Sonstiges

Beim Schnorchelausflug ins Wasser gefallen

Rutscht eine Urlauberin auf einem nassen Bootsrand aus, haftet dafür nicht der Reiseveranstalter

Zum Schnäppchenpreis von 12.604 Euro gönnte sich Ehepaar S vom 18.1. bis 9.2.2020 eine Pauschalreise auf die Insel Mauritius. Als im Hotelzimmer eine Flasche Rum zerbrach, ärgerten sich die Urlauber darüber, dass das Zimmer vom Hotelpersonal nicht sofort gereinigt wurde. Dann wurde Frau S von einer Wespe gestochen. Ihr Gatte entdeckte ein Wespennest in einem Baum neben der Terrasse der Hotelbar. Es wurde vom Hotelpersonal entfernt.

Dann aber kam es noch schlimmer: Bei einem Schnorchelausflug startete das Boot am hoteleigenen Strand, der Guide war beim Einsteigen behilflich. Nach dem Ausflug legte das Boot rückwärts am Strand an und der Guide sprang in den Sand. Frau S wollte ohne seine Hilfe seitlich aussteigen. Sie rutschte auf dem Bootsrand aus, fiel ins etwa 30 Zentimeter tiefe Wasser und verletzte sich an der Hand, mit der sie sich am Grund abstützen wollte.

Die Eheleute beanstandeten schon im Hotel diese "Reisemängel" und verlangten später vom Reiseveranstalter Rückzahlung des Reisepreises und 6.000 Euro Schmerzensgeld. Das Landgericht Köln konnte jedoch keine Reisemängel erkennen und wies die Klage ab (32 O 334/20). Eine eventuell verspätete Zimmerreinigung nach dem Bruch einer Flasche sei höchstens eine kleine Unannehmlichkeit, die den Erholungswert der Reise nicht beeinträchtige.

Dass Frau S einen Wespenstich habe erleiden müssen, sei bedauerlich, stelle aber keinen Reisemangel dar. Dabei habe sich nur das überall gegenwärtige, allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, dass man von Insekten gestochen werden könne. Ob die "schuldige" Wespe aus dem Nest neben der hoteleigenen Brasserie stammte, stehe ohnehin nicht fest. Und auch der Unfall von Frau S am Ende der Schnorchel-Tour sei nicht dem Reiseveranstalter zuzurechnen.

Bei sportlichen Aktivitäten auf dem Wasser gehe es nass zu, das sei schon aufgrund der Bewegungen des Bootes naheliegend. Obendrein kämen die Passagiere nach dem Schnorcheln nass wieder zurück aufs Boot. Auf einem nassen Bootsrand auszurutschen, gehöre zum privaten Unfallrisiko. Diese Gefahr habe nicht nur der Bootsführer gekannt, sondern sei auch für alle Ausflügler leicht erkennbar gewesen. Darauf hätten sich alle Urlauber einstellen können. Vernünftig wäre es gewesen, Frau S hätte sich auch beim Aussteigen helfen lassen.

Öl im Erdreich versickert?

Sachverständiger widerlegt den Verdacht: Grundstückseigentümer muss das Gutachten nicht bezahlen

Auf einem Abstellplatz für Lkws und Baumaschinen wurden schwarze Brocken im Erdreich gefunden. Das Landratsamt befürchtete, das Grundwasser könnte verseucht sein: Möglicherweise sei Öl versickert. Ein Ingenieur wurde beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Die Angelegenheit entpuppte sich jedoch als harmlos: Nur bis zur Tiefe von zehn Zentimetern fanden sich Ölspuren, eine Umweltgefährdung konnte ausgeschlossen werden.

Das hinderte das Landratsamt jedoch nicht daran, dem Grundstückseigentümer die Gutachterkosten aufzuerlegen. Begründung: Er sei der Anlass für die Untersuchung gewesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob diese Kostenentscheidung auf (22 B 91.3523). Es sei zwar richtig, dass man einen Grundstückseigentümer sozusagen als "Veranlasser" von Kosten einstufen könne, wenn sich auf seinem Grund eine Gefahrenquelle befinde.

Da ihre Befürchtungen aber durch das Gutachten entkräftet worden seien, müsse die Behörde die Kosten tragen. Sie sei in diesem Fall nämlich im Interesse der Allgemeinheit tätig geworden. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn der Grundstückseigentümer das Einschreiten der Behörde provoziert hätte. Dafür gebe es aber keine Anhaltspunkte.

Steiler Fußweg neben dem Grundstück

Hauseigentümer will auf dem Weg seine Räum- und Streupflicht im Winter nicht mehr erfüllen

Eine Gemeinde in Baden-Württemberg hat Straßenanlieger dazu verpflichtet, die Gehwege an ihren Grundstücken zu reinigen, im Winter zu räumen und zu streuen. 2015 teilte ein alter Herr mit, er könne den Winterdienst nun nicht mehr durchführen. Die Gemeinde solle dies übernehmen oder den Weg im Winter sperren. Das Grundstück lag an einem Hang, der Fußweg verlief daneben: 62 Meter lang, eng und teils sehr steil.

Der Antrag des Hauseigentümers wurde abgelehnt, obwohl er dafür gute Gründe anführte: Hohe Wände und Hecken am Wegesrand sorgten dafür, dass das Verbundpflaster nach Regen schlecht trockne. Der Weg sei oft rutschig, die Sturzgefahr groß und im Winter noch größer. Schnee irgendwo seitlich zu lagern, sei unmöglich.

Schließlich zog der Sohn des Seniors als neuer Grundstückseigentümer vor Gericht und verlangte erneut von der Gemeinde die Befreiung vom Winterdienst: Der bauliche Zustand des Weges mache das Räumen unzumutbar, zudem drohten ihm Schadenersatzklagen von gestürzten Fußgängern.

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gab dem Anlieger Recht (5 S 947/21). Die Besonderheit der Lage — von Haus und Weg — führe ausnahmsweise dazu, dass es unzumutbar sei, die Räum- und Streupflicht im Winter zu erfüllen. Der Weg erschließe keines der anliegenden Grundstücke und werde von Fußgängern kaum genutzt. Einige Schüler und Nachbarn nähmen den Weg gelegentlich als Abkürzung. Es bestehe also kaum Bedarf bzw. ein berechtigtes Interesse am Winterdienst.

Für den Anwohner wäre der Winterdienst dagegen mit erheblichen Risiken verbunden. Der Weg sei fast "schluchtartig" eng und rutschig, in Höhe des Grundstücks weise er ein Gefälle von 24 bis 28 Prozent auf. Bei Schneefall und Eisglätte sei es unzumutbar, hier zu räumen — der Hauseigentümer würde sich selbst in Gefahr bringen. Angesichts der geringen Verkehrsbedeutung des Fußwegs könne die Gemeinde von ihm nicht verlangen, der Räum- und Streupflicht im Winter nachzukommen.

Flugverspätung: Flieger musste enteist werden

Ist das im Winter in Minneapolis immer notwendig, liegt kein "außergewöhnlicher Umstand" vor

Herr W hatte für den 5. Dezember 2021 einen Flug von Minneapolis in den USA über Amsterdam nach Düsseldorf gebucht. In Düsseldorf kam der Passagier mit einer Verspätung von fast vier Stunden an. Am Startflughafen war das Flugzeug vor dem Start enteist worden. Es startete verspätet, dadurch verpasste Herr W in Amsterdam seinen Anschlussflug.

Vom Flugunternehmen forderte er deshalb eine Ausgleichszahlung gemäß EU-Fluggastrechteverordnung (600 Euro für einen Langstreckenflug). Die stehe ihm wegen der Verspätung von über drei Stunden zu.

Die Fluggesellschaft sah das anders: Hier hätten "außergewöhnliche Umstände" vorgelegen, die sie von der Pflicht befreiten, die Passagiere zu entschädigen. Es habe eben bei der notwendigen Enteisung der Maschine Verzögerungen auf dem Flughafen gegeben.

Das Amtsgericht Düsseldorf entschied den Streit zu Gunsten des Fluggastes (37 C 119/22). Fluggesellschaften seien für die Sicherheit ihrer Maschinen verantwortlich und damit auch für die Enteisung im Winter. Organisationsfehler des Flughafens Minneapolis wären daher der Fluggesellschaft zuzurechnen. Ob die Verspätung tatsächlich auf langsame Abläufe an der Enteisungsanlage zurückzuführen sei, könne hier aber offen bleiben.

Auf "außergewöhnliche Umstände" könne sich die Airline schon deshalb nicht berufen, weil sie die Enteisungszeit im Flugplan nicht berücksichtigt habe. Dabei sei eine Enteisung — nach ihrem eigenen Vortrag — bei winterlichen Starts am Flughafen von Minneapolis immer erforderlich, weil es dort regelmäßig schneie. Das dauere 30 bis 90 Minuten und müsse mit den Passagieren an Bord direkt vor dem Start durchgeführt werden.

Wenn ein Vorgang vor dem Abflug regelmäßig und zwingend durchgeführt werden müsse und dies im Durchschnitt 60 Minuten dauere, müsse das Flugunternehmen diese Zeit im Flugplan einkalkulieren. Eine so verursachte Verspätung sei jedenfalls nicht als "außergewöhnlicher Umstand" anzusehen, für den die Airline nicht verantwortlich sei.

Tierschutzverein stellt Zuchtbetrieb an den Pranger

Wer Unternehmer der Tierquälerei beschuldigt, muss ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben

Ein Tierschutzverein berichtete auf seinem Online-Presseportal über "Tierquälerei", "schockierende Zustände" und "tierschutzwidrige Nottötungen" in einem Kaninchenzuchtbetrieb. In dem Bericht wurden der Firmenname, der Standort des Betriebs und die gezüchtete Kaninchenrasse genannt. Vor der Publikation des Berichts hatten die Autoren die Gesellschafter des Zuchtbetriebs nicht angehört oder mit den Vorwürfen konfrontiert.

Die Kaninchenzüchter erreichten beim Landgericht ein vorläufiges Verbot: Solange die Vorwürfe nicht bewiesen seien, dürften der Tierschutzverein und dessen Vorsitzender über den Zuchtbetrieb nicht in einer Weise berichten, die es erlaube, den Betrieb zu identifizieren. Gegen das Verbot wehrte sich der Verein. Die Kaninchenzüchter müssten schon wegen des großen öffentlichen Interesses am Tierschutz wahrheitsgemäße Berichterstattung hinnehmen, argumentierten die Tierschützer.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart pochte jedoch auf die journalistische Sorgfaltspflicht (4 U 144/22). Daran müsse sich auch der Tierschutzverein halten, der für sich das Grundrecht der Pressefreiheit in Anspruch nehme — zumal der Vereinsvorsitzende selbst Journalist sei. Beim Hauptvorwurf der tierschutzwidrigen Tötung gehe es nicht um einen sicher feststehenden Sachverhalt, betonte das OLG, sondern um den bloßen Verdacht, dass eine Straftat vorliegen könnte.

Selbstverständlich gehöre es zu den Aufgaben der Medien, Fehlverhalten aufzuzeigen. Wenn es sich allerdings nur um einen Verdacht handle, müssten Journalisten besonders sorgsam vorgehen. Der Vorwurf einer Straftat wiege schwer und greife die persönliche Ehre der Beschuldigten an. Daher hätten die Tierschützer vor einer Veröffentlichung zumindest eine Stellungnahme der Unternehmer einholen müssen.

Wenn "Verdachtsberichterstattung" ermögliche, die Beschuldigten zu identifizieren, stelle dies einen rechtswidrigen Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht dar - wenn man ihnen nicht zugleich die Möglichkeit einräume, die Vorwürfe zu widerlegen. Das gelte auch für die Kritik an Unternehmen.

Nikotin als erhöhtes Risiko für die Heilung

Dieser Hinweis des Zahnarztes stellt klar, dass die Behandlung auch misslingen kann

Dem Patienten sollten Zahnprothesen eingesetzt werden. Vor dem Eingriff sprach der Zahnarzt mit dem Raucher darüber und betonte besonders, dass die Prothese in der Regel schlechter einheile, wenn Patienten Alkohol und Nikotin konsumierten. Als der Heilungsprozess dann tatsächlich fehlschlug, klagte der Patient auf Schmerzensgeld.

Begründung: Dass der Eingriff grundsätzlich misslingen könne, habe ihm der Mediziner nicht klargemacht. Er habe ihn nur auf seinen Lebenswandel angesprochen, also sei die Risikoaufklärung unzulänglich gewesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle konnte im konkreten Fall jedoch kein Aufklärungsdefizit erkennen (I U 52/22).

Chirurgische Eingriffe seien nicht immer erfolgreich, so das OLG: Möglicherweise wüssten nicht alle Patienten darüber Bescheid. Im konkreten Fall habe der Zahnarzt diese Information jedoch nicht "unterschlagen", im Gegenteil: Im Zusammenhang mit dem Lebenswandel des Patienten sei das Misserfolgs-Risiko sehr wohl Thema gewesen.

Der Zahnarzt habe mit ihm erörtert, inwiefern seine Gewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum den Erfolg der Behandlung verzögern oder gar gefährden könnten. Das Risiko eines Misserfolgs bestehe grundsätzlich immer, werde durch die Lebensführung im Einzelfall nur deutlich erhöht. Nach diesem Hinweis habe der Patient von der Möglichkeit eines Fehlschlags ausgehen müssen, auch wenn er mit dem Rauchen aufgehört hätte.

Karlsruhe rügt zweierlei Maß beim Weihnachts- und Urlaubsgeld

Auch Einmalzahlungen müssen Einfluss auf das Arbeitslosengeld haben

Die Beiträge zur Sozialversicherung richten sich nach der Höhe des Lohns. Dabei werden auch Beträge wie das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld herangezogen, die nur einmal im Jahr gezahlt werden. Wenn es aber um die Berechnung der Lohnersatzleistungen geht (Beispiel: Arbeitslosengeld), bleiben diese Einmalzahlungen unberücksichtigt.

Ein Bürger zog dagegen vor das Bundesverfassungsgericht: Diese beiden Regelungen des Sozialrechts passten nicht zusammen und verletzten den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.

Die Karlsruher Richter gaben ihm Recht: Sie erklärten die angegriffenen Bestimmungen für verfassungswidrig (1 BvR 892/88). Nicht nur der laufende Lohn, sondern auch einmalige Sonderzahlungen beeinflussten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Und nach der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers müsse sich die Höhe des Arbeitslosengeldes richten. Der Gesetzgeber müsse daher die betreffenden Gesetze ändern.

Außerplanmäßige Flugzeug-Inspektion erforderlich

Ist die Hälfte aller Maschinen betroffen, kann eine Airline Flugverspätungen nicht vermeiden

Im Oktober 2019 war ein Flug von Zürich nach Stuttgart mit Airbus A220 annulliert worden. Hintergrund: An diesem Tag war bei so einer Maschine der Fluggesellschaft das Triebwerk ausgefallen. Einige Wochen vorher hatte bereits die amerikanische Luftfahrtbehörde angeordnet, wegen technischer Probleme an den Triebwerken des Airbus A220 nach bestimmten Flugzyklen die Maschinen dieses Typs einer Inspektion zu unterziehen.

Passagiere, die den annullierten Flug nach Stuttgart gebucht hatten und mit einem Ersatzflug fast acht Stunden später dort landeten, verlangten vom Flugunternehmen eine Ausgleichszahlung gemäß der EU-Fluggastrechteverordnung.

Die Fluggesellschaft lehnte die Zahlung ab: Das für die Sicherheit wesentliche technische Problem habe eine Vielzahl ihrer Maschinen betroffen. Daher habe sie den Flug annullieren müssen. Für so einen Fall könne kein Flugunternehmen genügend Ersatzmaschinen vorhalten.

So sah es auch der Bundesgerichtshof: Er wies die Klage auf Ausgleichszahlung ab (X ZR 117/21). Die Flugannullierung sei auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen, die für die Fluggesellschaft nicht beherrschbar gewesen seien, so die Bundesrichter. Mit technischen Defekten einzelner Maschinen müssten Flugunternehmen immer rechnen, das gehöre zu ihrer normalen Tätigkeit.

Ein außergewöhnlicher und nicht beherrschbarer Umstand — der sie von der Pflicht befreie, die Passagiere zu entschädigen — könne aber vorliegen, wenn ein wesentlicher Teil der Flugzeugflotte betroffen sei. Und so liege der Fall hier. Am fraglichen Tag habe die Airline alle ihre Flugzeuge vom Typ Airbus A220 und damit rund die Hälfte ihrer Kurz- und Mittelstreckenmaschinen wegen des Triebwerkausfalls einer außerplanmäßigen Inspektion unterzogen.

Dies sei notwendig gewesen, um technische Defekte der Maschinen dieses Typs und damit ein hohes Risiko für Fluggäste auszuschließen. In so einem Fall müsse das Flugunternehmen Störungen des Flugbetriebs in Kauf nehmen: Sicherheit sei unter diesen Umständen wichtiger, als Verspätungen und Annullierungen von Flügen zu verhindern. Daher stehe den Passagieren keine Ausgleichszahlung zu.

Magenspiegelung ohne Schmerzmittel

Ärzte dürfen eine fehlerhafte Therapie auch auf Wunsch des Patienten nicht anwenden

Wegen häufiger Verdauungsprobleme wurde bei einem 14-Jährigen eine Magen- und Darmspiegelung vorgenommen. Beim Vorgespräch mit dem Anästhesisten äußerte die Mutter des Patienten den Wunsch, dem Jungen vor dem Eingriff ein Schmerzmittel zu verabreichen. Einige Wochen später forderte die Frau im Namen des Minderjährigen vom Ärzteteam 30.000 Euro Schmerzensgeld.

Begründung: Entgegen der Absprache habe ihr Sohn während der Untersuchungen kein Schmerzmittel erhalten, die Sedierung sei unzureichend gewesen. Der Junge habe Schmerzen erlitten und fürchte sich nun schrecklich vor endoskopischen Untersuchungen. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden wies die Zahlungsklage ab (4 U 1258/22). Laut Sachverständigengutachten habe der Eingriff medizinischem Standard entsprochen.

Nur im Ausnahmefall werde zusätzlich zur Sedierung, die für sich genommen schon riskant sei, Schmerzmittel gegeben. Bei dem Jungen sei das nicht notwendig. Ob ein Behandlungsfehler vorliege oder nicht, richte sich nach dem medizinischen Standard — und nicht nach Vereinbarungen mit Patienten oder Erziehungsberechtigten. Daher könne es offenbleiben, ob der Anästhesist tatsächlich so eine Absprache getroffen habe - was er bestreite.

Auch ein unbedingter Wunsch des Patienten bzw. der Erziehungsberechtigten würde nämlich den Anästhesisten nicht dazu verpflichten, Schmerzmittel zu verabreichen, wenn dies aus medizinischer Sicht bei dieser Untersuchung nicht geboten oder sogar schädlich sei. Ärzte dürften keine medizinisch fehlerhafte Therapie anwenden, auch wenn Patienten dies ausdrücklich forderten. Dies zu unterlassen, könne also keinen Behandlungsfehler darstellen.

Nichts von dem, was die Mutter vorgetragen habe, begründe einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Nach der ärztlichen Dokumentation habe der Junge tief geschlafen. Auch die gemessenen Werte sprächen dafür, dass die Sedierung bei dem Eingriff gestimmt habe. Die behaupteten Schmerzen dabei seien eine folgenlose Bagatelle gewesen. Dass der Junge weitere Eingriffe fürchte, sei ebenfalls "normal". In dem geschilderten Ausmaß seien Unwohlsein und Angst vor ärztlichen Untersuchungen alltagstypische Erscheinungen, die in der Bevölkerung weit verbreitet seien.

Landwirt kämpft um Schießerlaubnis

Der Rinderzüchter und Jäger will seine Tiere "stressarm" selbst töten und schlachten

Ein Rinderhalter aus Niedersachsen beantragte bei der Waffenbehörde eine Schießerlaubnis, weil er die Tiere selbst mit Kugelschuss töten und schlachten wollte. Als Jäger hat er zwar sowieso Waffen und einen Waffenschein. Um seine eigenen Rinder auf der Weide erschießen zu dürfen, benötigt er aber laut Waffengesetz eine Extra-Genehmigung.

Die Waffenbehörde lehnte den Antrag ab und gab sich auch nach einem für den Jäger günstigen Urteil des Verwaltungsgerichts nicht geschlagen: Da seien die Belange der öffentlichen Sicherheit nicht berücksichtigt worden, wandte die Behörde ein, z.B. die Gefahr von Querschlägern. Überhaupt sollten so "wenig Waffen wie möglich" im Volk unterwegs sein und ihr Gebrauch auf ein Mindestmaß begrenzt werden.

Gefahren für Dritte könne die Waffenbehörde mit genauen Auflagen für die Schussabgabe vorbeugen, erklärte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg: Sie könne diese konkret vorgeben (11 LA 133/22). Hier gehe es nicht um das Anliegen des Gesetzgebers, den Waffengebrauch möglichst einzuschränken. Als Inhaber eines Jagdscheins besitze der Rinderhalter ohnehin ganz legal Schusswaffen und Munition. Es gebe keinen vernünftigen Grund, ihm die Schießerlaubnis zu verweigern.

Dass die Behörde abstreite, dass hier ein anzuerkennendes Interesse an der Genehmigung bestehe, sei nicht nachvollziehbar. Der Landwirt habe vor Gericht anschaulich geschildert, dass die meisten Tiere seiner Herde, die er das ganze Jahr über im Freien halte, sehr scheu seien. Sie würden sich nur mit sehr großem Widerstand einpferchen oder transportieren lassen.

Der Rinderhalter wolle die Tiere möglichst stressfrei töten und das sei mit einem Kopfschuss, der sie auf der Weide unvermittelt treffe, am besten zu erreichen. Dass der Tierhalter als Landwirt, der das Fleisch seiner Rinder ausdrücklich mit dem Argument bewerbe, diese würden "stressarm geschlachtet", ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran habe, eine Schießerlaubnis zu bekommen, liege auf der Hand.

Strompreiserhöhung angekündigt

"Vorher — nachher": Energieversorger muss Preisbestandteile einander gegenüberstellen

Ein Energieversorgungsunternehmen hatte im Frühjahr 2018 Sonderverträge für Strom und Gas angeboten und die Kunden per E-Mail darüber informiert, dass es ab Mai 2018 die Strompreise erhöhen werde. Die Nachricht enthielt weder eine Gegenüberstellung des vor und nach der Erhöhung gültigen Preises, noch wurden einzelne Kostenfaktoren aufgeschlüsselt. Aus diesem Grund mahnte ein Verbraucherschutzverein das Unternehmen ab.

Als der Energieversorger darauf nicht reagierte, zogen die Verbraucherschützer vor Gericht und verlangten mehr Transparenz bei der Kundeninformation. Während das Landgericht Köln eine detaillierte Gegenüberstellung der Preisbestandteile für überflüssig hielt, gab das Oberlandesgericht (OLG) Köln dem Verein Recht: Eine so knapp gehaltene Information über eine Preisanpassung sei intransparent, Verbrauchern fehle so jede Grundlage für einen Marktvergleich.

Erfolglos legte das Energieversorgungsunternehmen Revision ein: Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des OLG (VIII ZR 199/20). Das Unternehmen habe den Kunden per E-Mail Verbrauchsabrechnungen geschickt und dabei — sozusagen im Anhang — kurz eine Preiserhöhung angekündigt. Diese Information sei in der Tat unzulänglich.

Energieversorger müssten Kunden über beabsichtigte Preisänderungen umfassend unterrichten und zwar unabhängig davon, ob die Verbraucher in der Grundversorgung seien oder nicht. Energielieferanten müssten die einzelnen (nach ihren Geschäftsbedingungen im Strompreis enthaltenen) Preisbestandteile vor und nach der Anpassung aufschlüsseln und einander gegenüberstellen.

Wenn Kunden, so wie hier, nur über Umfang und Anlass der Änderung informiert würden, könnten sie nicht erkennen, auf welchen Kostenfaktoren die Preiserhöhung im Einzelnen beruhe. Unter diesen Umständen könnten die Verbraucher die Angebote verschiedener Versorger nicht richtig vergleichen und auch nicht prüfen, ob es sinnvoll sei, von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen.

Kriegsdienstverweigerer will keine verwundeten Soldaten pflegen

Mit dieser Begründung kann er den Wehrdienst, nicht aber den Zivildienst verweigern

Anerkannte Kriegsdienstverweigerer müssen keinen Zivildienst leisten, wenn ihnen ihr Gewissen auch dies verbietet und weitere Voraussetzungen vorliegen. Sie müssen dann mindestens ein Jahr länger, als der Zivildienst dauert, im Pflegebereich arbeiten.

Ein junger Mann begründete seine Totalverweigerung damit, dass er in einen Gewissenskonflikt geraten würde, wenn er als Zivildiensthelfer im Kriegsfall verwundete Soldaten versorgen müsste.

Dieses Argument ließ das Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht gelten (8 C 9/93 und 8 C 21/93). Das Gesetz schütze den Totalverweigerer nur dann, wenn sein Gewissen ihm verbiete, sowohl im Frieden als auch im Krieg Zivildienst zu leisten. Hier lehne der Betroffene aber nur die Heranziehung im Krieg ab. Die Begründung sei auch deswegen nicht als "Gewissensentscheidung" anzuerkennen, weil im Verteidigungsfall die Befreiung vom Zivildienst weitgehend aufgehoben sei. Im Krieg könnten Totalverweigerer dem Zivildienst nämlich nur entgehen, wenn sie ohnehin im Pflegebereich arbeiteten.

Gesundheitsgefahr durch Räumung?

Macht die Mieterin einen Härtefall geltend, ist ein Sachverständigengutachten einzuholen

Der langjährigen Mieterin einer Zwei-Zimmer-Wohnung wurde wegen Eigenbedarfs gekündigt. Die Frau hatte kurz vorher ihr Baby verloren und berief sich auf einen Härtefall: Sie leide unter einer Depression und einer Angststörung. Die Wohnung sei für sie der letzte Rückzugsort, im Fall eines Umzugs werde sie wohl nicht mehr eigenständig leben können.

Der Vermieter klagte auf Räumung und bekam vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck Recht: Es sah keine Gesundheitsgefahr und ignorierte den Vortrag der Mieterin. Sie ging in Berufung und legte dem Landgericht München II das Attest eines Facharztes für Psychotherapie vor, der die Diagnose einer psychischen Erkrankung bestätigte. Für den Fall einer Räumung sei eine schwerwiegende Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu befürchten, so das Fazit des Befunds.

Das Attest habe keine Aussagekraft und sei wenig schlüssig, erklärte das Landgericht München II und ließ die Mieterin abblitzen. Doch die Frau wehrte sich weiterhin und erreichte beim Bundesgerichtshof (BGH) zumindest einen vorläufigen Erfolg (VIII ZR 96/22). Der BGH rüffelte die Münchner Richter: Sie hätten die Einwände der Mieterin mit oberflächlichen Argumenten abgetan, anstatt sie gebührend zu würdigen.

Das verletze den Anspruch der Frau auf rechtliches Gehör. Wenn von ihr vorgetragen werde, dass durch einen Wohnungswechsel Gesundheitsgefahr drohe, könne es sich tatsächlich um einen Härtefall handeln. Das müsse unbedingt gründlich geprüft werden. Und wenn das Gericht das Gutachten des Facharztes für unzureichend halte, müsse es ein weiteres Sachverständigengutachten einholen.

Stattdessen habe das Landgericht das fachärztliche Attest umstandslos und ungetrübt von eigener medizinischer Sachkunde für unverständlich und widersprüchlich erklärt. Dabei seien die vom Landgericht aufgezählten Widersprüche allesamt aus dem Zusammenhang gerissen. Deshalb müsse es sich nochmals mit dem Rechtsstreit befassen, um zu klären, ob ein Härtefall vorliege oder nicht.

Betrüger am Telefon

Gibt ein Bankkunde TANs telefonisch durch, haftet er selbst für die abgebuchten Beträge

Am Telefon hatte sich vermeintlich ein Mitarbeiter der Bank gemeldet. Dem Bankkunden teilte er mit, die Bank müsse seinen TAN-Generator aktualisieren. Zu diesem Zweck sollte ihm der Kontoinhaber freundlicherweise einige TAN durchgeben. Der Bankkunde kam der Aufforderung nach … Beim Lesen der nächsten Kontoauszüge wurde dem Mann dann klar, dass er auf einen Betrüger hereingefallen war.

Die Bank ersetzte die unautorisiert abgebuchten Beträge nicht. Dazu sei sie nicht verpflichtet, erklärte die Bank, weil sich der Kunde grob fahrlässig verhalten habe. So sah es auch das Landgericht Saarbrücken: Es wies die Klage des Bankkunden auf Erstattung ab, weil er seine Sorgfaltspflichten leichtfertig und massiv verletzt habe (1 O 181/20). Daher müsse er für die illegalen Zahlungsvorgänge selbst haften.

Eine TAN am Telefon weiterzugeben, sei immer grob fahrlässig, weil dies nicht dem üblichen Übermittlungsweg der TAN entspreche. Wenn jemand in eine gut gefälschte Eingabemaske am Computer eine TAN eingebe, sei das eher zu entschuldigen. Damit sei das Verhalten des Kunden im konkreten Fall aber nicht vergleichbar.

Für sich genommen sei es zwar nicht total ungewöhnlich, wenn ein Mitarbeiter der Bank einen Kunden anrufe. Sehr ungewöhnlich sei es aber, wenn der Mitarbeiter verlange, telefonisch eine TAN durchzugeben. Wenn ein Kunde schon länger Online-Banking nutze, wisse er, dass mit TANs Zahlungsvorgänge freigegeben würden. Dem Kunden hätte also klar sein müssen, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang handelte, sondern um Betrug.

WEG-Sanierungsbeschluss muss präzise sein

Kurzartikel

Beschließt eine Eigentümergemeinschaft Sanierungsmaßnahmen, muss der Beschluss im Wesentlichen festlegen, was wie gemacht werden soll, anstatt dies nur "schlagwortartig" zu benennen. Ein Verweis auf Planungsergebnisse in der Dropbox ist zwar zulässig, als Information für die Eigentümer aber ungenügend, wenn die Dropbox-Unterlagen im Beschluss nicht eindeutig bezeichnet sind.

Gegen Ammoniak und Henna allergisch

Kundin wies die Friseurin darauf hin, die trotzdem Haarfärbemittel mit Spuren dieser Stoffe einsetzte

Die Kundin war im Friseursalon erschienen, um sich die Haare färben zu lassen. Ausdrücklich wies sie die Friseurin darauf hin, dass sie allergisch sei gegen die Stoffe Ammoniak und Henna. Das sind Substanzen, die in geringer Menge in zahlreichen Haarfärbemitteln enthalten sind. Ohne dies weiter zu kommentieren, färbte die Friseurin der Kundin die Haare mit so einem Haarfärbemittel.

Prompt erlitt die Kundin eine allergische Reaktion: Gesicht und Augen schwollen an, an der Kopfhaut entwickelten sich Ekzeme. Von der Friseurin forderte sie deshalb Schmerzensgeld. Zu Recht, wie das Amtsgericht Brandenburg entschied: Denn der Friseurin sei fahrlässige Körperverletzung vorzuwerfen (34 C 20/20).

Wenn eine Kundin vor der Haarbehandlung explizit darauf hinweise, sie sei gegen bestimmte chemische Stoffe allergisch, dürfe eine Friseurin das nicht ignorieren. Die Friseurin könne natürliche Färbemittel ohne diese Substanzen verwenden. Habe sie keine derartigen Färbemittel, müsse sie die Kundin zumindest darüber aufklären, dass beim Einsatz ihrer Haarfärbemittel das Risiko einer Allergie nicht auszuschließen sei.

Am besten hätte die Friseurin das Färben der Haare rundweg abgelehnt. Wenn sie das nicht wolle, müsse sie sich zumindest von der Kundin schriftlich bestätigen lassen, dass die Kundin damit einverstanden sei, das Risiko einzugehen.

2.000 Euro Schmerzensgeld müsse die Friseurin der Frau zahlen, so das Amtsgericht. Dieser Betrag sei angemessen, aber auch ausreichend. Denn die Kundin habe kein Haar verloren und keine Perücke tragen müssen. Auch seien keine Spätfolgen zu befürchten.

"Die Frau des Herrn Meier müsste eigentlich 'Dame Meier' heißen"

Unterschiedliche Sprachentwicklung ist nicht diskriminierend

Die Wörter "Frau" und "Mann" seien nur Geschlechtsbezeichnungen. Daher müsse die korrekte weibliche Anrede nicht "Frau", sondern "Dame" heißen. Schließlich würden männliche Zeitgenossen auch nicht mit "Mann" angeredet.

So lautete die Begründung einer Klage. Eine "Dame" forderte, die Anredeform "Frau" und die Bezeichnung des Amtes einer "Landesbeauftragten für Frauenfragen" für rechtswidrig zu erklären.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg konnte in diesem Sprachgebrauch jedoch keine Diskriminierung erblicken (2 L 706/91). Sprachgeschichtlich habe sich nun einmal dieses Wort für die persönliche Anrede herausgebildet, während die allgemeine Form der Anrede "Sehr geehrte Damen und Herren" laute. Deshalb könne man diese Entwicklung auch nicht als unlogisch bezeichnen. Eine tatsächliche Benachteiligung durch die übliche und allgemein als korrekt empfundene Anrede "Frau" könne ohnehin nicht festgestellt werden.

Lockdown auf Gran Canaria

Pauschalurlauber können wegen Corona-Einschränkungen den Reisepreis mindern

Ein verbraucherfreundliches Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Thema Corona und Reisemangel: Für März 2020 hatten Eheleute eine zweiwöchige Pauschalreise auf die Kanarischen Inseln gebucht. Zwei Tage nach ihrer Ankunft ordneten die spanischen Behörden wegen der Corona-Pandemie eine Ausgangssperre an. Strände, Pools und andere Angebote der Ferienanlagen auf Gran Canaria wurden gesperrt.

Die Urlauber mussten einige Tage auf ihren Zimmern bleiben, wurden anschließend nach Deutschland zurückgeflogen. Vom Reiseunternehmen verlangten sie eine Minderung des Reisepreises um 70 Prozent. Der Reiseveranstalter wies die Forderung zurück: Der Urlaub sei an staatlichen Corona-Auflagen gescheitert, für so ein "allgemeines Lebensrisiko" müsse er nicht einstehen.

Das Landgericht München I reichte den Rechtsstreit an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter: Er sollte die EU-Pauschalreiserichtlinie auslegen und entscheiden, ob pandemiebedingte Schließungen einen Reisemangel darstellen. Wenn eine Pauschalreise durch staatliche Corona-Maßnahmen beeinträchtigt werde, könnten die Reisenden den Reisepreis mindern, erklärte der EuGH (C-396/21).

Das gelte, obwohl Reiseveranstalter für eine derartige "Störung" nicht verantwortlich seien. Reiseveranstalter müssten nämlich unabhängig von eigenem Verschulden für vertragswidrige, mangelhafte Reiseleistungen haften. Von der Haftung seien Reiseunternehmen nur befreit, wenn ein Reisemangel den Urlaubern selbst zuzurechnen sei.

Dass wegen der Pandemie auch am Wohnort der Urlauber und in vielen anderen Ländern Ausgangssperren und weitere Einschränkungen angeordnet wurden, spiele bei der Haftung keine Rolle. Eine Pandemie stelle trotzdem kein allgemeines Lebensrisiko dar, sondern einen außergewöhnlichen Umstand wie z.B. eine Naturkatastrophe oder unerwartete Kriegshandlungen am Urlaubsort.

Das Landgericht München I muss nun das "Leistungsspektrum" der Gran-Canaria-Reise prüfen und danach entscheiden, welche Preisminderung den beeinträchtigten bzw. ausgefallenen Reiseleistungen entspricht.

"Privatgrundstück": Für Unbefugte verboten!

Eine Gemeinde kann von Grundstückseigentümern nicht verlangen, Hindernisse auf einem Privatweg zu entfernen

Eigentümer eines Grundstücks am Waldrand hatten einen unbefestigten Wirtschaftsweg, der durch das Grundstück und an einem benachbarten Jagdhaus vorbeiführte, mit Baumstämmen und Ketten versperrt. Um Fremde abzuschrecken, stellten sie zusätzlich Schilder auf: "PRIVATGRUNDSTÜCK — Unbefugten ist das Betreten und Befahren verboten" und "BAUMFELLARBEITEN — Durchgang verboten. Lebensgefahr!"

Die Gemeinde, auf deren Gebiet das Grundstück liegt, forderte die beiden Eigentümer auf, die Hindernisse zu beseitigen: Sie dürften den Wirtschaftsweg nicht sperren, der seit jeher von Forstfahrzeugen und von Wanderern genutzt worden sei und im Fall des Falles der Feuerwehr als Rettungsweg diene. Auch Hegemaßnahmen der Jäger seien laut Jagdgesetz auf dem Grundstück zu dulden. Außerdem verstoße die Sperre gegen das Naturschutzgesetz. Letztlich wollten die Eigentümer nur wegen Konflikten mit dem Jagdpächter Unfrieden stiften und ihm die Zufahrt verstellen.

Die Grundstückseigentümer klagten gegen die Anordnung der Gemeinde. Sie sei rechtswidrig. Erstens, weil die Gemeinde sachfremde Interessen verfolge, nämlich die des Jagdpächters, der den Weg als Zufahrt zum Jagdhaus nutze. Zweitens, weil es sich um einen Privatweg handle und nicht um eine öffentliche Straße, die für Rettungsfahrzeuge zur Verfügung stehen müsste. So sah es auch das Verwaltungsgericht Trier: Für die Anordnung gebe es keine Rechtsgrundlage (9 K 2995/22).

Bei Verstößen gegen den Naturschutz müsse die Kreisverwaltung — die für Naturschutz zuständige Behörde — einschreiten. Das Naturschutzrecht ermächtige dazu nicht die Gemeinden. Die Kreisverwaltung wäre auch für Hindernisse im Straßenverkehr zuständig. Von Hindernissen für den Verkehr könne hier aber keine Rede sein. Denn Wirtschaftswege, die nur der Bewirtschaftung land- oder forstwirtschaftlicher Flächen dienten, seien keine öffentlichen Straßen.

Öffentliches Recht verpflichte Grundstückseigentümer nicht dazu, für die Erschließung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke Dritter zu sorgen, d.h. Wege dafür freizuhalten. Aus dem Landesjagdgesetz sei auch keine Pflicht abzuleiten, die Hindernisse zu entfernen: Wer sein Jagdrecht verpachte, müsse zwar auf den verpachteten Flächen Hegemaßnahmen der zur Jagd berechtigten Personen dulden. Die Gemeinde sei aber selbst nicht jagdberechtigt und könne nicht die Rechte Dritter geltend machen.

Vom Hund ins Ohr gebissen

"Streicheln" begründet kein Mitverschulden am Hundebiss, wenn die Verletzte mit dem Tier vertraut war

Eine junge Frau besuchte ihre Freundin, man plauderte in der Küche. Ein Rottweiler-Rüde saß dabei, der dem Bruder der Freundin gehörte. Die Besucherin war mit dem Hund sehr vertraut, hatte schon oft mit ihm gespielt und gekuschelt. Doch als sie sich diesmal zu ihm hinunterbeugte und ihn am Kopf streichelte, schnappte der Rottweiler nach ihr und biss sie ins linke Ohr.

Die Wunde musste mit vielen Stichen genäht werden. Die Frau war über eine Woche arbeitsunfähig und klagt über anhaltende Schmerzen. Vom Tierhalter verlangte sie Entschädigung, doch der schob die Schuld auf die Verletzte: Sie habe den Hundebiss provoziert, weil sie den Hund beim Fressen gestört habe.

Das Landgericht Frankenthal konnte dagegen kein Verschulden der Frau erkennen und sprach ihr 4.000 Euro Schmerzensgeld zu (9 O 42/21). Grundsätzlich hafteten Tierhalter unabhängig von eigenem Verschulden für die Folgen, wenn ihr Haustier jemanden verletze (es sei denn, das Haustier werde beruflich eingesetzt, was hier nicht zutreffe).

Eigenes Fehlverhalten müsste sich die Verletzte zwar als Mitverschulden anspruchsmindernd anrechnen lassen. Es stelle aber kein falsches Verhalten oder gar eine Provokation des Hundes vor, wenn man ihn streichle oder umarme. Das gelte zumindest dann, wenn eine Bekannte - wie hier - das Tier lange und gut kenne und wenn der Hund ihr gegenüber noch nie aggressives Verhalten an den Tag legte.