Die Richter beanstandeten, dass die Feuerwehr auch dann Gebühren für eine Einsatzdauer von einer Stunde erhebt, wenn die Fahrzeuge weniger als eine halbe Stunde unterwegs waren. Damit verdoppele sie in unzulässiger Weise den - eigentlich in Halbstundenschritten kalkulierten - Gebührensatz. Außerdem sei die Gebühren-Klausel, dass die An- und Abfahrt "angemessen zu berücksichtigen" sei, zu schwammig. Das könne niemand berechnen.

Im zweiten Fall war ein Motorrad mit einem VW zusammen gestoßen. Die Besatzung des Löschhilfefahrzeugs schob den (noch fahrbereiten) Wagen an den Straßenrand. Dieser Einsatz dauerte 35 Minuten. Dafür stellte die Feuerwehr dem Halter 365 Euro in Rechnung.

Einwand des Gerichts: Bei so einem Bagatellunfall sei es unverhältnismäßig, ein Löschhilfefahrzeug loszuschicken, das im Betrieb besonders hohe Kosten verursache. Diese Kosten könne man nicht in vollem Umfang dem gebührenpflichtigen Autofahrer auferlegen. (Die städtische Feuerwehr hat gegen die Urteile Berufung eingelegt.)

Lärmgeschädigter Elektromonteur ...

... beendet seine Erwerbstätigkeit: Berufsgenossenschaft muss keine Übergangsleistungen zahlen

Ein Elektromonteur war während der Arbeit ständig Baustellenlärm ausgesetzt und wurde allmählich schwerhörig. Das meldete er seiner Berufsgenossenschaft allerdings erst, nachdem er 1996 seine Berufstätigkeit aufgegeben hatte. Die Berufsgenossenschaft - Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung und zuständig für Berufskrankheiten - anerkannte zwar die Schwerhörigkeit als Berufskrankheit. Trotzdem verneinte sie einen Rentenanspruch des Elektromonteurs, weil seine Erwerbsfähigkeit dadurch nur geringfügig gemindert sei.

Die Berufsgenossenschaft lehnte auch seinen 2001 gestellten Antrag auf Übergangsleistungen ab: Wegen seiner Lärmschwerhörigkeit hätte er seine berufliche Laufbahn nicht beenden müssen, so ihr Standpunkt. Hätte er Gehörschutz getragen, hätte sich das Problem nicht verschlimmert. Das sei auf Baustellen unmöglich, konterte der Ex-Elektromonteur. Schließlich müsse man sich da mit Kollegen und Vorgesetzten verständigen.

Mit diesem Argument kam der Mann jedoch beim Landessozialgericht Hessen nicht zum gewünschten Erfolg (L 3 U 103/07). Bereits 1995 habe es Gehörschutz gegeben, der es erlaubte, mit anderen zu kommunizieren, erklärten die Sozialrichter. Eine individuell angepasste Otoplastik bewirke - im Unterschied zu Konfektionsgehörschützern - hervorragenden Schallschutz in den niedrigen Frequenzen.

Damit hätte der Elektromonteur weiterhin arbeiten und dennoch verhindern können, dass sich sein Gehör weiter verschlechterte. Übergangsleistungen stünden einem Versicherten nur zu, wenn er seine Berufstätigkeit einstellen müsse, weil anders das Risiko nicht abzuwenden sei, dass sich eine Berufskrankheit verschlimmere. Der Mann könne der Berufsgenossenschaft auch nicht vorwerfen, dass sie ihm seinerzeit keinen Gehörschutz angeboten habe: Schließlich habe sie von seiner Schwerhörigkeit erst nach dem Ende seiner Berufstätigkeit erfahren.

Hartz-IV-Empfänger gewann im Lotto

Sozialgericht: Gewonnenes Geld ist "anrechenbares Einkommen"

Seit vielen Jahren spielte der Mann Lotto - dann endlich war ihm das Glück hold. Der Hartz-IV-Empfänger gewann ein paar Tausend Euro im Lotto. Jedoch: Sofort war das zuständige Jobcenter zur Stelle und setzte das Arbeitslosengeld II herab.

Gegen den Bescheid der Sozialbehörde klagte der Arbeitslose: Den Gewinn dürfe man ihm nicht als Einkommen anrechnen. Er halte dieses Los seit 2001, also habe er insgesamt mehr investiert, als er jetzt als Gewinn ausgezahlt bekomme. Mit dieser Argumentation kam der Mann jedoch beim Sozialgericht Detmold nicht durch (S 13 AS 3/09).

Zum Einkommen zähle alles, was jemand nach dem Antrag auf Sozialleistungen wertmäßig erhalte und das Vermögen, das er zu diesem Zeitpunkt habe. Was der Arbeitslose vor seinem Antrag für die Lotterie ausgegeben habe, spiele keine Rolle mehr: Das habe zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr zu seinem Vermögen gehört.

Und dann wurde das Sozialgericht grundsätzlich: Dass nur die ständige Teilnahme an der Lotterie die Gewinnchancen erhöhe, sei ein weit verbreitetes Gerücht. Die Gewinnchance sei immer gleich niedrig, auch wenn immer die gleiche Losnummer gespielt werde. Ein zufälliges Ereignis werde nicht wahrscheinlicher, weil es längere Zeit nicht eingetreten sei, erläuterte das - anscheinend mathematisch kundige - Sozialgericht.

Die Wahrscheinlichkeit für eine Niete betrage beim Lotto 95,75 Prozent - bei einer Gesamtausschüttung von 50 Prozent der Einnahmen. Geld für die Lotterie auszugeben, sei demnach nicht vernünftig. Wenn er vernünftig mit seinem Geld umgehen würde, hätte der arbeitslose Hilfeempfänger bei dieser geringen Gewinnwahrscheinlichkeit kein Los kaufen dürfen. (Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)