Schadenersatz, Schmerzensgeld

Hinterbliebenengeld für Angehörige

Angehörige von Unfallopfern können bei "besonderem Näheverhältnis" Entschädigung erhalten

2018 war ein 81-Jähriger bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlte seiner Tochter vorgerichtlich 3.000 Euro Hinterbliebenengeld.

Hintergrund: Wird der Tod einer Person schuldhaft verursacht (z.B. durch einen Verkehrsunfall oder einen Arztfehler), können Angehörige Anspruch auf Hinterbliebenengeld vom Schuldigen haben — vorausgesetzt, sie standen der getöteten Person besonders nahe (§ 844 Bürgerliches Gesetzbuch).

Im konkreten Fall war das Vater-Tochter-Verhältnis sehr eng. Er hatte der Tochter alle Vollmachten erteilt, sie kümmerte sich intensiv um alle Belange des Vaters. Nach dem Unfall litt die Tochter sehr unter dem Verlust und hatte lange mit Schlafstörungen zu kämpfen. Vom Kfz-Versicherer verlangte sie mehr Hinterbliebenengeld. Das Landgericht Flensburg sprach ihr weitere 3.500 Euro zu, das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig sogar 7.000 Euro.

Die Versicherung legte gegen das Urteil Revision ein und bekam vom Bundesgerichtshof im Prinzip Recht (VI ZR 73/21). Das OLG müsse sich mit dem Fall noch einmal befassen und die Höhe der Entschädigung überprüfen, so die Bundesrichter. Der in einem früheren Gesetzentwurf zum Hinterbliebenengeld genannte Betrag von 10.000 Euro sei nur eine Orientierungshilfe. Im Einzelfall hänge die Höhe des Betrags ab von Intensität und Dauer des seelischen Leids eines Angehörigen und vom Grad des Verschuldens auf der Seite des Schädigers.

Das Hinterbliebenengeld sei jedenfalls niedriger anzusetzen als Schmerzensgeld. Wenn ein Angehöriger den Tod einer nahestehenden Person direkt an der Unfallstelle miterlebe und durch den Schock selbst erkranke, spreche man von einem "Schockschaden". Dafür könnten Angehörige Schmerzensgeld beanspruchen.

Und das müsse in der Regel höher sein als Hinterbliebenengeld, denn das Schmerzensgeld gleiche einen eigenen Gesundheitsschaden des Hinterbliebenen aus. Das Hinterbliebenengeld solle die betroffenen Angehörigen für das Leid entschädigen, das mit dem Verlust einer geliebten Person verbunden sei. Der seelische Schmerz falle aber nicht so schwer ins Gewicht wie ein eigener Gesundheitsschaden.

"Berührungsloser" Unfall

Radfahrerin steigt wegen eines überholenden Rettungswagens ab und stürzt

Mit eingeschaltetem Martinshorn fuhr ein Rettungswagen durch eine schmale Straße und setzte an, mehrere Radfahrer zu überholen. Eine 72-jährige Radfahrerin befürchtete, das Fahrzeug könnte ihr zu nahe kommen. Deshalb versuchte sie etwas hektisch, vom Rad zu steigen und stürzte dabei, obwohl es gar nicht zu einer Kollision kam. Die Frau brach sich einen Fußknöchel, musste wochenlang einen Gipsverband tragen.

Vom Rettungsdienst forderte sie Entschädigung. Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Oldenburg zu (2 U 20/22). Hier handle es sich um einen so genannten "berührungslosen" Unfall. Auch wenn der überholende Rettungswagen die Radfahrerin nicht gestreift habe, habe er dennoch zu dem Unfall beigetragen.

Seinetwegen habe die Frau ein Ausweichmanöver eingeleitet und sei vom Rad gestiegen. Sehr gut nachvollziehbar und objektiv berechtigt habe die Radfahrerin in der engen Straße die Verkehrslage, d.h. das Überholen des Rettungswagens, als gefährlich empfunden.

Die Bedingung für eine Haftung des Kfz-Halters sei daher gegeben: Der Schaden — die Behandlungskosten — sei "beim Betrieb" des Fahrzeugs entstanden, da sich die vom Rettungswagen ausgehende Gefahr zumindest indirekt ausgewirkt habe. Der Rettungsdienst müsse für 20 Prozent des Schadens aufkommen und der Verletzten 2.400 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Kunden stornierten USA-Flugbuchung

Wird der Flug später von der Fluggesellschaft annulliert, besteht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung

Ein Paar hatte seine Hochzeit in den USA geplant und schon im Frühjahr 2020 Flüge für den Herbst gebucht: den Hinflug von Frankfurt über New York nach Miami für den 10.10.2020 und den Rückflug für den 23.10.2020. Mitte August teilte die Fluggesellschaft den Kunden mit, den Hinflug könne sie coronabedingt nicht sicher bestätigen. Am 11.10. werde aber sicher ein USA-Flug stattfinden.

Auf den Ersatzflug ließen sich die Kunden nicht ein, weil sie in Amerika feste Termine einhalten mussten. Ende August kündigten sie den Beförderungsvertrag mit der Airline schriftlich und stornierten ihre Buchung. Das Flugunternehmen annullierte den Flug einige Wochen später.

Das Paar erhielt den Ticketpreis zurück, forderte aber zusätzlich eine Ausgleichszahlung gemäß EU-Fluggastrechteverordnung: Die stehe Fluggästen zu, wenn ein Flug annulliert werde, fanden die frisch Vermählten. Das Landgericht Frankfurt wies ihre Zahlungsklage ab (2-24 S 3/22).

Als die Fluggesellschaft den fraglichen Flug annulliert habe, bestand keine bestätigte Flugbuchung mehr. Wochen vorher hätten die Kunden die Buchung bereits storniert und damit zum Ausdruck gebracht, auf die geschuldete Beförderung zu verzichten. Unter diesen Umständen könnten sie aus der Fluggastrechteverordnung keine Ansprüche mehr ableiten, wenn der Flug zu einem späteren Zeitpunkt von der Fluggesellschaft annulliert werde.

Verkehrt herum durch die Einbahnstraße

Kann sich die Autofahrerin trotzdem auf den Grundsatz "rechts-vor-links" berufen?

Autofahrerin A bog langsam nach links in eine Einbahnstraße ein. Da kam ihr der Wagen von Autofahrerin B entgegen, der die Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr. Die beiden Autos stießen zusammen. Autobesitzer A verlangte von Autofahrerin B, d.h. von deren Kfz-Haftpflichtversicherung, Schadenersatz für die Reparatur seines beschädigten Autos.

Die Gegenpartei müsse nur die Hälfte der Kosten ersetzen, entschied das Landgericht Wuppertal. Mehr stehe Autobesitzer A nicht zu, denn seine Ehefrau habe zu dem Unfall in gleichem Maß beigetragen wie Frau B (9 S 48/22). Frau A habe nämlich gegen das Gebot "rechts-vor-links" verstoßen. Laut Unfallgutachten hätte sie den Zusammenstoß vermeiden können, wenn sie vor dem Abbiegen nach rechts geschaut hätte.

Das Vorfahrtsrecht der von rechts kommenden Verkehrsteilnehmerin werde nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass sie eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahre. Das gelte schon deshalb, weil Fahrradfahrer diese Einbahnstraße in beiden Richtungen nutzen dürften. Ein Radfahrer, der die Einbahnstraße zulässigerweise in der Gegenrichtung befahre, habe also ebenfalls Vorfahrt.

Wer nach links in die Einbahnstraße einbiege, müsse daher mit von rechts kommenden, vorfahrtsberechtigten Radfahrern rechnen und dürfe nicht darauf vertrauen, dass aus der verbotenen Richtung überhaupt kein Fahrzeug komme. So eine Annahme sei allenfalls bei völlig abgesperrten oder unbefahrbaren Straßen gerechtfertigt.

Hund verstand keinen Spaß!

Wer einen Hund mit "übergriffigem Verhalten" provoziert, wird für eine Bissverletzung nicht entschädigt

Die Stammkundin einer Bäckerei kam meistens mit ihrem Hund, dessen Leine sie vor dem Laden befestigte. Gelegentlich machte sich eine Mitarbeiterin der Bäckerei einen Spaß daraus, dem draußen vor der Tür sitzenden Hund ein Geschirrtuch auf den Kopf zu legen. Weil das Tier damit so lustig ausgesehen habe, erklärte eine Kollegin, wie "ein altes Mütterchen". Eines Tages biss der Hund die Angestellte in die Hand, als sie das Tuch wieder entfernen wollte.

Von der Tierhalterin verlangte die Frau Schadenersatz. Ihre Klage scheiterte allerdings beim Oberlandesgericht Zweibrücken: Die Verletzte habe sich so unvorsichtig verhalten, dass die Tierhalterin für den vom Hund angerichteten Schaden nicht einstehen müsse (2 U 32/21). Tierhalterhaftung sei hier ausgeschlossen. Die Ansicht der Verletzten, ihr harmloses Spiel habe das Tier nicht provoziert, entbehre jeder Grundlage.

Sie habe mit ihren "Späßchen" die Gefahrenlage geschaffen, die den Hundebiss auslöste. Offenkundig sei es ein übergriffiges Verhalten, einem Hund ein Tuch auf den Kopf zu legen. Das müsste eigentlich auch Personen klar sein, die sich mit Hunden nicht gut auskennen. Dass einem Hund das Tuch auf dem Kopf missfalle, könne er naturgemäß nicht formulieren, sondern nur mit einer aggressiven Reaktion zeigen.

Dass die Bäckereiangestellte den Hund schon längere Zeit kenne und ihm schon öfter ein Geschirrtuch auf den Kopf gelegt habe, ändere nichts am Vorwurf großen Leichtsinns. Bei ihren "Späßen" habe sie die allgemein bekannte Tiergefahr ignoriert und das Risiko einer entsprechenden Reaktion des Tieres massiv erhöht. Schließlich habe Frau sogar selbst eingeräumt, dass der Hund ihre Hand schon vor dem Biss öfter "im Maul gehabt" habe.

Unfall vor der Reitstunde

Auch erfahrene Reiter sollten nicht ohne Hilfe auf ein widerspenstiges Pferd aufsteigen

Frau X hielt auf ihrem Reiterhof mehrere Pferde und gab Reitstunden. Reiterin Y war regelmäßig auf dem Hof und hatte die meisten Pferde schon geritten. An einem Nachmittag erschien sie zu einer Reitstunde. Die Hofinhaberin war zu diesem Zeitpunkt noch abwesend, wenn auch unterwegs zum Reitplatz. Frau Y stieg mit dem linken Fuß in den Steigbügel von Reitpferd A. Doch bevor sie das rechte Bein hinüberschwingen konnte, rannte das Pferd los und buckelte.

Die Reiterin stürzte zu Boden und brach sich den linken Unterarm und das Handgelenk. Mehrere Operationen folgten, die Verletzte war einige Wochen lang arbeitsunfähig. Von Tierhalterin X forderte sie Schadenersatz und Schmerzensgeld. Zu Recht, entschied das Landgericht Bielefeld, es kürzte allerdings die Ansprüche der Verletzten wegen Mitverschuldens um die Hälfte.

Reitlehrerin X legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein, scheiterte damit aber beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm (7 U 55/21). Da der Unfall durch ein Tier verursacht wurde, das der Erwerbstätigkeit der Tierhalterin diene, hafte Frau X für die Folgen nicht verschuldensunabhängig, so das OLG: Sie müsse dafür nur einstehen, wenn ihr ein Verstoß gegen die "verkehrsübliche Sorgfalt" gegenüber einer Reitschülerin vorzuwerfen sei. Das treffe hier jedoch zu.

Korrekt wäre es gewesen, Frau Y beim Aufsteigen Hilfestellung zu geben oder die Schülerin vor der Reitstunde anzuweisen, sie solle nicht ohne Hilfe aufsteigen. Zwar sei Frau Y eine erfahrene Reiterin. Doch A sei zum Unfallzeitpunkt noch kein zuverlässiges Reitpferd gewesen. Erst einige Wochen vorher habe für A die Anreitphase begonnen und zwei Tage vor dem Unfall habe das Tier bereits gebuckelt. Da wäre also Vorsicht geboten gewesen.

Beim Aufsteigen sei die Reitlehrerin nicht dabei gewesen. Sie habe Frau Y auch nicht ermahnt, auf Hilfestellung zu warten. Dass eine geübte Reiterin schon mal alleine aufsitze, wenn die Reitlehrerin noch anderweitig beschäftigt sei, sei nicht sonderlich überraschend. Frau Y hätte dies zwar unterlassen und vorsichtiger sein sollen — zumal sie das Pferd A kannte. Ihr ein Mitverschulden von 50 Prozent anzurechnen, sei daher angemessen. Mehr aber auch nicht: Mit so einem Ausraster des Pferdes habe sie nicht unbedingt rechnen müssen.

Sanierung führt zu Wasserschaden beim Nachbarn

Kurzartikel

Wird bei Sanierungsarbeiten an einem Haus Wasser aus dem Keller gepumpt, das aber nicht auf dem Grundstück versickert, sondern in den Keller des Nachbarn eindringt, müssen die Hauseigentümer den Schaden beheben. Sie hätten das Wasser in die Kanalisation ableiten müssen, so das Oberlandesgericht: Bei solchen Arbeiten müsse man auch das Nachbargrundstück im Blick haben.

Familie verpasst Überseeflug

Das jüngste Kind durfte nicht durch die automatisierte Grenzkontrolle EasyPASS

Eine Familie mit drei Kindern hatte einen Überseeflug gebucht, der um 12.15 Uhr starten sollte. Die Reisenden gaben ihr Gepäck um 10.07 Uhr am Check-in-Schalter auf. Nach einem Einkaufsbummel stellten sie sich um 11.10 Uhr vor der Sicherheitskontrolle an, die sie um 11.35 Uhr passierten. Anschließend ging die Familie zur elektronischen Passkontrolle EasyPASS, die automatisch die Echtheit und Gültigkeit elektronischer Reisedokumente überprüft.

Da Kinder unter zwölf Jahren — wie die jüngste Tochter des Ehepaares — EasyPASS nicht nutzen dürfen, wurde die Familie an die Passkontrolle durch Personal verwiesen. Dort führte ein Problem mit einem anderen Fluggast zu einer längeren Verzögerung. Der Familienvater wies zwar eine Mitarbeiterin darauf hin, dass die Zeit knapp werde und sie ihren Flug versäumen könnten. Doch in der Warteschlange ließ man die Familie nicht vor.

Prompt kamen die Reisenden am Gate zu spät und verpassten den Flug. Der Familienvater verklagte den Flughafenbetreiber auf Schadenersatz für Ersatztickets sowie zusätzliche Hotel- und Fahrtkosten (rund 2.980 Euro): Er habe sich auf die Internet-Informationen des Flughafenbetreibers zum EasyPASS-System verlassen, dort werde aber das Mindestalter für dessen Nutzung nicht erwähnt.

Die Klage des Mannes scheiterte in allen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof (III ZR 204/21). Für die Passkontrollen sei allein die Bundespolizei zuständig, so die Bundesrichter: Der Flughafenbetreiber könne hier keinen Einfluss nehmen. Insbesondere dürften seine Mitarbeiter nicht einzelne, verspätete Passagiere bei der Passkontrolle "vorziehen". Außerdem sei die Passkontrolle durch das Personal sowieso zügig durchgeführt worden.

Der Vorwurf unvollständiger Information durch den Flughafenbetreiber gehe fehl. Dessen Hinweise zum EasyPASS-System seien offenkundig nicht vollständig oder abschließend. Die Reisenden hätten sich über die Nutzungsbedingungen auf der Webseite der Bundespolizei genauer informieren müssen. Im Übrigen sollten sich Fluggäste - auch diejenigen, die über EasyPASS Bescheid wüssten - nicht auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten Grenzkontrolle verlassen.

Das Ehepaar habe sich die prekäre Situation selbst zuzuschreiben, denn es habe keinen ausreichenden Zeitpuffer eingeplant. Auch am Flughafen hätten sich die Reisenden noch nach den Modalitäten von EasyPASS erkundigen können. Zwischen der Aufgabe des Gepäcks und der Sicherheitskontrolle wäre dafür Zeit genug gewesen. Stattdessen habe die Familie eine Stunde leichtsinnig verbummelt und sich in Geschäften umgeschaut.

Krebsverdacht: Falsche Diagnosemethode angewandt?

Patient bestreitet die Notwendigkeit der Gewebeentnahme und behauptet Aufklärungsdefizit

Ein Patient verlangte von seinem Urologen Schmerzensgeld, weil er ihn falsch behandelt und nicht richtig aufgeklärt habe. Nach ersten Anzeichen für einen Prostatakrebs hatte der Arzt eine Biopsie durchgeführt (d.h. er hatte Gewebe entnommen, dessen Untersuchung zeigt, ob ein Tumor vorliegt). Die Untersuchung bestätigte den Verdacht auf Krebs.

Der Eingriff löste beim Patienten Fieber und Schüttelfrost aus, der Urologe wies ihn für eine Woche in eine Klinik ein. Anschließend durchlief der Mann eine Strahlentherapie in Kombination mit einer Hormontherapie, die er auch nicht gut vertrug.

Dem Mediziner warf er vor, die Biopsie sei nicht angezeigt gewesen. Den Tumor hätte man vielmehr durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) bestätigen müssen. Über die Risiken der Biopsie und die Alternativen dazu sei er vor dem Eingriff nicht aufgeklärt worden.

Das Oberlandesgericht Dresden wies die Klage des Patienten ab (4 U 657/21). Schon das sachverständig beratene Landgericht habe geklärt, dass die Prostata-Biopsie eindeutig notwendig gewesen und gemäß dem Facharztstandard vorbereitet und durchgeführt worden sei. Nur mit einer Gewebeprobe könne man herausfinden, um welchen Typ Tumor es sich handle - nicht aber mit einer MRT-Untersuchung.

Aufklärungsdefizite seien dem Urologen ebenfalls nicht vorzuwerfen. Er habe mit dem Patienten über die MRT-Untersuchung gesprochen, sie jedoch zu Recht nicht als echte, also gleichwertige Alternative zur Biopsie dargestellt. Der Mediziner habe ausgesagt, dass er die Risiken, die er ausdrücklich anspreche, handschriftlich im Aufklärungsbogen eintrage. Das sei auch im konkreten Fall geschehen.

Der Aufklärungsbogen selbst enthalte ausreichende Erläuterungen zum Risiko bei einer Gewebeentnahme. Darüber hinaus hätten Mitarbeiter bestätigt, dass der Urologe bei jedem Aufklärungsgespräch die Gefahr von Nachblutungen und Infektionen erwähne. Wegen dieses Risikos werde grundsätzlich vor der Biopsie ein Antibiotikum verabreicht. Dieses Vorgehen sei nicht fehlerhaft, sondern entspreche dem medizinischen Standard.

20 Stunden Flugverspätung

Eine Fluggesellschaft muss alles Zumutbare tun, um für Ersatzbeförderung zu sorgen

Kuba-Urlauber - ein Ehepaar mit zwei Kindern - hatten einen Rückflug von Santa Clara nach München gebucht. Da ein Unwetter den Flughafen von Santa Clara zerstörte, wurde die Familie auf einen Ersatzflug umgebucht, der in Varadero startete. Diesen Flug verzögerte jedoch ein medizinischer Notfall: Die Ersatzmaschine musste wegen eines anderen Passagiers außerplanmäßig in Florida zwischenlanden.

Dort wurde das Flugzeug überprüft, anschließend musste die Crew eine vorgeschriebene Ruhepause einhalten. Schließlich landete die Familie mit über 20 Stunden Verspätung in München. Der Familienvater forderte von der Fluggesellschaft 2.400 Euro Ausgleichszahlung.

Das Landgericht Landshut wies seine Klage ab: Wenn ein Fluggast lebensbedrohlich erkranke, müsse die Maschine (not-)landen. Das sei — ebenso wie das Unwetter auf Cuba — ein außergewöhnlicher Umstand, der laut EU-Fluggastrechte-Verordnung die Fluggesellschaft von der Pflicht befreie, die Passagiere für eine erhebliche Verspätung zu entschädigen. Sie habe die Verzögerung nicht verhindern können. In so einem Fall könne man von der Airline auch nicht verlangen, allen Fluggästen umgehend eine Ersatzbeförderung anzubieten.

Ob ein Ersatzflug möglich gewesen wäre, sei unklar, betonte dagegen der Bundesgerichtshof: Denn dazu habe das Flugunternehmen nichts vorgetragen - das sei aber keineswegs entbehrlich (X ZR 97/21). Zweifellos sei die Airline nicht für Unwetter oder den Notfall verantwortlich. Die Ausgleichszahlung bleibe ihr trotzdem nur erspart, wenn eine Ersatzbeförderung unmöglich gewesen sei. Denn Fluggesellschaften müssten im Interesse der Passagiere alles Zumutbare versuchen, um eine Flugannullierung oder eine erhebliche Verspätung zu vermeiden.

Welche Maßnahmen zumutbar seien, hänge von den Umständen im Einzelfall ab. Wenn es einen früheren Flug nach München gab — durchgeführt von der betroffenen Fluggesellschaft selbst oder von einem anderen Unternehmen —, hätte die Airline den Fluggästen diesen Flug anbieten müssen. Es sei denn, so ein Angebot hätte für sie angesichts ihrer Kapazitäten an diesem Tag und an diesem Ort ein untragbares Opfer dargestellt. Das Landgericht müsse sich nochmals mit dem Rechtsstreit befassen und aufklären, ob das der Fall gewesen sei.

Rottweiler attackierte anderen Hund

Für die Behandlungskosten des verletzten Weimaraners haftet die Tierhalterin in voller Höhe

Eine verhängnisvolle Begegnung zweier Hundehalter beim abendlichen Spaziergang. Der Tierhalter des Weimaraner Rüden schilderte sie so: Der Rottweiler habe sich ohne ersichtlichen Anlass von der Leine seiner Halterin losgerissen, habe ihn selbst umgeworfen und seinen Hund in den Hals gebissen. Mehrere Wochen lang sei der Weimaraner vom Tierarzt behandelt worden. Das habe 3.000 Euro gekostet und viel Betreuungsaufwand.

Dagegen behauptete die Rottweiler-Halterin, die beiden angeleinten Hunde hätten nur kurz "Schnauze an Schnauze" gestanden. Weiter sei nichts passiert. Doch damit kam die Frau bei der Justiz nicht durch: Die Aussagen des Tierarztes und ein Sachverständigengutachten sprachen eindeutig für die Version des Weimaraner-Halters.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sprach ihm 3.000 Euro Schadenersatz zu (11 U 34/21). Dass der Rottweiler angegriffen und zugebissen habe, stehe fest, so das OLG. Der verletzte Weimaraner habe nichts gemacht, was eine Attacke hätte provozieren können. Er habe nicht gebellt oder sich in anderer Weise aggressiv verhalten. Daher müsse sich der Weimaraner-Halter die Tiergefahr (d.h. die prinzipielle Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens) seines eigenen Hundes nicht anspruchsmindernd anrechnen lassen.

Rottweiler gehörten laut hessischer Hundeverordnung zu den gefährlichen Hunden, gefährlich für Menschen und für andere Tiere. Dass die Tierhalterin ihren eigenen Rottweiler als "gutmütig und lieb" beschreibe, sei eine Beschönigung, die durch den Angriff auf den Weimaraner zur Genüge widerlegt sei.

Wer so einen gefährlichen Hund halte, müsse auch dafür sorgen, dass er nicht auf Menschen und andere Tiere zulaufen könne. Diese Pflicht habe die Tierhalterin verletzt und bei der unglücklichen Hunde-Begegnung ganz und gar die Kontrolle über den Rottweiler verloren.

Weisheitszähne unnötig entfernt?

Unzureichende Risikoaufklärung bleibt folgenlos, wenn die Patientin dem Eingriff auf jeden Fall zugestimmt hätte

Eine Lehrerin hatte Probleme mit den linken Weisheitszähnen. Ihre Zahnärztin empfahl, die Weisheitszähne auf beiden Seiten operativ entfernen zu lassen und überwies die Patientin an eine Kieferchirurgin. Auf der linken Seite verlief der Eingriff komplikationslos. Doch beim Entfernen der rechten Weisheitszähne wurde ein Nerv beschädigt.

Daraufhin forderte die Lehrerin von der Chirurgin Schmerzensgeld: Seit der zweiten Operation, die gar nicht notwendig gewesen wäre, sei ihre Zunge taub. Über das Risiko sei sie nicht aufgeklärt worden.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg wies die Klage der Patientin ab (12 U 8/22). Eingriff und Nachsorge seien nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen gemäß medizinischem Standard ausgeführt worden. Dass dabei ein nahe an den Zähnen liegender Nerv verletzt werde, gehöre zu den Risiken so einer Operation. Und die — vielleicht nicht optimale — Risikoaufklärung der Medizinerin habe sich im konkreten Fall nicht ausgewirkt.

Grundsätzlich gelte: Patienten willigten in eine Operation nur dann wirksam ein, wenn sie jedenfalls in Grundzügen wüssten, was auf sie zukomme. Die Lehrerin sei im Aufklärungsbogen über vorübergehende Taubheit und Gefühlsstörungen als mögliche Folgen informiert worden, was das Risiko etwas beschönige: Schließlich könnten solche Folgen in seltenen Fällen auch dauerhaft auftreten und eine Sprechstörung sei gerade für eine Lehrerin sehr belastend.

Zu Recht habe jedoch die Chirurgin eingewandt, dass die Patientin der Entfernung der rechten Weisheitszähne auch zugestimmt hätte, wenn sie über das Risiko noch genauer informiert worden wäre. Die Patientin habe zwar auf der rechten Seite keine Schmerzen gehabt, so das OLG. Doch bereits die Hauszahnärztin habe ihr erläutert, dass das nur eine Frage der Zeit sei. Die Operation auf beiden Seiten durchzuführen, sei unbedingt ratsam, da sich muskuläres Ungleichgewicht einstelle, wenn man nur die linken Weisheitszähne entferne.

Wenn man mit dem zweiten Eingriff zu lange warte, erhöhten sich außerdem das Operationsrisiko und die Gefahr für benachbarte Zähne. Das habe die Patientin alles gewusst. Darüber hinaus werde im Aufklärungsbogen der Chirurgin sogar auf das Risiko eines Durchbruchs zur Nasenhöhle hingewiesen. Diese erhebliche Gefahr habe die Patientin nicht abgeschreckt.

Deshalb sei nicht anzunehmen, dass ein deutlicherer Hinweis auf das geringe Risiko einer dauerhaften Nervenschädigung die Patientin von der Zustimmung zur Operation abgehalten oder sie zumindest in einen Entscheidungskonflikt gestürzt hätte. Damit fehle ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Nervenschädigung und den Schwächen des Aufklärungsbogens.

Kundin stürzt im Möbelhaus

Das Unternehmen muss beweisen, dass der Fußboden regelmäßig gereinigt wird

Die Kundin hatte ein Kieler Möbelhaus aufgesucht und war im Erdgeschoss vor dem Pflanzenbereich gestürzt. Nach dem Unfall musste der älteren Dame eine künstliche Hüfte eingesetzt werden. Dem Inhaber des Einrichtungshauses warf sie vor, er habe den Boden im Verkaufsraum nicht ausreichend reinigen lassen. Andernfalls wäre sie nicht auf einer Weintraube ausgerutscht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig wies die Schadenersatzklage der Verletzten ab: Kunden könnten beim Essen immer etwas fallen lassen. Für Trauben oder andere glitschige Essensreste auf dem Boden hafte der Unternehmer nicht, wenn er im Prinzip seine Reinigungs- und Kontrollpflicht erfüllt habe. Versäumnisse in dieser Hinsicht habe die Kundin nicht beweisen können.

Mit dieser Argumentation war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden: Er hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit ans OLG zurück (VI ZR 1283/20). Händler müssten dafür sorgen, dass Besucher ihrer Verkaufsräume nicht durch einen rutschigen Fußboden bzw. Dinge auf dem Boden zu Schaden kämen. Die vom Inhaber des Möbelhauses behaupteten Reinigungsmaßnahmen im Pflanzenbereich seien grundsätzlich ausreichend.

Er lasse von einem externen Dienstleister stündlich eine — von eigenen Mitarbeitern kontrollierte — Sichtreinigung durchführen und setze zusätzlich, wenn nötig auf "Zuruf", eine extra dafür abgestellte Reinigungskraft ein. Ob diese vorbeugenden Maßnahmen gegen Verunreinigungen des Fußbodens tatsächlich konsequent durchgeführt wurden, sei aber offengeblieben.

Fehlerhaft sei die Ansicht des OLGs, dass die Kundin Versäumnisse des Händlers beweisen müsse, um ihren Anspruch auf Schadenersatz zu begründen. Die Beweislast liege hier vielmehr beim Unternehmer: Um sich zu entlasten, müsse er belegen, dass erstens alle erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zur Kontrolle getroffen wurden und zweitens die Mitarbeiter die ihnen übertragenen Pflichten auch tatsächlich sorgfältig erfüllt hätten. Wenn in diesem Punkt Zweifel blieben, gingen diese zu Lasten des Unternehmers.

Reitpferd stößt Radfahrerin vom Rad

Die Tierhalterin muss der Verletzten Schmerzensgeld zahlen und die Behandlungskosten ersetzen

Mit ihrem Mann unternahm Frau T im Mai 2021 eine Radtour in der Osteifel. Als sie an zwei entgegenkommenden Reiterinnen vorbeifuhr, drehte sich eines der Pferde. Mit dem Hinterteil erwischte das Tier die Radlerin und schubste sie vom Fahrrad. Beim Sturz zog sich Frau T Prellungen und einen Trümmerbruch der rechten Schulter zu. Die Fraktur musste operiert werden, zehn Tage verbrachte die Verletzte im Krankenhaus.

Von der Reiterin forderte Frau T Schadenersatz für die Behandlungskosten und obendrein Schmerzensgeld: Tierhalter müssten für Schäden einstehen, die ihre Tiere anrichteten. Doch die Reiterin hielt dagegen: Ihr Pferd habe die Radfahrerin nicht gestoßen, nicht einmal berührt. Frau T sei vielmehr vom Rad gefallen, weil sie vor Schreck abrupt und unachtsam gebremst habe.

Nachdem es die Radfahrerin, ihren Ehemann und die beiden Reiterinnen vernommen hatte, erklärte das Landgericht Koblenz: Letztlich komme es hier gar nicht darauf an, ob das Pferd die Radfahrerin tatsächlich berührt habe (9 O 140/21). Auch wenn die Radfahrerin gebremst habe, weil ihr das Pferd durch eine plötzliche Drehung den Weg versperrte, hätte das Tier das Bremsmanöver und damit den Sturz ausgelöst.

Auch dann hätte sich die typische Tiergefahr, d.h. die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens realisiert, für deren Folgen die Tierhalterin haften müsse. Die Radfahrerin habe so nicht mehr am Pferd vorbeikommen können. Zwar sei deren Darstellung plausibler, dass das Tier sie durch die Drehung mit dem Hinterteil vom Rad geschubst habe. Das könne jedoch offenbleiben. Die Tierhalterin müsse so oder so die Behandlungskosten ersetzen und der Verletzten 6.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Weihnachtsbaum von stürmischem Wind umgeweht

Haben ihn städtische Mitarbeiter nicht standsicher aufgestellt, haftet die Kommune für Unfallschäden

In der Weihnachtszeit Einzelhandelsgeschäfte mit Weihnachtsbäumen zu schmücken, ist in Innenstädten üblich. Die Stadt Düsseldorf bietet Werbegemeinschaften von Händlern an, für sie Weihnachtsbäume aufzustellen, wenn sie die Kosten tragen. Jedes Jahr bestellt auch das "Kö-Center" einen Baum. Sechs Wochen vor Heiligabend 2013 stellten kommunale Mitarbeiter an einer windgeschützten Stelle vor dem Einkaufszentrum einen ca. sechs Meter hohen Baum auf.

Am Nachmittag des 5. Dezember fiel die Tanne um. Am nächsten Morgen wurde sie wieder aufgestellt. An Heiligabend herrschte stürmischer Wind, der den Baum erneut zu Fall brachte. Diesmal traf er eine Kurierfahrerin und verletzte sie schwer. Die Frau verklagte das "Kö-Center" erfolgreich auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Haftpflichtversicherung des Einkaufszentrums musste einspringen und verlangte anschließend den Entschädigungsbetrag von der Stadt zurück.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (I-22 U 137/21). Vor Gericht war es zunächst um die Frage gegangen, wer die Tanne nach dem ersten Umfallen wieder aufgerichtet hatte. Mitarbeiter des Einkaufszentrums waren es nicht, versicherten alle Zeugen. Daher sei davon auszugehen, so das OLG, dass die städtische Baumkolonne die Tanne — und andere im Stadtgebiet umgefallene Weihnachtsbäume — am Morgen des 6. Dezember zu nachlässig wieder aufgestellt habe.

Im Vertrag der Stadt mit der Eigentümergemeinschaft "Kö-Center" stehe, die Kommune sei verpflichtet, den Weihnachtsbaum "standsicher zu errichten". Demnach müsse der Baum Windstärken standhalten, die üblicherweise im Stadtgebiet zu erwarten seien. Da die Tanne am 24. Dezember bei einer Windstärke von acht Beaufort umgestürzt sei, habe die städtische Baumkolonne offenkundig ihre vertragliche Pflicht nicht erfüllt. Dieser Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht sei der Stadt zuzurechnen, die daher für die Unfallfolgen einstehen müsse.

Kuhangriff auf eine Wanderin

Almbäuerin trifft keine Schuld: Sie muss der Verletzten kein Schmerzensgeld zahlen

Nahe bei einer Alm am Tegernsee war eine Wanderin auf ihrem Weg von einer Kuh attackiert und zu Boden gestoßen worden. Einen großen Bluterguss und Schmerzen habe sie davongetragen, berichtete die Frau. Sie verklagte deswegen die Almbäuerin auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld, insgesamt 6.000 Euro.

Die Tierhalterin sei für die Attacke verantwortlich, meinte die Wanderin: Wenn ihre Kälber in der Nähe seien, seien Kühe tendenziell unruhig und aggressiv. So sah es auch das Landgericht München: Die Bäuerin habe eine Gefahrensituation für Wanderer geschaffen, weil sie die Kälber in der Herde belassen habe.

Dem widersprach jedoch das Oberlandesgericht München (1 U 724/22). In den Bergen spaziere immer wieder mal ein Wanderer an Kuhherden vorbei. Es wäre lebensfremd und unzumutbar, deshalb von Rinderhaltern grundsätzlich zu verlangen, auf der Weide die Muttertiere von ihren Kälbern zu trennen. Die Bäuerin treffe an der Kuhattacke keine Schuld. Der Wanderin stehe daher keine Entschädigung zu.

Operationsrisiko verharmlost?

Patientin ist nach einer Tumoroperation halbseitig gelähmt und verlangt Schadenersatz

Eine 1962 geborene Frau litt unter einem meist gutartigen Tumor der Hirnhaut (Meningeom). Die Geschwulst war schon relativ groß, deshalb empfahl der behandelnde Arzt, sie operativ entfernen zu lassen. Den Eingriff führte ein Chirurg im Krankenhaus durch. Danach war die Patientin dauerhaft halbseitig gelähmt. Von der Klinik und vom Operateur forderte sie Schadenersatz wegen unzureichender Risikoaufklärung vor dem Eingriff.

Im Aufklärungsbogen des Krankenhauses werden als mögliche Folgen einer "großen Tumoroperation" Lähmungserscheinungen, Sprachstörungen, Sehstörungen, Verwirrtheit und viele andere, teils lebensgefährliche Komplikationen aufgezählt.

Deshalb wies das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz die Klage der Patientin ab: Die Gefahren würden im Aufklärungsbogen sehr klar gekennzeichnet. Allein die Tatsache, dass der Chirurg einige Risiken unterstrichen habe, die Formulierung "unter Umständen schwere und dauerhafte Ausfälle" jedoch nicht, belege keine Verharmlosung.

Mit diesem Urteil war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden: Er verwies den Rechtsstreit ans OLG zurück (VI ZR 342/21). Die Patientin habe nicht nur gerügt, dass eine Formulierung im Aufklärungsbogen nicht unterstrichen gewesen sei. Vielmehr habe sie ausdrücklich eine Passage beanstandet, in der es heiße, nach dieser Operation komme es nur "selten" zu schweren, dauerhaften Störungen.

Dabei habe doch der medizinische Sachverständige im Prozess erläutert, dass nach dieser Operation 20 Prozent der Patienten schwere und 30 Prozent der Patienten leichte neurologische Defizite zeigten. Wenn im Aufklärungsbogen dennoch das Risiko schwerer bleibender Störungen als selten oder als Ausnahme charakterisiert werde, grenze das schon an Verharmlosung — zumal auch noch betont werde, sie bildeten sich im Laufe der Zeit meistens zurück.

Die Daten des Sachverständigen belegten, dass bei diesem Eingriff trotz sorgfältiger Diagnostik Komplikationen kaum zu vermeiden seien. Im konkreten Fall sei das Risiko sogar weit höher gewesen als der vom Experten genannte Durchschnittswert, weil der Tumor der Patientin stark durchblutet und mit dem Hirngewebe verzahnt war.

Mit den einschlägigen Hinweisen des Sachverständigen und dem zentralen Einwand der Patientin gegen den Aufklärungsbogen habe sich das OLG überhaupt nicht befasst. Das müsse die Vorinstanz nun nachholen. Auch der vom OLG als sehr treffend hervorgehobene Hinweis darauf, dass nach dem Eingriff schlaganfallähnliche Symptome auftreten könnten, sei im Aufklärungsgespräch durch den Verweis auf wahrscheinliche Rückbildung relativiert worden.

Auf dem Gehweg ist rutschiges Laub zu entfernen

Hauseigentümer müssen aber nicht auf allen Wegen rund ums Haus regelmäßig kehren

An einem Winternachmittag gegen 17 Uhr stellte Frau M ihren Wagen in der gemieteten Garage ab. Da kam die Pflegekraft der Nachbarin auf sie zu und bat sie in deren Haus: Die Seniorin wolle kurz mit ihr reden. Über einen Steinweg neben der Garage gingen die beiden Frauen hinter das Haus und betraten die Wohnung über die Terrasse. Der unbeleuchtete Steinweg war mit Blättern, Zweiglein und Moos bedeckt, regennass und schmierig.

Als Frau M nach ca. einer Stunde die Nachbarin verließ, benützte sie denselben Weg zurück. Sie rutschte aus, stürzte und verletzte sich schwer. Von der Hauseigentümerin verlangte die Verletzte mindestens 20.000 Euro Schmerzensgeld: Sie hätte dafür sorgen müssen, dass Besucher den Weg ohne Sturzrisiko begehen könnten, fand Frau M. Doch das Oberlandesgericht Frankfurt verneinte eine Pflichtverletzung (17 W 17/22).

Verkehrssicherungspflicht bedeute nicht, jedes Risiko auszuschließen - das sei nicht möglich. Die Grundstückseigentümerin müsse den untergeordneten Zuweg zur Terrasse ihres Wohnhauses nicht so sauber halten, dass ihn alle Nutzer völlig gefahrlos begehen könnten. Schließlich sei das nicht der Hauptzugang zum Wohnhaus: Der Steinweg werde üblicherweise nur von Angehörigen und Pflegekräften benützt, denen er bekannt sei. Die Garagenmieterin M hätte bei der Rückkehr den Hauptweg am Vordereingang nutzen können, statt im Dunkeln erstmals den Steinweg zu nehmen.

Allerdings sei die Beschaffenheit des von Bäumen und Büschen gesäumten Steinweges neben der Garage sogar in der Dunkelheit wahrzunehmen. Frau M selbst habe sie durchaus zutreffend beschrieben: Basaltplatten in ungeordneter Folge, bedeckt mit Blättern und Moos, nass und rutschig. Die Hauseigentümerin habe sich darauf verlassen dürfen, dass sich Besucher hier mit besonderer Sorgfalt bewegten — angepasst an die Bodenbeschaffenheit.

In unübersichtlichen Situationen müssten Fußgänger eben besonders aufpassen: Sie könnten vom Grundstückseigentümer kein Schmerzensgeld verlangen, wenn ein Sturz mit der gebotenen Aufmerksamkeit vermeidbar gewesen wäre. Auf Nebenwegen müssten Hauseigentümer nur verborgene Gefahrenstellen beseitigen, die selbst aufmerksame Nutzer nicht ohne Weiteres erkennen könnten.

Unzumutbar viele Nachbehandlungen beim Zahnarzt?

Zahnersatz sitzt oft nicht "auf Anhieb": Das belegt keinen Behandlungsfehler

Ein Zahnarzt hatte mehrere Zähne einer Patientin mit Kronen versorgt. Die Kronen hätten von Anfang an nicht richtig gepasst, beanstandete die Frau nachträglich: Mit ca. 30 Terminen für die Nachbehandlung sei die Grenze des Zumutbaren überschritten.

Die Patientin verlangte vom Mediziner die Rückzahlung ihres Eigenanteils an den Behandlungskosten und Schmerzensgeld für die langwierige Prozedur. Das Landgericht Leipzig wies ihre Klage ab: Die Patientin habe keine Behandlungsfehler nachweisen können. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden bestätigte das Urteil (4 U 2562/21)

Die vom Gericht beauftragte medizinische Sachverständige habe zwar am Gipsmodell eine "nicht korrekte Einschleifsituation" bei zwei Zähnen festgestellt. Doch seien die Kronen zu diesem Zeitpunkt nur provisorisch eingegliedert gewesen. Der Zahnarzt habe sie problemlos noch nacharbeiten können. Ernsthafte Abweichungen vom ärztlichen Standard seien an den Modellen nicht zu erkennen, so das Fazit der Sachverständigen.

Bei einer zahnprothetischen Versorgung sei ein Behandlungsfehler des Arztes nicht schon dann anzunehmen, wenn der Zahnersatz nicht beim ersten Mal "sitze", betonte das OLG. Zahnersatz einzugliedern, sei ein "mehrstufiger Prozess". Dabei seien fast immer Anpassungsmaßnahmen nötig, bei denen die Patienten mitwirken müssten.

Die Patientin habe behauptet, sie habe zu 30 Nachbesserungsterminen antreten müssen. In den Behandlungsunterlagen dokumentiert seien aber für jeden Zahn maximal drei Termine, wobei es sich jeweils nur um minimale Polituren und das Einschleifen von Füllungen gehandelt habe. Um das zu widerlegen, hätte die Frau für die angebliche Menge von Nachbehandlungen schon einen handfesten Beweis erbringen müssen.

Wann verjährt der Schadenersatzanspruch des Vermieters?

Eine dilettantische Badsanierung der Mieter führte 32 Jahre später zu einem Wasserschaden

1984 hatte ein Berliner Ehepaar das Badezimmer seiner Mietwohnung renoviert. Die Mieter entfernten die Dielen und verlegten Bodenfliesen — inklusive Bodenabfluss, aber ohne die nötigen Dichtungen. 32 Jahre später tropfte im Badezimmer der darunter gelegenen Wohnung eine Menge Wasser durch die Decke. Ein Bauexperte erklärte den Vermietern, die Zwischendecke könne jederzeit einstürzen: Offenbar sei seit vielen Jahren Feuchtigkeit von oben eingedrungen und habe die Holzbalken ruiniert.

Nun forderten die Vermieter von der Mieterin (ihr Mann war schon vor Jahren gestorben) 37.650 Euro. Sie müsse für den Schaden haften: Zum einen, weil der Boden seinerzeit unsachgemäß renoviert worden sei. Zum anderen, weil durch den unzulänglich abgedichteten Boden seit ca. 20 Jahren ständig Wasser in die darunter liegende Holzkonstruktion eingesickert sei. Denn die Rollstuhlfahrerin habe regelmäßig außerhalb der Badewanne geduscht.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage der Vermieter mit der Begründung ab, ihr Anspruch auf Schadenersatz sei verjährt. Dem widersprach der Bundesgerichtshof (VIII ZR 132/20). Wenn Mieter die Mietsache beschädigten, verjährten die Ersatzansprüche der Vermieter zwar nach sechs Monaten. Aber diese Verjährungsfrist beginne erst, wenn das Mietverhältnis ende und die Vermieter die Mietsache zurückerhalten.

Die Verjährungsfrist sei ausdrücklich an die Rückgabe der Wohnung geknüpft (§ 548 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Frist sei mit sechs Monaten relativ kurz bemessen. Dies solle Vermieter dazu bringen, nach dem Ende des Mietvertrags möglichst zügig ihre Ansprüche zu klären, die mit dem Zustand der Mietsache zusammenhängen. So hätten beide Vertragsparteien schnell Rechtsklarheit.

Im konkreten Fall wohne jedoch die Mieterin immer noch in der beschädigten Wohnung. Daher könnten die Vermieter ihre Ansprüche geltend machen, obwohl die schadenauslösende Abdichtung schon vor 32 Jahren verpfuscht wurde, betonten die Bundesrichter.

Mit dieser Vorgabe verwiesen sie den Rechtsstreit ans Landgericht zurück. Die Vorinstanz müsse nun noch prüfen, ob der Anspruch der Vermieter inhaltlich begründet sei. Darüber hinaus sei zu klären, ob die Vermieter eventuell vorrangig ihre Gebäudeversicherung in Anspruch nehmen müssten.