Rechtspflege

Absichtlich bei Rot über die Ampel?

Doppeltes Bußgeld: Wer ca. 10 m vor der Ampel bei Gelb Gas gibt, handelt vorsätzlich

Ein Autofahrer war vom Amtsgericht wegen vorsätzlichen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt worden. Zwei Polizeibeamte hatten gesehen, wie er vor der Ampelanlage beschleunigte, als die Ampel von grün auf gelb umschaltete. Als die Ampel auf Rotlicht sprang, sei das Auto "ca. 2-3 Fahrzeuglängen" von der Haltelinie entfernt gewesen, berichteten die Polizisten als Zeugen.

Damit stand für das Gericht fest: Der Autofahrer habe schnell vorwärtskommen wollen. Dass er die Haltelinie bei Rot passieren würde, sei ihm egal gewesen. Gegen das Urteil legte der Autofahrer Rechtsbeschwerde ein: Vorsatz wäre nur bewiesen, wenn das Gericht festgestellt hätte, mit welcher Geschwindigkeit er sich der Ampel genähert und wann er bemerkt habe, dass die Ampel auf Gelb umschaltete.

Diese Feststellungen seien überflüssig, erklärte das Kammergericht Berlin (3 Ws (B) 131/21). Das Amtsgericht könne grundsätzlich davon ausgehen, dass Autofahrer die gut sichtbare Ampelanlage im Blick haben und sehen, wenn sie auf Gelb schalte. Der Frage, ob der Fahrer die Lage falsch eingeschätzt habe, müsse das Gericht nur nachgehen, wenn es Anzeichen dafür gebe. Im konkreten Fall habe es nicht klären müssen, ob der Autofahrer vielleicht gedacht habe, er könne die Haltelinie noch passieren, bevor die Ampel auf Rot springe.

Denn eindeutig stehe fest: Statt abzubremsen, habe der Autofahrer bei Gelblicht regelrecht Gas gegeben. Die Polizeibeamten hätten gesehen, wie der Wagen beschleunigte. Die Ampel habe bereits rotes Licht gezeigt, als sich der Wagen zwei bis drei Autolängen vor der Haltelinie befand und weiter beschleunigte. Unabhängig von der Geschwindigkeit stehe damit fest: Der Autofahrer habe das Rotlicht ignoriert oder es zumindest billigend in Kauf genommen (bedingter Vorsatz), bei Rot über die Haltelinie zu fahren. Wer eine rote Ampel vorsätzlich missachte, müsse auch doppeltes Bußgeld "in Kauf nehmen".

Mit dem Wohngeld mehrfach in Rückstand

Kurzartikel

Ist der Eigentümer mit dem Wohngeld für mehrere Wohnungen in Rückstand, darf die Eigentümergemeinschaft der Wohnanlage ihre Ansprüche gegen ihn nicht mit einer Vielzahl von getrennten Prozessen geltend machen. Ohne sachlichen Grund ist so ein Vorgehen rechtsmissbräuchlich und rechtfertigt eine Kürzung der Ansprüche. Ein akzeptabler Grund dafür, wegen jeder Wohnung einzeln zu prozessieren, läge etwa vor, wenn mit unterschiedlichen Einwänden gegen die einzelnen Forderungen zu rechnen wäre.

Landwirt verklagt Notar

Vor 30 Jahren geschlossener Ehevertrag ist sittenwidrig: Er schloss alle Ansprüche der Frau bei einer Scheidung aus

Vor etwa 30 Jahren hatte ein Landwirt mit seiner Verlobten beim Notar einen Ehevertrag geschlossen. Die schwangere Frau sollte sich um Kinder und Haushalt kümmern, eine klassische Hausfrauenehe war geplant. Falls die Ehe scheitern sollte, wollte der Mann gegen alle Ansprüche gewappnet sein — vor allem, "um den landwirtschaftlichen Betrieb zu schützen". Deshalb verzichteten die künftigen Ehepartner für den Fall einer Scheidung gegenseitig auf alle Ansprüche.

Tatsächlich betraf die Vereinbarung natürlich nur die Frau, die ja nicht berufstätig sein sollte. Versorgungsausgleich und der gesetzlich vorgesehene Unterhalt wurden ausgeschlossen. Als sich die Eheleute 2019 trennten, zweifelte die Ehefrau die Wirksamkeit des notariellen Ehevertrags an. Und das für die Scheidung zuständige Amtsgericht teilte ihre Bedenken: Der Ehefrau alle Rechte und den Versorgungsausgleich vorzuenthalten, sei sittenwidrig, fand das Gericht.

Aus diesem Grund zahlte der Landwirt seiner Frau eine Abfindung von 300.000 Euro. Dafür verlangte er vom Notar Schadenersatz wegen falscher Beratung: Wenn ihn der Notar vor der Hochzeit darauf hingewiesen hätte, dass der Ehevertrag möglicherweise unwirksam sei, hätte er seine Verlobte nicht geheiratet und viel Geld gespart, so die Begründung. Beim Landgericht Frankenthal scheiterte die Zahlungsklage des Landwirts (4 O 47/21).

Von falscher Beratung könne hier keine Rede sein, erklärte das Landgericht, vielmehr sei die geltende Rechtslage damals eine andere gewesen. Als der Ehevertrag 1991 geschlossen wurde, sei es eben noch nicht grundsätzlich als sittenwidrig bewertet worden, alle Ansprüche der Ehefrau vertraglich auszuschließen. Notare und Anwälte müssten sich bei ihren Ratschlägen an den Gesetzen und an der Rechtsprechung dazu orientieren.

Durch einige Urteile des Bundesverfassungsgerichts habe sich die Rechtslage etwa ein Jahrzehnt später grundlegend geändert. Auch wenn diese Entwicklung für den Landwirt negative Folgen gehabt habe, müsse der Notar dafür nicht geradestehen. Schließlich habe er im Jahr 1991 nicht alle künftigen Veränderungen in der Rechtsprechung zum Familienrecht voraussehen können.

Räumungsklage: Attest soll Härtefall belegen

Bestreitet der Vermieter die Depression des Mieters, ist ein Sachverständigengutachten einzuholen

Das Landgericht hatte die Räumungsklage des Vermieters abgewiesen, der für die Tochter Eigenbedarf an seiner 85 qm großen Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin geltend machte. Der Mieter lebt seit 1986 in der Wohnung und berief sich auf einen Härtefall: Er sei in seiner Umgebung fest verwurzelt und könne einen Ortswechsel nicht verkraften. Ein Psychiater bescheinigte in einem Attest, der alte Herr leide unter einer Depression. Ein Umzug würde aus ärztlicher Sicht die Krankheit unweigerlich verschlimmern.

Das Attest genügte dem Landgericht, um die Räumung als unzumutbare Härte abzulehnen: Sie sei wegen des fortgeschrittenen Alters und der schlechten gesundheitlichen Verfassung des Mieters nicht zu rechtfertigen. Doch die Revision des Vermieters gegen das Urteil hatte beim Bundesgerichtshof Erfolg (VIII ZR 6/19). Das Attest des behandelnden Arztes reiche nicht aus, um die Räumungsklage abzuweisen, so die Bundesrichter.

Das gelte jedenfalls dann, wenn die Gegenseite den Inhalt des Attests bestreite. Und so liege der Fall hier. Der Vermieter habe im Laufe des Rechtsstreits mehrfach ein Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des Mieters beantragt. Dass das Landgericht die Schilderungen aus dem Attest einfach übernommen habe, sei auch deshalb unverständlich, weil ein Gerichtsgutachter in einem ersten Kündigungsprozess erklärt habe, er finde keine Indizien für eine "klinisch relevante depressive Symptomatik" des Mieters und dafür, dass der Verlust der Wohnung zu Suizid führen könnte.

Der Bundesgerichtshof verwies den Fall an eine andere Kammer des Landgerichts zurück: Sie müsse ein Sachverständigengutachten zu "Art, Umfang und konkreten Auswirkungen der behaupteten Erkrankungen" auf die Lebensführung des Mieters einholen. Geklärt werden müssten die möglichen Konsequenzen im Fall der Räumung, also des erzwungenen Verlustes des vertrauten Umfeldes. So ein Verlust könne sich, je nach körperlicher und psychischer Verfassung des Mieters, unterschiedlich auswirken. Alter und Krankheit allein stellten jedenfalls keinen Härtefall dar, der eine Räumung grundsätzlich ausschließe.

Vermieter ließ Mietwohnung voreilig räumen

Wird das Räumungsurteil von der nächsten Instanz aufgehoben, steht den Mietern Schadenersatz zu

Das Amtsgericht hatte der Räumungsklage des Vermieters stattgegeben. Da die Mieter gegen das Urteil Berufung einlegten, war es noch nicht rechtskräftig. Trotzdem setzte der Vermieter per Zwangsvollstreckung durch, dass die Wohnung geräumt wurde. Die Familie war bereits umgezogen, als das Berufungsgericht die Kündigung für unberechtigt und die Räumung für unzulässig erklärte.

Wahrscheinlich ein eher schwacher Trost für die Mieter, dass ihnen das Landgericht Berlin Schadenersatz zusprach (65 S 4/17). Den Mietern sei durch die voreilige Vollstreckung des Räumungsurteils ein Schaden entstanden, so das Landgericht. Denn sie hätten eine teurere Wohnung neu anmieten müssen.

Vorausgesetzt, die neue Wohnung sei mit der bisherigen Wohnung vergleichbar — nach den Kriterien Ausstattung, Größe, Schnitt, Wohnlage etc. —, stehe den Mietern Schadenersatz in Höhe der Mietdifferenz zu. Dabei sei der Wohnwert beider Wohnungen nach diesen objektiven Kriterien zu beurteilen. Könnten sich die Parteien darüber nicht einigen, seien die Wohnungen von einem Sachverständigen zu bewerten.

Fazit: Vermieter gehen ein erhebliches Risiko ein, wenn sie ein noch nicht rechtskräftiges Räumungsurteil vollstrecken lassen. Das Urteil kann von der nächsten Instanz aufgehoben oder abgeändert werden. Aus welchen Gründen auch immer ein Vermieter das endgültige Urteil nicht abwarten möchte: Auf jeden Fall muss er dann für eventuelle Schäden haften. Klüger ist es daher, nicht sofort vollendete Tatsachen zu schaffen, sondern die Überprüfung des Urteils durch die Berufungsinstanz abzuwarten.

Beschwipst mit E-Scooter unterwegs

Dem Bundesgerichtshof ging die Freiheitsstrafe für einen notorischen Verkehrssünder zu weit

Keinen Führerschein, aber gerne flott unterwegs — auch und gerade nach feucht-fröhlichen Runden. Auf diese Weise brachte es der Verkehrssünder zu einem beachtlichen Sündenregister. Häufig wurde er angetrunken (mit über 1,1 Promille) auf einem Elektroroller erwischt. Einmal missachtete er die Vorfahrt eines anderen Verkehrsteilnehmers und fuhr nach dem Zusammenstoß ungerührt weiter.

Wegen über 30 Straftaten im Verkehr verurteilte das Landgericht Hechingen den Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Zudem verfügte es, dass er den Führerschein die nächsten zwei Jahre nicht zurückbekommen dürfe. Gegen das Urteil wehrte sich der Rollerfahrer und erreichte beim Bundesgerichtshof (BGH) zumindest einen vorläufigen Erfolg (4 StR 366/20). Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück.

Die Bundesrichter störte vor allem, dass das Landgericht die Vorschriften für Kraftfahrer angewendet hatte. Nicht alle E-Scooter seien als Kraftfahrzeuge einzuordnen. Um einen Rollerfahrer strafrechtlich wegen Trunkenheit im Verkehr und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu belangen, müsse zunächst einmal der benutzte Elektroroller technisch beschrieben und richtig bewertet werden. Für zahlreiche Fahrzeuge (z.B. Mofas oder elektrische Kleinstfahrzeuge) benötige man gar keine Fahrerlaubnis.

Auch die Rechtsprechung zur Fahruntüchtigkeit nach Alkoholkonsum sei für Kraftfahrer entwickelt worden. Ob man den Grenzwert von 1,1 Promille — bei Kraftfahrern Indiz für absolute Fahruntüchtigkeit — so einfach auf die Fahrer von E-Rollern übertragen könne, sei doch eher fraglich. Zudem habe das Landgericht nicht geklärt, ob der Unfall tatsächlich auf den Alkoholkonsum des Mannes zurückzuführen war. Ihn wegen Gefährdung des Straßenverkehrs zu verurteilen, sei auf dieser Basis unmöglich. Die fehlenden Feststellungen müsse das Landgericht nachholen.

Vorsicht am Bankautomaten!

Wer einem Kontoinhaber am Geldautomaten Bargeld wegnimmt, begeht Diebstahl

An Geldautomaten müssen sich die Bankkunden nicht nur vor Datenklau hüten, der Online-Betrügern den Zugriff aufs Konto ermöglicht. Es gibt auch noch "das gute alte Handwerk", wie folgender Fall zeigt. Und das heißt: Straftäter, die den Bankkunden Bargeld direkt am Automaten abnehmen.

Vier Täter gingen so vor: Sie stellten sich neben Bankkunden, die Geld abheben wollten, an den Geldautomaten. Kaum hatten die Kontoinhaber ihre EC-Karte hineingesteckt und die PIN eingegeben, wurden sie von den Tätern abgelenkt oder weggedrängt. Diese gaben dann flugs eine Auszahlungssumme (500 bis 800 Euro) ein und verschwanden mit den Geldscheinen. Einige Male bedrohten die Täter vorher die Bestohlenen, sie sollten sie nur ja nicht verfolgen, sonst werde es ihnen übel ergehen.

Das Landgericht Dortmund verurteilte die Täter zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und mehr — wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit versuchter Nötigung und/oder Körperverletzung. Gegen die Urteile legten alle Angeklagten Revision zum Bundesgerichtshof ein, allerdings ohne Erfolg (4 StR 338/20).

Ihrer Ansicht nach waren die Strafen zu hoch ausgefallen: Die geschädigten Bankkunden hätten das Geld noch nicht eingesteckt gehabt. Also hätten sie, die Täter, ihnen nichts "weggenommen". Die "Wegnahme" mache aber laut Gesetz einen Diebstahl aus.

Auch Geldscheine im offenen Ausgabefach gehörten dem jeweiligen Kontoinhaber, erklärten die Bundesrichter — so ähnlich wie einem Gemüsehändler auch Waren draußen vor dem Laden gehörten. Er könne über sie verfügen, auch wenn er nicht den ganzen Tag danebenstehe (juristisch: "Gewahrsam" — der Händler übe die Sachherrschaft über die Waren aus). Wer Geld aus dem Ausgabefach eines Automaten nehme, breche damit die Sachherrschaft des betroffenen Bankkunden.

Also handle es sich um eine Wegnahme und damit um Diebstahl. Bargeld, das ein Automat am Ende eines korrekten Abhebevorgangs ausgebe, stehe im Gewahrsam desjenigen, der diesen Vorgang durch Eingabe der Bankkarte und der PIN-Nummer in Gang gesetzt habe. Es werde nur infolge seiner Eingabe und unter Belastung seines Bankkontos freigegeben: Dass im konkreten Fall nicht die Kontoinhaber, sondern die Angeklagten den Auszahlungsbetrag eingaben, ändere daran nichts.

Vor Gericht muss man "persönlich" erscheinen

Wer krankheitsbedingt nicht erscheinen kann, muss ein nachprüfbares Attest vorlegen

Ein Wehrpflichtiger wollte als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden. Da er damit bei der Behörde nicht durchkam, zog er vor das Verwaltungsgericht Hannover. Aber auch hier wurde sein Antrag abgelehnt. Das Urteil griff er mit der Begründung an, man habe ihm das rechtliche Gehör verwehrt: Am Tag vor der Gerichtsverhandlung habe er dem Gericht eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefaxt. Daher hätte der Termin verlegt werden müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte jedoch am Vorgehen der Richter in Hannover nichts auszusetzen (6 B 32.94). In dem Attest habe man die Diagnose nicht entziffern können. Außerdem fehlten Adresse und Telefonnummer des Arztes. So ein Attest sei keine ausreichende Entschuldigung für das Nicht-Erscheinen vor Gericht. Das Verwaltungsgericht habe es daher zu Recht abgelehnt, den Termin des Wehrpflichtigen zu verlegen. Die Verhandlung ohne den Kläger habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

EuGH bremst Ryanair aus

Die Fluggesellschaft kann nicht per Vertragsklausel international irisches Recht durchsetzen

Dass die irische Billigfluglinie Ryanair im Zweifelsfall auf Verbraucherrechte pfeift, ist nichts Neues. Ein rechtliches Schlupfloch hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im November 2020 geschlossen: Bei Gerichtsverfahren in der Europäischen Union könne sich die Fluggesellschaft nicht auf die alleinige Zuständigkeit irischer Gerichte berufen — nur, weil sie es in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen so festlege (C 519/19).

Im konkreten Fall ging es um Ausgleichszahlungen für einen annullierten Flug von Mailand nach Warschau. Einige betroffene Passagiere überließen es der Inkassogesellschaft DelayFix, ihre Rechte auf Ausgleichszahlung - gemäß EU-Fluggastrechteverordnung - gegen die Airline geltend zu machen. DelayFix erhob Klage vor einem polnischen Gericht, doch Ryanair bestritt dessen Zuständigkeit.

Die Fluggesellschaft verwies auf ihre Beförderungsbedingungen, in denen steht, dass über Streitigkeiten zwischen Ryanair und Fluggästen nur irische Gerichte entscheiden dürften. Mit dem Kauf des Flugscheins akzeptierten Fluggäste diese Klausel, daran sei auch DelayFix gebunden. Außerdem könne sich DelayFix nicht auf Verbraucherschutz-Richtlinien der EU berufen, da die Firma kein Verbraucher sei.

Das Warschauer Gericht fragte beim EuGH nach, ob das zutreffe. Die Antwort: Da ursprünglich ein Vertrag zwischen einer Fluggesellschaft und einem Fluggast, also einem Verbraucher, geschlossen worden sei, könne sich DelayFix sehr wohl auf die EU-Verbraucherschutzregeln berufen: Der Beförderungsvertrag und seine Klauseln müssten diesen Bestimmungen entsprechen.

Die Regelung, dass nur irische Gerichte bei Streitigkeiten entscheiden dürften, sei mit den EU-Verbraucherschutzregeln jedoch unvereinbar. Sie werde mit den Kunden nicht im Einzelnen ausgehandelt und bevorzuge einseitig die Airline zum Nachteil der Verbraucher.

Nach EU-Recht seien bei Direktflügen Startorte und Zielorte gleichermaßen als die Orte anzusehen, an denen die vertraglich vereinbarte Dienstleistung (= die Beförderung) erbracht werde. Grundsätzlich könne deshalb ein Passagier, der Rechte geltend machen möchte, den Gerichtsstand wählen: Er/Sie könne am Ort des Abflugs oder am Ort der Ankunft Klage erheben. Dabei sei es gleichgültig, ob Verbraucher selbst klagten oder damit eine Firma beauftragten.

Richter machte es sich zu leicht

Beim Urteil gegen einen Umweltsünder nur den Gesetzestext zu wiederholen, genügt nicht

Ein Amtsrichter verurteilte einen Mann zu Geldbuße, weil er Äste einer geschützten Kiefer abgesägt hatte, die auf sein Grundstück herüberhingen. Sein Urteil begründete der Richter so: Der Umweltsünder habe gegen die örtliche Baumschutzsatzung verstoßen, denn der "Rückschnitt des Baumes (sei) ohne Genehmigung und nicht artgerecht" vorgenommen worden.

Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf rechtfertigte es diese Begründung nicht, dem Mann eine Geldstrafe aufzuerlegen (5 Ss (OWi) 450/94). Der Amtsrichter habe in seinem Urteilsspruch im wesentlichen nur den Text der örtlichen Baumschutzsatzung wiederholt. Es sei jedoch unzulässig, in einem Urteil nur die Worte des Gesetzestextes zu umschreiben oder mit gleichlautenden Worten oder allgemeinen Redewendungen wiederzugeben. Um jemanden zu verurteilen, müsse das Gericht immer alle Umstände, die die Tat beträfen, genau ausführen und erörtern.

Kind mit Kartoffelwurf verletzt?

Gericht lehnt es ab, gegen die "böse" Nachbarin eine Gewaltschutzanordnung zu erlassen

Eine alltägliche Szene: Im Hof eines Frankfurter Wohnhauses hatte ein achtjähriger Junge mit seinem Freund gespielt. Eine Frau im Nachbarhaus fühlte sich vom Kinderlärm gestört. Nicht ganz alltäglich: Anstatt sich zu beschweren, warf die Frau aus ihrem Fenster im zweiten Stock mit Kartoffeln nach den Kindern. Den Achtjährigen traf eine Kartoffel am Rücken. An einem anderen Tag soll ihn die Nachbarin am Arm festgehalten und gezogen haben.

Gegen die Kartoffelwerferin fuhren die Eltern des Kindes ganz schweres Geschütz auf. Ihr Anwalt beantragte im Namen des Jungen bei Gericht, der Frau jede Form der Annäherung und Kontaktaufnahme zu verbieten. Denn der Achtjährige habe wegen dieser Attacken geweint und könne nun aus Angst nachts nicht mehr schlafen.

Juristisch nennt man das eine Gewaltschutzanordnung. Dieses Rechtsmittel ist dazu gedacht, die Opfer von Stalking, Körperverletzungen etc. vor weiteren Angriffen zu schützen.

Das Amtsgericht Frankfurt lehnte es ab, im konkreten Fall so eine Anordnung zu erlassen (456 F 5230/20). Wenn die Nachbarin den Jungen mit einer Kartoffel treffe, stelle das keine Körperverletzung dar, erklärte das Amtsgericht. Es sei nicht ersichtlich, dass "bei dem Kind durch den Kartoffelwurf ein von seinen normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen worden sei".

Auch das behauptete Zerren am Arm sei keine Körperverletzung oder Drohung, die es rechtfertigte, ein Kontaktaufnahmeverbot auszusprechen. Wenn das Kind behaupte, es könne deswegen nicht mehr schlafen, könnte man das zwar eventuell als Folge psychischer Gewalt bewerten. Doch von einem Vorsatz der Nachbarin in dieser Hinsicht sei nicht auszugehen.

Der eingeschlafene Schöffe

Schlummert ein Laienrichter während der Verlesung der Anklage, muss neu verhandelt werden

Wer mag es dem Laienrichter verdenken: Schließlich verlas der Staatsanwalt in der Sitzung vor dem Landgericht Kassel eine Anklage, in der es um 180 (!) Fälle vermuteter Steuerhinterziehung ging. Das war wohl so öde, dass der Schöffe irgendwann gelangweilt weg-döste.

Bei Tatvorwurf Nr. 177 unterbrach ein Verteidiger den Staatsanwalt und bat den Vorsitzenden Richter zu prüfen, ob der Schöffe noch wach sei. Denn der saß mit geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund zusammengesunken auf der Richterbank.

Der Vorsitzende sprach den Laienrichter an, der eine Weile brauchte, um wieder zu sich zu kommen. Dann verlas der Staatsanwalt die restliche Anklageschrift. Wiederholt wurden die Anklagepunkte nicht, die der Schöffe verschlafen hatte. Dieser Umstand verhalf der Revision des Steuerhinterziehers zum Erfolg, den das Landgericht zu vier Jahren Gefängnis verurteilt hatte.

Schlafe ein Richter ein, während die Anklage vorgetragen werde, müsse diese erneut verlesen werden, urteilte der Bundesgerichtshof (1 StR 616/19). Die Verlesung der Anklageschrift sei ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung. Könne sie ein Schöffe nicht zur Kenntnis nehmen, weil er schlafe, sei das Gericht "nicht ordnungsgemäß besetzt". Und das sei ein zwingender Grund, den Fall neu aufzurollen, betonten die Bundesrichter.

Unter diesen Umständen werde das Urteil aufgehoben — ohne dass noch geprüft werden müsse, ob es überhaupt auf diesem Fehler beruhe. Der Bundesgerichtshof verwies das Steuerverfahren an eine andere Kammer des Landgerichts Kassel zurück. Einmal in Fahrt, rügten die Bundesrichter bei der Gelegenheit auch noch zahlreiche inhaltliche Mängel des Urteils.

OP-Tuch im Patienten gefunden

Wurde das Tuch bei der Voroperation übersehen, kann das ein grober Behandlungsfehler sein

Im September 2017 war Patient K wegen eines Tumors im Dickdarm operiert worden. Eine Nachuntersuchung im Dezember zeigte einen fast unauffälligen Befund. Doch im April 2018 wurde Herr K erneut ins Krankenhaus eingewiesen: Man vermutete einen Darmverschluss. Bei einer Darmspiegelung sichteten die Ärzte ein 25 cm großes, grünes Bauchtuch, das am Folgetag operativ entfernt wurde.

Der Patient forderte vom Krankenhausträger Schadenersatz: Das Tuch könne ja nur bei der Operation im Herbst 2017 vergessen worden sein — ein Behandlungsfehler. Doch nach Ansicht der Klinikleitung hatte sich K das Tuch selbst eingeführt. Dem schloss sich das Landgericht Leipzig an, ohne einen Sachverständigen zu befragen, und wies die Klage ab. Damit habe das Landgericht die Rechte des Patienten verletzt, kritisierte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden, und verwies den Fall an die Vorinstanz zurück (4 U 352/20).

Den Sachverhalt aufzuklären, sei in so einem Fall nur mithilfe von Experten möglich. Zumindest der äußere Anschein spreche eindeutig für einen Behandlungsfehler des OP-Personals: Denn das OP-Tuch sei genau in dem Bereich gefunden worden, der im Herbst operiert worden sei. Also sei es wohl bei der Operation übersehen worden, stellte das OLG fest. Es sei dann Sache des Klinikums zu widerlegen, dass ein Behandlungsfehler passiert sei.

Zudem sei die Annahme ziemlich gewagt, der Patient könnte sich das Bauchtuch selbst so weit eingeführt haben. Auf jeden Fall hätte das Landgericht klären müssen, ob das überhaupt möglich sei. Und wieso sollte sich der Patient selbst so drastisch geschädigt haben? Dass er auf diese Weise Schadenersatz herausschlagen wollte, sei eher unwahrscheinlich. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass man chirurgische Bauchtücher nicht überall kaufen könne.

Krankenhaus und Ärzte müssten Vorsorge treffen, um bei Operationen keine Fremdkörper zurückzulassen. Im Einzelfall könne es einen groben Behandlungsfehler darstellen, gebotene Vorsichtsmaßnahmen zu unterlassen.

Instrumente und Material wie Bauchtücher müssten vor und nach einer Operation gezählt werden. Dabei seien die einzelnen Gegenstände zu beziffern und die Übereinstimmung der Zahlen (vorher — nachher) extra zu bestätigen. Im konkreten Fall habe das Operationspersonal jedoch nur den Vermerk "Zählkontrolle: ja" notiert. Das bestätige nur pauschal, dass eine Kontrolle stattfand. Damit erfülle ein Krankenhaus nicht seine Dokumentationspflicht.

Richter verlegt Gerichtstermin, um gegen Überlastung zu demonstrieren

Kein Dienstvergehen, da eine kurze Abwesenheit angesichts der Überlastung nicht ins Gewicht fällt

Ein Berliner Amtsrichter verschob Gerichtstermine, um mit Kollegen an einer Demonstration teilnehmen zu können. Bei der Eröffnung eines neuen Gerichtsgebäudes stellten sie sich mit einem Plakat auf, das die Aufschrift trug: "Gegen Chaos und lange Verfahrensdauer an Berliner Familiengerichten".

Der Präsident des Amtsgerichts hielt die Terminverschiebung für unzulässig. Sie führe zu einer zusätzlichen Belastung des ohnehin überbeanspruchten Gerichts. Außerdem sei es mit der auf der Demonstration vertretenen Forderung unvereinbar und damit widersprüchlich, einen Termin zu verlegen. Der Präsident des Amtsgerichtes wollte deshalb disziplinarrechtlich gegen den Richter vorgehen.

Das Kammergericht in Berlin stellte sich aber auf die Seite des Richters (DGH 2/93). Zwar hätten sich Gerichtstermine wegen der Demonstration verzögert. Eine Verzögerung um wenige Stunden sei aber unbedeutend, wenn man bedenke, dass es heutzutage manchmal schon bei einfachen Bußgeldsachen vorkomme, dass ein Verfahren vier Jahre dauere. Von einem schweren Pflichtverstoß, der allein eine Dienstaufsichtsbeschwerde rechtfertige, könne daher nicht die Rede sein.

Rote Ampel überfahren

Kurzartikel

Hat die Polizei bei einem Rotlichtverstoß die Dauer der Rotlichtphase mit der ungeeichten Stoppuhr eines Smartphones gemessen, ist diese Zeitmessung vor Gericht nicht von vornherein unverwertbar. Das Amtsgericht, das über Geldbuße und Fahrverbot des Verkehrssünders zu entscheiden hat, muss dann allerdings einen so genannten Toleranzwert (0,3 Sekunden) von der gemessenen Dauer abziehen, um eventuelle Messungenauigkeiten auszugleichen.

Eigentümer verklagt die Gemeinschaft

Kurzartikel

Ein Wohnungseigentümer hat keinen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Miteigentümer wegen unterlassener Sanierung von Feuchtigkeitsschäden in seinem Teileigentum, wenn er den ablehnenden Beschluss der Eigentümerversammlung nicht angefochten und danach sein Anliegen jahrelang nicht mehr verfolgt hat. Unter diesen Umständen ist eine Schadenersatzklage rechtsmissbräuchlich.

Verkehrssünder bleibt unbekannt

In so einem Fall muss der Kfz-Halter die Verfahrenskosten tragen - aber nicht, wenn die Behörde schläft

Eine Kfz-Halterin erhielt von der Bußgeldstelle einen Anhörungsbogen zu einem Parkverstoß. Sie schrieb der Behörde, sie sei an dem Tag nachweislich nicht mit ihrem Auto gefahren. Die Bußgeldstelle bat daraufhin um die Angabe der Person, die das Fahrzeug an dem Tag benutzt habe. Diesen Brief erhielt die Halterin erst nach einem längeren Sommerurlaub.

Nun meldete sie sich bei der Behörde und bat, ihr nochmals Ort und Zeit des Parkverstoßes mitzuteilen, damit sie sich erinnern könne, wer der Fahrer des Wagens gewesen sei. Erst, nachdem die Frau einen Rechtsanwalt einschaltete, kamen die gewünschten Informationen von der Behörde. Die Kfz-Halterin gab an, ihr Ehemann sei gefahren. Mittlerweile war der Verkehrsverstoß aber verjährt.

Da der Fahrer des Wagens nicht innerhalb von drei Monaten zu ermitteln war, musste die Kfz-Halterin die Kosten des Verfahrens tragen. Das sah sie jedoch nicht ein und klagte gegen den Kostenbescheid. Das Amtsgericht Heidelberg gab ihr Recht (16 OWi 100/95). Laut Straßenverkehrsgesetz könnten dem Halter eines Kraftfahrzeugs die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn der für den Verkehrsverstoß verantwortliche Fahrer nicht rechtzeitig vor der Verjährung zu identifizieren sei.

Hier hätte die Behörde den Fahrer aber durchaus ermitteln können. Durch ihre Schreiben an die Behörde habe die Halterin eindeutig gezeigt, dass sie zur Kooperation bereit war und den Fahrer zu benennen. Wäre die Bußgeldstelle dem verständlichen Bitte um Information schnell genug nachgekommen, hätte sie den Verkehrssünder rechtzeitig gefunden. Der Kostenbescheid sei daher aufzuheben.

Geblitzt und freigesprochen

Der vermeintliche Verkehrssünder sollte trotzdem die Anwaltskosten selbst tragen

Das Auto von Herrn X war mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt worden. Wie üblich, sollte ein Radarfoto vom Fahrer den Verkehrsverstoß belegen. Doch das Amtsgericht konnte den Kfz-Halter anhand dieses Fotos nicht als Übeltäter identifizieren und sprach ihn frei.

Wird der Angeklagte in so einem Verfahren freigesprochen, übernimmt in der Regel die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und ersetzt die Ausgaben des Angeklagten, Anwaltskosten inklusive.

Im konkreten Fall sollte Herr X jedoch seinen Anwalt selbst bezahlen: Er hätte den Prozess vermeiden können, so die Begründung des Amtsgerichts, wenn er vorher die Umstände vorgetragen hätte, die ihn entlasteten. Vermeidbare Kosten müssten die Betroffenen selbst tragen.

Gegen diese Entscheidung legte der Kfz-Halter Beschwerde ein und hatte beim Landgericht Krefeld Erfolg (30 Qs 35/19). Der Vorwurf des Amtsgerichts treffe nicht zu, so das Landgericht. Vielmehr habe es hier die Verkehrsbehörde versäumt, vor dem Verfahren die notwendigen Ermittlungen anzustellen — und damit für vermeidbare Kosten gesorgt.

Sie habe nicht einmal ein Passfoto des Kfz-Halters mit dem Radarfoto abgeglichen: So ein Vergleich sei eigentlich Pflicht. Ziemlich sicher hätte schon dieses zumutbare Mindestmaß an Aufklärungsarbeit die Zweifel daran bestätigt, dass der Kfz-Halter selbst zu schnell gefahren war. Und es wären keine Prozess- und Anwaltskosten entstanden. Die Staatskasse müsse daher die Anwaltskosten von Herrn X übernehmen.

Maserati mit Vorschaden gekauft

Wie kann der Käufer nach weiterem Schaden beweisen, dass der erste fachgerecht repariert wurde?

Von einem privaten Verkäufer hatte Herr M im September 2013 einen gebrauchten Maserati gekauft (Erstzulassung 2004, Laufleistung 80.000 km, Kaufpreis 25.500 Euro). Der Käufer stellte den Wagen in die Tiefgarage der Wohnanlage und fuhr in den folgenden Monaten kaum damit. Am 24.12.2013 bekam das Ehepaar M Familienbesuch. Der Schwiegersohn parkte am Nachmittag seinen alten VW Bus neben dem Maserati.

Die Überwachungskamera in der Tiefgarage zeichnete auf, was sich in der Nacht abspielte: Ohne Fremdeinwirkung, wegen eines technischen Defekts geriet der Bus in Brand — der Maserati fing Feuer und brannte ebenfalls aus. Herr M war der Ansicht, die Kfz-Versicherung des Schwiegersohnes müsse den Kaufpreis des Maserati ersetzen.

Doch der Versicherer teilte mit, Recherchen hätten ergeben, dass das Luxusauto fast nichts mehr wert war. Der Vorbesitzer habe im Juli 2013 einen Unfall gebaut und das Gutachten eines Kfz-Sachverständigen belege wirtschaftlichen Totalschaden. Der Experte habe von einer Reparatur abgeraten, deren Kosten er auf über 41.000 Euro schätzte (bei einem Wiederbeschaffungswert von 25.000 Euro und 5.400 Euro Restwert).

M verklagte den Versicherer auf Zahlung: Von einem Vorschaden wisse er nichts, erklärte er. Ein Bekannter, der selbst einen Maserati fahre, viel davon verstehe und beim Kauf dabei war, könne bezeugen, dass der Wagen im September in tadellosem Zustand gewesen sei. Seine Ehefrau ebenfalls.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln wollte davon nichts wissen: Es reiche nicht, pauschal eine fachgerechte Reparatur zu behaupten: Herr M hätte sie schon beweisen müssen, z.B. durch eine Rechnung. Die von ihm benannten Zeugen seien an der Reparatur nicht beteiligt gewesen.

Mit dieser Argumentation war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden (VI ZR 377/18). Über Reparaturen vor dem Kauf könne der Käufer eines Gebrauchtwagens naturgemäß nichts Sicheres wissen. Da M aber behaupte, den Maserati unbeschädigt erworben zu haben, hätte ihm das OLG die Gelegenheit geben müssen, die fachgerechte Reparatur des Vorschadens durch Zeugenaussagen zu beweisen.

Das sei nicht nur durch Aussagen der Mechaniker der Kfz-Werkstatt möglich. Wenn beim Ankauf ein Experte dabei gewesen sei, hätte das OLG diesen als Zeugen anhören müssen. Offenbar habe der Bekannte den Maserati mit einem Messgerät für Lack genau geprüft und auf dieser Basis für "einwandfrei" gehalten — das sei keine "nur pauschale Behauptung". Mit dieer Vorgabe wurde der Rechtsstreit ans OLG zurückverwiesen.

Widerrufsrecht bei Verbraucherkreditverträgen

EuGH beanstandet die Widerrufsinformation in einem deutschen Immobilienkreditvertrag

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Information über das Widerrufsrecht in einem deutschen Immobiliendarlehensvertrag mit Vorgaben der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie unvereinbar ist.

Hintergrund: Verbraucher können Kreditverträge mit Unternehmen innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss widerrufen. Diese Widerrufsfrist beginnt nur zu laufen, wenn die Kreditnehmer gemäß den gesetzlichen Vorgaben über ihr Widerrufsrecht informiert wurden. Viele Verbraucher haben wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase schon versucht, sich von einem älteren, höher verzinsten Kreditvertrag zu lösen — unter Berufung auf eine fehlerhafte "Widerspruchsbelehrung". So auch im konkreten Fall.

Das Landgericht Saarbrücken hatte den EuGH gebeten, die Widerspruchsinformation in einem Immobilienkreditvertrag zu beurteilen (C-66/19). Und der EuGH kritisierte an dem Vertrag einen so genannten Kaskadenverweis: Die einschlägige Klausel verweise auf § 492 Abs.2 BGB, die wiederum auf weitere Vorschriften verweise. Der Verbraucher müsse also eine Vielzahl von Gesetzeswerken studieren, um zu erfahren, wann die Widerspruchsfrist zu laufen beginne.

Der Vertragstext selbst informiere den Verbraucher nicht hinreichend klar darüber, wie diese Frist berechnet werde, und auch nicht über weitere Bedingungen für die Ausübung seines Widerrufsrechts. Allein auf Basis der Hinweise im Vertrag könnten Verbraucher weder den Umfang ihrer vertraglichen Pflichten bestimmen, noch überprüfen, ob der Vertrag alle erforderlichen Angaben enthalte. Soweit der EuGH.

Allerdings sollten sich Verbraucher nicht zu früh freuen: Ob sie jetzt alte Verbraucherkreditverträge widerrufen können, ist trotz dieses Urteils fraglich. Denn der Bundesgerichtshof sieht die Sache anders: Kreditinstitute müssten nicht genauer formulieren als der deutsche Gesetzgeber, teilte er bereits mit. Deutsche Banken verwendeten ein per Gesetz vorgegebenes Musterformular und das enthalte die vom EuGH beanstandete Klausel. Sie hätten die Klausel deshalb anwenden müssen.

Gerichte könnten sich über gesetzliche Vorgaben nicht hinwegsetzen: Für dieses Problem müsse daher der Staat eine Lösung suchen. Bisher habe der Gesetzgeber außerdem die Verbraucherkreditrichtlinie, soweit es Immobilienfinanzierungen betreffe, ohnehin noch nicht in deutsches Recht umgesetzt. Momentan sei also offen, ob sie auf Immobiliendarlehensverträge anwendbar sei.