Sonstiges

Arbeitgeber zahlte Abfindung erst nach Jahren

Sie wird dem Ex-Arbeitnehmer dennoch auf das Arbeitslosengeld II angerechnet

Bereits im Juni 2003 war dem Arbeitnehmer gekündigt worden. Um die eigentlich fällige Abfindung drückte sich der Arbeitgeber. In einem gerichtlichen Vergleich vom April 2005 verpflichtete er sich dazu, dem ehemaligen Mitarbeiter 6.500 Euro Abfindung zu zahlen - tat es aber wieder nicht. Erst nach einer Zwangsvollstreckung rückte er - im Oktober und November 2006 - zwei Raten in Höhe von 1.750 Euro und 2.000 Euro heraus.

Mittlerweile war der gekündigte Arbeitnehmer schon eine Weile arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld II. Als die Arbeitsagentur von der Abfindung Wind bekam, verlangte sie vom Empfänger das Arbeitslosengeld II für Oktober und November zurück. Gegen den Bescheid der Behörde klagte der arbeitslose Mann vergeblich: Die Summe sei beim Arbeitslosengeld anzurechnen, entschied das Bundessozialgericht (B 4 AS 47/08 R).

Für die strittigen zwei Monate dürfe die Arbeitsagentur ihre Bewilligung der Grundsicherung aufheben und den Betrag zurückfordern. Zwar sei der Anspruch des arbeitslosen Mannes auf die Abfindung schon vor seinem Antrag auf Arbeitslosengeld II entstanden. Wäre sie ihm auch vor diesem Zeitpunkt zugeflossen, wäre der Betrag "außen vor geblieben". Tatsächlich habe er das Geld aber erst bekommen, als er schon Arbeitslosengeld II-Empfänger war. Deshalb sei es bedarfsmindernd anzurechnen.

Zu alt für die Röhrenrutsche!

Großvater verletzt sich beim Spielen mit dem Enkel

Auf einem städtischen Kinderspielplatz stand u.a. eine Röhrenrutsche, durch die man liegend rutscht. Erst im unteren Teil öffnet sie sich. Das Fundament unter dem Auslauf der Rutsche bestand aus Beton, der mit losem Sand abgedeckt war. Ein 69-jähriger Opa, der mit seinem Enkel den Spielplatz besuchte, beobachtete ihn beim Rutschen und sah, dass der Fünfjährige Mühe hatte, am Auslauf mit den Füßen zu landen.

Trotzdem ließ er sich von dem Kleinen überreden, es selbst zu versuchen. Das ging leider schief: Der Großvater kam nicht in den Stand, sondern prallte aus einer Höhe von etwa 60 Zentimetern mit dem Rücken auf den harten Untergrund. Dabei brach er sich einen Lendenwirbel und musste lange medizinisch behandelt werden. Er leidet immer noch unter den Folgen. Von der Kommune forderte er Schadenersatz, weil das Spielgerät durch das ungedämpfte Betonfundament gefährlich sei.

Die Stadt sorgte dafür, dass Sand aufgefüllt wurde, wies aber jede Verantwortung zurück. Der Mann sei an dem Unfall selbst schuld, eine Rutsche sei nun einmal nicht für Großväter da, sondern für Kinder. So einfach könne es sich die Stadt nicht machen, urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm, und sprach dem Opa 2.000 Schmerzensgeld zu (6 U 157/08). Der Zustand der Rutsche stelle für alle Benutzer ein Risiko dar, so das OLG, nicht nur für Großväter. Deshalb müsse die Kommune den Verletzten für den Unfall entschädigen.

Spielgeräte müssten so beschaffen sein, dass auch Leichtsinn oder Ungeschicklichkeit ohne gravierende Folgen blieben. Das gelte insbesondere - wegen der allfälligen Stürze - für den Untergrund. Bei Röhrenrutschen sei es schwierig, sich vor dem Auslauf rechtzeitig aufzurichten. Wer das nicht schaffe, krache mit dem Körper auf den Boden. Dieser Gefahr müsse man durch weichen Untergrund am Auslauf Rechnung tragen. Beton sei da völlig fehl am Platz.

Der Großvater habe diese Gefahr nicht erkennen können, weil der Beton durch ein wenig Sand bedeckt gewesen sei. Aber Mitverschulden müsse er sich trotzdem anrechnen lassen. Eine Röhrenrutsche fordere viel mehr Gleichgewichtssinn und Körperkontrolle als eine normale Rutsche. Unten müsse man schnell reagieren, um in den Stand zu kommen. Da hätte sich dem Senior der Gedanke aufdrängen müssen, dass er damit überfordert sein könnte und dass Stürze in höherem Alter üblere Folgen haben.

Kann ein Wein "bekömmlich" sein?

OVG erklärt diese Werbung auf dem Flaschenetikett für unzulässig

Eine Winzergenossenschaft schmückte die Etiketten von zwei Weinen (Dornfelder "Edition Mild", "Grauer/Weißer Burgunder Edition Mild") mit bunten Bildern und dem Begriff "bekömmlich". Das rief die zuständige Behörde auf den Plan: Die Winzergenossenschaft dürfe diesen Begriff auf dem Etikett nicht verwenden, das sei eine unzulässige gesundheitsbezogene Reklame.

Die Winzer zogen gegen das Verbot vor Gericht: Der Begriff "bekömmlich" sei bei Getränken allgemein verbreitet. Er behaupte keine positive Wirkung auf die Gesundheit, sondern beschreibe den Wunsch, der Wein möge gut schmecken.

Damit kamen die Winzer beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz nicht durch (8 A 10579/09.OVG). Gemeint sei im konkreten Fall, der Wein werde säurearm ausgebaut und werde daher besser vertragen als Weine mit viel Säure, so das OVG. Das treffe möglicherweise sogar zu, dennoch dürften die Winzer damit nicht werben.

Im allgemeinen Sprachgebrauch würden mit dem Begriff "bekömmlich" Eigenschaften verbunden wie "gesund", "leicht verdaulich", "nicht schwer" und "magenschonend". Zumindest bringe er zum Ausdruck, dass das so bezeichnete Lebensmittel den Körper und seine Funktionen nicht belaste oder beeinträchtige.

Da jedoch der Konsum von Wein zu Kopf- und Magenschmerzen führen und unter Umständen auch den Organismus schädigen könne, sei es unzulässig, diesen Begriff auf einem Weinetikett zu führen oder in der Reklame für einen Wein zu verwenden. Wein weise durchschnittlich einen Alkoholgehalt von 9 bis 14 Volumenprozent auf, sei bei reichlichem Konsum gesundheitsschädlich und könne zu Sucht führen. Alkoholische Getränke dürften laut EU-Recht grundsätzlich keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen.

Hilfeempfängerin wohnt zu teuer

Erhöht sich der Wohnbedarf durch ein Kind, ist sie erneut über den angemessenen Mietpreis zu informieren

Früher hatte die Mutter eines unehelichen Sohnes Sozialhilfe bezogen. Der Sozialhilfeträger hatte ihr bereits im Frühjahr 2004 mitgeteilt, dass ihre Wohnung für sie und das Kind zu teuer sei. Im Herbst brachte die Frau einen zweiten Sohn zur Welt.

Als zum Jahreswechsel 2004/2005 das Arbeitslosengeld II eingeführt wurde, übernahm die Sozialbehörde nicht mehr ihre tatsächlichen Unterkunftskosten, sondern nur noch die - nach den neuen Regelungen als angemessen angesehene - Kaltmiete für drei Personen. Man habe die Hilfeempfängerin schon längst informiert, dass ihre Miete zu hoch sei, erklärte der zuständige Sachbearbeiter.

Aber ihr Wohnbedarf sei doch durch das zweite Kind gewachsen, protestierte die alleinerziehende Mutter. Sie verklagte die Sozialbehörde auf Zahlung der Kaltmiete in voller Höhe und bekam vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Recht (L 3 AS 80/07). Grundsätzlich hätten Empfänger von Hartz-IV-Leistungen zwar nur Anspruch auf die Übernahme angemessener Unterkunftskosten, betonten die Richter.

Doch müsse der Hilfeempfänger wissen, welche Miete für seine Familie angemessen sei. Das verstehe sich nicht von selbst, wenn der Wohnbedarf durch Familienzuwachs steige. Deshalb hätte die Sozialbehörde die Frau darüber informieren müssen, welche Unterkunftskosten ab der Geburt des zweiten Kindes für sie gelten und ob ihre Miete nach wie vor als unangemessen anzusehen sei. Da dies versäumt wurde, habe die Frau Anspruch auf Übernahme der vollen Kaltmiete.

Fehlfunktion von Seitenairbags

Haftet der Autohersteller für die Verletzung eines Autofahrers?

Mit seinem drei Jahre alten BMW (Modell 330 D) geriet ein Autofahrer im Frühjahr 2003 in ein tiefes Schlagloch. Durch den heftigen Schlag gegen den Unterboden des Fahrzeugs wurden Seitenairbags fehlerhaft ausgelöst, die den Mann an der Halsschlagader verletzten. Dadurch erlitt er einen Hirninfarkt. Seither kämpft der Kunde um Schmerzensgeld vom Autohersteller.

Das Oberlandesgericht verneinte einen Konstruktionsfehler und sah das Unternehmen nicht in der Pflicht. Der Bundesgerichtshof kritisierte das Urteil, hob es auf und verwies die Sache zurück (VI ZR 107/08). Ein Konstruktionsfehler liege vor, wenn das Produkt schon seiner Konzeption nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibe, der nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich sei.

Schon beim Vorgängermodell des (im Frühjahr 2000 erstzugelassenen) Wagens sei 1999 eine Rückrufaktion durchgeführt worden, weil die Software der elektronischen Sensoren nicht richtig funktionierte und die Seitenairbags zur Unzeit auslöste. Der Hersteller habe dieses Risiko für beseitigt gehalten, weil im neuen Modell eine veränderte Steuergerätesoftware installiert wurde.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen habe allerdings (um die Jahreswende 1999/2000) 692 Unfälle analysiert, bei denen Fehlfunktionen von Airbags vermutet wurden, darunter auch das neue Modell 330 D. Dass BMW dieser Forschungsbericht erst im Sommer 2000 zuging, als der Wagen des Verletzten schon ausgeliefert war, entlaste das Unternehmen nicht.

Denn hier komme es nicht auf den subjektiven Kenntnisstand an, sondern darauf, ab wann Erkenntnisse über mögliche Fehlauslösungen von Seitenairbags mit elektronischen Sensoren objektiv verfügbar waren. BMW hätte die Konstruktion ändern oder zumindest die Kunden warnen müssen. Das mit der gewählten Konzeption allgemein verbundene Fehlerrisiko sei dem Autohersteller spätestens seit dem Rückrufaktion im Mai 1999 bekannt gewesen.

Unfall im Kindergarten

Gesetzliche Unfallversicherung springt ein - kein Schmerzensgeld für verletztes Kind

Der städtische Kindergarten liegt in einem Wäldchen am Stadtrand. Eine Gruppe Kinder spielte dort im Freien. Beaufsichtigt von zwei Erzieherinnen, bastelten die Kinder mit Naturmaterialien und Werkzeugen. Ein Kind zog einen im Boden steckenden Schraubenzieher heraus und traf damit bei einer schwungvollen Rückwärtsbewegung einen Sechsjährigen am rechten Auge.

Die verletzte Hornhaut des Jungen musste mehrmals operiert werden. Sein Sehvermögen war durch eine Hornhautnarbe dauerhaft beeinträchtigt. Im Namen des Jungen verklagten seine Eltern die Stadt auf Schmerzensgeld: Ihre Erzieherinnen hätten die Aufsichtspflicht verletzt, dafür hafte die Kommune als Arbeitgeberin. Die Klage scheiterte in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (III ZR 229/07).

Im Kindergarten stünden die Kleinen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so die Bundesrichter. Sie werde die Behandlungskosten übernehmen. Wo die Unfallversicherung zuständig sei, sei jeder private Anspruch gegen den Schädiger oder andere Verantwortliche auf Entschädigung ausgeschlossen (sofern es nicht um vorsätzlich herbeigeführten Schaden gehe).

Das gelte im Interesse des Betriebsfriedens für Arbeitsunfälle im Betrieb, das gelte auch in Schulen und Kindergärten. Geschädigte Arbeitnehmer bzw. Schüler und Kinder würden anders behandelt als andere Geschädigte, die bei einem Unfall vom Verursacher Schmerzensgeld verlangen könnten. Diese Ungleichbehandlung sei aber sachlich gerechtfertigt.

In einem Kindergarten sei das Unfallrisiko naturgemäß hoch, das liege am Spieltrieb und an der Unfähigkeit kleiner Kinder, die Folgen ihres Tuns einzuschätzen. Bei Rangeleien und beim Spielen verletzten sie sich häufig gegenseitig. Das könne man nicht automatisch auf ein Versäumnis der Aufsichtspersonen zurückführen. Um die Kinder dennoch zu schützen, greife hier der - verschuldensunabhängige - gesetzliche Unfallversicherungsschutz.

Motorradfahrer landete bei Überholmanöver am Baum

Das Auto vor ihm berührte er nicht: Hat es den Unfall ausgelöst?

Ein schwer verletzter Motorradfahrer kämpft seit fünf Jahren vergeblich um Schmerzensgeld von einem Autofahrer: Während ihm das Landgericht 75.000 Euro zugesprochen hatte, wies das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg seine Klage ab. Gegenseitig warfen sich die beiden Fahrer vor, den Unfall allein verschuldet zu haben. Trotz der Untersuchungen von Verkehrsexperten war der genaue Unfallhergang nicht mehr zu klären.

Fest stand: Auf einer Landstraße fuhren zwei Wagen hintereinander her. Hinter dem zweiten folgte der Motorradfahrer und beschloss, die Autos zu überholen. Der Motorradfahrer behauptete: Plötzlich sei der Autofahrer vor ihm, ohne zu blinken, auf die linke Seite geschwenkt, um ebenfalls zu überholen. Da habe er ausweichen müssen und sei gegen den Baum gefahren. Der Autofahrer bestritt dies. Jedenfalls hatten sich die beiden Fahrzeuge nicht berührt.

Trotz eines sorgfältigen Gutachtens der Sachverständigen stehe nicht fest, mit welcher Geschwindigkeit die Fahrzeuge unterwegs waren und ob die Fahrweise des Autofahrers den Unfall ausgelöst habe, erklärte das OLG Brandenburg (12 U 263/08). Verschiedene Varianten des Unfallhergangs seien möglich. Zum Beispiel die, dass der Motorradfahrer noch auf der rechten Fahrspur unterwegs war, als das Auto vor ihm zum Überholen ansetzte.

Dann wäre völlig unverständlich, warum er ein Ausweichmanöver nach links unternahm - denn dann drohte keine Kollision. Wäre diese Variante richtig, läge überhaupt kein Verstoß des zweiten Autofahrers vor: Denn dann hätte er die Absicht des Motorradfahrers, ihn zu überholen, nicht erkennen können. Nach der Lebenserfahrung käme in dem Fall als Unfallursache eher überhöhte Geschwindigkeit des Motorradfahrers oder ein unzureichender Sicherheitsabstand in Frage.

In dieser Instanz ging der Verletzte also leer aus. Er hat gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt.

Automatisierte Videoüberwachung ...

... auf der Autobahn ist nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig

Auf Grund eines Erlasses des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern wurde an einer Autobahn der Verkehr per Video überwacht. Alle durchfahrenden Autos wurden verdeckt gefilmt. Gleichzeitig wurden mit dem geeichten Verkehrskontrollsystem VKS 3.0 Geschwindigkeit und Sicherheitsabstand gemessen.

Ein Autofahrer wurde auf Basis dieser Messung zu einer Geldbuße von 50 Euro verurteilt, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte. Als Beweis diente das Bildmaterial der Videokamera. Nach erfolgloser Rechtsbeschwerde gegen das Urteil erhob der Mann Verfassungsbeschwerde und bekam vom Bundesverfassungsgericht Recht (2 BvR 941/08).

Das aufgezeichnete Material diene der Identifizierung der Autofahrer; es werde zu Beweiszwecken abgerufen und ausgewertet. Die Videokamera fixiere technisch Lebensvorgänge und greife so in das Persönlichkeitsrecht der Autofahrer ein: Dabei habe im Prinzip jedes Individuum ausschließlich selbst darüber zu bestimmen, welche persönlichen Daten es preisgeben wolle.

Trotzdem sei im Interesse der Verkehrssicherheit dieser Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zulässig - aber nur auf der Basis eines Gesetzes. Das Parlament müsse darin die Voraussetzungen eines derartigen Eingriffs definieren und seinen Umfang klar und für die Bürger nachvollziehbar festlegen. Verwaltungsvorschriften seien interne Anweisungen und könnten keinen Eingriff in ein Grundrecht rechtfertigen.

Der Beschluss betrifft nur die automatisierte (verdachtsunabhängige) Videoüberwachung, bei der ausnahmslos alle Fahrzeuge aufgezeichnet werden. Es ging also nicht um Messstationen, die konkrete Verkehrsverstöße bestimmter Fahrer dokumentieren.

Streit um Beerdigungskosten

Sozialhilfeträger verlangt von der Witwe, das Geld bei der Schwiegermutter einzutreiben

Der Ehemann der Sozialhilfeempfängerin war 2007 gestorben. Für die Beerdigung gab die Witwe 1.394 Euro aus, für die sie anschließend vom Sozialhilfeträger Ersatz verlangte. Der lehnte die Kostenübernahme ab und erklärte, die Witwe müsse sich an die 80-jährige Schwiegermutter halten. Von seiner Mutter hätte der 58-jährige erwerbsunfähige Mann Unterhalt verlangen können. Und wenn die Witwe die Beerdigung nicht finanzieren könne, müsse die Mutter auch dafür aufkommen.

Doch die Schwiegermutter hatte es längst abgelehnt, die Kosten zu übernehmen. Deshalb zog die Witwe vor Gericht und verklagte den Sozialhilfeträger. Das Bundessozialgericht gab ihr Recht und verurteilte die Behörde dazu, die Beerdigungskosten zu ersetzen (B 8 SO 23/08 R). Die Frau sei hilfebedürftig und könne nicht auf eine fiktive Hilfe von der zahlungsunwilligen Schwiegermutter verwiesen werden.

Für die Hilfeempfängerin sei es unzumutbar, gegen die Schwiegermutter einen langwierigen Prozess mit unsicherem Ausgang zu führen. Dass die Seniorin trotz des Alters ihres Sohnes unterhaltspflichtig gewesen sein sollte, sei nach den Umständen des Falles eher unwahrscheinlich. Bei dieser Sachlage müsse - jedenfalls bei andauernder Hilfebedürftigkeit der Witwe - der Sozialhilfeträger die Beerdigung finanzieren.

Autofahrer reißt die Autotüre auf ...

... und bringt Radfahrer zu Fall: Mitverschulden des Verletzten?

Der Autofahrer hatte seinen Wagen am rechten Straßenrand geparkt und wollte aussteigen. Nach hinten schaute er nicht, öffnete aber schwungvoll die Fahrertüre. Die wurde einem älteren Herrn zum Verhängnis, der unglücklicherweise gerade in diesem Moment am Auto vorbeiradelte. Er zog sich beim Zusammenstoß und folgendem Sturz eine offene Wunde am Unterschenkel - die eine bleibende Narbe hinterließ - und großflächige Prellungen zu.

Vom Autofahrer forderte der Verletzte Schmerzensgeld. Der leugnete, die Autotüre überhaupt geöffnet zu haben, und warf dem Radfahrer vor, er sei viel zu nah am Wagen vorbeigefahren (mit höchstens 30 cm Abstand). Damit kam der Autofahrer jedoch beim Oberlandesgericht (OLG) Jena nicht durch (5 U 596/06). Die Unfallanalyse des Sachverständigen habe eindeutig ergeben, dass der Radfahrer durch die Türe zu Fall gekommen sei, so das OLG.

Dessen Beinverletzung sei nur durch die Kollision mit der scharfen Kante der Tür zu erklären. Außerdem habe die Türe beim Aufprall auch sehr weit offen gestanden, während der Abstand des Radfahrers größer gewesen sei als vom Autofahrer behauptet(mindestens 80 cm). Ansonsten hätte das Rad Spuren am hinteren Teil des Wagens hinterlassen.

Daher sei ein Mitverschulden des Verletzten sehr zweifelhaft: Einen Sicherheitsabstand von etwa einem Meter einzuhalten, könne man bei dichtem Verkehr und parkenden Autos auf beiden Seiten der Straße eigentlich nicht verlangen. Doch selbst wenn man den vielleicht etwas zu geringen Abstand als Mitverschulden bewerten wollte, träte es doch gegenüber dem schwerwiegenden Fehler des Autofahrers völlig in den Hintergrund.

Der Autofahrer habe plötzlich und weit die Türe aufgerissen, ohne sich zu vergewissern, dass er dadurch niemand gefährdete. Das verstoße in grober Weise gegen die Straßenverkehrsordnung. Angesichts des zögerlichen Heilungsverlaufs der Wunde am Unterschenkel und der bleibenden Narbe stehe dem Verletzten ein Schmerzensgeld von 3.000 Euro zu.

Jagdhund fällt Frau an

Tierhalterin entschuldigt ihn mit "frühkindlicher Prägung"

Der Jagdhund - nennen wir ihn Bello - hatte die Passantin erst vom Garten aus wie verrückt angebellt. Dann war er über den Zaun gesprungen und hatte die Frau in den Unterarm gebissen. Die Wunde musste im Krankenhaus genäht und lange ärztlich behandelt werden.

Wegen dieser Attacke bekam die Tierhalterin Post von der Gemeinde: Ihr Jagdhund sei als "gefährlich" (im Sinne des "Landesgesetzes über gefährliche Hunde") einzustufen, schrieb die zuständige Behörde. Das bedeute: Sie müsse eine Haftpflichtversicherung abschließen und den Hund durch einen elektronisch lesbaren Chip kennzeichnen. Außerdem müsse sie ihn anleinen und ihm einen Maulkorb anlegen.

Gegen diesen Bescheid zog die Hundebesitzerin vor Gericht und schilderte in rührenden Worten, warum ihr Liebling unschuldig war. Das Opfer habe auch einen Hund, der ihren Bello gebissen habe, als er noch ganz klein war. Seitdem empfinde ihr Jagdhund Frau und Hund als bedrohlich - das sei doch tierpsychologisch verständlich. Über den Zaun sei Bello erst gesprungen, als er durch deren "hysterische Hilferufe" an das Negativerlebnis als Welpe erinnert worden sei (damals habe die Frau ihren eigenen Hund angeschrien). Da habe Bello eben einem erneuten "Negativerlebnis vorbeugen wollen".

Dem Verwaltungsgericht Mainz fehlte es wohl an tierpsychologischem Einfühlungsvermögen (1 L 825/09.MZ). Schnöde wies es die Klage ab, weil Bello "sich als bissig erwiesen" habe. Das Opfer seiner Attacke habe ihn in keiner Weise provoziert. Dennoch sei Bello zielgerichtet und in Angriffshaltung auf die Frau zugestürzt. Die von der Tierhalterin behaupteten negativen Erfahrungen des Hundes im Welpenalter änderten nichts daran, dass das Tier gefährlich sei. Der Behördenbescheid sei rechtens und sofort umzusetzen.

Mittagessen im Kindergarten

Kommune darf dafür einen monatlichen Pauschalbeitrag erheben

Die rheinland-pfälzische Gemeinde Freinsheim kassierte für jedes Mittagessen, das ein Kind im kommunalen Kindergarten zu sich nahm, von den Eltern 2,50 Euro extra. Darüber beschwerten sich die Kindergärtnerinnen, weil die Abrechnung viel Zeit kostete. Deshalb führte die Kommune ab Sommer 2007 eine Verpflegungspauschale von 45 Euro pro Monat ein.

Die Eltern zahlten also nicht mehr nur für die Mahlzeiten, die ihre Kinder tatsächlich gegessen hatten, sondern einen fixen Betrag, der davon unabhängig war. Die Eltern zweier Kleinkinder widersprachen dem Kostenbescheid und zogen vor Gericht: Eigentlich solle der Besuch eines Kindergartens kostenlos sein, beanstandeten sie, damit sei die Pauschale unvereinbar.

Doch das Oberverwaltungsgericht Koblenz fand an der monatlichen Pauschale nichts auszusetzen (7 A 10431/09.OVG). Nach dem Willen des Gesetzgebers sei nur das Regelangebot der Kindergärten kostenlos - nicht aber Wahlangebote wie das Mittagessen. Auch mit der Änderung des Zahlungsmodus habe die Gemeinde ihren Ermessensspielraum nicht überschritten: Jedes Essen einzeln abzurechnen, führe zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand. Diesen Aufwand zu reduzieren, sei ein berechtigtes Anliegen der Kommune.

Mit Stoffhose auf dem Motorrad

Mitverschulden bei einem Unfall wegen Fahrt ohne Schutzkleidung

Nach der Kollision mit einem Auto - verursacht durch den Autofahrer - schlitterte der Motorradfahrer mit seinem Fahrzeug einige Meter die Straße entlang. Am linken Bein erlitt er dadurch Prellungen und erhebliche Risswunden. Den Autofahrer verklagte der Verletzte auf Schmerzensgeld und bekam vom Landgericht 14.000 Euro zugesprochen.

Vergeblich legte er gegen das Urteil Berufung ein, um eine höhere Summe herauszuholen. Der Motorradfahrer müsse sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, urteilte das Oberlandesgericht Brandenburg, weil er nur mit einer Stoffhose bekleidet gewesen sei (12 U 29/09). Deshalb sei die Entschädigung durchaus angemessen.

Zwar sei das Tragen spezieller Schutzkleidung beim Motorradfahren nicht gesetzlich vorgeschrieben. Doch wisse jeder Motorradfahrer, dass Fahren ohne Schutzkleidung das Verletzungsrisiko wesentlich erhöhe. Verbände, die sich mit Verkehrssicherheit befassten, sprächen sich grundsätzlich für Schutzkleidung bei allen Fahrten aus.

Ein Mitverschulden sei immer dann anzunehmen, wenn ein Motorradfahrer "diejenige Sorgfalt außer Acht" lasse, die ein "verständiger Mensch" aufbringe, um Schaden von sich abzuwenden. An den Beinen sei bekanntlich die Verletzungsgefahr am größten. Ausgerechnet da habe der Motorradfahrer auf Schutzkleidung verzichtet, mit der er seine Verletzungen weitgehend hätte verhindern können.

"Erotik-Portal" wirbt mit riesigem Frauenpo ...

... auf einem Kleinlaster am Straßenrand: Anstößige Reklame ist zu entfernen

Der Betreiber eines Erotik-Portals, das im Internet Prostituierte, Telefonsex und ähnliche Dienstleistungen vermittelt, stellte an einer Straße in Köln einen Transporter mit Reklame auf. Darauf waren im Großformat unbekleidete Frauen zu sehen. Das Bild auf der Hecktür des Fahrzeugs zeigte in Übergröße das nackte Hinterteil einer Frau, Kopf, Schultern und Beine waren abgeschnitten.

Als sich bei der Stadt die Beschwerden von Bürgern über die sexuell aufreizende Werbung häuften, griff die Ordnungsbehörde durch: Sie forderte den Fahrzeughalter auf, den Kleinlaster aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen - solange, bis er die anstößige Reklame beseitigt habe. Seine Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.

Bürger fühlten sich durch die aufdringliche Reklame belästigt, so das Oberverwaltungsgericht Münster (5 B 464/09). Für Prostitution dürfe nur mit der gebotenen Zurückhaltung geworben werden - keinesfalls in dieser geschmacklosen Art, die Frauen zum Objekt geschlechtlicher Begierde herabwürdige. Das riesige Gesäß oder auch die tierähnliche Maske einer anderen Frau sprächen Bände.

Für Kinder und Jugendliche, die Zugang zum Internet haben, sei die plumpe Werbung ein erheblicher Anreiz, ihrer Neugier nachzugehen. Auch wenn das Prostitutionsgesetz die Rechtsstellung der Prostituierten verbessert und das Gewerbe aus dem kriminellen Milieu geholt habe: Reklame für Prostitution in dieser Form bleibe verboten.

Autowrack verschenkt ...

Wer sein Auto nicht ordnungsgemäß entsorgt, macht sich strafbar!

Der 22 Jahre alte Wagen hatte nach über 220.000 Kilometern einen Kupplungsschaden. Damit war sein Ende besiegelt. Die Autobesitzerin brachte ihn jedoch nicht zu einem Schrotthändler, sondern inserierte im "Heißen Draht", dem regionalen Kleinanzeigenblatt. Da bot sie das Autowrack "zum Ausschlachten" an. Bald fand sich ein unbekannter Interessent, dem sie es schenkte.

Pech für die junge Frau: Der Abnehmer ließ das Auto in Hannover einfach auf der Straße stehen, wo es einige Tage später gefunden wurde. Die Staatsanwaltschaft ermittelte die Autobesitzerin und warf ihr "umweltgefährdende Abfallbeseitigung" vor: Im Wagen seien noch Öl und Restbenzin gewesen, also umweltschädliche Betriebsflüssigkeiten. Die müsse ein Fahrzeughalter, ebenso wie das Auto selbst, ordnungsgemäß entsorgen.

So sah es auch das Oberlandesgericht Celle (32 Ss 113/09). Fahrzeughalter seien verpflichtet, ein Altfahrzeug nur einer anerkannten Annahmestelle bzw. einem anerkannten Demontagebetrieb zu überlassen. Jeder Verstoß gegen diesen Grundsatz sei strafbar. Wer einen alten Wagen verschenke, müsse sich vergewissern, dass der Abnehmer diesen korrekt demontiert oder entsorgt. Darum habe sich die junge Frau überhaupt nicht gekümmert.

Diese Konstellation unterscheide sich grundlegend von Fällen, in denen der Halter sein Altfahrzeug einem Kfz-Händler übergebe - wenn sich der Händler vertraglich verpflichte, das Autowrack ordnungsgemäß zu entsorgen. Über die Höhe der Geldstrafe für die Autobesitzerin müsse nun das Amtsgericht entscheiden, nachdem es geklärt habe, ob die Frau fahrlässig oder vorsätzlich handelte.

Polizeibeamter entlassen ...

... wegen "intensiven Kontakts" zur rechtsradikalen Szene

Ein 22-jähriger Berliner ging 2002 zur Polizei und wurde ins Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Schon bald fiel er unangenehm auf: Ein Strafverfahren wegen Nötigung im Straßenverkehr wurde gegen den Polizisten eröffnet, dann wieder eingestellt.

2004 erfuhren seine Vorgesetzten, dass der Mann in der rechten Kameradschaftsszene "Rechtsschulungen" abhielt. Er berichtete regelmäßig über seine Tätigkeit bei der Berliner Polizei, sprach über deren Kompetenzen und über die Möglichkeiten für Angehörige der rechten Szene, sich gegen polizeiliches Eingreifen zu wehren.

Wegen des Verdachts, der Beamte könnte selbst Mitglied in einer rechtsradikalen Partei sein, wurde sein Zimmer in der Wohnung der Eltern durchsucht. Dort fanden die Ermittler eine geladene, ungesicherte Schreckschusspistole, Manöverkartuschen und 3.510 Schuss Munition auf dem Fußboden. Vom Amtsgericht Tiergarten wurde der Mann deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt.

Darüber hinaus entließ der Berliner Polizeipräsident den Polizisten wegen rechtsextremer Umtriebe aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Der behauptete nun, er habe seinerzeit bei seinen Vorträgen nicht gewusst, wer seine Zuhörer waren, und legte Einspruch ein. Doch das Verwaltungsgericht Berlin glaubte dem Mann nicht (VG 26 A 143/07).

Nach den Ermittlungsergebnissen in diversen Strafverfahren stehe fest, dass er intensiven Kontakt zur rechten Szene habe. Wer Vorträge vor so einem Publikum halte, dem könne ohnehin nicht entgehen, wes Geistes Kind es sei. Damit habe er ein Dienstvergehen begangen, weil er außerdienstlich den Eindruck erweckte, sich mit rechtsradikalen Zielen zu identifizieren. Auch der Verstoß gegen das Waffengesetz sei als Dienstvergehen zu bewerten.

Sittenwidriges Testament zu Lasten der Steuerzahler

ARGE darf bei groáer Erbschaft die Leistungen an einen Arbeitslosen einstellen

Ein 52-j"hriger Langzeitarbeitsloser und Hartz-IV-Empf"nger aus Dortmund erbte von seiner Mutter 240.000 Euro. Im notariellen Testament hatte die Mutter ihren Bruder als Testamentsvollstrecker eingesetzt: Er msse dafr Sorge tragen, dass der Nachlass erhalten bleibe, verfgte sie.

Ihr Sohn solle in den Genuss von Zinsen kommen, ohne dass ihm die "ffentlichen Zuwendungen verloren gingen. Der Onkel sollte dem Erben kleinere Geldbetr"ge fr Urlaube, Kleidung, Hobbys oder medizinische Behandlung auszahlen, soweit sie nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden k"nnten.

Dennoch stellte die Grundsicherungsbeh"rde (JobCenter / ARGE Dortmund) ihre Zahlungen an den Arbeitslosen ein. Die Klage des Erben auf weitere Sozialleistungen blieb beim Sozialgericht Dortmund ohne Erfolg (S 29 AS 309/09 ER): Darauf sei er nicht mehr angewiesen, so das Gericht. Der bisherige Hilfeempf"nger k"nne nun seinen Lebensunterhalt kurzfristig sicherstellen, indem er Aktien verwerte.

Um seine Hilfebedrftigkeit langfristig zu beenden, msse er das sittenwidrige Testament anfechten, das einseitig zu Lasten der Allgemeinheit gehe. Die Freiheit, in einem Testament uneingeschr"nkt ber Verm"gen zu disponieren, k"nne nicht so weit gehen, dass die Mutter dem Erben Annehmlichkeiten wie Hobbys und Reisen aus dem Nachlass finanziere, w"hrend fr dessen Lebensunterhalt der Steuerzahler aufkommen solle.

Kuh "Paula" darf im Wohngebiet bleiben

Tierhaltung in dem Anwesen war "von Alters her" genehmigt

Ein Mann, der früher als Nebenerwerbslandwirt etwas dazu verdient hatte, hält auf seinem Anwesen immer noch einige Tiere, um sich selbst zu versorgen: eine Ziege, einige Schweine und die Kuh "Paula". Eines Tages sollten die Tiere verjagt werden. Der Stall liege mitten in einem Wohngebiet (nämlich im Ortsteil Schafhof in Maulbronn), erkannte das Landratsamt Enzkreis. Dort sei Tierhaltung baurechtlich unzulässig.

Gegen das Verbot zog der Tierhalter vor Gericht und gewann den Prozess gegen das Landratsamt: Die Tierhaltung sei in dem Gebäude von Alters her genehmigt, stellte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim fest (5 S 347/09). Die Familie des Mannes habe dort bis 1973 einen Bauernhof unterhalten, er selbst bis in die 80er Jahre hinein eine Nebenerwerbslandwirtschaft inklusive Tierzucht.

Die Erlaubnis für diese Tätigkeit sei niemals aufgehoben worden oder auf andere Weise verloren gegangen. Auch als der Mann vor etwa 25 Jahren aufgehört habe, als Nebenerwerbslandwirt zu arbeiten, habe er trotzdem noch weiterhin Tiere im Schafhof gehalten. Er habe also nie zu erkennen gegeben oder gegenüber den Behörden die Erwartung geweckt, dass er die Tierhaltung endgültig aufgeben werde.

Hilfeempfängerin mit zehn schulpflichtigen Kindern ...

... kämpft vergeblich um Zuschuss für Schulbücher: Es gibt nur Darlehen

Die 13-köpfige Großfamilie lebt von der Erwerbsminderungsrente des Vaters, vom Kindergeld und von einer monatlichen Regelleistung (1.339 Euro) der ARGE (= "Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung", die ARGE ist Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende). Für jedes ihrer zehn schulpflichtigen Kinder sollte die Familie einen jährlichen Lernmittelbeitrag von 40 Euro zahlen.

Deshalb wandte sich die Mutter an die Sozialbehörde und beantragte eine zusätzliche Beihilfe für den Erwerb von Schulbüchern. Dafür könne die ARGE keinen Zuschuss, nur ein Darlehen gewähren, teilte der zuständige Sachbearbeiter mit. Damit wollte sich die Mutter nicht abfinden und zog vor Gericht.

Vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bekam sie jedoch keine erfreulichere Auskunft (7 AS 72/08). Die Regelleistung werde nur in Ausnahmefällen erhöht, die das Sozialgesetzbuch abschließend definiere. Der Kauf von Schulbüchern gehöre nicht dazu. Die ARGE habe der Familie ein Darlehen mit niedrigen Tilgungsraten angeboten, mehr sei nicht vorgesehen.

Das grundrechtlich geschützte Recht der Kinder auf Teilhabe an Bildung sei damit nicht in Frage gestellt. Denn die Schule habe den Kindern die Schulbücher zu Beginn des Schuljahres ausgehändigt. Nur die Bezahlung sei strittig. Mittlerweile habe der Gesetzgeber im übrigen das Sozialgesetzbuch geändert und gewähre Schülern zusätzliche Leistungen.

"Kuckucks"-Sperrmüll

Keine Sondergebühr für das Abholen fremden Sperrmülls

Beim kommunalen Entsorger meldete Frau S die Abfuhr von Sperrgut an: einen Teppich, eine Couchgarnitur, Schränke. Die Möbel stellte sie am vereinbarten Abholtag vor das Haus. Laut der "kommunalen Satzung über die Abfallentsorgung" ist das Abholen sperriger Gegenstände, die im Restmüll nicht unterzubringen sind, bis zu einem Gewicht von 600 kg einmal im Jahr kostenfrei. Liegt das Gewicht höher, fällt eine Sondergebühr an.

Als die Mitarbeiter des Entsorgungsunternehmens das offiziell angemeldete Sperrgut abholten, stellten sie fest, dass es über 1100 kg wog. Nun sollte Frau S 50 Euro Sondergebühr zahlen. Ihre Klage gegen den städtischen Gebührenbescheid hatte beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Erfolg (13 K 2592/08). Das Gericht erklärte, es habe keinen Anlass, an der Aussage von Frau S zu zweifeln. Sie habe genau beschrieben, welche Gegenstände sie entsorgen lassen wollte.

Wenn jemand Sperrmüll offiziell anmelde und abholen lasse, stellten häufig Unbekannte ihren Sperrmüll dazu, wie die Lebenserfahrung zeige. Dafür müsse Frau S nicht zahlen: Die Möglichkeit für Dritte, den eigenen Sperrmüll auf diese Weise loszuwerden, löse keine Gebührenpflicht für den Anmelder aus.

Vielmehr müsse der Entsorger schon bei der Annahme des Auftrags genau nachfragen, welche Sachen zu entsorgen seien (Art, Menge, Aussehen des Sperrguts), und das schriftlich fixieren. Nur so könnten die Mitarbeiter vor Ort kontrollieren, ob die Gegenstände angemeldet seien.