Sonstiges

Flug annulliert

Airline wollte zuerst Passagiere eines zuvor wetterbedingt ausgefallenen Flugs befördern: Entschädigung?

Für den 11.2.2020 hatte Herr X einen Flug von München über Abu Dhabi nach Phuket gebucht. Doch die Fluggesellschaft annullierte den ersten Teilflug. Sie wollte zuerst Passagiere nach Abu Dhabi fliegen, die sie am Vortag nicht hatte befördern können: Am 10.2. war der Flug nach Abu Dhabi ausgefallen, weil Sturmtief "Sabine" über München wütete und einen Start unmöglich machte.

Den Passagieren des am 11.2. annullierten Flugs bot die Airline einen Ersatzflug an, mit dem Herr X Phuket erreichte, allerdings mit 24 Stunden Verspätung. Dafür verlangte er vom Unternehmen 600 Euro Ausgleichszahlung gemäß EU-Fluggastrechteverordnung.

Dagegen pochte die Fluggesellschaft auf "außergewöhnliche Umstände": Am 10.2. sei ihr wegen des Sturms nichts anderes übriggeblieben, als den Flug nach Abu Dhabi zu "canceln". Und die Maschine, mit der Herr X am 11.2. nach Abu Dhabi hätte fliegen sollen, habe am 10.2. — auf dem Rückflug von Abu Dhabi nach München — statt in München erst einmal in Mailand landen müssen.

Doch das Amtsgericht Erding sah hier keine "außergewöhnlichen, für das Flugunternehmen nicht beherrschbaren Umstände" (113 C 4971/21). Die Maschine, die wegen des Sturms am Vortag in Mailand habe landen müssen, sei am 11.2. um 9.55 Uhr in München angekommen. Die Fluggesellschaft hätte also den Flug nach Abu Dhabi durchaus noch pünktlich durchführen können.

Diesen Flug habe das Unternehmen nicht wegen widriger Wetterbedingungen annulliert, sondern um die am Vortag gestrandeten Fluggäste zuerst an ihr Ziel zu bringen. Das sei eine freie unternehmerische Entscheidung und somit Bestandteil ihres normalen Geschäfts. Von "höherer Gewalt", der die Fluggesellschaft quasi ausgeliefert gewesen sei und die die planmäßige Durchführung des Flugs unmöglich gemacht habe, könne hier keine Rede sein. Das Unternehmen schulde Herrn X daher 600 Euro Ausgleich für die Flugverspätung.

Düngemittel aus Abfall zerstörte Rapsernte

Dünger war mit Herbiziden verunreinigt: Auch die Zwischenhändlerin muss für den Schaden haften

Ein Bauer hatte für sein Rapsfeld eine phosphat- und kaliumhaltige Flüssigkeit als Düngemittel gekauft und rund 4.000 Euro gezahlt. Nachdem er die Lösung auf dem Feld verteilt hatte, dauerte es zehn Tage — und die Pflanzen färbten sich violett. Der Raps wuchs nicht mehr und verkümmerte, weil der Dünger mit Herbiziden verunreinigt war. Dem Landwirt entstand ein Schaden von ca. 76.000 Euro.

Dafür verlangte der Bauer nicht nur vom direkten Verkäufer des Düngemittels Schadenersatz, sondern auch von dessen Lieferantin. Die Zwischenhändlerin hatte den angeblichen Dünger als Abfall vom Hersteller übernommen und dann zum EG-Düngemittel für Ackerbau "umdeklariert".

Im konkreten Fall hafte die Zwischenhändlerin für den Produktmangel genauso wie ein Produzent, entschied der Bundesgerichtshof (VI ZR 1369/20). Obwohl sie die Ware unverändert weiterverkaufte, habe sie Herstellerpflichten verletzt, so die Bundesrichter. Denn die Zwischenhändlerin habe den Abfall übernommen, eine neue Produktinformation erstellt und die Flüssigkeit als neues Produkt "Düngemittel" erstmalig auf den Markt gebracht.

Deshalb hafte die Zwischenhändlerin für die Wirkung der Flüssigkeit, als wäre sie ein Düngemittelhersteller. Um ihr Verschulden genauer zu klären, müsse nun die Vorinstanz noch bestimmen, wie die Lieferantin die Verunreinigung des Mittels hätte feststellen können (bzw. müssen) und welche Maßnahmen sie hätte ergreifen müssen, um die Kunden zu schützen.

Vermieter sonnt sich gern nackt im Hof

Kein Mietmangel: Büromieterin kann deshalb nicht die Miete herabsetzen

In einem Mietshaus im Frankfurter Westend sind einige Räume als Büro vermietet. Der Hauseigentümer wohnt im Erdgeschoss. Eine Büromieterin beanstandete Mietmängel und kürzte deshalb die Miete. Als Mängel benannte sie beträchtlichen Baulärm in der Nachbarschaft, Gerümpel im Treppenhaus, Küchengerüche und das unsittliche Treiben des Vermieters. Der sonnte sich nämlich gerne nackt im Garten.

Mit seiner Klage auf Zahlung des Differenzbetrags hatte der Vermieter beim Landgericht und beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt überwiegend Erfolg (2 U 43/22). Während umfangreicher Baumaßnahmen in der Nähe habe die Büromieterin die Miete um 15 Prozent kürzen dürfen, so das OLG. Lärm und Staub beeinträchtigten die Nutzung der Räume. Da das Gebäude in einem ruhigen, gehobenen Wohngebiet liege, sei das ruhige, gediegene Ambiente Bestandteil der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit der Mietsache.

Die weiteren, von der Büromieterin angeführten Gründe rechtfertigten jedoch keine Mietminderung. Dass im Flur Kinderwagen und Schuhe abgestellt werden und gelegentlich Küchengerüche durch das Treppenhaus waberten, sei in einem Mietshaus mit Wohnungen durchaus üblich. Wenn sich der Vermieter öfters nackt im Hof sonne, stelle dies ebenfalls keinen Mietmangel dar — auch wenn es möglicherweise das ästhetische Empfinden der Mieterin verletze.

Doch die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache werde durch diese Gewohnheit des Hauseigentümers nicht beeinträchtigt. Ungehörig oder unsittlich sei sein Verhalten keineswegs. Die Liege des Vermieters stehe in einer Ecke im Hof, die die Mieterin nur einsehen könne, wenn sie sich weit aus dem Fenster lehne. Dies könne sie ja leicht vermeiden. Dass der Vermieter auch nackt durch das Treppenhaus in den Hof gehe, habe die Mieterin nicht belegen können. Der Mann habe jedenfalls glaubhaft bekundet, im Haus stets einen Bademantel zu tragen.

Insolvente Airline führte Flüge durch

Passagiere können in so einem Fall keinen Ausgleich für eine Flugverspätung verlangen

Im April 2019 hatte Herr B bei einer Airline einen Flug auf die Seychellen gebucht und bezahlt: Der Hinflug sollte am 3.1.2020 in Frankfurt starten, der Rückflug erst am 4.4.2020 erfolgen. Doch im Dezember 2019 musste die Fluggesellschaft bei Gericht Insolvenz anmelden. Aus Kulanz führte sie trotzdem noch einige Flüge durch — für Passagiere, die ihre Tickets bereits bezahlt hatten.

Der Hinflug fand wegen eines technischen Defekts erst am 4.1.2020 statt. Im März führte die Airline im Auftrag des Auswärtigen Amts wegen der Corona-Pandemie Rückholflüge durch, die Herr B jedoch nicht wahrnehmen wollte. Sein Rückflug wurde einige Male umgebucht und wieder abgesagt. Schließlich organisierte B selbst einen anderen Flug für den 1. August.

Von der Fluggesellschaft forderte er Ausgleichszahlung für den verspäteten Hinflug, Rückzahlung des halben Ticketpreises für den Rückflug und Schadenersatz für Hotelkosten: Zwischen dem 4.4. und dem 1.8. habe er auf der Insel für ein Hotelzimmer 4.000 Euro ausgeben müssen.

Im konkreten Fall stehe dem Kunden aufgrund der Insolvenz keine Entschädigung gemäß EU-Fluggastverordnung zu, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (13 U 280/21).

Wenn einmal über das Vermögen des Flugunternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet sei, hätten die Fluggäste keinen Anspruch mehr darauf, dass gebuchte Flüge durchgeführt werden. Das gelte auch für B, dessen Flüge erst für 2020 gebucht waren, also nach dem Insolvenzantrag. Dass die Airline aus Kulanz und um ihren guten Ruf zu wahren, trotzdem 2020 noch einige Passagiere beförderte, sei ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt, betonte das OLG.

Daher sei dieser Transport als unentgeltlich bzw. kostenlos anzusehen. Gemäß EU-Fluggastrechte-Verordnung gelte die Verordnung nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisten, der nicht für jedermann verfügbar sei. Solche Fluggäste, somit auch Herr B, seien von der Verordnung ausgenommen. Auf deren Bestimmungen könne sich B also nicht berufen, um Schadenersatz und Ausgleichszahlung zu erhalten.

Das OLG hat die Revision gegen sein Urteil zum BGH zugelassen: Die Frage, ob eine aus Kulanz gewährte Beförderung eines insolventen Flugunternehmens als kostenlos im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung anzusehen sei, müsse vom obersten Zivilgericht endgültig entschieden werden.

Beim Schnorchelausflug ins Wasser gefallen

Rutscht eine Urlauberin auf einem nassen Bootsrand aus, haftet dafür nicht der Reiseveranstalter

Zum Schnäppchenpreis von 12.604 Euro gönnte sich Ehepaar S vom 18.1. bis 9.2.2020 eine Pauschalreise auf die Insel Mauritius. Als im Hotelzimmer eine Flasche Rum zerbrach, ärgerten sich die Urlauber darüber, dass das Zimmer vom Hotelpersonal nicht sofort gereinigt wurde. Dann wurde Frau S von einer Wespe gestochen. Ihr Gatte entdeckte ein Wespennest in einem Baum neben der Terrasse der Hotelbar. Es wurde vom Hotelpersonal entfernt.

Dann aber kam es noch schlimmer: Bei einem Schnorchelausflug startete das Boot am hoteleigenen Strand, der Guide war beim Einsteigen behilflich. Nach dem Ausflug legte das Boot rückwärts am Strand an und der Guide sprang in den Sand. Frau S wollte ohne seine Hilfe seitlich aussteigen. Sie rutschte auf dem Bootsrand aus, fiel ins etwa 30 Zentimeter tiefe Wasser und verletzte sich an der Hand, mit der sie sich am Grund abstützen wollte.

Die Eheleute beanstandeten schon im Hotel diese "Reisemängel" und verlangten später vom Reiseveranstalter Rückzahlung des Reisepreises und 6.000 Euro Schmerzensgeld. Das Landgericht Köln konnte jedoch keine Reisemängel erkennen und wies die Klage ab (32 O 334/20). Eine eventuell verspätete Zimmerreinigung nach dem Bruch einer Flasche sei höchstens eine kleine Unannehmlichkeit, die den Erholungswert der Reise nicht beeinträchtige.

Dass Frau S einen Wespenstich habe erleiden müssen, sei bedauerlich, stelle aber keinen Reisemangel dar. Dabei habe sich nur das überall gegenwärtige, allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, dass man von Insekten gestochen werden könne. Ob die "schuldige" Wespe aus dem Nest neben der hoteleigenen Brasserie stammte, stehe ohnehin nicht fest. Und auch der Unfall von Frau S am Ende der Schnorchel-Tour sei nicht dem Reiseveranstalter zuzurechnen.

Bei sportlichen Aktivitäten auf dem Wasser gehe es nass zu, das sei schon aufgrund der Bewegungen des Bootes naheliegend. Obendrein kämen die Passagiere nach dem Schnorcheln nass wieder zurück aufs Boot. Auf einem nassen Bootsrand auszurutschen, gehöre zum privaten Unfallrisiko. Diese Gefahr habe nicht nur der Bootsführer gekannt, sondern sei auch für alle Ausflügler leicht erkennbar gewesen. Darauf hätten sich alle Urlauber einstellen können. Vernünftig wäre es gewesen, Frau S hätte sich auch beim Aussteigen helfen lassen.

Landwirt von einer Zecke gebissen

Für eine folgenlos ausgeheilte Borreliose muss die Berufsgenossenschaft keine Rente zahlen

Als selbständiger Landwirt ist Herr M bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gesetzlich unfallversichert. Der Unfallversicherung, die auch für Berufskrankheiten zuständig ist, meldete er eine Borreliose-Erkrankung: Beim Einzäunen einer Wiese sei er von einer Zecke in die rechte Kniekehle gebissen worden. Seither leide er trotz einer Antibiotika-Therapie an Gelenkbeschwerden und Kopfschmerzen, typischen Krankheitssymptomen einer Borreliose.

Die Borreliose — eine Infektion mit Bakterien, die Zecken auf Menschen übertragen — ist als Berufskrankheit anerkannt. Deshalb übernahm die Berufsgenossenschaft die Kosten der Heilbehandlung. Sie verneinte aber auf Basis verschiedener ärztlicher Gutachten einen Anspruch des Landwirts auf eine Rente.

Die Borreliose sei vollständig ausgeheilt, erklärte die Berufsgenossenschaft, die Kniebeschwerden seien nur Verschleißerscheinungen. M habe auch keine Probleme mit dem Herz oder dem Nervensystem, bei denen die Borrelien-Infektion eine Rolle spiele. Und seine Erwerbsfähigkeit sei nicht messbar gemindert.

Landwirt M klagte gegen den ablehnenden Bescheid: Ein negativer Befund beim Bluttest sei kein sicherer Nachweis, dass die Borreliose ausgeheilt sei. Seine Beschwerden seien nur als Folge der Borreliose erklärbar — eine andere Erklärung hätten auch die medizinischen Sachverständigen der Berufsgenossenschaft nicht gefunden.

Welche Ursache den Beschwerden des Versicherten tatsächlich zugrunde liege, müssten die Experten der Unfallversicherung nicht aufklären, urteilte das Landessozialgericht Hessen (L 3 U 13/18). Ihre Aufgabe sei es allein, den behaupteten Ursachenzusammenhang zwischen der anerkannten Berufskrankheit und den vom Landwirt vorgetragenen Gesundheitsproblemen zu prüfen.

Dieser Zusammenhang sei verneint worden, weil seine Beschwerden - anders als M behaupte - nicht zu den typischen Folgen einer Borreliose-Erkrankung zählten. Nach Ansicht der Sachverständigen stehe fest, dass die versicherte Berufskrankheit Borreliose bei ihm folgenlos ausgeheilt sei. Deshalb sei die Klage abzuweisen. Im Übrigen hätten die Gutachter sehr wohl auch auf mögliche andere Ursachen verwiesen.

Da M seit Jahren körperlich arbeite, sei dies vor allem in Bezug auf die Gelenkbeschwerden plausibel: Der Orthopäde habe eine Fehlstatik der Wirbelsäule, Schäden an der Halswirbelsäule und Knick-Senkfüße festgestellt. Schon deshalb sei die Behauptung des Landwirts nicht nachvollziehbar, als Ursache für die Kniebeschwerden komme nur die Borreliose in Frage.

Wer wird Hoferbin?

Die Tochter des verstorbenen Landwirts kennt sich nicht aus, die Schwester ist "wirtschaftsfähig"

Ein unverheirateter Landwirt war 2020 im Alter von 69 Jahren gestorben, ohne ein Testament zu hinterlassen. Zuletzt hatte er nur noch ca. 20 Rinder gehalten und die Äcker überwiegend von befreundeten Landwirten bewirtschaften lassen. Etwa zwölf Hektar bestellte der Landwirt noch selbst. Dabei half ihm ein Neffe, Sohn seiner Schwester C. C ist Steuerfachangestellte und erledigte für den Landwirt die Buchführung. Nach dem Tod des Bruders beantragte sie beim Landwirtschaftsgericht, ihr den Hof zuzusprechen.

Das Gericht erklärte C zur Hoferbin. Doch die nichteheliche Tochter des Landwirts, die zum Vater nie Kontakt hatte, widersprach und machte geltend, sie sei selbst "wirtschaftsfähig" (d.h. in der Lage, den Hof zu übernehmen). Die Diplom-Chemikerin und passionierte Reiterin wollte aus dem Hof einen "Pferde-Aktivstall" machen. Schwester C habe keine Mittel, die sie in den heruntergewirtschafteten Hof investieren könnte, so die Tochter, und sie sei zu alt, um ihn zu führen. Das würde sie doch nur ihrem Sohn überlassen.

Das Oberlandesgericht Schleswig bestätigte die Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts (60L WLw 5/22). Die Tochter habe weder eine landwirtschaftliche Ausbildung, noch betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Wie die Befragung gezeigt habe, verfüge sie nicht einmal über die Grundkenntnisse, die nach ihrem Konzept eines Pferde-Aktivhofs erforderlich wären, um das Pferdefutter anzubauen.

Ob das Futter für die Pferde gekauft oder angebaut werden solle und zu welchen Kosten, werde in ihrem Konzept nicht einmal erwähnt. Die Tochter habe nicht gelernt, betriebswirtschaftlich zu kalkulieren und sei nicht in der Lage, den über 50 Hektar großen Betrieb in einen Pferdehof umzuwandeln.

Dagegen habe Schwester C als Steuerfachfrau bessere betriebswirtschaftliche Kenntnisse als die meisten Landwirte. Sie führe seit Jahrzehnten die Bücher für den Bruder und für ihren Mann, der ebenfalls Landwirt sei. C sei mit den Besonderheiten des Hofs vertraut, arbeite auch auf dem Hof ihres Mannes mit, könne melken und Traktor fahren. Dass sie schon 67 Jahre alt sei, ändere nichts an ihrer "Wirtschaftsfähigkeit". Bei der körperlichen Arbeit könne ihr Sohn, ein Agrarbetriebswirt, sie unterstützen — C könnte auch Hilfskräfte überwachen, falls welche benötigt würden.

Die Wirtschaftsfähigkeit eines Hoferben hänge nicht von den Geldmitteln ab, die er oder sie in den Betrieb investieren könne. Vielmehr gehe es darum, ob er oder sie Erträge und Kosten richtig kalkulieren könne. Und das könne die Schwester des Erblassers zweifellos. Wenn sie beabsichtigen sollte, ihren Sohn Äcker und Hof bewirtschaften zu lassen, sei auch das kein Problem: Ein Hoferbe müsse den Hof nicht selbst bewirtschaften, er oder sie müsse nur die Fähigkeit dazu haben.

EU-Landwirtschaftsprämien gekürzt

Landwirtin hatte im Naturschutzgebiet Grünland "gefräst" und damit gegen Auflagen verstoßen

Eine Landwirtin bewirtschaftet in Niedersachsen landwirtschaftliche Flächen, die in einem FFH-Gebiet liegen (d.h. in einem Naturschutzgebiet gemäß Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie). Wegen Cross-Compliance-Verstößen wurden ihr diverse EU-Prämien gekürzt. Cross-Compliance bedeutet: Landwirte erhalten Direktzahlungen von der EU, sofern sie Auflagen in Sachen Umweltschutz und Tierschutz erfüllen.

Der Landwirtin wurde von der zuständigen Behörde vorgeworfen, ihre Mitarbeiter hätten mehrere Grünlandflächen des Betriebs im FFH-Gebiet "totgespritzt", anschließend gefräst und damit die Grünlandnarbe zerstört. Gegen die Kürzung klagte die Betriebsinhaberin beim Verwaltungsgericht Lüneburg erfolglos. Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg bestätigte die Entscheidung (10 LA 23/22).

Im FFH-Gebiet "Ilmenau mit Nebenbächen" sollten die feuchten Standorte und artenreiches Grünland erhalten werden, so das OVG: Dieses Ziel werde durch das Umbrechen von Grünland gefährdet, es sei daher verboten. Fräsen zerstöre tendenziell die Grasnarbe und verringere die biologische Vielfalt. Kontrolleure der Unteren Naturschutzbehörde hätten die Verstöße festgestellt und mit Fotos dokumentiert.

Der Vortrag der Landwirtin dazu sei unklar und widersprüchlich. Einmal behaupte sie, sie habe den Boden überhaupt nicht umgebrochen bzw. nur mit Schlitzdrillingen bearbeitet. Dann wieder habe die Landwirtin erklärt, es sei wegen Wildschäden notwendig gewesen, einzelne Teilflächen zu fräsen, was aber die Grünlandnarbe nicht zerstöre: Denn eine Fräse arbeite nur zwei, drei Zentimeter tief im Boden, kratze also nur die Oberfläche an.

Das sei allerdings unzutreffend: Beim Fräsen werde der Boden nicht nur oberflächlich gelockert. Die meist ca. 15 cm langen Messer dieses Bodenbearbeitungsgeräts rotierten und holten auch stark durchwurzelte Erde aus dem Boden.

Die Sanktionen seien gerechtfertigt, weil die Landwirtin zumindest bei den Bodenarbeiten auf einer Inselfläche vorsätzlich gehandelt habe. Als hier gefräst worden sei, habe sie gewusst, dass sich die Fläche im FFH-Gebiet befinde und der Umbruch hier untersagt sei.

Über die Grundstücksgrenze wachsende Bäume

Der Nachbar hat keinen Anspruch auf Rückschnitt, wenn er zum Absterben der Gehölze führen könnte

Die beiden Grundstücke lagen untereinander an einem Hang. An der Grundstücksgrenze standen auf dem oberen Grundstück einige Bäume, die ins Nachbargrundstück hineinragten: Kastanien, Schwarz-Erlen und Ahornbäume, teilweise über 30 Jahre alt und sehr hoch. Nachbar A, Eigentümer des unteren Grundstücks, ärgerte sich über den Abfall von Laub und Früchten in seinem Garten. Er forderte Eigentümer B auf, den Überhang zu beseitigen und die Bäume zurückzuschneiden.

B unternahm jedoch nichts. Deshalb brachte A ein Schlichtungsverfahren in Gang. Die zuständige Schlichtungsstelle versuchte vergeblich, den Streit beizulegen. Daraufhin zog Grundstückseigentümer A vor Gericht. Doch auch mit seiner Klage hatte er keinen Erfolg: Das Landgericht Köln entschied den Streit zu Gunsten des Baumbesitzers B (6 S 27/20).

Ein Rückschnitt wäre im konkreten Fall unverhältnismäßig, so das Landgericht. Laub und Baumfrüchte störten die Nutzung des unteren Grundstücks nur geringfügig. Maßgeblich sei dabei nicht das persönliche Empfinden des Grundstückseigentümers. Vielmehr gehe es darum, wie sehr das Grundstück — objektiv betrachtet — beeinträchtigt werde. Und im Vergleich zum Effekt eines Rückschnitt falle dies hier kaum ins Gewicht.

Wie ein Baumsachverständiger überzeugend erläutert habe, könnte ein drastischer Rückschnitt bis zur Grundstücksgrenze dazu führen, dass die Bäume absterben. Zumindest würde er sie massiv schädigen und so das Risiko erhöhen, dass die Gehölze eingehen. Also liefe der Eingriff im Endeffekt auf eine nach der Baumschutzverordnung verbotene Beseitigung der Bäume hinaus.

WEG genehmigt nachträglich eigenmächtig gebaute Terrasse

Ist das zulässig, wenn der Eigentümer bereits zum Rückbau verurteilt worden war?

In einer Wohnanlage hatte A, der Eigentümer der Dachgeschosswohnung, hinter der Wohnung eine Terrasse ausgebaut — ohne die anderen Wohnungseigentümer um Erlaubnis zu fragen. Dagegen war Eigentümer B vor Gericht gezogen. Er setzte durch, dass die bauliche Veränderung rückgängig gemacht werden muss. A wurde dazu verurteilt, die Dachfläche ohne Aufbauten wieder herzustellen.

Daraufhin beantragte A bei der nächsten Eigentümerversammlung, den Bau der Terrasse nachträglich zu genehmigen und sie ihm für 50 Euro monatlich zu vermieten. Dem stimmte die Mehrheit der Eigentümer zu. Wieder legte sich Eigentümer B quer. Er focht diesen Beschluss der Eigentümerversammlung an. Zu Recht, entschied das Landgericht Saarbrücken (5 S 3/22).

Der Beschluss sei rechtswidrig und nichtig, weil er den rechtskräftig festgestellten Anspruch des Eigentümers B auf Beseitigung der Dachterrasse ausheble. Wenn die Eigentümergemeinschaft (WEG) mit Eigentümer A einen Mietvertrag über die Dachterrasse schließe, gestatte sie damit eine gerichtlich für unzulässig erklärte bauliche Veränderung. Die WEG könne sich nicht die Kompetenz anmaßen, ein gerichtliches Urteil abzuändern.

PS: Die Vorinstanz, das Amtsgericht Saarbrücken, hatte dagegen den Streit zu Gunsten von A entschieden und dies so begründet: Die nachträgliche Zustimmung der WEG zur baulichen Veränderung und der Abschluss eines Mietvertrags hätten den "Lebenssachverhalt verändert", der der Verurteilung von A zum Rückbau zugrunde lag — die Beschlüsse der WEG hätten dem Urteil sozusagen die Grundlage entzogen.

Zu hohe Heizkosten?

Wohnungseigentümer setzt ein Expertengutachten durch, dafür fordert die Eigentümergemeinschaft von ihm Kostenersatz

Wohnungseigentümer W gehören in einer großen Wohnanlage mehrere Appartements. Nach der Heizkostenabrechnung für 2017 wollte er die außerordentlich hohen Heizkosten in einer seiner Wohneinheiten klären lassen. Der Grund dafür sei kein großes Geheimnis, bemerkten andere Eigentümer: Die betreffende Wohnung im obersten Stockwerk habe mehrere Außenwände und die Mieterin möge es eben warm. Gegen den Beschluss der Eigentümerversammlung setzte W bei Gericht durch, dass ein Sachverständiger beauftragt wurde.

Der Bauexperte bestätigte im Prinzip die Ansicht der anderen Eigentümer und verlangte für das Gutachten über 14.000 Euro. Auf der nächsten Eigentümerversammlung wurde beschlossen, den Betrag aus den WEG-Rücklagen vorzufinanzieren und dann bei W einzutreiben: Hätte W die Mieterin zu ihrem Heizverhalten befragt und die Einwände auf der Eigentümerversammlung ernst genommen, hätte es die teure Untersuchung nicht gebraucht.

W focht den Beschluss an: Zu Recht, wie das Amtsgericht Hamburg-St. Georg entschied (980b C 32/21 WEG). Auch wenn die Kritik der Eigentümergemeinschaft (WEG) nachvollziehbar erscheine, dass das Gutachten überflüssig gewesen sei: Dass die Kosten für den Sachverständigen anfielen, beruhe nicht auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Eigentümers W, so das Amtsgericht. Grundlage für den Auftrag sei immerhin ein rechtskräftiges Urteil gewesen, das ein Gutachten zu den Heizkosten anordnete.

Das sei für die WEG finanziell nachteilig. Dennoch sei es nicht als Vertragsverletzung anzusehen, wenn ein Eigentümer einen gerichtlich festgelegten Anspruch durchsetze. Damit mache er sich der WEG gegenüber nicht schadenersatzpflichtig, W müsse die Gutachtenkosten nicht allein tragen. Wenn die WEG die gerichtliche Entscheidung, die Heizkosten überprüfen zu lassen, für falsch hielt, hätte sie direkt dagegen vorgehen und Rechtsmittel einlegen müssen.

Öl im Erdreich versickert?

Sachverständiger widerlegt den Verdacht: Grundstückseigentümer muss das Gutachten nicht bezahlen

Auf einem Abstellplatz für Lkws und Baumaschinen wurden schwarze Brocken im Erdreich gefunden. Das Landratsamt befürchtete, das Grundwasser könnte verseucht sein: Möglicherweise sei Öl versickert. Ein Ingenieur wurde beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Die Angelegenheit entpuppte sich jedoch als harmlos: Nur bis zur Tiefe von zehn Zentimetern fanden sich Ölspuren, eine Umweltgefährdung konnte ausgeschlossen werden.

Das hinderte das Landratsamt jedoch nicht daran, dem Grundstückseigentümer die Gutachterkosten aufzuerlegen. Begründung: Er sei der Anlass für die Untersuchung gewesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob diese Kostenentscheidung auf (22 B 91.3523). Es sei zwar richtig, dass man einen Grundstückseigentümer sozusagen als "Veranlasser" von Kosten einstufen könne, wenn sich auf seinem Grund eine Gefahrenquelle befinde.

Da ihre Befürchtungen aber durch das Gutachten entkräftet worden seien, müsse die Behörde die Kosten tragen. Sie sei in diesem Fall nämlich im Interesse der Allgemeinheit tätig geworden. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Grundstückseigentümer das Einschreiten der Behörde provoziert hätte. Dafür gebe es aber keine Anhaltspunkte.

Jobcenter fordert Grundsicherung zurück

Tritt ein Arbeitsloser eine Stelle nicht an, kann es dafür auch mal gute Gründe geben

Der 1962 geborene Mann hatte bis 2003 als Buchhalter gearbeitet. Dann verlor er seinen Job. Jahrelang bewarb er sich erfolglos auf Stellen als Buchhalter, bezog Arbeitslosengeld und nahm gelegentlich Hilfsarbeiter-Jobs an. Das Jobcenter hatte es 2017 aufgegeben, den Mann noch als Buchhalter zu vermitteln, Bewerbungen seien nach so langer Zeit nicht mehr erfolgversprechend, hatte ihm der Sachbearbeiter erklärt.

Überraschend erhielt der Arbeitslose 2019 trotzdem einen Arbeitsvertrag als Buchhalter bei einer Düsseldorfer Behörde. Doch kurz vor dem Ziel platzte die Sache. Das Jobcenter lehnte es nämlich ab, die Mietkaution für eine Wohnung in Düsseldorf zu finanzieren. Der Mann selbst war dazu nicht in der Lage, also erhielt er keinen Mietvertrag. Aus dem Umzug und der neuen Arbeitsstelle wurde nichts.

Ausgerechnet der Sachbearbeiter des Jobcenters warf ihm deshalb "sozialwidriges Verhalten" vor: Der Hilfeempfänger sei nicht zum Einstellungstermin erschienen und habe damit vorsätzlich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert. Dafür sollte der Arbeitslose büßen und 6.800 Euro Grundsicherungsleistungen zurückzahlen.

Gegen die Rückforderung zog der Hilfeempfänger vor Gericht. Er habe sich nichts vorzuwerfen, erklärte er. Den Mietvertrag in Düsseldorf habe er nicht unterschreiben können, weil der alte Mietvertrag noch nicht "abgewickelt" gewesen sei und er für die Kaution kein Geld gehabt habe. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab ihm Recht und erklärte die Forderung des Jobcenters für unzulässig (L 11 AS 336/21).

Um die Arbeitsstelle in Düsseldorf anzutreten, hätte der Langzeitarbeitslose umziehen müssen. Sein bisheriger Wohnort liege so weit entfernt, dass er von dort aus nicht täglich nach Düsseldorf hätte pendeln können. Den Umzug habe aber nicht der Hilfeempfänger vereitelt, sondern das Jobcenter, weil es die Übernahme der Mietkaution ablehnte.

Dass der arbeitslose Mann die Buchhalterstelle nicht antrat, sei daher nicht als sozialwidriges Verhalten einzustufen. Wenn der Betroffene nicht in der Lage sei, am künftigen Beschäftigungsort eine Wohnung zu mieten, weil ihm die Mittel für die Kaution fehlten und das Jobcenter diese Mittel verweigere, dürfe die Behörde nicht "wegen Arbeitsverweigerung" die Grundsicherungsleistungen zurückverlangen.

Rechenschaft schulden Verwalter nur noch der WEG

Kurzartikel

Die ehemalige Verwalterin einer Wohnanlage muss einer Eigentümerin, die ihre Abrechnungen anzweifelt, keine Einsicht in die Kontoauszüge von 2018 bis 2020 gewähren. Solche Ansprüche gegen Verwalter kann nach neuem Recht nur noch die Eigentümergemeinschaft (WEG) geltend machen, nicht ein einzelner Wohnungseigentümer. Die Eigentümerin muss zunächst versuchen, einen entsprechenden Beschluss der WEG zu erreichen.

Steiler Fußweg neben dem Grundstück

Hauseigentümer will auf dem Weg seine Räum- und Streupflicht im Winter nicht mehr erfüllen

Eine Gemeinde in Baden-Württemberg hat Straßenanlieger dazu verpflichtet, die Gehwege an ihren Grundstücken zu reinigen, im Winter zu räumen und zu streuen. 2015 teilte ein alter Herr mit, er könne den Winterdienst nun nicht mehr durchführen. Die Gemeinde solle dies übernehmen oder den Weg im Winter sperren. Das Grundstück lag an einem Hang, der Fußweg verlief daneben: 62 Meter lang, eng und teils sehr steil.

Der Antrag des Hauseigentümers wurde abgelehnt, obwohl er dafür gute Gründe anführte: Hohe Wände und Hecken am Wegesrand sorgten dafür, dass das Verbundpflaster nach Regen schlecht trockne. Der Weg sei oft rutschig, die Sturzgefahr groß und im Winter noch größer. Schnee irgendwo seitlich zu lagern, sei unmöglich.

Schließlich zog der Sohn des Seniors als neuer Grundstückseigentümer vor Gericht und verlangte erneut von der Gemeinde die Befreiung vom Winterdienst: Der bauliche Zustand des Weges mache das Räumen unzumutbar, zudem drohten ihm Schadenersatzklagen von gestürzten Fußgängern.

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gab dem Anlieger Recht (5 S 947/21). Die Besonderheit der Lage — von Haus und Weg — führe ausnahmsweise dazu, dass es unzumutbar sei, die Räum- und Streupflicht im Winter zu erfüllen. Der Weg erschließe keines der anliegenden Grundstücke und werde von Fußgängern kaum genutzt. Einige Schüler und Nachbarn nähmen den Weg gelegentlich als Abkürzung. Es bestehe also kaum Bedarf bzw. ein berechtigtes Interesse am Winterdienst.

Für den Anwohner wäre der Winterdienst dagegen mit erheblichen Risiken verbunden. Der Weg sei fast "schluchtartig" eng und rutschig, in Höhe des Grundstücks weise er ein Gefälle von 24 bis 28 Prozent auf. Bei Schneefall und Eisglätte sei es unzumutbar, hier zu räumen — der Hauseigentümer würde sich selbst in Gefahr bringen. Angesichts der geringen Verkehrsbedeutung des Fußwegs könne die Gemeinde von ihm nicht verlangen, der Räum- und Streupflicht im Winter nachzukommen.

Flugverspätung: Flieger musste enteist werden

Ist das im Winter in Minneapolis immer notwendig, liegt kein "außergewöhnlicher Umstand" vor

Herr W hatte für den 5. Dezember 2021 einen Flug von Minneapolis in den USA über Amsterdam nach Düsseldorf gebucht. In Düsseldorf kam der Passagier mit einer Verspätung von fast vier Stunden an. Am Startflughafen war das Flugzeug vor dem Start enteist worden. Es startete verspätet, dadurch verpasste Herr W in Amsterdam seinen Anschlussflug.

Vom Flugunternehmen forderte er deshalb eine Ausgleichszahlung gemäß EU-Fluggastrechteverordnung (600 Euro für einen Langstreckenflug). Die stehe ihm wegen der Verspätung von über drei Stunden zu.

Die Fluggesellschaft sah das anders: Hier hätten "außergewöhnliche Umstände" vorgelegen, die sie von der Pflicht befreiten, die Passagiere zu entschädigen. Es habe eben bei der notwendigen Enteisung der Maschine Verzögerungen auf dem Flughafen gegeben.

Das Amtsgericht Düsseldorf entschied den Streit zu Gunsten des Fluggastes (37 C 119/22). Fluggesellschaften seien für die Sicherheit ihrer Maschinen verantwortlich und damit auch für die Enteisung im Winter. Organisationsfehler des Flughafens Minneapolis wären daher der Fluggesellschaft zuzurechnen. Ob die Verspätung tatsächlich auf langsame Abläufe an der Enteisungsanlage zurückzuführen sei, könne hier aber offen bleiben.

Auf "außergewöhnliche Umstände" könne sich die Airline schon deshalb nicht berufen, weil sie die Enteisungszeit im Flugplan nicht berücksichtigt habe. Dabei sei eine Enteisung — nach ihrem eigenen Vortrag — bei winterlichen Starts am Flughafen von Minneapolis immer erforderlich, weil es dort regelmäßig schneie. Das dauere 30 bis 90 Minuten und müsse mit den Passagieren an Bord direkt vor dem Start durchgeführt werden.

Wenn ein Vorgang vor dem Abflug regelmäßig und zwingend durchgeführt werden müsse und dies im Durchschnitt 60 Minuten dauere, müsse das Flugunternehmen diese Zeit im Flugplan einkalkulieren. Eine so verursachte Verspätung sei jedenfalls nicht als "außergewöhnlicher Umstand" anzusehen, für den die Airline nicht verantwortlich sei.

Tierschutzverein stellt Zuchtbetrieb an den Pranger

Wer Unternehmer der Tierquälerei beschuldigt, muss ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben

Ein Tierschutzverein berichtete auf seinem Online-Presseportal über "Tierquälerei", "schockierende Zustände" und "tierschutzwidrige Nottötungen" in einem Kaninchenzuchtbetrieb. In dem Bericht wurden der Firmenname, der Standort des Betriebs und die gezüchtete Kaninchenrasse genannt. Vor der Publikation des Berichts hatten die Autoren die Gesellschafter des Zuchtbetriebs nicht angehört oder mit den Vorwürfen konfrontiert.

Die Kaninchenzüchter erreichten beim Landgericht ein vorläufiges Verbot: Solange die Vorwürfe nicht bewiesen seien, dürften der Tierschutzverein und dessen Vorsitzender über den Zuchtbetrieb nicht in einer Weise berichten, die es erlaube, den Betrieb zu identifizieren. Gegen das Verbot wehrte sich der Verein. Die Kaninchenzüchter müssten schon wegen des großen öffentlichen Interesses am Tierschutz wahrheitsgemäße Berichterstattung hinnehmen, argumentierten die Tierschützer.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart pochte jedoch auf die journalistische Sorgfaltspflicht (4 U 144/22). Daran müsse sich auch der Tierschutzverein halten, der für sich das Grundrecht der Pressefreiheit in Anspruch nehme — zumal der Vereinsvorsitzende selbst Journalist sei. Beim Hauptvorwurf der tierschutzwidrigen Tötung gehe es nicht um einen sicher feststehenden Sachverhalt, betonte das OLG, sondern um den bloßen Verdacht, dass eine Straftat vorliegen könnte.

Selbstverständlich gehöre es zu den Aufgaben der Medien, Fehlverhalten aufzuzeigen. Wenn es sich allerdings nur um einen Verdacht handle, müssten Journalisten besonders sorgsam vorgehen. Der Vorwurf einer Straftat wiege schwer und greife die persönliche Ehre der Beschuldigten an. Daher hätten die Tierschützer vor einer Veröffentlichung zumindest eine Stellungnahme der Unternehmer einholen müssen.

Wenn "Verdachtsberichterstattung" ermögliche, die Beschuldigten zu identifizieren, stelle dies einen rechtswidrigen Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht dar - wenn man ihnen nicht zugleich die Möglichkeit einräume, die Vorwürfe zu widerlegen. Das gelte auch für die Kritik an Unternehmen.

Landwirtin klagt gegen Wohnungsbau

Einschränkungen für den Schweinezuchtbetrieb durch Beschwerden neuer Nachbarn zu befürchten?

Eine Landwirtin klagte gegen eine Baugenehmigung der Gemeinde: Etwa 100 Meter von ihren Schweineställen entfernt sollte ein Mehrfamilienhaus entstehen. Ihr direkter Nachbar plante, auf seinem Grund ein Wohnhaus mit elf Wohneinheiten zu errichten. Deshalb befürchtete die Landwirtin Einschränkungen für ihren Betrieb.

Die neuen Nachbarn würden sich früher oder später gegen die Stallgerüche wenden, meinte sie. Aber in einem Dorfgebiet müsse man Rücksicht auf Landwirte nehmen. In der Nähe landwirtschaftlicher Betriebe dürften keine großen Mehrfamilienhäuser entstehen, das berge zu viel Konfliktpotential. Was Menschen tatsächlich als störend empfänden und was rechtlich als unzumutbare Störung gelte, sei doch sehr verschieden.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg versuchte, die Sorgen der Landwirtin zu zerstreuen (1 ME 48/22). Dass weitere Nachbarn auch weitere Beschwerdeführer werden könnten, sei zwar nicht von der Hand zu weisen. Doch die Bauordnung erlaube in Dorfgebieten ausdrücklich das Wohnen und die Landwirtschaft. Beschwerden über den landwirtschaftlichen Betrieb wären rechtlich unbegründet: Laut dem "Geruchsgutachten", das für das Bauvorhaben erstellt wurde, werde der Immissionsrichtwert für Dorfgebiete eingehalten.

Eventuelle besondere Empfindlichkeiten künftiger Nachbarn seien kein Grund, dem Grundstückseigentümer die Baugenehmigung zu versagen: Sie habe Bestand. Heranrückende Wohnbauten verletzten einem landwirtschaftlichen Betrieb gegenüber nur dann das Gebot der Rücksichtnahme, wenn durch die Wohnbebauung tatsächlich nachträgliche Auflagen für den Betrieb drohten. Das sei hier nicht der Fall.

In "vorbelasteten Lagen" wie hier sei zudem nicht der Grenzwert der "Geruchsimmissionsrichtlinie" ausschlaggebend dafür, wie intensiv Gerüche sein dürften. Vielmehr entscheide das Maß der bereits genehmigten Vorbelastung die Grenze der Zumutbarkeit. Aus diesem Grund müsse die Landwirtin keine Abwehransprüche fürchten. Allenfalls eine Erweiterung des Betriebs, die zu intensiveren Immissionen führte, könnte zu Problemen führen. Solche Pläne habe die Landwirtin aber nicht geltend gemacht.

Landung mit dem Tandem-Fallschirm missglückt

Anbieterin der Tandem-Sprünge schuldet dem verletzten Passagier Schmerzensgeld

Im Sommer 2018 hatte sich ein Mann den Traum vom Fliegen erfüllt und einen Tandem-Fallschirmsprung gebucht. Mit einem erfahrenen Fallschirmspringer war er vom Flugzeug des Unternehmens abgesprungen. Doch der Sprung endete wetterbedingt mit einem heftigen Aufprall bei der Landung, bei dem sich der Kunde schwer verletzte.

Gebrochene Wirbel machten eine umfangreiche Operation notwendig. Zurück blieben Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule, Schmerzen und Lähmungserscheinungen im linken Bein. Von der Anbieterin der Tandem-Sprünge forderte der Kunde Schmerzensgeld. Zu Recht, entschied das Landgericht Köln und sprach dem Mann 20.000 Euro zu, obwohl der Anbieterin und ihrem Personal kein Verschulden vorzuwerfen war (3 O 176/19).

Hier gehe es um einen Luftbeförderungsvertrag, so das Landgericht. Denn der Schwerpunkt der vertraglich vereinbarten Leistung bestehe im Transport mit dem Flugzeug bis zu einer Höhe, die für einen Fallschirmsprung ausreiche. Werde ein Fluggast durch einen Unfall an Bord oder beim Ein- oder Aussteigen verletzt, hafte das Flugunternehmen — unabhängig von eigenem Verschulden — gemäß Luftverkehrsgesetz für die Unfallfolgen.

Ein Luftbeförderungsvertrag ende üblicherweise dann, wenn sich der Fluggast wieder auf dem Boden befinde und "wieder auf eigenen Füßen stehe". Auch bei einem Tandempassagier sei das so: Er sei nicht mit einem Kursteilnehmer zu vergleichen, der Fallschirmspringen erlernen wolle und sich darauf gründlich vorbereite. Tandempassagiere seien Kunden ohne jede Erfahrung, die nach einer kurzen Einweisung mitfliegen und den Ablauf des Sprungs in keiner Weise beeinflussen könnten.

Nikotin als erhöhtes Risiko für die Heilung

Dieser Hinweis des Zahnarztes stellt klar, dass die Behandlung auch misslingen kann

Dem Patienten sollten Zahnprothesen eingesetzt werden. Vor dem Eingriff sprach der Zahnarzt mit dem Raucher darüber und betonte besonders, dass die Prothese in der Regel schlechter einheile, wenn Patienten Alkohol und Nikotin konsumierten. Als der Heilungsprozess dann tatsächlich fehlschlug, klagte der Patient auf Schmerzensgeld.

Begründung: Dass der Eingriff grundsätzlich misslingen könne, habe ihm der Mediziner nicht klargemacht. Er habe ihn nur auf seinen Lebenswandel angesprochen, also sei die Risikoaufklärung unzulänglich gewesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle konnte im konkreten Fall jedoch kein Aufklärungsdefizit erkennen (I U 52/22).

Chirurgische Eingriffe seien nicht immer erfolgreich, so das OLG: Möglicherweise wüssten nicht alle Patienten darüber Bescheid. Im konkreten Fall habe der Zahnarzt diese Information jedoch nicht "unterschlagen", im Gegenteil: Im Zusammenhang mit dem Lebenswandel des Patienten sei das Misserfolgs-Risiko sehr wohl Thema gewesen.

Der Zahnarzt habe mit ihm erörtert, inwiefern seine Gewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum den Erfolg der Behandlung verzögern oder gar gefährden könnten. Das Risiko eines Misserfolgs bestehe grundsätzlich immer, werde durch die Lebensführung im Einzelfall nur deutlich erhöht. Nach diesem Hinweis habe der Patient von der Möglichkeit eines Fehlschlags ausgehen müssen, auch wenn er mit dem Rauchen aufgehört hätte.