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Quizmaster mit oder ohne Motoryacht?

Verlag demonstriert mit Luftbildaufnahmen die Möglichkeiten von "Google Earth"

Unter dem Titel "Spione im Garten" veröffentlichte eine Zeitschrift einen Artikel über die Möglichkeiten der Internetrecherche mit "Google Earth". Wie nahe man damit Prominenten und anderen Privatleuten kommen kann, demonstrierten Luftbildaufnahmen von einem See nahe Berlin. Die Aufnahmen zeigten Villen am See.

Eine der Villen gehört einem bekannten Fernsehmoderator und Quizmaster. Am Ufer des Sees lag an einem Bootssteg ein Boot oder eine Yacht. Kommentar der Zeitschrift: "Ja, hier lässt es sich aushalten. Unten am Bootssteg schaukelt eine Motoryacht ... Die Umrisse der Villa mit einem Türmchen im klassizistischen Stil lassen auf große Räume schließen ... Hier wohnt Quizmaster ..., der für sich und seine Familie eine moderne Prunkvilla bauen konnte".

Der Betroffene verlangte vom Zeitschriftenverlag eine Gegendarstellung: Der Text schreibe ihm ein Luxusaccessoire (Motoryacht) zu, das er nicht besitze und auch nicht für erstrebenswert halte. Es entspreche nicht seinem Selbstverständnis, mit seinen Einkommensverhältnissen zu protzen.

Dass das Boot oder die Yacht dem Quizmaster gehöre, sei dem Kommentar nicht eindeutig zu entnehmen, fand das Oberlandesgericht Düsseldorf (I-15 U 176/07). Die Formulierung könne man auch anders deuten. Dem Leser des Kommentars dränge sich jedenfalls keine bestimmter Schluss auf. Deshalb müsse die Zeitschrift auch keine Gegendarstellung drucken.

Das abgebildete Boot könnte auch einem Wassersportler, einem Fan oder Besucher gehören. Für den Leser sei erkennbar, dass die Momentaufnahme und der Text das Ambiente beschreiben, Aussagen zu Eigentumsverhältnissen fehlten. Im übrigen werde auch das Haus des Quizmasters nur nebenbei erwähnt. Die Aufnahme diene nur als "Aufhänger" für das eigentliche Thema des Artikels, die Einsatzmöglichkeiten von "Google Earth".

Sieben Meter hohes "Kreuz der Liebe"

Stadt Hilden besteht darauf, dass das Holzkreuz entfernt wird

Auf einem kleinen Hausgrundstück in Hilden stellten die Eigentümer ein 7,38 Meter hohes, in weiß und hellblau gestrichenes Holzkreuz auf. Das war eine Huldigung an eine christliche Sekte, die sich auf Offenbarungen zweier französischer Seherinnen beruft.

Vor etwa 40 Jahren soll ihnen Jesus Christus in Dozulé erschienen sein und den Auftrag erteilt haben, ein 738 Meter hohes Kreuz zu errichten ("Kreuz der Liebe" bzw. "Glorreiches Kreuz Christi"). Denn sein Kreuz auf dem Hügel Golgotha habe genau auf dieser Höhe gestanden. Die Römisch-Katholische Kirche lehnt es ab, die "Botschaft von Dozulé" zu verbreiten und derartige Kreuze aufzustellen - was deren Anhänger natürlich nicht davon abhält.

Die Stadt Hilden war vom "Kreuz der Liebe" wenig erbaut: Es müsse weg, verlangte sie von den Grundstückseigentümern. Die Dozulé-Anhänger scheiterten mit ihrem Einspruch beim Verwaltungsgericht Düsseldorf (9 K 4675/06).

Das Kreuz stehe außerhalb der Baugrenzen und verstoße damit gegen den Bebauungsplan, so die Richter. Es sei fast so groß wie ein Haus und dominiere das ganze Grundstück. Das Holzkreuz sei so überdimensioniert, dass es für die Nachbarn eine Zumutung bedeute. Und obendrein stehe die "bauliche Anlage" zu nahe an der Grundstücksgrenze, der vorgeschriebene Mindestabstand betrage 1,25 Meter.

Beamtenwitwe klagt Witwengeld ein

Ausnahmefall: Kurzehe war schon die zweite Ehe mit dem Verstorbenen

Witwengeld erhalten die Witwen verstorbener Beamten nur, wenn die Ehe mindestens ein Jahr gedauert hat. Denn bei noch kürzerer Ehe unterstellt der Gesetzgeber, dass die Heirat nur stattgefunden hat, um der Witwe eine Versorgung zu verschaffen.

Das Verwaltungsgericht Arnsberg hatte über so einen Fall zu entscheiden (2 K 396/07). Die Witwe eines verstorbenen Landesbeamten klagte Witwengeld ein, das ihr vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen verweigert worden war. Begründung: Die Ehe sei erst zehn Tage vor dem Tod des schwerkranken Beamten 2006 geschlossen worden. Die Frau bekam trotzdem vom Gericht die Versorgung zugesprochen - wegen der ganz besonderen Umstände dieses Ausnahmefalls, wie die Richter betonten.

Das Paar sei schon früher 13 Jahre miteinander verheiratet gewesen (bis 1997). Auch nach der Scheidung hätten sich die Ex-Partner regelmäßig getroffen und seien eng befreundet geblieben. Sie übten gemeinsam das Sorgerecht für ihren Sohn aus. Die Frau habe den Beamten bei der Pflege seiner betagten Eltern unterstützt. Das alles spreche doch sehr dafür, dass die zweite Heirat Ausdruck einer echten persönlichen Bindung gewesen sei.

Videokamera am Eingang einer Wohnanlage

Videoanlage muss von allen Wohnungseigentümern gebilligt werden

"Um ihr Eigentum zu schützen", hielten es einige Wohnungseigentümer für notwendig, den Eingang der Wohnanlage zu überwachen. Es wurde eine Türsprechanlage mit Videokamera eingebaut. Diese lief allerdings nicht ständig, sondern wurde jedes Mal in Gang gesetzt, wenn jemand die Klingel betätigte. Eine Hausbewohnerin fühlte sich dennoch durch die Kamera gestört und forderte, die Anlage zu entfernen.

Zu Recht, wie das Oberlandesgericht Köln entschied (16 Wx 13/07). Zumindest in einer Wohnung könne man die Aufnahmen, die nach jedem Klingeln gemacht würden, drei Minuten lang sehen. Die Eigentümer bzw. Nutzer dieser Wohnung könnten also intensiv den Eingangsbereich beobachten. Das beeinträchtige das Persönlichkeitsrecht der anderen Eigentümer und ihrer Besucher.

Außerdem könne man diese Sorte Videoanlage unschwer durch weitere Geräte ergänzen und so umrüsten, dass der Eingang permanent gefilmt werde. Damit gehe die Kontrolle weit darüber hinaus, was eine normale Türsprechanlage an Möglichkeiten biete. Dafür gebe es keine sachliche Rechtfertigung. Die Anlage dürfte deshalb nur bleiben, wenn alle Eigentümer damit einverstanden wären.

Hartz IV-Empfängern droht Stromsperre

Zahlungsrückstand kann Anspruch auf finanzielle Unterstützung begründen

Das Ehepaar hatte schon früher Schulden beim Energieversorger und deswegen beim Sozialversicherungsträger ein Darlehen aufgenommen, um das Loch zu stopfen. Nun war es schon wieder so weit: Die Hartz IV-Empfänger hatten ihre sehr schlecht gedämmte Wohnung nach einer Gassperre längere Zeit mit Stromradiatoren geheizt. Das trieb die Stromkosten in die Höhe, die monatlichen Abschlagszahlungen an den Energieversorger reichten hinten und vorne nicht. Schließlich zahlte das Paar gar nichts mehr.

Als wegen des Zahlungsrückstands eine Stromsperre drohte, wandten sich die Eheleute an die zuständige Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung (ARGE) und baten um Hilfe. Die ARGE lehnte es ab, die Stromschulden auszugleichen. An dieser Misere seien die Hilfeempfänger selbst schuld. So sah es auch das Sozialgericht Stendal.

Beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt fanden die Schuldner mehr Verständnis (L 2 B 242/07 AS ER). Wenn bereits eine Stromsperre bevorstehe, handle es sich um eine Notlage, erklärten die Richter in einem Eilverfahren. Damit würde die Wohnung so gut wie unbewohnbar. Ohne Strom könnten die Hartz IV-Empfänger nicht Kochen, Lesen oder Telefonieren. Das seien elementare Bedürfnisse.

Daher müsse hier die ARGE finanzielle Unterstützung leisten. Allerdings sei diese nicht an die Schuldner, sondern direkt an den Stromlieferanten zu zahlen. Ob als Darlehen oder als einmaliger Zuschuss für die Hilfeempfänger, darüber müsse das Sozialgericht entscheiden.

Hallendach eingestürzt

Bauunternehmer erfüllt unter Umständen seine Organisationspflichten schon durch sorgfältige Auswahl von Subunternehmern

In den achtziger Jahren erhielt ein Bauunternehmer den Auftrag, aus 30 Nagelplattenbindern das Dach einer Turnhalle zu errichten. Die Binder stellte ein - in der Branche anerkanntes - Unternehmen her, das eine Lizenz dafür hatte. Die Statik ließ der Bauunternehmer ebenfalls von einer anderen Firma erstellen; sie hatte das System entwickelt.

Die Produktion der Binder überwachte der Bauunternehmer nicht. 17 Jahre nach der Bauabnahme stürzte das Hallendach ein. Experten fanden heraus, dass die Binder den Anforderungen der Statik nicht entsprachen. Daraufhin verklagte der kommunale Auftraggeber den Bauunternehmer auf Ersatz des Sachschadens.

Zu Recht, fand das Oberlandesgericht: Der Auftragnehmer hätte (während der Produktion und nach der Bau-Fertigstellung) kontrollieren müssen, ob die Binder mit den statischen Vorgaben übereinstimmten. Dem widersprach der Bundesgerichtshof (VII ZR 99/06). Ein Bauunternehmer müsse zwar den Bau korrekt organisieren, nicht aber Produktionsprozesse, die außerhalb seiner Verantwortung lägen.

Er könne nur Prozesse überwachen, die er selbst beeinflussen und fachlich beurteilen könne. Sei das unmöglich - mangels eigener Fachkunde oder mangels Lizenz -, erfülle der Bauunternehmer seine organisatorischen Pflichten bereits dadurch, dass er die Subunternehmer sorgfältig aussuche. Das sei hier geschehen; daher müsse der Auftragnehmer nicht für die Einsturzschäden haften.

Baugenehmigung zu Unrecht verweigert

Baubehörde haftet für den so verursachten Schaden der Grundstückseigentümerin

1997 kaufte eine Immobiliengesellschaft im Zentrum einer ostdeutschen Stadt einen Gebäudekomplex. Geplant war, die Gebäude zu sanieren, anschließend in Wohnungseigentum aufzuteilen und die Einheiten zu verkaufen bzw. zu vermieten. Schon bevor die Bauträgerin mit der Modernisierung begann, hatte sie einige notarielle Kaufverträge abgeschlossen.

Zu Unrecht lehnte es die Bauaufsichtsbehörde ab, die Sanierung der Gebäude zu Wohnzwecken zu genehmigen. Die Immobiliengesellschaft klagte erfolgreich gegen den Bescheid. Doch in der Zwischenzeit ging nichts voran - und die Grundstückseigentümerin konnte die Verträge mit den Wohnungskäufern nicht einhalten.

Die Baubehörde müsse ihr den Schaden von fast 200.000 Euro ersetzen, urteilte der Bundesgerichtshof (III ZR 62/07). Der Immobiliengesellschaft sei Gewinn entgangen und teils sei sie auch mit Schadenersatzansprüchen der frustrierten Käufer konfrontiert worden.

Der Grund dafür liege ausschließlich im Handeln der Behörde. Wenn eine Bauaufsichtsbehörde die bauliche Nutzung oder den Verkauf von Immobilien rechtswidrig und schuldhaft vereitle, hafte sie für die nachteiligen Folgen ("Amts- und Staatshaftung").

Strahlengeschädigter DDR-Funker

Ex-NVA-Soldat erhält keine Entschädigung von der BRD

Sein Dienst bei der NVA hatte den Mann krank gemacht. Von 1962 bis 1971 hatte er in der DDR-Armee als Funkorter gedient und beim Hantieren mit den Geräten nicht zu knapp radioaktive Strahlen abbekommen. Nun fordert er von der Bundesrepublik Deutschland Schmerzensgeld für diverse strahlenbedingte Krankheiten.

Begründung: Mit der deutschen Einheit sei nicht nur das Vermögen der Nationalen Volksarmee (NVA) in Bundesbesitz übergegangen, sondern auch die Haftung der NVA für Schäden, die sie zu verantworten habe. Auch nach dem Staatshaftungsgesetz der DDR hätte ihm eine Entschädigung zugestanden.

Der Bundesgerichtshof wies die Klage des Ex-Soldaten ab (III ZR 90/07). Die Radargeräte seien gemäß dem Einigungsvertrag als Verwaltungsvermögen der DDR in Besitz der BRD übergegangen. Sollte damit Unrechtmäßiges vorgegangen sein, hafte dies aber nicht den Radargeräten an (mit der Folge, dass der neue Eigentümer dafür einstehen müsste).

Auch nach dem DDR-Staatshaftungsgesetz hätte der Ex-Soldat nur eine Entschädigung bekommen, wenn es Fehler von verantwortlichen Mitarbeitern der NVA gegeben hätte, z.B. unzureichende Dienstanweisungen zu Schutzmaßnahmen. Das sei nicht mehr aufzuklären.

Zu Unrecht wegen Ruhestörung abgemahnt?

Mieter geht gerichtlich gegen die Abmahnung vor - unzulässige Klage

Eines Tages erhielt der Mieter Post von der Vermieterin, die das Schreiben als "Abmahnung" bezeichnete. Andere Hausbewohner hätten sich über ihn beschwert, teilte sie mit, weil er ständig sein Fernsehgerät überlaut einstelle. Für den Fall einer erneuten Beschwerde wegen Ruhestörung drohte die Vermieterin an, den Mietvertrag fristlos zu kündigen.

Der Mieter hielt den Vorwurf für absurd und die Abmahnung für unberechtigt. Diesen Standpunkt wollte er unbedingt von der Justiz bestätigt bekommen. Dafür gibt es jedoch keine Rechtsgrundlage, erfuhr er beim Bundesgerichtshof (VIII ZR 139/07). Weder im Mietvertragsrecht, noch im Bürgerlichen Gesetzbuch sei vorgesehen, dass Mieter gegen unberechtigte Abmahnungen vorgehen könnten.

Und das sei kein Zufall. Denn eine Abmahnung bewirke nichts weiter, als dem Mieter ein Fehlverhalten vor Augen zu führen. Das habe keinerlei Konsequenzen für einen späteren Rechtsstreit. Werde der Mietvertrag gekündigt und komme es in einem Prozess auf das abgemahnte Fehlverhalten an, müsse der Vermieter - wenn der Mieter eine Pflichtverletzung bestreite - diese belegen. Diesen Beweis müsse der Vermieter führen, ob er nun abgemahnt habe oder nicht.

Im Arbeitsrecht könne ein Arbeitnehmer verlangen, dass eine unberechtigte Abmahnung zurückgenommen werde. Dieses Prinzip sei aber auf das Mietrecht nicht übertragbar. Denn es beruhe auf einer sehr ausgeprägten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die im Mietrecht nicht existiere.

Hohe Entschädigung für "Esra"

Schlüsselroman über das Liebesleben eines Autors verletzt die Persönlichkeitsrechte seiner Ex-Freundin

Jahrelang beschäftigte der Fall die Gerichte. Autor B. veröffentlichte einen autobiographisch geprägten Roman mit dem Titel "Esra", in dem er eine verflossene Liebe "aufarbeitete". Wie er die Titelheldin Esra beschreibt und ihr Leben schildert, ist in der Romanfigur unschwer seine frühere Freundin, eine Schauspielerin, zu erkennen. Die Frau war verständlicherweise nicht davon erbaut, dass ihr Intimleben öffentlich ausgebreitet wurde. Auch ihre Kinder kamen im Roman vor und waren leicht als reale Personen zu identifizieren.

Der Verlag, der den Roman herausgegeben hatte, musste nach langem Rechtsstreit ("Persönlichkeitsrechte der Dargestellten contra künstlerische Freiheit") einzelne Passagen streichen. Darüber hinaus verlangte die Ex-Freundin vom Schriftsteller und vom Verlag 50.000 Euro Entschädigung für die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Das Landgericht München I sprach ihr diese Summe zu (9 O 7835/06).

Unabhängig von der Frage, ob die Schilderungen in allen Einzelheiten der Wahrheit entsprächen, müsse man Folgendes festhalten, so die Richter: Weder das Intimleben einer Frau noch das Mutter-Kind-Verhältnis sollte Gegenstand öffentlicher Erörterungen sein. Zwar sei zu bedenken, dass sich die Pflicht, Schadenersatz zu leisten, negativ auf die Freiheit der Kunst auswirke. Dennoch sei in diesem Fall eine so hohe Entschädigung angemessen, weil die Verletzung der Privatsphäre gravierend gewesen sei.

Fünf-Prozent-Klausel bei Kommunalwahlen ...

... ist nicht nötig, um funktionierende Gemeindeverwaltung zu gewährleisten

Die Landesverbände Schleswig-Holstein zweier Parteien - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE - beantragten, die Fünf-Prozent-Sperrklausel aus dem schleswig-holsteinischen Kommunalwahlgesetz zu streichen. Das Bundesland lehnte dies ab. Daraufhin wandten sich die Parteien mit ihrem Anliegen ans Bundesverfassungsgericht und hatten Erfolg (2 BvK 1/07).

Die Klausel beeinträchtige die Chancengleichheit in der Politik, so die Verfassungsrichter. Diesen Nachteil müsse man bei Bundestags- und Landtagswahlen in Kauf nehmen. Denn in Parlamenten benötige die Demokratie klare Mehrheiten, um die Basis für eine politisch aktionsfähige Regierung zu sichern. Das treffe aber für Kommunalwahlen nicht unbedingt zu.

In Schleswig-Holstein werden seit 1995 die Bürgermeister direkt gewählt. Damit sei - unabhängig von Mehrheitsverhältnissen - in den Gemeinden eine funktionierende Kommunalverwaltung gewährleistet, für welche die Bürgermeister allein verantwortlich seien. Der Wegfall der Sperrklausel würde sich in den Gemeinden daher kaum auswirken.

Auch wenn im Kreistag oder in den Stadträten eine größere Zahl von Fraktionen Einzug halte, drohe keine Gefahr für die Funktionsfähigkeit dieser Gremien. Bei Sachentscheidungen reiche eine relative Mehrheit. In anderen Bundesländern habe man die Fünf-Prozent-Klausel bei den Kommunalwahlen bereits abgeschafft - ohne dass dies die Arbeit der Stadt- und Kreisräte erschwert hätte.

In Bayern müssen Beamte länger arbeiten

Verfassungsbeschwerde gegen die Änderung hat keinen Erfolg

Als der Freistaat Bayern 2004 die Wochenarbeitszeit für Staatsbedienstete von 40 auf 42 Stunden heraufsetzte, ärgerte das den Beamten gewaltig. Das sei ungerecht, meinte er. Zum einen müssten die Angestellten des öffentlichen Dienstes längst nicht so viele Stunden arbeiten. Zum anderen gebe es keinen finanziellen Ausgleich für die Mehrarbeit. Der Freistaat verlange zu viel von seinen Beamten und verletze damit seine Fürsorgepflicht.

Vergeblich erhob der Beamte Verfassungsbeschwerde gegen die Verlängerung der Arbeitszeit: Zwei Arbeitsstunden mehr in der Woche seien nicht bedenklich, erklärte das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 398/07).

Dadurch werde niemand so belastet, dass es die Gesundheit der Beamten beeinträchtigen könnte. Damit vernachlässige der Freistaat als Dienstherr nicht seine Fürsorgepflicht. Um eine übermäßige Belastung Einzelner zu vermeiden, gebe es viele Sonderregelungen (zum Beispiel für Beamte ab 50, Jugendliche und Schwerbehinderte).

Der Freistaat sei auch nicht verpflichtet, für die Mehrarbeit mehr zu zahlen. Der Vergleich mit den Angestellten des öffentlichen Dienstes helfe nicht weiter: Bei Beamten werde die Arbeitszeit immer schon einseitig vom Dienstherrn festgesetzt, während bei den Angestellten die Tarifparteien darüber verhandelten. In diesem Punkt könne es ohnehin keine Gleichbehandlung geben.

Beamter hinterzog Steuern

Finanzamt darf den Dienstvorgesetzten darüber informieren

Ein Beamter hatte über Jahre hinweg in der Einkommensteuererklärung immer nur einen kleinen Teil seiner nebenberuflichen Einkünfte angegeben und so Steuern hinterzogen. Als diese Praxis aufflog, leitete die Strafsachenstelle des Finanzamts ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Das Verfahren wurde bald wieder eingestellt: Zum einen, weil die Straftaten teilweise schon verjährt waren. Zum anderen, weil der unwillige Steuerzahler flugs eine Selbstanzeige abgegeben und die Steuern nachgezahlt hatte, um ein Strafverfahren zu vermeiden.

Das Finanzamt teilte ihm mit, es werde seinen Dienstvorgesetzten über die Ermittlungen unterrichten. Um das zu verhindern, wandte sich der Mann ans Finanzgericht, das ihm Recht gab: Da das Verfahren eingestellt sei, würden ja doch keine Disziplinarmaßnahmen gegen den Beamten ergriffen. Dann solle man lieber gleich das Steuergeheimnis wahren. Dem widersprach der Bundesfinanzhof (VII B 149/07).

Disziplinarische Erwägungen könne die Strafverfolgungsbehörde getrost dem Dienstherrn überlassen, erklärten die Bundesrichter. Doch sei das Finanzamt (gemäß Beamtenrecht) befugt, den Dienstvorgesetzten eines Beamten über Erkenntnisse in Steuerstrafverfahren zu unterrichten - wenn es darum gehe zu prüfen, ob gegen den Beamten disziplinarische Maßnahmen anstünden. Das gelte auch dann, wenn der Beamte eine strafbefreiende Selbstanzeige abgegeben habe. Auch das Steuergeheimnis ändere daran nichts, denn es werde vom Gesetzgeber nicht schrankenlos garantiert.

Kinderpornographie

Wer als Beamter Kinderpornos kauft oder besitzt, ist seinen Posten los

Im August 2004 war ein Staatsanwalt vom Amtsgericht wegen Besitzes kinderpornographischer Computerdateien zu einer Geldstrafe in Höhe von 15.300 Euro verurteilt worden. Aus dem Beamtenverhältnis wurde er entlassen, alle Rechtsmittel dagegen blieben erfolglos - bis hin zur Verfassungsbeschwerde.

Hier die disziplinarische Höchststrafe zu verhängen, sei eine richtige Entscheidung des Dienstgerichts gewesen, erklärte das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 313/07). Schon der Besitz von Kinderpornographie sei als schweres Dienstvergehen zu werten. Von Staatsanwälten könne man (ebenso wie von Lehrern und anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes) erwarten, dass sie Strafgesetze zum Schutz von Kindern respektierten.

P.S.: Dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entspricht der allgemeinen Tendenz in der Rechtsprechung, Käufer bzw. Besitzer von Kinderpornographie aus dem Dienst zu entfernen. Das musste auch ein Ministerialrat im bayerischen Wirtschaftsministerium erfahren, der im Dezember 2006 bei einer Razzia gegen einen Pädophilen-Ring aufgeflogen war.

Der Beamte wurde nicht sofort suspendiert, weil er die Fotos (mit massivem Missbrauch von Kleinkindern) nicht auf dem Dienstcomputer, sondern auf seinem privaten Laptop gespeichert hatte. Die Behörde ging zudem von einem "einmaligen Ausrutscher" aus. Als jedoch herauskam, dass der Mann mehrfach über ein Internetportal Kinderpornos gekauft hatte, wurde er entlassen. Das Verwaltungsgericht München billigte die Maßnahme. Darüber hinaus wurde der Ministerialrat zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Jugendamt wendet sich gegen Umgangsrecht für einen Vater

Ist das Kindeswohl gefährdet, muss das Amtsgericht Schutzmaßnahmen treffen

Die (unverheirateten) Eltern des Jungen hatten sich getrennt. Das Kind lebte bei der Mutter. Da der Vater auf die schiefe Bahn geraten war, fürchteten die Mutter und Mitarbeiter des Jugendamts, der Umgang mit dem Vater könnte dem Jungen schaden. Das Jugendamt beantragte deshalb beim Amtsgericht, den Kontakt zwischen Vater und Kind zu verbieten.

Der Amtsrichter lehnte dies ab. Dagegen legte das Jugendamt Beschwerde ein und bekam vom Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken Recht (9 UF 167/06). Wenn das Jugendamt dem Gericht Fakten vorlege, die eine Gefahr für das Kindeswohl anzeigten, so das OLG, dann dürfe sich das Amtsgericht nicht darauf beschränken, den Antrag zurückzuweisen. Das Amtsgericht sei zwar inhaltlich nicht an den Antrag des Jugendamts gebunden. Es müsse aber jedenfalls alle wesentlichen Umstände ermitteln und Maßnahmen ergreifen, um das Kind zu schützen.

Da sei in erster Linie an eine Einschränkung des Sorgerechts zu denken oder daran, für das Kind einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Das Amtsgericht habe jedoch nicht einmal den Sachverhalt richtig aufgeklärt. Denn es stehe nicht fest, wer überhaupt das Sorgerecht innehabe. Auch wisse man nichts über die aktuellen Lebensverhältnisse der Eltern und ihren Kontakt zueinander.

Durch elektronische Fersendämpfung ...

... wird ein Laufschuh nicht zum Elektrogerät!

Der "letzte Schrei" im Sortiment eines bekannten deutschen Sportartikel-Herstellers ist ein Laufschuh, dessen Dämpfung sich beim Laufen automatisch dem Gewicht des Läufers und dem Untergrund anpasst. Ein Mini-Computer ändert den Härtegrad der Dämpfung mit einem Sensor, einem Magneten und einem motorbetriebenen Kabelsystem.

Deshalb war die zuständige Behörde - die Stiftung Elektro Altgeräte Register (EAR), Fürth, unter Fachaufsicht des Umweltbundesamts - der Ansicht, der Laufschuh sei als Elektrogerät (im Sinne des Elektro- und Elektronikgesetzes) anzusehen und gemäß dessen Vorschriften zu registrieren und zu entsorgen. Der Hersteller müsse die Schuhe zurücknehmen, als wären sie Elektroschrott.

Gegen dieses Ansinnen wehrte sich der Hersteller: Trotz aller technischen Finesse bleibe der Schuh ein Schuh, argumentierte er, schließlich könne man damit auch ohne das elektronische Steuerungssystem laufen. Ein Laufschuh mit einem elektronischen Bauteil sei nicht als Elektrogerät einzustufen, bestätigte das Bundesverwaltungsgericht (7 C 43.07).

Das Gesetz gelte nur für bestimmte Elektrogeräte, die im Gesetz festgelegt seien (Haushaltsgeräte, Geräte der Unterhaltungselektronik, Informations- und Telekommunikationstechnik, Elektrische Werkzeuge, Beleuchtungskörper, Sportgeräte). Sportschuhe gehörten keiner dieser Kategorien an. Sie stellten keine "Sportgeräte" dar, sondern zählten zur Bekleidung.

Ehefrau als Stasi-Spitzel verdächtigt

Informantenstatus unbewiesen - keine Aufhebung der Ehe

Eine Bürgerin der DDR war 1988 (mit Genehmigung der DDR-Behörden) in die BRD ausgereist. Einige Monate später verabredete sie sich mit ihrem (in der DDR gebliebenen) Lebensgefährten zu einem letzten Treffen - in einer Autobahnraststätte an der Transitstrecke. Dort wurde das Paar vorübergehend festgenommen.

Kurz vorher hatte der Mann eine andere Frau kennengelernt, die er 1990 heiratete. Vor der Hochzeit fand - seiner späteren Schilderung nach - ein Gespräch statt, bei dem er seine Zukünftige fragte, ob sie die Stasi über das Treffen mit seiner früheren Lebensgefährtin informiert habe. Das habe die Frau bestritten. Doch sie konnte seinen Verdacht wohl nie ganz ausräumen. Jedenfalls beantragte (und bekam) der Mann 1995 Einsicht in die Stasi-Akten.

Elf Jahre lang unternahm der Mann nichts. Erst 2006 beantragte er bei Gericht, die Ehe aufzuheben - weil ihn seine Frau an die Stasi verraten habe. Wenn er darüber Bescheid gewusst hätte, hätte er sie nicht geheiratet. Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg ließ ihn abblitzen (10 UF 161/07). Ob die Heirat durch "arglistige Täuschung" zustande kam, sei ungeklärt. Die Ehe aufzuheben, komme daher nicht in Frage (wird eine Ehe wegen der Umstände der Eheschließung aufgehoben, ist sie von Anfang an nichtig).

Dass die Ehefrau 1988 als Informantin gearbeitet habe, sei nicht bewiesen, so das OLG. Die Stasi-Akten seien in diesem Punkt unklar. Viel naheliegender sei, dass der DDR-Geheimdienst auf andere Weise von dem Treffen erfahren habe. Die Stasi habe das Telefon des Mannes abgehört und ihn seit der Ausreise seiner Lebensgefährtin ständig überwacht. Ob ihn seine spätere Ehefrau in jenem (nicht belegten) Gespräch vor der Hochzeit angelogen habe, sei auch nicht mehr zu klären. Das behaupte er und seine Frau sage das Gegenteil.

Im übrigen sei die Frist für seinen Antrag schon längst abgelaufen. Wenn ein Ehepartner von Umständen erfahre, die ihn von einer Heirat abgehalten hätten, müsse er innerhalb eines Jahres die Aufhebung der Ehe beantragen. Die Richter empfahlen, ein "normales" Scheidungsverfahren einzuleiten.

Anwaltskanzlei verunsichert Wohnungskäufer

Per Rundschreiben suggerierten Anwälte "dringenden Beratungsbedarf"

Die Anwaltskanzlei versprach sich viel von ihrer Werbestrategie: Sie schickte ein Rundschreiben an die Käufer von 43 Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. In dem Rundschreiben wurden die Käufer darüber informiert, dass der Kaufvertrag unter bestimmten Umständen rückabgewickelt werden könne. Wenn die finanzierende Bank mit der Verkäuferin, einem Immobilienunternehmen, zusammenwirke, könnten der Bank falsche Angaben des Bauträgers angerechnet werden, womit auch der Darlehensvertrag anfechtbar wäre.

Darauf folgten Suggestivfragen wie: "Sind Sie sicher, dass die Immobilie ihren Kaufpreis wert ist?" und "Handelt es sich hier wirklich um eine sichere Kapitalanlage, die auch künftig ausreichend Erträge abwirft?" Das Immobilienunternehmen forderte die Anwaltskanzlei auf, derartige Werbeaktionen zu unterlassen.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken (4 U 106/07). Dieses Rundschreiben wende sich gegen das Immobilienunternehmen und überschreite die Grenzen zulässiger Werbung. Bei den Adressaten werde mit den Suggestivfragen der Eindruck erweckt, der Kauf sei wohl ein Fehler gewesen und deshalb bräuchten sie dringend Beratung von erfahrenen Anwälten.

Die Werbung verunsichere gezielt die Käufer, um so Mandanten für die Kanzlei zu gewinnen. Sei ein Käufer aber erst einmal Mandant geworden, bestehe auch die Gefahr eines Prozesses zwischen Käufer und Verkäufer - mit ungewissem Ausgang. Dies schädige den Ruf des Immobilienunternehmens und störe bisher intakte Geschäftsbeziehungen.

Nach der betrieblichen Weihnachtsfeier gestürzt

Muss die gesetzliche Unfallversicherung für die Behandlungskosten aufkommen?

Im Prinzip ist eine betriebliche Weihnachtsfeier "Dienst". Daher sind Arbeitnehmer, die daran teilnehmen, während der Feier und auf der Heimfahrt gesetzlich unfallversichert. Doch wie liegt der Fall, wenn unklar ist, ob die Weihnachtsfeier überhaupt zu Ende war? Das Hessische Landessozialgericht hatte so einen außergewöhnlichen Rechtsstreit zu entscheiden.

Nach der Weihnachtsfeier war ein 55-jähriger Angestellter des öffentlichen Dienstes mit seinem Chef versumpft. Bis in die frühen Morgenstunden hatten die zwei Männer gebechert - bis der volltrunkene Angestellte auf dem Weg zur Toilette eine Treppe hinunter stürzte. Er trug ein schweres Schädel-Hirn-Trauma davon. Später forderte er Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung.

Doch die Unfallkasse Hessen weigerte sich zu zahlen, weil es sich nicht um einen Arbeitsunfall handle. Bedingt durch übermäßigen Alkoholkonsum, habe sich der Unfall Stunden nach der eigentlichen Weihnachtsfeier ereignet. Dem widersprach das Sozialgericht Frankfurt: Das Fest sei nie offiziell beendet worden und der dafür verantwortliche Amtsleiter sei noch da gewesen. Also sei der Unfall während des Dienstes passiert.

Mit dieser Entscheidung war das Hessische Landessozialgericht nicht einverstanden (L 3 U 71/06). Von 25 Kollegen hätten gegen Mitternacht fast alle die Feier verlassen. Nur noch der Unglücksrabe und sein Chef seien zusammen gesessen. Das sei kein Betriebsfest mehr gewesen, sondern ein privates Zusammensein nach der Weihnachtsfeier. Deshalb entfalle hier der gesetzliche Versicherungsschutz.

Rolltreppe stand still

Das ist keine Gefahrensituation, vor der die kommunale Verkehrsgesellschaft warnen muss

Am Anfang und am Ende einer Rolltreppe ist die Tritthöhe der Stufen unterschiedlich. Vielleicht hat deshalb so mancher ein mulmiges Gefühl, wenn er eine stillstehende Rolltreppe hinunterlaufen muss. Doch: Das Risiko zu stolpern, begründet keine besondere Gefahrenlage, die Sicherungsmaßnahmen erforderlich macht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (19 U 160/07).

Eine Frau war auf den obersten Stufen einer stillstehenden Rolltreppe gestürzt und hatte von der kommunalen Verkehrsgesellschaft Schmerzensgeld als Ausgleich für ihre Verletzungen gefordert. Die Betreiberin hätte die Rolltreppe sperren oder zumindest Warnschilder aufstellen und darauf hinweisen müssen, dass die Treppe außer Betrieb sei.

Dem widersprach das OLG: Keine Unfallverhütungsregel schreibe dies vor. Wenn eine Rolltreppe stillstehe, sei die Verkehrsgesellschaft keineswegs verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen - wenn diese ansonsten technisch einwandfrei sei. Nur wenn eine Rolltreppe defekt sei und/oder gewartet, repariert oder überprüft werde, müsse sie abgesperrt werden.

Dass sich die Stufenhöhe bei Rolltreppen ändere und daher eine gewisse Stolpergefahr bestehe, sei allgemein bekannt, so die Richter. Darauf müsse sich jeder Benutzer von Rolltreppen einstellen und aufpassen. Für einen Sturz auf einer stillstehenden Rolltreppe hafte nicht die Betreiberin.