Sonstiges

Beim Trampolinspringen den Arm gebrochen

Bei einem Trampolin für Kinder müssen die Kanten dick gepolstert sein

Ein elfjähriges Mädchen tummelte sich mit Freundinnen in einer Kinderspielanlage. Es hüpfte auf einem Trampolin, um das herum ein drei Meter hohes Netz gespannt war. Nebenan konnte man mit Plastikbällen schießen, die Schießanlage war ebenfalls durch Netze gesichert. Irgendwie fand trotzdem ein Plastikball den Weg auf das Trampolin und wurde dem Kind zum Verhängnis.

Das Mädchen trat auf den Ball und verlor dadurch das Gleichgewicht. Es schlug mit dem rechten Ellenbogen gegen die Kante des Trampolins und brach ihn sich dabei. Nach der Operation konnte die Kleine ihren Arm nicht mehr richtig bewegen.

In ihrem Namen verklagten die Eltern den Betreiber der Kinderspielanlage auf Schmerzensgeld: Er habe das Trampolin ungenügend gesichert, warfen sie ihm vor, und sei deshalb für den Unfall verantwortlich. Das Netz sei nicht hoch genug, so dass Kinder von oben Bälle hineinwerfen könnten.

Die Klage wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Koblenz abgewiesen (5 U 915/07). Ob der Ball von oben über die seitlichen Schutznetze geworfen wurde, stehe nicht fest, so das OLG. Auch durch ein "Rundum-Dachnetz" wäre so ein Unfall nicht auszuschließen: Denn spielende Kinder könnten ohne weiteres in der Ballschussanlage Bälle aufheben und zum Trampolin mitnehmen.

Ein Sachverständiger für Sportanlagen habe das Trampolin überprüft und bestätigt, dass es an den Kanten ausreichend gepolstert sei (fünf Zentimeter dick). Das entspreche dem Standard und genüge normalerweise, um unglückliche Stürze abzufedern. Dem Anlagenbetreiber sei bei den Sicherheitsvorkehrungen kein Versäumnis vorzuwerfen, das Kind habe eben Pech gehabt.

"Keine Ausländer! Anweisung vom Chef!"

Beim Disko-Türsteher abgeblitzt - 500 Euro Entschädigung

F, ein ausländischer Student, wollte gemeinsam mit drei Bekannten (ein deutscher Student, ein Dozent der Uni Oldenburg und dessen iranische Ehefrau) in Oldenburg eine Diskothek besuchen. Die Freunde wollten sich "einen schönen Abend machen" und zugleich die Disko auf Ausländerfeindlichkeit testen. Da wurden sie in der Tat fündig: Der Türsteher (übrigens ausländischer Herkunft) verweigerte F den Zutritt mit dem eindeutigen Hinweis: "Keine Ausländer! Anweisung vom Chef!"

Der nach kurzem Streit herbeigeholte Diskothekenbesitzer ließ F ebenfalls abblitzen. Der Student verklagte ihn auf 2.000 Euro Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Man habe ihn wegen seiner Herkunft diskriminiert. Unsinn, erklärte der Diskobetreiber, F habe "einfach nicht zur Gästestruktur der Diskothek gepasst" und sei außerdem betrunken gewesen. Deshalb habe er ihn abgewiesen.

Das wurde von den Zeugen bestritten und vom Amtsgericht Oldenburg als durchsichtige Schutzbehauptung ad acta gelegt (E2 C 2126/07 (V)). Der Amtsrichter verurteilte den Diskobetreiber, F mit 500 Euro zu entschädigen. Er habe ihm den Einlass verweigert, weil er Ausländer sei, ihn also wegen seiner Herkunft benachteiligt und öffentlich herabgesetzt. Das sei ein klarer Verstoß gegen das AGG.

Apart allerdings die Begründung des Amtsrichters, warum er F nur 500 Euro zubilligen wollte: Er und seine Freunde hätten mit ihrem "Test" den "Vorfall provoziert" und einen Präzedenzfall schaffen wollen. Da F die Diskriminierung "ja förmlich erwartet hatte", habe er sich auf die negative Reaktion einstellen können. Ein psychischer Schaden durch die Abfuhr sei nicht zu befürchten, da F sie bewusst herbeigeführt habe.

Anwalt vertritt sich vor Gericht selbst ...

Rechtsschutzversicherung muss ihm dann keine Anwaltskosten ersetzen

Ein angestellter Anwalt stritt mit seinem Arbeitgeber über Fahrtkostenabrechnungen. Die Auseinandersetzung wurde schließlich vor dem Arbeitsgericht ausgetragen. Für diesen Prozess werde sie die Kosten übernehmen, sagte ihm die Rechtsschutzversicherung zu - allerdings mit einer Einschränkung: Wenn er den Prozess selbst führe, anstatt einen Anwalt zu beauftragen, ersetze sie keine (fiktiven) Anwaltskosten.

Trotzdem forderte der Rechtsanwalt später für sein Auftreten vor dem Arbeitsgericht Ersatz für Auslagen und Anwaltsgebühren (629 Euro). Seine Zahlungsklage gegen den Rechtsschutzversicherer scheiterte beim Amtsgericht München (121 C 28564/07).

Der Leistungsumfang der Versicherung sei in den Versicherungsbedingungen klar geregelt, so die Amtsrichterin. Der Versicherte erhalte das Entgelt für einen Rechtsanwalt ersetzt, soweit er diesem gegenüber zur Zahlung verpflichtet sei. Schon der Wortlaut der Klausel setze voraus, dass Versicherter und Anwalt zwei verschiedene Personen seien. Diese Klausel sei nicht zu beanstanden.

Eine Rechtsschutzversicherung solle den Versicherungsnehmer von tatsächlichen Kosten freistellen. Kosten seien hier jedoch gar nicht erst entstanden. Allenfalls sei dem Rechtsanwalt Gewinn entgangen, weil er in der Zeit, in der er seine eigenen Interessen vor dem Arbeitsgericht verfolgte, kein anderes Mandat übernehmen konnte. Eine Rechtsschutzversicherung habe aber nicht den Zweck, die Versicherten davor zu bewahren, dass ihnen Gewinn entgeht.

Internetauftritt einer Kartenlegerin

Copyright-Hinweis mit ihrem Namen auf Spielkarten abgebildet: irreführende Werbung!

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, behauptet der Volksmund. Auf Wahrsagerinnen scheint dies allerdings nicht zuzutreffen.

Kartenlegerin B hatte - auch Wahrsagerinnen gehen mit der Zeit - im Internet ihre Leistungen angepriesen. Auf jeder Internetseite waren auch einige Spielkarten dargestellt, auf die B einen Copyright-Hinweis mit ihrem Namen gesetzt hatte.

Konkurrentin A verlangte von B, diesen üblen Werbetrick zu unterlassen. B benutze handelsübliche Spielkarten, tue aber so, als hätte sie selbst eigene Kartensätze entwickelt, warf ihr die Kollegin vor. Die Leute sollten glauben, dass denen eine besondere Wirkung zukomme, vermutete A. Damit suggeriere Wahrsagerin B, "besondere Macht über die Karten" zu haben.

Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf hielt den Internetauftritt von B für "irreführende Werbung" (I-20 U 123/08). Es spiele keine Rolle, so die Richter, dass Kartenlegen Aberglauben und irrational sei. Entscheidend komme es darauf an, welche Vorstellung ein Verbraucher habe, der sich Karten legen lassen wolle und daran glaube.

Bei solcher Kundschaft könne durchaus, beflügelt durch die Abbildungen, der unzutreffende Eindruck entstehen, dass Wahrsagerin B größere Macht über Karten ausübe als ihre Konkurrentinnen - weil sie eben die abgebildeten Karten verwende. Der Copyright-Vermerk könnte bei interessierten Internetnutzern auch zu dem Irrtum führen, B stehe das Urheberrecht an den Spielkarten der Hersteller zu.

Künstlersozialkasse:

Privater Fernsehsender muss für "Superstar"-Jury Künstlerabgabe zahlen

Die Künstlersozialversicherung versichert Publizisten und Künstler im Alter, bei Pflegebedürftigkeit und Krankheit. Zur Hälfte werden ihre Leistungen aus den Beiträgen der Versicherten finanziert. 20 Prozent steuert der Staat bei, 30 Prozent werden mit der Künstlersozialabgabe bestritten. Diese Abgabe wird von Unternehmen verlangt, die Künstler und Publizisten beschäftigen.

Vom Fernsehsender RTL forderte die Künstlersozialkasse die Abgabe für die Juroren der Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" (ein Talentwettbewerb für Nachwuchssänger, bei dem das Fernsehpublikum mit abstimmt). Das Honorar der mit Prominenten besetzten Jury sei abgabenpflichtig, so die Künstlersozialkasse. Denn die Tätigkeit der Juroren sei als "Unterhaltungskunst" einzustufen.

Der Fernsehsender zahlte nicht und stellte sich auf den Standpunkt, die Jury bestehe aus "Experten" und nicht aus Künstlern. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gab jedoch der Künstlersozialkasse Recht(L 16 KR 5/08).

Ob Dieter Bohlen ein Künstler sei, scheine manchen wohl zweifelhaft. Dennoch müsse RTL die Künstlerabgabe zahlen. Das Künstlersozialversicherungsgesetz definiere den Begriff Künstler sehr weit und gebe keinen besonderen Qualitätsrahmen vor. Es genüge, dass die "Jury eine eigenschöpferische Leistung" bringe, um die Fernsehzuschauer zu unterhalten.

Sexuelle Anmache im Dienst

Beamter wird wegen schweren Dienstvergehens zurückgestuft

Der Chef eines kommunalen Personalamts liebte es, junge Damen im Dienst mit sexuellen Anspielungen zu schockieren. Anwärterinnen und Probezeitbeschäftigte gehörten zu seinen bevorzugten Opfern. So erkundigte sich der Beamte zum Beispiel nach ihrer BH-Größe und fragte, ob er sie "anmachen" dürfe. Gelegentlich schlug er auch "Treffen zur gemeinsamen Entspannung" vor.

Das Verwaltungsgericht Trier bewertete dies als schweres Dienstvergehen und stufte den Mann um ein Amt zurück (3 K 143/08.TR). Die betroffenen Frauen hätten mehr oder weniger deutlich formuliert, dass sie das nicht wünschten. Dennoch sei der Beamte immer wieder in nicht hinnehmbarer Form zudringlich geworden. Sein Fehlverhalten wiege um so schwerer, weil er als Vorgesetzter der Personalbehörde die besondere Abhängigkeit von Anwärterinnen und Praktikantinnen ausgenutzt habe.

Beamte bräuchten die Achtung und das Vertrauen der Bürger für ihre Tätigkeit. Sie müssten deshalb im Dienst und außerhalb ein Verhalten an den Tag legen, das diesem Vertrauen gerecht werde, betonte das Gericht. Der Personalchef dagegen habe das Ansehen der Beamtenschaft beeinträchtigt, den Dienstfrieden gestört und die Würde der betroffenen Frauen verletzt.

Nur weil der Mann ansonsten als eifriger Beamter galt und Reue zeigte, begnügte sich das Gericht damit, ihn zurückzustufen. Es hielt dem Personalchef auch zugute, dass er sich in Sachentscheidungen durch ablehnendes Verhalten der Frauen nicht beeinflussen ließ.

Mähfahrzeug schleuderte Stein hoch

Straßenverkehrsbehörde haftet für Schaden an einem Pkw

Mitarbeiter der kommunalen Straßenverkehrsbehörde mähten am Straßenrand. Der Mähkopf des Mähfahrzeugs war mit einem Kettenschutz und einer so genannten Gummilippe gegen wegfliegende Gegenstände gesichert, allerdings nicht mit einem seitlichen Prallschutz ausgestattet. Pech für einen passierenden Autofahrer: Der Mähkopf wirbelte einen Stein auf, der auf seinem Wagen aufschlug.

Die Reparatur des Autos kostet 427 Euro, für die der Besitzer Schadenersatz von der Gemeinde verlangte. Die verwies auf die Schutzvorrichtungen am Mähwerk und lehnte ab. Doch das Landgericht Kaiserslautern verurteilte die Kommune dazu, für den Schaden einzustehen (1 S 13/08).

Die Delle sei durch den "Betrieb des Mähfahrzeugs" entstanden, so das Gericht. Dass die technischen Schutzmaßnahmen am Mähfahrzeug beim Beginn der Mäharbeiten in ordnungsgemäßem Zustand waren, genüge nicht, um jede Verantwortung des kommunalen Personals für den Schaden zu verneinen. Der Mähkopf müsse zur Fahrbahnseite hin von einem Sicherungsanhänger abgeschirmt werden. Der habe gefehlt. Außerdem müsse der Führer des Mähfahrzeugs den Mähkopf auch sorgfältig bedienen, um durch die Mäharbeiten niemanden zu gefährden.

Kommissar schnüffelt Nebenbuhler hinterher

Keine Strafe wegen verbotener Weitergabe von Daten ohne Strafantrag des Betroffenen

Die Ehefrau hatte den Polizeihauptkommissar wegen eines anderen Mannes verlassen. Der Polizeibeamte wollte sie unbedingt davon überzeugen, dass es für sie besser wäre zurückzukehren. Als ihm jemand erzählte, der neue Freund seiner Frau sei vorbestraft, beschloss er, die Ungetreue mit diesem Fakt zu konfrontieren.

Die Angabe zu überprüfen, ist nicht schwierig für jemanden, der im (rheinland-pfälzischen) Landeskriminalamt arbeitet. Der Kommissar setzte sich an seinen Dienstcomputer und startete eine Personenabfrage. Ergebnis: Auf dem Vorstrafenregister des Nebenbuhlers standen Betrug und Diebstahl.

Nun wähnte sich der Kommissar im Vorteil: Er hielt seiner Ehefrau einen Ausdruck der Abfrage vor und forderte sie auf, sich von ihrem Freund zu trennen. Ohne Erfolg. Bei der Schwiegermutter und bei Freunden bat er um Hilfe - alle erfuhren von den Vorstrafen. Der Betroffene wurde von der Frau befragt und gab die Vorstrafen zu. Über die Schnüffelei war er empört, stellte aber keinen Strafantrag.

Das Amtsgericht verurteilte den Polizeihauptkommissar wegen verbotenen "Abrufens personenbezogener Daten" zu einer Geldstrafe. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz stellte das Verfahren ein (1 Ss 13/08). Das Handeln des Polizeibeamten verstoße gegen das rheinland-pfälzische Landesdatenschutzgesetz, so das OLG. Allerdings auch gegen § 203 des Strafgesetzbuches, das die Verletzung von Privatgeheimnissen verbiete. Und gemäß § 203 werde eine Tat nur auf Antrag verfolgt.

Da der ausspionierte Mann keine Strafanzeige erstattet habe, bleibe dem Polizeibeamten eine Strafe erspart. Nach dem rheinland-pfälzischen Landesdatenschutzgesetz zwar wäre kein Strafantrag erforderlich. Aber das Strafgesetzbuch habe Vorrang. Im Falle einer Kollision beider gelte immer der Verfassungsgrundsatz: "Bundesrecht bricht Landesrecht" (Artikel 31 Grundgesetz).

HWS-Schleudertrauma nach Autounfall (2)

Rechtsstreit ist nicht ohne fachmedizinisches Gutachten zu entscheiden

Die Autofahrerin bremste mit ihrem VW Golf vor einer Ampel, die gerade auf Rot umschaltete. Da fuhr der "Hintermann" auf ihren Wagen auf. Anschließend kam es zu einem juristischen Tauziehen: Die Frau behauptete, sie habe bei dem Auffahrunfall ein HWS-Schleudertrauma erlitten. Dafür müsse die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers Entschädigung zahlen.

Das Amtsgericht München beauftragte einen Biomechaniker damit, den Fall zu untersuchen. Fazit des Gutachtens: Der Autofahrer sei mit etwa 5 bis 8 km/h aufgefahren. Ein Anstoß bei dieser Geschwindigkeit reiche nicht aus, um ein HWS-Schleudertrauma auszulösen. Daraufhin wurde die Klage der Autofahrerin abgewiesen. Sie legte Berufung ein und beantragte ein medizinisches Gutachten. Das Landgericht München lehnte dies unter Verweis auf das vorliegende Gutachten ab.

Ein biomechanisches Gutachten könne eine medizinische Untersuchung des Unfallopfers nicht ersetzen, urteilte dagegen der Bundesgerichtshof (VI ZR 235/07). Man könne nicht von vornherein ausschließen, dass ein Arzt zu einem anderen Ergebnis komme - zumal ein Biomechaniker wohl kaum über die Spezialkenntnisse eines Fachmediziners verfüge.

Es müsse geklärt werden, ob der Unfall die Beschwerden der Autofahrerin verursacht habe. In so einem Fall erübrige sich ein fachmedizinisches Gutachten höchstens dann, wenn von vornherein feststehe, dass der/die Betroffene einen ursächlichen Zusammenhang nicht beweisen könne.

"OK"-Vermerk eines Telefax-Sendeberichts ...

... beweist nicht, dass das Faxschreiben dem Empfänger zugegangen ist

Dieses nur scheinbar unwichtige Detail spielt immer dann eine Rolle, wenn es darum geht, ob Fristen eingehalten wurden: ob die Kündigung eines Mietvertrags rechtzeitig beim Vermieter angekommen ist, ob ein Kaufvertrag rechtzeitig widerrufen wurde oder eine Berufungserklärung rechtzeitig beim Gericht einging.

Wer solche wichtigen Willenserklärungen per Faxgerät zum Empfänger schickt - Einschreiben mit Rückschein sind empfehlenswerter -, sollte sich zumindest den Empfang per Rückfax bestätigen lassen. Denn: Wenn der Empfänger bestreitet, ein Schreiben per Fax erhalten zu haben, ist das schwer zu widerlegen.

Einen Sendebericht des Telefaxgeräts vorzulegen, der für die strittige Übertragung einen "OK-Vermerk" aufweist, beweist den Zugang des Schreibens jedenfalls nicht, so ein Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg (4 U 132/07). Der "OK-Vermerk" auf dem Sendeprotokoll belege nur, dass ein Fax an die Telefaxnummer des Empfängers abgesandt wurde, also die Verbindung zwischen Sende- und Empfangsgerät zustande kam.

Das sei aber kein Beweis dafür, dass alle Daten fehlerfrei übermittelt wurden. Störungen in der Leitung oder im Empfänger-Gerät könnten den Zugang des Schriftstücks verhindert haben. Erst wenn das Empfänger-Gerät ein Faxschreiben ausdrucke, sei die Übertragung gelungen. Damit sei das Schreiben dem Empfänger im juristischen Sinn "zugegangen", d.h. er könne dessen Inhalt zur Kenntnis nehmen.

Wiesnbesucher wollte Bierzelt nicht verlassen

Keine Entschädigung nach rabiatem Rauswurf durch Ordner

In einem Bierzelt des Münchner Oktoberfests hatten die fünf Freunde bis 17 Uhr einen Tisch reserviert. Als "ihre Zeit (he)rum war", wurden sie gebeten, den Tisch zu räumen. Die Gruppe stand auf, verließ aber das Festzelt nicht, sondern blieb im Gang stehen. Ein paar Mal forderten Ordner die - natürlich nicht mehr ganz nüchternen - Männer auf, zu gehen und den Durchgang nicht zu verstellen. Vergeblich.

Die Sicherheitsleute drängten, es kam zum Streit. Schließlich wurde einer der Männer von einem Wachmann gepackt und im "Polizeigriff" aus dem Bierzelt geführt. Durch den harten Griff erlitt der 45-Jährige einen Sehnenriss an einem Finger, musste sechs Wochen lang eine Schiene tragen. Dafür verlangte er vom Wachmann Schmerzensgeld: Ihm die Arme auf den Rücken zu drehen, sei unverhältnismäßig grob gewesen, hielt er dem Ordner vor. Er habe niemand behindert und "wäre schon noch gegangen".

Der Wachmann sah das naturgemäß anders: Im Zelt müssten die Gänge unbedingt frei bleiben - aus Sicherheitsgründen und damit die Bedienungen mit den Maßkrügen durchkämen. Der betrunkene Wiesnbesucher sei trotz mehrmaliger Aufforderung nicht gegangen und habe zudem die Ordner angepöbelt. Da er das Hausverbot ignorierte, sei dem Sicherheitspersonal gar nichts anderes übriggeblieben, als den Mann mit Gewalt vor die Tür zu setzen.

Nachdem er alle Zeugen befragt hatte, stellte sich der Richter des Amtsgerichts München auf die Seite des Wachmanns und wies die Klage des Verletzten auf Schmerzensgeld ab (223 C 16529/07). Offenbar hätten sich die Wiesnbesucher den Anordnungen der Sicherheitsleute widersetzt, so der Amtsrichter. Diese übten im Bierzelt das Hausrecht aus und dürften es, wenn nötig, auch auf diese Weise durchsetzen.

So eine Maßnahme sei nicht überzogen, wenn eine Gruppe Betrunkener lautstark protestiere und die Sicherheitsleute beleidige. Vor allem der 45-Jährige sei stark alkoholisiert und aggressiv gewesen. Derart renitente Gäste dürften die Ordner mit Gewalt hinauswerfen. Anspruch auf Schmerzensgeld sei daraus nicht abzuleiten. Im übrigen könnte die Verletzung des Mannes auch durch seine heftige Gegenwehr entstanden sein.

Gehörlose Schülerin will ins Internat

Sozialhilfeträger muss die Kosten bis zum Abitur übernehmen

Die 20-jährige gehörlose Frau aus Siegen besucht in Essen eine Gehörlosenschule, um das Abitur abzulegen. Sie beantragte bei der zuständigen Sozialbehörde, ihr das Wohnen in einem Internat für Hörbehinderte zu finanzieren. Das lehnte der Sozialhilfeträger ab: Für die erwachsene Frau sei es zumutbar, ihren Wohnsitz nach Essen zu verlegen und eine Wohnung zu suchen. Sie auf Kosten der Sozialhilfe in einem Internat unterzubringen, "verursache unvertretbare Mehrkosten".

Auf den Eilantrag der Schülerin hin verpflichtete das Sozialgericht Dortmund den Sozialhilfeträger dazu, die Kosten zu übernehmen - zunächst für ein halbes Jahr als Leistung der Eingliederungshilfe (S 47 SO 214/08 ER). Könne die Schülerin nicht in einem Internat unterkommen, stehe der Schulerfolg auf dem Spiel, so das Gericht. Denn die Schülerin sei von ihrer Entwicklung her noch nicht in der Lage, einen eigenen Haushalt zu führen. Sie benötige die Hilfe Dritter und pädagogische Unterstützung, um die Problemstellungen zu meistern, die mit ihrer Behinderung verbunden seien.

6,99 Euro für den Lebensunterhalt

Tante nahm 16-jährigen Asylbewerber auf - Stadt rechnet ihm ihr Arbeitslosengeld II an

Der aus Thailand stammende Jugendliche ist Vollwaise: Seine Eltern waren bei der Tsunami-Katastrophe an Weihnachten 2004 ums Leben gekommen. Seine Tante nahm ihn auf und wurde vom Gericht zu seinem Vormund bestellt. Die Frau lebt schon seit längerem in Deutschland, bezieht von der Stadt Schwerte Arbeitslosengeld II.

Der 16-Jährige beantragte Asyl. Die Sozialbehörde der Stadt verrechnete das Arbeitslosengeld II der Tante mit seinem Anspruch auf Leistungen gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz. Deshalb bekam der Jugendliche nur 6,99 Euro für seinen Lebensunterhalt. Gegen die Anrechnung wehrte sich die Tante mit Erfolg. Das Sozialgericht Dortmund verpflichtete auf ihren Antrag hin die Kommune dazu, dem Jugendlichen monatlich 192,41 Euro zu zahlen (S 47 AY 191/08 ER).

Zwar würden in der Regel keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgezahlt, solange Familienangehörige im gleichen Haushalt noch über Einkommen verfügten. Doch die Tante sei nicht als Familienangehörige im engeren Sinn anzusehen; auch ihre Stellung als Vormund des Jugendlichen ändere daran nichts.

Wenn man ihre Sozialleistungen auf das Niveau des Asylbewerberleistungsgesetzes herabsetze, bestrafe man sie für ihren Familiensinn. Dass sie bereit sei, sich des verwaisten Jugendlichen anzunehmen, dürfe nicht mit Entzug des Arbeitslosengelds geahndet werden. Von 6,99 Euro monatlich könne niemand leben. Auch die Stadt Schwerte sei verpflichtet, Hilfeempfängern das Existenzminimum zu gewähren.

Stalking-Attacken gegen Gemeindepfarrer

Psychisch kranke Frau wird zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen

Jahrelang belästigte in einem Dorf eine psychisch schwer gestörte Frau den Gemeindepfarrer. Sie zeigte sich leicht bekleidet oder nackt vor Kirche und Pfarrhaus und verkündete lauthals überall ihre sexuellen Fantasien, den Kirchenmann betreffend. Wo immer sich der bedauernswerte Pfarrer zeigte, machte die Frau durch laute Rufe obszönen Inhalts auf sich aufmerksam - auch im Gottesdienst oder auf dem Friedhof bei Beerdigungen. Außerdem verfolgte sie den Pfarrer mit Telefonanrufen, schrieb ihm ständig Postkarten und SMS.

Strafanzeigen des Pfarrers halfen lange nichts, weil psychiatrische Sachverständige die Frau für schuldunfähig erklärten. Schließlich ordnete ein Amtsrichter an, sie zwangsweise in der psychiatrischen Fachklinik unterzubringen. Die Beschwerde der Betroffenen gegen diese Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm abgewiesen (15 W 54/08).

Eine mildere Variante des Umgangs mit ihr sei kaum möglich, so das OLG, denn während einer ambulanten Therapie würde die Frau nach Einschätzung aller Experten ihr liebeswahnhaftes Treiben fortsetzen. Das Verhalten der psychisch kranken Frau gefährde ernsthaft die Gesundheit des verfolgten Pfarrers und müsse daher ein Ende haben.

Der Mann leide an extremem Bluthochdruck. Wenn die psychische Belastung anhalte, drohe ein Herzinfarkt. Bluthochdruck habe natürlich auch mit physischen Voraussetzungen und beruflichem Stress zu tun. Doch stellten die ständigen Stalking-Attacken der Frau, die regelrecht Jagd auf den Pfarrer mache, ein erhebliches zusätzliches Gefahrenpotenzial dar. Es sei ohne weiteres nachvollziehbar, dass die massiven Nachstellungen den Pfarrer psychisch weit mehr mitnähmen als dies ein anstrengender Beruf könnte.

Aufbewahrung von Fundsachen

Kommunen dürfen für diese Leistung Gebühren verlangen

Was genau der Mann verloren hatte, ist dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Mannheim nicht zu entnehmen. Jedenfalls hat er sich beim Abholen der Fundsache offenbar sehr darüber geärgert, dass man ihm für die Aufbewahrung eine Gebühr abknöpfte. (Laut städtischer Satzung: bei Sachen bis 500 Euro Wert drei Prozent des Werts, mindestens drei Euro; bei wertvolleren Dingen etwas mehr ...)

Die Gebührenregelung in der Satzung sei rechtswidrig, fand der "Verlierer". Schließlich seien Gemeinden im öffentlichen Interesse verpflichtet, Fundsachen aufzubewahren. Der empörte Bürger beantragte Prozesskostenhilfe, um ein Normenkontrollverfahren in Gang zu bringen. Der VGH Mannheim sah dafür keinerlei Erfolgsaussicht und wies den Antrag ab (2 S 6/08).

Sicherlich liege es (auch) im öffentlichen Interesse, Fundsachen aufzuheben. Nichtsdestotrotz hätten Personen, die Dinge verlieren, durch diese kommunale Leistung einen besonderen, individuellen Vorteil. Und für öffentliche Leistungen im Interesse Einzelner dürften Landkreise oder Gemeinden Gebühren erheben. Dadurch sollten die Kosten dieser Leistung zumindest teilweise gedeckt werden (Raum, Personal, Erhaltung der gefundenen Dinge etc.). Die moderate Gebühr belaste die Verlierer finanziell nicht übermäßig.

"Herr Oberförster, zum Wald geht es da lang!"

Nicht jede flapsige Bemerkung erfüllt den Tatbestand der Beamtenbeleidigung

Bei einer Verkehrskontrolle in Berlin geschah das Unerhörte. Ein jugendlicher Passant ließ gegenüber dem kontrollierenden Polizeibeamten den nötigen Respekt vermissen und rief ihm im Vorbeigehen zu: "Herr Oberförster, zum Wald geht es da lang!" Nun fühlte der sich in seiner Ehre gekränkt und zeigte den frechen Burschen wegen Beleidigung an.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verwarf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und lehnte es ab, ein Verfahren zu eröffnen ((412 Ds) 2 JU Js 186/08 (74/08)). Der "ehrverletzende Charakter" dieser Bemerkung verstehe sich keineswegs von selbst, so der Amtsrichter, sei doch die Arbeit im Forstdienst eine ehrenwerte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit.

Auch wenn vielleicht die Assoziation zum "Oberlehrer" naheliege (der ja oft bissige, kaum aber richtig miese Charakterzüge zugeschrieben bekomme), sei das noch kein Angriff auf die Person des Beamten. Kein verständiger Mensch werde diese Äußerung wegen des Zusatzes "Ober" als beleidigend empfinden, ebenso wenig wie sich ein verständiger Revierförster durch die Bezeichnung als "Oberkommissar" in seinem Ehrgefühl verletzt sehen würde.

Und dann komme auch noch der Wald ins Spiel ... Leider habe die Staatsanwaltschaft versäumt, dem Gericht mitzuteilen, inwiefern dies einen Beamten ernstlich kränken könnte. Womöglich liege kein Wald in der Nähe und die mäßig komische Bemerkung des Angeschuldigten sei weitgehend sinnfrei. Ihr einen Sinn abzugewinnen, falle jedenfalls schwer - ehrenrührig werde sie dadurch nicht.

Wenn einem Polizisten auf so einen Spruch keine schlagfertige Antwort einfalle, sollte er ihn am besten übergehen. "Die Staatsanwaltschaft jedenfalls sollte einen solchen Schmarrn nicht anklagen". "Vorsorglich" stellte der Amtsrichter noch klar, er plädiere nicht für Nachsicht gegenüber Beamtenbeleidigung. Aber Beleidigung bedeute, dass eine Person ernsthaft herabgewürdigt werde. Nicht jede flapsige Bemerkung erfülle den Tatbestand der strafbaren Beleidigung.

Der Ehefrau Detektiv hinterher geschickt

Wegen eines Unterhaltsstreits die Ehefrau mit GPS-Sender zu überwachen, ist rechtswidrig

Die nach einer außerehelichen Affäre der Ehefrau zerrüttete Ehe war 2007 geschieden worden. Dass er dazu verurteilt wurde, seiner Frau monatlich 680 Euro Unterhalt zu zahlen, ließ den Mann nicht ruhen. Er erhob Abänderungsklage. Um die Zahlungspflicht loszuwerden, suchte er nach Beweisen dafür, dass die Untreue nun mit "dem Neuen" in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebte. Deshalb beauftragte der Mann ein Detektivbüro damit, seine Ex-Frau zu überwachen.

Der Detektiv arbeitete (über-)gründlich: Heimlich montierte er an ihrem Auto einen GPS-Sender, der den Standort des Fahrzeugs laufend ortete. Für die totale Kontrolle berechnete er dem Auftraggeber 3.710 Euro. Im Unterhaltsprozess gab die Frau ihre neue Lebensgemeinschaft zu - damit entfiel der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Damit nicht genug: Nun forderte der Ex-Mann von ihr auch noch Ersatz für die Detektivkosten.

Seine Zahlungsklage scheiterte jedoch beim Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg (13 WF 93/08). Im Prinzip sei es nicht falsch, in so einem Fall einen Detektiv einzuschalten, so das OLG. Die Frau habe immer wieder wahrheitswidrig erklärt, ihre Beziehung zu Herrn X sei beendet. Für den Unterhaltsprozess habe sich der Ehemann daher Gewissheit verschaffen müssen. Dahert zähle die Ausgabe für den Detektiv durchaus zu den notwendigen Verfahrenskosten.

Dennoch müsse die Frau in diesem Ausnahmefall die Kosten nicht ersetzen. Ein GPS-System einzusetzen, sei nämlich unzulässig. Deshalb hätten die Ergebnisse dieser Überwachung im Prozess gar nicht verwertet werden dürfen. Für den Unterhaltsprozess sei es nur nötig festzustellen, wie oft und wie lange die Frau ihren mutmaßlichen Lebenspartner aufsuche.

Mit einem GPS-System könne man dagegen ein umfassendes Bewegungsprofil einer Person anfertigen: Das sei eine für das angepeilte Ermittlungsergebnis nicht erforderliche totale Kontrolle. Selbst bei Straftätern dürfe so ein System nur unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden. Im konkreten Fall habe es sich um einen rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre der Frau gehandelt.

Im Wald mit dem Fahrrad verunglückt

Eine Treppe aus Balken stellt keine besondere Gefahr dar

Ein 17-Jähriger radelte auf einem privaten Weg durch den Wald. Der Weg verengt sich am Ende und führt über eine achtstufige Treppe - eine Böschung hinab - auf eine asphaltierte Straße. Der Radfahrer kannte das Gelände nicht, bemerkte die Treppe zu spät und konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Er stürzte über die Treppe hinunter auf die Straße und verletzte sich schwer.

Die Klage des jungen Mannes auf Schmerzensgeld - gegen den Verband, der mit den Waldeigentümern vereinbart hatte, den Weg zu unterhalten - wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf abgewiesen (19 U 28/07). Die Verkehrssicherungspflicht von Waldeigentümern (und damit im konkreten Fall die des Verbandes) beschränke sich darauf, besondere Gefahren zu vermeiden, so das OLG. Das bedeute: Gefahren, die ein Waldbesucher nicht erkennen könne oder mit denen er nicht rechnen müsse.

Wer in den Wald gehe oder fahre, um sich in der Natur zu erholen, müsse sich im Prinzip auf natürliche Risiken einstellen. Die Treppe, über die der bedauernswerte Radfahrer gefallen sei, stelle keine besondere Gefahr dar. Es handle sich nicht um eine steile, künstlich angelegte Steintreppe, sondern um breit angelegte, mäßig ansteigende Stufen aus Holzbalken, wie sie in Wald und Gebirge üblich seien. Sie sollten es Wanderern leichter machen, die Böschung zu erklimmen.

Auf Hindernisse dieser Art müsse man sich im Wald einrichten. Radfahrer müssten also so fahren, dass sie auf einer unübersehbaren Strecke jederzeit anhalten könnten. Mit einem Rad könne man auch im Schritttempo fahren - das wüssten sie aus eigener Erfahrung, betonten die Richter. Wer das nicht beherrsche, müsse notfalls absteigen und das Rad schieben. Im Schritttempo übersehe man so ein Hindernis nicht.

Fahrschülerin rutscht mit dem Motorroller auf Schnee aus

Fahrerlehrer haftet für die Folgen, wenn er nicht auf das besondere Risiko hingewiesen hat

In der dritten Fahrstunde mit dem Motorroller sollte die Fahrschülerin auf einem Parkplatz zum ersten Mal mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h eine so genannte "Gefahrbremsung" durchführen (= bremsen mit Vorder- und Hinterradbremse bis zum Stillstand). Das Manöver ging schief, weil der Boden Ende Dezember schneebedeckt war. Auf dem glatten Untergrund rutschte der Motorroller sofort weg. Beim Sturz fiel das Fahrzeug auf das linke Knie der Fahrschülerin, das anschließend operiert werden musste.

Sie verlangte Schmerzensgeld vom Fahrlehrer: Das Landgericht Bonn sprach ihr 6.500 Euro als Entschädigung für die Unfallfolgen zu (2 O 367/06). Überfordert habe der Fahrlehrer die Schülerin nicht, so das Gericht: Denn sie habe sich in den ersten beiden Fahrstunden sehr geschickt angestellt. Daher habe ihr der Fahrlehrer in der dritten Stunde diese Übung schon zugetraut. Außerdem gehöre es nun einmal zur Ausbildung, Schüler allmählich an schwierige Fahrsituationen heranzuführen. Entscheidend sei deren Können, das habe der Lehrer richtig eingeschätzt.

Dennoch habe der Fahrlehrer seine Pflichten verletzt, weil er die Schülerin vor der Übung nicht auf das besondere Risiko durch Schneeglätte aufmerksam gemacht habe. Auf rutschigem Untergrund sei das Bremsen viel schwieriger als auf trockenem Boden. Hätte der Fahrlehrer mit der Schülerin vorher über das Risiko gesprochen, wäre es ihre Entscheidung gewesen, diese Übung auszuführen oder zu verschieben. Allerdings beinhalte die Ausbildung auf einem Zweirad immer ein gewisses Risiko: Anders als ein Fahrschüler im Auto sei der Schüler dabei vollkommen auf sich gestellt und erhalte seine Anweisungen nur per Funk.

Zu viel Kindergeld erhalten?

BVerfG: Staat muss Bedürftigen auch in dieser Frage Beratungshilfe gewähren

Eine Mutter erhielt einen Bescheid der Familienkasse: Sie habe zuviel Kindergeld erhalten, das müsse zurückgezahlt werden. Die mittellose Frau hielt den Bescheid für unberechtigt, kannte sich in Rechtsfragen aber nicht gut aus. Deshalb beantragte sie beim Amtsgericht Beratungshilfe.

Der Amtsrichter verwies auf das Beratungshilfegesetz (§ 2): Beratungshilfe gewähre der Staat Bedürftigen nur in Angelegenheiten des Sozialrechts, nicht aber in solchen des Steuerrechts. Hier gehe es um Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Anspruch auf Beratungshilfe habe die Antragstellerin daher nicht.

Deren Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil hatte Erfolg: Das Bundesverfassungsgericht erklärte § 2 Absatz 2 des Beratungshilfegesetzes für verfassungswidrig (1 BvR 2310/06). Dieser Paragraph sei mit dem Gleichbehandlungsprinzip des Grundgesetzes unvereinbar, entschieden die Verfassungsrichter. Hier müsse der Gesetzgeber eine neue, verfassungsgemäße Lösung finden.

Das Recht durchdringe mittlerweile nahezu alle Lebensbereiche, also seien Bürger auf fachkundigen, rechtlichen Rat angewiesen. Für die Wahrnehmung ihrer Rechte vor Gericht könnten mittellose Bürger Prozesskostenhilfe erhalten. Der Gesetzgeber müsse auch im außergerichtlichen Bereich dafür sorgen, dass Bürger mit der Durchsetzung ihrer Rechte nicht von vornherein an mangelnden Einkünften und ungenügendem Vermögen scheiterten.

Das sei im Prinzip mit dem Beratungshilfegesetz geschehen. Dass das Gesetz aber Beratungshilfe in Angelegenheiten des Steuerrechts ausschließe, führe zu einer Ungleichbehandlung von Rechtsuchenden. Beratungshilfe dürfe nicht auf Angelegenheiten des Sozialrechts beschränkt werden: Dafür gebe es keinen sachlichen Grund. Im Steuerrecht begründete Zahlungspflichten könnten auch Bedürftige betreffen - gerade beim Kindergeld, das unabhängig vom zu versteuernden Einkommen gewährt werde.