Rechtspflege

Baum in der Loggia

Kurzartikel

Ist ein Mieter rechtskräftig dazu verurteilt worden, einen in der Loggia seiner Mietwohnung gepflanzten Ahornbaum mitsamt Erdreich und Wurzeln zu beseitigen, und lehnt dies hartnäckig ab, obwohl ihm der Vermieter obendrein zwei Mal eine Frist dafür gesetzt und im Weigerungsfall die Kündigung angedroht hat, kann der Vermieter fristlos kündigen. Eine so grobe Pflichtverletzung macht es für den Vermieter unzumutbar, das Mietverhältnis fortzusetzen.

Rechthaber kämpft um drei Cent

Verwaltungsgericht: So wird die Justiz für unnütze Zwecke missbraucht!

Wenn es ums Prinzip geht, setzt bei manchen Menschen die Vernunft völlig aus. Ein anschauliches Beispiel: Herr X, der damals noch in Neustadt an der Weinstraße wohnte, hatte 2012 gegen die Stadt ein Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz angestrengt. Es wurde eingestellt. Fünf Jahre später beantragte der Mann beim Verwaltungsgericht (VG) Neustadt, die Kosten festzusetzen.

Die Kommune müsse Herrn X 2,90 Euro zahlen, berechnete die Urkundsbeamtin des VG. Sofort forderte X die Stadt zur Zahlung auf und setzte ihr dafür eine Frist. Neustadt zahlte — aber auf das Konto der Mutter. Diese Nummer hatte X während des Verfahrens vor fünf Jahren bei Gericht angegeben. Nun beantragte der Mann beim VG, den Betrag von 2,90 Euro zwangsweise einzutreiben, da die Kommune nicht zahle.

Die Kommune schrieb, sie werde den Betrag auf das jetzt von X angegebene Konto weiterleiten. So geschah es auch. Damit gab sich Herr X aber nicht zufrieden: Er forderte die in der Zwischenzeit angefallenen Zinsen und machte eine "noch offene Restforderung" von drei Cent geltend. Das VG Neustadt ließ ihn abblitzen (5 N 200/18.NW).

Wer Rechtsschutz in Anspruch nehme, dürfe Gerichte nicht für unnütze oder unlautere Zwecke missbrauchen, erklärte das VG. Das Rechtswesen sei für die Gemeinschaft ein kostbares und zugleich sehr kostspieliges Gut. Der Betrag von drei Cent sei so gering, dass es nicht gerechtfertigt sei, dafür ein Gericht einzuspannen.

Gegen Akte öffentlicher Gewalt garantiere das Grundgesetz effektiven Rechtsschutz, das setze aber einen tatsächlichen Bedarf an Rechtsschutz voraus. Das Interesse des Antragstellers am Ausgleich eines Betrags von drei Cent sei jedoch nicht schutzwürdig. Dabei gehe es offenkundig nicht um wirtschaftliche Interessen, sondern um das Prinzip des Rechthabens.

Da werden Raser-Träume wahr

Dubioses Geschäftsmodell: Zu schnell fahren und das Fahrverbot mit Internet-Ersatzmann umgehen

Ein Autofahrer hatte die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um stolze 58 km/h überschritten. Er wurde erwischt und zu 480 Euro Bußgeld plus Fahrverbot verdonnert. Zu seiner Freude stieß der Verkehrssünder danach im Internet auf ein verlockendes Angebot. "Ich übernehme Ihre Punkte und Ihr Fahrverbot für Sie" hieß es auf einer Webseite.

Das ließ sich der Autofahrer nicht zwei Mal sagen. Flugs überwies er 1.000 Euro auf ein Schweizer Bankkonto und leitete den Anhörungsbogen des Landratsamts an die "Internetbekanntschaft" weiter. Der ebenso windige wie findige "Ersatzmann" gestand auf dem Bogen den Verkehrsverstoß — gab allerdings nicht seinen eigenen Namen an, sondern den Namen einer fiktiven Person.

Daraufhin leitete das Landratsamt ein Bußgeldverfahren gegen die erfundene Person ein. Bis aufgedeckt war, dass sie nicht existierte, war die Angelegenheit bereits verjährt: Der "echte" Raser konnte nun wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht mehr belangt werden. Um ihn nicht einfach so davon kommen zu lassen, klagte die Staatsanwaltschaft den Autofahrer wegen "falscher Verdächtigung" an.

Nach dieser Vorschrift im Strafgesetzbuch wird bestraft, wer mit einem falschen oder "wider besseres Wissen behaupteten" Verdacht ein behördliches Verfahren gegen einen Mitbürger auslöst. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart kam jedoch zu dem Schluss, die Vorschrift sei hier nicht anwendbar (4 Rv 25 Ss 982/17). Eine falsche Anschuldigung müsse sich auf eine konkret existierende Person beziehen, doch die im Anhörungsbogen genannte Person existiere real nicht.

Wer eine erfundene Person verdächtige, mache sich nicht strafbar. Das OLG fand kein Vergehen, das es dem Raser hätte anlasten können. Der Unbekannte, der Formular ausfüllte, habe eine Urkunde gefälscht, indem er eine fiktive Person als Verkehrssünder benannte. Das könne man aber nicht dem Autofahrer vorwerfen — denn dem hatte der anonyme Geschäftspartner versprochen, selbst das Fahrverbot auf sich zu nehmen. Ob dieses Internet-Geschäftsmodell Schule macht, bleibt abzuwarten.

Keine Klage per einfacher E-Mail

Kurzartikel

Reicht ein Steuerzahler beim Finanzgericht eine Klage per E-Mail ein, ohne eine qualifizierte elektronische Signatur zu verwenden, ist diese Klage aus Formgründen unwirksam. Klagen sind schriftlich zu erheben. Diese Anforderung ist mit einer einfachen E-Mail ohne elektronische Signatur nicht erfüllt. Das gilt auch dann, wenn der Steuerzahler der E-Mail einen PDF-Anhang beifügt, der eine Klageschrift mit eingescannter Unterschrift enthält.

Beim Jura-Examen durchgefallen

Kurzartikel

Ein Kandidat fiel beim juristischen Staatsexamen durch - bei dieser Prüfung wurden zwei seiner Klausuren objektiv fehlerhaft beurteilt. Dennoch begründet das fahrlässige Verschulden der Prüfer keinen Anspruch des "durchgefallenen" Kandidaten auf Schadenersatz für Verdienstausfall, wenn unabhängige Gutachter zu dem Schluss kommen, dass die Examensarbeiten bei zutreffender Bewertung ebenfalls nur mit "mangelhaft" benotet worden wären. Der Kandidat hätte also das Examen auch in diesem Fall nicht bestanden.

Mordprozess muss wiederholt werden

Praktikantin hatte rechtswidrig an der vertraulichen Urteilsberatung teilgenommen

Die Richter eines Landgerichts verurteilten einen Mann wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Bei den Beratungen der Richter während der Hauptverhandlung - bei denen nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nur die Richter, die Rechtsreferendare und die wissenschaftlichen Mitarbeiter anwesend sein dürfen - war auch eine Jurastudentin zugegen, die gerade ihr Ferienpraktikum absolvierte.

Dadurch sah der Verteidiger des Angeklagten die gerichtlichen Verfahrensregeln schwerwiegend verletzt. Seiner Ansicht nach war das Urteil unter rechtswidrigen Umständen zustande gekommen. Er beantragte deshalb, den Prozess unter Wahrung der gesetzlichen Vorschriften zu wiederholen. Der Bundesgerichtshof gab dem Antrag des Verteidigers statt (4 StR 33/95). Die Teilnahme von Jurastudenten an der Beratung des Gerichts sei nicht erlaubt.

Im Interesse des Angeklagten und der Rechtspflege sollten in der vertraulichen Beratung grundsätzlich nur die Richter auf das Urteil Einfluss nehmen können, die auch dazu befugt seien, diese Entscheidung zu treffen. Die Richter sollten in aller Offenheit über die Entscheidung diskutieren können, ohne dass Außenstehende von ihrem Verhalten Kenntnis erlangten oder es gar beeinflussen könnten. Diesem Anliegen widerspräche es, Jurastudenten bei der Urteilsberatung zuzulassen. Sie würden zwar zu Beginn ihrer praktischen Studienzeit förmlich zur Verschwiegenheit verpflichtet, Verstöße dagegen könnten aber nicht geahndet werden.

"Freitags ab 13 Uhr geschlossen"

Hängt vor dem Amtsgericht diese "Info", ist eine Verhandlung am Freitag nach 13 Uhr nicht "öffentlich"

An der Eingangstür eines Amtsgerichts befand sich ein Schild mit der Aufschrift: "Bitte beachten sie die Öffnungszeiten. Das Amtsgericht ist freitags ab 13 Uhr geschlossen." An einem Freitag zog sich eine Verhandlung bis etwa 13.35 Uhr hin, in der ein Mann wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt wurde.

Der findige Verteidiger erkannte die Chance: Jeder Bürger müsse Zutritt zu Gerichtsverhandlungen haben und zwar bis zum Ende der jeweiligen Sitzung, wandte er ein. Da dies hier nicht möglich gewesen sei, müsse über den Fall noch einmal entschieden werden.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken teilte diese Auffassung (1 Ss 183/95). Gerichtsverhandlungen seien prinzipiell öffentlich abzuhalten. Dazu gehöre es auch, dass sich Bürger ohne besondere Schwierigkeiten informieren könnten, wann und wo eine Verhandlung stattfinde.

Das treffe hier nicht zu. Denn bei einem Bürger, der "mit dem Geschäftsablauf bei den Gerichten nicht näher vertraut" sei, erwecke der Hinweis an der Eingangstür des Gebäudes den Eindruck, am Freitag finde ab 13 Uhr keine öffentliche Sitzung mehr statt. Das sei verwirrend und verstoße gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Es spiele daher keine Rolle, ob die Tür zum Gericht wirklich nach 13 Uhr verschlossen gewesen sei. Über die Strafe für den Mann müsse nochmals entschieden werden.

Verspätete Beleidigungsklage

Hausverwalter las in der Eigentümerversammlung falsche Anschuldigungen vor

Harmonisch war das Verhältnis der beiden Wohnungseigentümerinnen A und B wohl nie. Der Konflikt erreichte während einer Eigentümerversammlung seinen Höhepunkt: Der Versammlungsleiter — Geschäftsführer der Hausverwaltung — las ein Schreiben der Frau A vor. Darin beschuldigte Frau A den Lebensgefährten von Frau B, sie rüde attackiert zu haben. Herr P wohnt mit Frau B in deren Eigentumswohnung und nahm als ihr Vertreter an der Eigentümerversammlung teil.

Der Inhalt des Schreibens: Sie sei am Abend mit dem Rad in die Tiefgarage gefahren, so Frau A, und habe es kurz vor dem Garagentor von Frau B abgestellt. Da sei Herr P dazu gekommen und habe das Fahrrad und den darauf liegenden Ordner in ihre Garage geworfen. Er habe sie angeschrien und "mit den schlimmsten Ausdrücken" beschimpft. "Sein Verhalten mir gegenüber ist so aggressiv, dass man es mit der Angst zu tun bekommt …".

Die vorgelesenen Behauptungen waren frei erfunden, wurden jedoch ins Versammlungsprotokoll aufgenommen. Herr P verklagte zunächst Frau A auf Unterlassung, was diese akzeptierte. Seltsamerweise zog er erst Jahre später gegen die Hausverwaltung vor Gericht. Von ihr forderte P, die beleidigenden Anschuldigungen zu unterlassen und den Text aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung zu entfernen. Der Geschäftsführer habe gegen das Neutralitätsgebot verstoßen und seine, P’s, Persönlichkeitsrechte verletzt, indem er das verleumderische Schreiben vorgelesen habe.

Mit der Klage habe der Hausbewohner zu lange gewartet, urteilte das Amtsgericht München (213 C 10547/16 (2)). Einen vernünftigen Grund dafür habe P nicht nennen können. Einen aktuellen Anlass für seine Forderungen gebe es auch nicht (z.B. dass der Verwalter die Beschuldigungen wieder "aufgewärmt" hätte). Dass Herr P über Jahre hinweg keine Zeit gefunden habe, sich um diese Angelegenheit zu kümmern, sei nicht nachvollziehbar. Viel Zeit hätte es ihn nicht gekostet, darüber mit seinem Anwalt zu sprechen.

Wenn jemand, der beleidigt oder verleumdet werde, dies widerspruchslos hinnehme und sich darum jahrelang nicht kümmere, erwecke er den Anschein, als sei die Sache erledigt. Und er bringe damit auch objektiv zum Ausdruck, dass ihm das Verbreiten der Beschuldigungen nicht so wichtig war. Nach mehr als einem Jahr bestehe in Bezug auf unwahre und ehrverletzende Behauptungen kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.

Steuererklärung beim "falschen" Finanzamt gelandet

Finanzgericht Köln: Einwurf der Steuererklärung bei einer unzuständigen Behörde wahrt die Frist

Zwei Steuerzahler waren mit ihren Steuererklärungen für das Jahr 2009 arg spät dran: Am letzten Tag der Vier-Jahres-Frist — an Silvester 2013 gegen 20 Uhr — warfen sie die Steuererklärungen bei einem Finanzamt ein. Der Haken an der Sache: Diese Behörde war für sie gar nicht zuständig.

Und das zuständige Finanzamt lehnte es ab, die Steuererklärungen zu bearbeiten. Sie seien erst 2014 bei ihm eingegangen, also zu spät. Steuerzahler müssten die Veranlagung innerhalb von vier Jahren nach dem Ende des Steuerjahres beantragen. Da ihr Widerspruch gegen den Behördenbescheid zurückgewiesen wurde, erhoben die nachlässigen Steuerzahler schließlich Klage beim Finanzgericht.

Das Finanzgericht Köln gab ihnen Recht (1 K 1637/14 und 1 K 1638/14). Die Abgabe einer Steuererklärung am letzten Tag der Antragsfrist erfolge selbst dann noch rechtzeitig (= fristwahrend), wenn die Steuererklärung beim unzuständigen Finanzamt eingeworfen werde. Dass der Antrag auf Veranlagung beim "richtigen" Finanzamt eingehen müsse, sei gesetzlich nicht vorgeschrieben, meinte das Finanzgericht.

Das Finanzamt müsse daher die Veranlagungen für 2009 durchführen. Da die Finanzverwaltung nach außen hin immer als einheitliche Verwaltung auftrete, könne sie "steuerlich unberatenen Bürgern" nicht die Unzuständigkeit eines bestimmten Finanzamts entgegenhalten. Das wäre widersprüchlich. Auch der Einwurf der Post außerhalb der üblichen Bürozeiten ändere daran nichts. Insoweit müsse man von einem "generellen Empfangs- oder Zugangswillen" der Finanzverwaltung ausgehen. (Die Finanzbehörde legte gegen dieses Urteil Revision ein, der Bundesfinanzhof wird den Rechtsstreit endgültig entscheiden.)

Geldbuße für Videoaufnahmen im Auto

Datenschutz: Nicht jeder darf im "öffentlichen Straßenraum" filmen

Um ihren BMW X1 zu schützen, ließ eine Münchner Geschäftsführerin im Auto zwei Videokameras installieren. Sie zeichneten permanent den Bereich vor und hinter dem Auto auf. Am 11. August 2016 parkte die Frau von 13 Uhr bis 16 Uhr in der Mendelssohnstraße. Während dieser Zeit streifte ein Wagen ihren BMW und ließ deutliche Lackschäden zurück. Sofort brachte die Geschäftsfrau ihre Videoaufzeichnungen als Beweismittel zur Polizei. Doch dieser "Schuss" ging nach hinten los.

Gegen die BMW-Besitzerin wurde nämlich ein Bußgeldverfahren eingeleitet, weil die Videoaufnahmen das Bundesdatenschutzgesetz verletzten: Sie dürfe im "öffentlichen Raum" nicht einfach drauflos filmen, erklärte man ihr.

Diesen Vorwurf konnte die Dame überhaupt nicht nachvollziehen: Sie habe nur Autokennzeichen aufgenommen, also keine "schützenswerten Daten" erhoben und gespeichert. Die Fahrer der vor dem BMW geparkten Fahrzeuge seien nicht erkennbar. Ihr komme es nur darauf an, nach einer Sachbeschädigung am Auto den oder die Täter ermitteln zu können.

Das Amtsgericht München brummte der Frau trotzdem 150 Euro Geldbuße auf (1112 OWi 300 Js 121012/17). Hier überwiege das Recht der gefilmten Personen auf Persönlichkeitsschutz das Interesse der Autofahrerin, eventuelle Straftaten aufzudecken, so das Amtsgericht. Den Straßenraum vor und hinter dem geparkten Fahrzeug ständig zu filmen, verletze das Recht der Betroffenen am eigenen Bild.

Man stelle sich vor, 80 Millionen Bundesbürger wären immerzu mit Kameras unterwegs, um eigenmächtig Straftaten aufzuklären. Privatbürger dürften im öffentlichen Raum nicht "Big Brother is watching you" spielen. Kameraüberwachung greife in das Recht Unbeteiligter ein, selbst zu bestimmen, wann sie sich wo aufhalten — ohne dass andere Personen dies dokumentierten und bei Behörden verwendeten.

Es bleibe dennoch bei einer relativ geringen Geldbuße, weil die Geschäftsfrau subjektiv betrachtet durchaus Anlass gehabt habe, die Kameras einzusetzen. Offenbar sei das Fahrzeug schon einmal beschädigt worden. (Die BMW-Fahrerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Fahrerflucht fliegt durch Schadenanzeige auf

Schadensmeldung der Autofahrerin bei ihrer Kfz-Versicherung darf als Beweis verwertet werden

Ein Amtsrichter verurteilte eine Autofahrerin wegen Fahrerflucht zu einer Geldstrafe. Die Identität der Unfallverursacherin, die sich vor Polizei und Justiz nicht äußerte, wurde festgestellt, weil sie ihrer Kfz-Versicherung ihren eigenen Schaden meldete. Die Schadenanzeige wurde im Strafprozess gegen sie verwendet - dieses Vorgehen hielt die Autofahrerin für unzulässig.

Ihr Einwand: Dass das Gericht den Schadensbericht verwertet habe, verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass niemand gezwungen werden dürfe, durch eigene Aussagen die Grundlage für ein Strafurteil gegen sich zu liefern. Nachdem ihre Revision beim Kammergericht in Berlin keinen Erfolg hatte, legt die Frau gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde ein. Beim Bundesverfassungsgericht hatte sie damit allerdings keinen Erfolg (2 BvR 1778/94).

Die Autofahrerin scheine es als ihr gutes Recht anzusehen, ihren Anspruch auf Schadenersatz gegenüber der Kfz-Versicherung durchzusetzen und sich gleichzeitig der Strafe zu entziehen, die auf Unfallflucht stehe. Da befinde sie sich im Irrtum. Der Grundsatz, auf den sich die Frau berufe, verbiete es keineswegs, ihre Angaben gegenüber der Versicherung als Beweis zu verwenden. Niemand habe sie gezwungen, sich selbst zu belasten.

Die Versicherungsnehmerin hätte der Versicherung den Sachverhalt auch vorenthalten können. Zwar sei sie vertraglich verpflichtet, der Kfz-Versicherung den Unfallhergang korrekt zu schildern. Wenn sie dieser Pflicht aber nicht nachkomme, setze sie damit nur ihren Versicherungsschutz aufs Spiel und riskiere keine strafrechtlichen Folgen. Das Unfallprotokoll der Versicherung als Beweismittel im Strafprozess einzusetzen, verstoße nicht gegen die Verfassung.

Drogendealer zu hart bestraft

Die "mittelbare" Zeugenaussage eines verdeckten Ermittlers hat geringen Beweiswert

Ein Drogendealer bot einem verdeckten Ermittler der Polizei 2,5 kg Kokain an. Bei dieser Gelegenheit stellte er auch die Lieferung von 5 kg Heroin guter bis sehr guter Qualität in Aussicht. Bei der Übergabe des Kokains wurde er schließlich festgenommen. Das Landesgericht Ansbach verurteilte den Rauschgifthändler zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren. Die hohe Strafe wurde damit begründet, dass der Mann nicht nur mit 2,5 kg Kokain, sondern auch mit 5 kg Heroin gehandelt habe.

Das Gericht stützte sich dabei auf die Zeugenaussage eines Polizeikommissars, der den verdeckten Ermittler vernommen hatte. Eine Zeugenaussage des verdeckten Ermittlers selbst genehmigte der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts nicht, um dessen Identität nicht aufzudecken: Man wolle ihn ja weiterhin einsetzen können. Der Drogendealer hielt es für unzulässig, dass man ihn aufgrund der Aussage eines "Zeugen vom Hörensagen" verurteilt hatte.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde hatte er beim Bundesverfassungsgericht Erfolg (2 BvR 1142/93). Es kritisierte die Verurteilung, soweit es sich um die 5 kg Heroin handelte. Wenn ein Zeuge nur die Wahrnehmung eines anderen Zeugen wiedergebe, sei grundsätzlich besondere Vorsicht geboten: Zeugnisse nach Hörensagen" seien selten zuverlässig. Dies gelte vor allem dann, wenn sich die zuständige Behörde weigere, dem verdeckten Ermittler eine Aussagegenehmigung zu erteilen.

Wie glaubwürdig der im Dunkeln bleibende Hintermann sei, könne man so nicht überprüfen. Die Exekutive verhindere auf diese Weise eine umfassende Aufklärung des Delikts. Wenn man sich nur auf die Aussagen eines Gewährsmannes stütze, sei das nicht vereinbar mit dem im Grundgesetz garantierten fairen, rechtsstaatlichen Verfahren - es sei denn, diese Aussagen würden noch durch andere Gesichtspunkte bestätigt. Der Drogendealer dürfe daher nur wegen Handelns mit 2,5 kg Kokain bestraft werden.

Richter verpennt Verhandlung

Das Bundessozialgericht hebt ein Urteil der Vorinstanz auf, weil ein Richter "quasi abwesend war"

In dem Prozess vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ging es für den Kläger um eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Rente wurde abgelehnt — doch nicht aus diesem Grund erregte der Prozess viel Aufmerksamkeit. Sondern wegen eines offenbar übermüdeten ehrenamtlichen Richters. Der Mann war schon zu spät zur Verhandlung gekommen. Kaum hatte er Platz genommen, fielen ihm die Augen zu und der Kopf zur Seite.

Ein wohlmeinender Kollege versetzte ihm unter dem Tisch einen Fußtritt, doch ohne durchschlagenden Erfolg: Der Richter schnarchte sofort wieder weg. Aus diesem Grund legte der findige Anwalt des Klägers gegen das Urteil des LSG Revision ein und rügte, das Gericht sei "nicht vorschriftsmäßig besetzt" gewesen. So sah es auch das Bundessozialgericht (BSG) und hob das Urteil der Vorinstanz auf (B 13 R 289/16).

Jeder einzelne Richter müsse seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis der Verhandlung gewinnen, so das BSG. Nur dann könnten sich Richter ihr Urteil selbständig bilden und sachgerecht entscheiden. Das sei unmöglich, wenn ein Richter den wesentlichen Vorgängen gar nicht folgen könne.

Genau das treffe hier zu. Denn der betreffende Richter sei während der mündlichen Verhandlung die meiste Zeit geistig abwesend gewesen. Er sei erst aufgewacht, als sie vorbei war. Da er sich infolgedessen keine eigene Meinung zu dem Fall bilden konnte, müsse die Sache in Stuttgart noch einmal verhandelt werden.

Anwalt "schmäht" Staatsanwältin

Bundesverfassungsgericht hebt Strafurteil auf, weil die Vorinstanz die Meinungsfreiheit nicht ausreichend gewichtete

Anwalt Z verteidigte vor Gericht einen Mandanten, der wegen Veruntreuung von Geld angeklagt war. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde gegen den Beschuldigten Haftbefehl erlassen. Deswegen kam es zu einem heftigen Streit zwischen der Staatsanwältin und Z, der seinen Mandanten zu Unrecht verfolgt wähnte. Am Abend rief ein Journalist bei Z an, der ihn hartnäckig zu dem Fall befragte. Schließlich ließ er sich eine Stellungnahme zum Verfahren entlocken.

Immer noch verärgert über den Verlauf des Prozesses bezeichnete er im Verlauf des Telefongesprächs seine Kontrahentin als "durchgeknallt" und als "dahergelaufene Staatsanwältin". Das brachte dem Anwalt eine Anzeige wegen Beleidigung ein — zu 8.400 Euro Geldstrafe verurteilte ihn das Landgericht. Z erhob gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde, weil es sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt habe. So sah es auch das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2646/15).

Anwälte seien natürlich nicht berechtigt, Staatsanwälte aus Ärger über deren Maßnahmen zu beschimpfen. Aber das Grundrecht auf Meinungsfreiheit schütze nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Kritik dürfe auch polemisch und überspitzt formuliert sein. Das Landgericht gehe in seinem Urteil ohne ausreichende Begründung davon aus, dass hier eine unzulässige "Schmähkritik" vorlag. Damit habe es sich jede Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht der Staatsanwältin erspart.

Die fraglichen Äußerungen seien zwar ausfallend scharf. Trotzdem seien sie keine Beleidigung jenseits der Sachauseinandersetzung im Verfahren. Zumindest hätte das Landgericht erläutern müssen, inwiefern der Prozess hier nur als Vorwand diente, um die Person als solche herabzusetzen. Das sei versäumt worden. Möglicherweise habe das Gericht die Äußerung unzutreffend als Schmähkritik eingestuft und damit die Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt.

Aufgrund dieses verfassungsrechtlichen Fehlers müsse sich das Landgericht mit dem Fall erneut befassen. Es müsse die unterlassene Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit nachholen und die Äußerungen des Anwalts auf dieser Basis beurteilen.

"Vorläufige Leistungen" für die Wohnung

Hilfeempfänger erhebt Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Landessozialgerichts

Das Jobcenter bewilligte einem Hartz-IV-Empfänger nur reduzierte Leistungen für die Kosten von Unterkunft und Heizung. Denn der Sachbearbeiter nahm an, dass der Mann mit seiner Freundin in einer Bedarfsgemeinschaft lebte. Gegen den Bescheid wehrte sich der Mann und beantragte beim Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz.

Tatsächlich verpflichtete das Sozialgericht das Jobcenter, dem Hilfeempfänger vorläufig die höheren Leistungen für Alleinstehende zu gewähren. Vorläufig, d.h. bis zur endgültigen Entscheidung im Rechtsstreit zwischen Jobcenter und Hartz-IV-Empfänger darüber, ob hier eine Bedarfsgemeinschaft bestand oder nicht.

Diesmal legte das Jobcenter Beschwerde ein und bekam vom Landessozialgericht (LSG) Recht. Begründung: Solange noch keine Räumungsklage erhoben sei, drohe dem Hartz-IV-Empfänger wegen der reduzierten Leistungen nicht die Obdachlosigkeit. Daher bestehe keine Notwendigkeit, ihm im Eilverfahren vorläufig höhere Leistungen zuzubilligen.

Nun war wieder der Hilfeempfänger am Zug: Er erhob gegen die Entscheidung des LSG Verfassungsbeschwerde und rügte, sie habe sein Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Das LSG habe den Fall zu schematisch beurteilt, fand das Bundesverfassungsgericht, und verwies die Sache zurück (1 BvR 1910/12). Leistungen für Unterkunft und Heizung sollten nicht nur Wohnungslosigkeit verhindern, sondern angemessene Kosten abdecken und so das Existenzminimum sichern. Dazu gehöre es auch, in der gewählten Wohnung bleiben zu können.

In Eilverfahren zu den Kosten der Unterkunft und Heizung müssten Sozialgerichte daher prüfen, welche negativen Folgen reduzierte Leistungen für die Betroffenen haben könnten. Da gehe es nicht nur um Obdachlosigkeit. Vorläufiger Rechtsschutz sei zu gewähren, wenn Antragstellern andernfalls eine erhebliche Verletzung ihrer Rechte drohe, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könne.

Das LSG habe jedoch die "Eilbedürftigkeit vorläufiger Leistungen" allein davon abhängig gemacht, ob der Vermieter schon eine Räumungsklage eingereicht habe. Nachteile oder gar Obdachlosigkeit drohten aber nicht erst dann, wenn das Mietverhältnis bereits wegen Zahlungsschwierigkeiten des Hilfeempfängers gekündigt und Räumungsklage erhoben wurde. Zu diesem Zeitpunkt sei der Verlust der Wohnung häufig gar nicht mehr zu verhindern.

Zeuge fährt Staatsanwalt über den Mund

"Ungebührliches Betragen" vor Gericht kostet den Zeugen 200 Euro Ordnungsgeld

Herr X war als Zeuge vorgeladen, um in einem Strafprozess vor dem Amtsgericht auszusagen. Es ging um üble Nachrede. Der aufgeregte Zeuge schnitt dem Staatsanwalt das Wort ab, als dieser sich äußern wollte. Laut und aggressiv sagte er zum Staatsanwalt, er habe sich nicht einzumischen — die Fragen stelle hier die Richterin.

Die Richterin brummte dem Zeugen deswegen 200 Euro Ordnungsgeld auf. Gegen diese Strafe setzte sich Herr X erfolglos zur Wehr: Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg bestätigte die Entscheidung (1 Ws 245/17). Der Zeuge habe sich ungebührlich aufgeführt, stellte das OLG fest, d.h. er habe in der Sitzung den "Gerichtsfrieden" und die Würde des Gerichts angegriffen.

Zwar sei es verständlich, dass der Zeuge sehr erregt gewesen sei. Das entschuldige aber nicht seinen Versuch, den Staatsanwalt in aggressiver Weise zu maßregeln. Das missachte zugleich das Gericht und sei inakzeptabel. Ein Zeuge dürfe nicht dem Staatsanwalt das Fragerecht nehmen. Im Gerichtssaal sei es ausschließlich die Richterin (bzw. ein Richter), die anderen Beteiligten das Wort erteile oder entziehe.

Scheidungskosten nicht von der Steuer absetzbar

Ausgaben für Prozesskosten werden generell nicht mehr als außergewöhnliche Belastung anerkannt

Bis zu einer Änderung des Einkommensteuergesetzes im Jahr 2013 wurden die Kosten einer Ehescheidung von den Finanzämtern als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Seither werden Ausgaben des Steuerzahlers für Prozesskosten grundsätzlich nicht mehr als außergewöhnliche Belastung anerkannt und vom zu versteuernden Einkommen abgezogen. Mit der Neuregelung hat der Gesetzgeber Prozesskosten bewusst vom Steuerabzug ausgeschlossen.

Ein Steuerabzug kommt demnach nur noch in Ausnahmefällen in Frage: Nämlich dann, wenn der Steuerpflichtige ohne die Ausgaben für einen Rechtsstreit seine Existenzgrundlage zu verlieren droht und selbst lebensnotwendige Bedürfnisse möglicherweise nicht mehr befriedigen kann.

Auf diese Ausnahmeregelung berief sich die Steuerzahlerin im konkreten Fall und machte die Ausgaben für ihr Scheidungsverfahren bei der Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Doch der Bundesfinanzhof wies ihre Klage gegen den Steuerbescheid ab (VI R 9/16).

Die Kosten eines Scheidungsverfahrens nähmen die Partner in der Regel nicht auf sich, um ihre Existenzgrundlage und Grundbedürfnisse zu sichern. Eine Scheidung bedrohe die wirtschaftliche Lebensgrundlage von Steuerzahlern nicht. Auch wenn bei so manchem Paar das Festhalten an der Ehe das Alltagsleben stark beeinträchtigen würde — um "existenzielle Betroffenheit" gehe es dabei nicht.

Patientin fordert Arztdaten

Klinik muss Namen und Anschrift ihrer Ärzte nur mitteilen, wenn ein Patient berechtigtes Interesse daran nachweist

Im Jahr 2012 wurde eine 28-jährige Frau in einem Krankenhaus wegen ihres Rückenleidens behandelt. Mehrmals wurde sie an der Wirbelsäule operiert, doch die Schmerzen dauerten an. Da sich die Beschwerden erst später durch andere Therapien besserten, gelangte die Patientin zu der Überzeugung, im Krankenhaus falsch behandelt worden zu sein.

Ihr Anwalt forderte von der Krankenhausträgerin die Behandlungsunterlagen und zudem Auskunft über alle behandelnden Mediziner. Diese Daten benötige er für eine Klage auf Schmerzensgeld. Die private Gesellschaft, die das Krankenhaus unterhält, stellte der Patientin die Behandlungsunterlagen zur Verfügung. Namen und Anschriften der Ärzte teilte die GmbH jedoch nicht mit. Daraufhin verklagte sie der Anwalt auf Entschädigung und in einem weiteren Verfahren auf Auskunft.

Die Klage auf Auskunft wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm abgewiesen (26 U 117/16). Ein Krankenhaus müsse Arztdaten nur mitteilen, wenn der Patient ein berechtigtes Interesse an diesen Daten nachweise, so das OLG. Dazu müsse er/sie erläutern, dass bestimmte Mediziner in einem künftigen Prozess um Behandlungs- oder Aufklärungsfehler als Anspruchsgegner oder als Zeugen beteiligt sein könnten.

Das Krankenhaus müsse aber nicht generell Namen und Anschriften aller Ärzte offenbaren, die die Patientin während ihres stationären Aufenthalts betreut hätten. Auf so pauschale Auskünfte habe die Frau keinen Anspruch. Außerdem könne sie den Behandlungsunterlagen genügend Informationen entnehmen, um die — angeblich fehlerhaft behandelnden — Ärzte auf Entschädigung verklagen zu können.

Auskunft zum Filesharing

Vom Telefonanbieter offenbarte Kunden-Bestandsdaten dürfen vor Gericht verwertet werden

Die Nutzungsrechte für das Computerspiel "Dead Island" gehören einer Onlinefirma, die das Spiel im Internet vertreibt. Als "Dead Island" an einer Internet-Tauschbörse illegal zum Herunterladen angeboten wurde, suchte die Firma nach dem Übeltäter, der ihr Urheberrecht verletzte. Sie wandte sich an die Deutsche Telekom AG als Netzbetreiberin: Bei Verletzungen des Urheberrechts kann der Rechteinhaber von Telekommunikations-Dienstleistern Auskunft verlangen.

Die Telekom teilte mit, welche Benutzerkennung und welche IP-Adressen im fraglichen Zeitraum im Spiel waren. Das Urheberrecht war nicht von einer Vertragspartnerin der Telekom, sondern von einer Kundin des Internetdienstleisters X verletzt worden. Dessen Anschlüsse laufen über das Netz der Deutschen Telekom AG. Die Computerspiel-Firma fragte nun Dienstleister X nach den Daten und X übermittelte ihr den Namen und die Anschrift der Kundin, die "Dead Island" rechtswidrig angeboten hatte.

Von der Kundin forderte die Computerspiel-Firma 860 Euro Abmahnkosten plus 500 Euro Entschädigung für das illegale Filesharing. Zunächst ohne Erfolg, denn das Landgericht war der Ansicht, die Auskunft des Dienstleisters X dürfe vor Gericht nicht als Beweis verwertet werden: Laut Telekommunikationsgesetz müsse vor einer Auskunft über "Verkehrsdaten" (= Verbindungsdaten) ein Richter prüfen, ob sie zulässig sei. Der Richter habe aber nur die Auskunft von Netzbetreiber Telekom genehmigt, nicht die Auskunft von Dienstleister X.

Der Bundesgerichtshof sah dagegen keinen Grund, die von X genannten Daten der Internetkundin vor Gericht nicht zu verwenden. Er hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Rechtsstreit zurück (I ZR 193/16). Für die Auskunft des Netzbetreibers liege eine richterliche Genehmigung vor und nur dafür sei sie notwendig, weil es dabei um Verbindungsdaten gehe. Die Telekom habe offengelegt, welche Benutzerkennung den ermittelten IP-Adressen zugeordnet war — von welchem Internetanschluss also das Filesharing ausging.

Bei der Auskunft des "Endkundenanbieters" X sei es um die Personendaten (= Bestandsdaten) der X-Kundin gegangen — dafür sei keine richterliche Erlaubnis notwendig. Die Vorinstanz habe die Klage der Computerspiel-Firma zu Unrecht wegen Beweisverwertungsverbots abgewiesen. Sie müsse sich nun inhaltlich mit der behaupteten Urheberrechtsverletzung befassen.

Lärmende Nachbarn?

Im Prozess um Mietminderung wegen Lärms muss nicht der Mieter, sondern das Gericht die Ursache des Problems klären

Mieter P wohnt in einem Mehrfamilienhaus. Bei der Hauseigentümerin hatte er sich schon öfter über unzumutbare Lärmbelästigungen im Haus beschwert. P schrieb sogar ein so genanntes Lärmprotokoll und hielt genau fest, wann er "Getrampel", "Möbelrücken" oder "Klopfgeräusche" hörte. Seiner Ansicht nach kamen die Geräusche aus der darüber liegenden Wohnung.

Weil die Vermieterin nichts unternahm, minderte P schließlich die Miete. Damit verschlimmerte er erst einmal seine Situation. Denn die Vermieterin kündigte ihm nun wegen Mietrückstands und erhob Räumungsklage. Obwohl Zeugen bestätigten, wie hoch der Geräuschpegel im Haus war, ergriff das Landgericht Partei für die Vermieterin: Wer den Lärm verursache, sei nicht bewiesen. Das Gebäude sei eben sehr "hellhörig".

P wehrte sich gegen diese Entscheidung und bekam vom Bundesgerichtshof Recht (VIII ZR 1/16). Die Bundesrichter hoben das Urteil auf und verwiesen den Rechtsstreit ans Landgericht zurück. Unverständlich fanden sie, wie die Vorinstanz zu dem Ergebnis kam, dass der Mieter nicht berechtigt war, die Miete wegen des Lärmproblems zu kürzen. Grundsätzlich müssten Mieter in so einem Fall nur die Art und den Umfang der Lärmstörungen beschreiben: was, wann, wie lange.

Sie müssten aber nicht zusätzlich die Ursache dieser Störungen korrekt benennen. Vielmehr sei es Sache des Gerichts, in dieser Sache Beweis zu erheben. Da P sich über unzumutbaren Lärm beklage, komme rücksichtsloses Verhalten von Mitbewohnern in Betracht. Aber auch mangelhafter Schallschutz könnte der Grund für das Problem sein oder eine Kombination aus beiden Gründen. Diese Frage hätte das Landgericht klären müssen.

War die Mietkürzung berechtigt, darf die Vermieterin nicht wegen Mietrückstands kündigen. P musste also seine Wohnung erst einmal nicht räumen und hat - mindestens - einen Aufschub bis zur endgültigen Entscheidung des Landgerichts erreicht.