Rechtspflege

Gefängnis-Kanzlei ...

... stört die Ordnung in einer Strafvollzugsanstalt!

"Wer rastet, der rostet", dachte wohl ein in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech inhaftierter Rechtsanwalt. Jedenfalls zog er im Gefängnis eine kleine Kanzlei auf. Bei einer Kontrolle seiner Zelle fanden Vollzugsbeamte einen Ordner mit Schriftverkehr von Mitgefangenen: Verteidigerpost, Gerichtspost und Schreiben der Ausländerbehörde. Fünf Mithäftlinge habe er unentgeltlich beraten, erklärte der Anwalt.

Die Anstaltsleitung reagierte auf dieses berufliche Engagement mit drei Tagen Arrest wegen "erheblicher Störung der Sicherheit und Ordnung in der Vollzugsanstalt". Mit seiner illegalen Tätigkeit schaffe der Anwalt in der Anstalt eine Art "Subkultur" mit eigenen Regeln und Abhängigkeiten.

Gegen die Disziplinarmaßnahme wehrte sich der Rechtsanwalt vergeblich. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof gab der Anstaltsleitung Recht (Vf. 3-VI/09). Der Anwalt dürfe derzeit seinen Beruf nicht ausüben, im Gefängnis schon gar nicht. Aufgrund seines Verstoßes einen Arrest als Disziplinarmaßnahme anzuordnen, verletze die bayerische Landesverfassung nicht und sei außerdem verhältnismäßig, d.h. dem Fehltritt angemessen.

"Mietvertrag kostenfrei"

Mit dieser Werbung bietet ein Makler keine unzulässige Rechtsberatung an

Eine Maklerfirma schaltete in Zeitungen Suchanzeigen für Wohnungen und Häuser, die so oder so ähnlich formuliert waren: "Vorstand sucht Einfamilienhaus ... zur Miete. Für Vermieter kostenfrei. Mietvertrag ebenfalls kostenfrei." Ein Anwaltsverein, der sich u.a. dem Kampf gegen unzulässige Rechtsberatung widmet, kritisierte das Inserat als Angebot unentgeltlicher Rechtsberatung. Das verstoße gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und sei wettbewerbswidrig.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe lehnte es ab, die Werbung zu verbieten (6 U 64/10). Ein durchschnittlich informierter Leser werde der Anzeige nur entnehmen, dass die Maklerfirma potenziellen Vermietern anbiete, ihnen ein Vertragsformular kostenlos zu überlassen und beim Ausfüllen behilflich zu sein. Um passende Objekte zu finden und von Kunden Provision zu erhalten, biete die Firma potenziellen Vermietern an, ihren Aufwand zu reduzieren.

In der Regel würden beim Vertragsschluss Formulare verwendet (vom Mieterverein oder von Verbänden der Hauseigentümer), die man auch im Schreibwarenladen bekomme. Schon deshalb werde kein Leser die Anzeige so interpretieren, dass die Maklerfirma kostenlos spezielle, nach individuellen Wünschen "maßgeschneiderte" Verträge erarbeite. Hier gehe es nicht um Rechtsberatung - d.h. um die substanzielle Prüfung der Rechtssituation im Einzelfall -, die Anwälten vorbehalten sei.

Vielmehr setze die Maklerfirma nur die Angaben der Kunden ins Mietvertragsformular ein. Selbst wenn nebenbei rechtliche Fragen beantwortet würden (wie z.B. über die zulässige Höhe einer Mietkaution und dergleichen), sei das noch nicht rechtswidrig. So ein Service gehöre nämlich als Nebenleistung zum Beruf eines Maklers und hänge sachlich mit dessen Tätigkeit zusammen.

Häftling muss Hund hergeben

Verwaltungsgericht: Das Tier wird nicht auf Kosten der Steuerzahler untergebracht!

Der Hundehalter musste für 14 Monate ins Gefängnis. Bevor er im November 2010 seine Haftstrafe antrat, hatte er seinen 14 Jahre alten Hund einem Nachbarn übergeben. Der bemerkte, dass das Tier krank war und schaltete die Amtstierärztin ein. Sie behandelte den Hund und ließ ihn in eine Hundepension bringen. Zudem verschrieb sie Medikamente, die monatlich 60 Euro kosteten.

Der Hundehalter konnte diese Summe nicht aufbringen. Daraufhin teilte ihm der Landrat mit, wenn er das Tier nicht bis Januar 2011 angemessen unterbringe, werde das Tierheim nach einem neuen Besitzer suchen. Der Hundehalter scheiterte beim Verwaltungsgericht Aachen mit seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen diese Maßnahme (6 L 5/11).

Sie greife zwar in das Recht auf Eigentum ein, so die Richter, doch das Tierschutzgesetz ermögliche in Ausnahmefällen so einen Eingriff. So ein Fall liege hier vor, denn der Hund sei schon vor der Freiheitsstrafe des "Herrchens" vernachlässigt worden. Die Tiermedizinerin habe festgestellt, dass er nicht artgerecht gehalten wurde. Und gegen seine Krankheit sei nichts unternommen worden.

Da der Hund schon sehr alt sei, sei es für ihn allemal das Beste, nun endlich in "gute Hände" gegeben zu werden. Außerdem könne der mittellose Hundebesitzer Unterkunft und Medikamente nicht bezahlen. Wenn ein Hundehalter ins Gefängnis müsse, könne er sich nicht darauf verlassen, dass das Tier unterdessen auf Kosten der Steuerzahler aufgepäppelt werde.

Transsexueller Häftling ...

... möchte in seiner Zelle Frauenkleider tragen

In einem niedersächsischen Gefängnis beantragte ein Häftling bei der Anstaltsleitung die Erlaubnis, Frauenkleider und Unterwäsche kaufen zu dürfen: Er wolle sie nur abends in der Zelle tragen. Seit langem sei er transsexuell und wolle jetzt erproben, wie es sich anfühle, im Alltag als Frau aufzutreten.

Das lehnte die Anstaltsleitung als "sozialunverträglich" ab. Außerdem könnte die sexuelle Orientierungslosigkeit des Mannes die Mitgefangenen zu Übergriffen anstacheln, wenn sie die Sachen entdeckten. Gegen diese Abfuhr legte der Gefangene Rechtsbeschwerde ein und bekam vom Oberlandesgericht Celle Recht (1 Ws 29/11 (StrVollz)).

Die Überlegungen der Anstaltsleitung rechtfertigten es nicht, dem Häftling das Tragen von Frauenkleidern zu verbieten. Da der Mann die Frauenkleider nach dem Einschluss in der Zelle tragen wolle, könne das nicht "sozialunverträglich" sein. Denn da habe er ja keinen Kontakt zu Mitgefangenen.

Auch im Gefängnis gelte Diskriminierungsverbot. Nur wenn es notwendig wäre, um Sicherheit und Ordnung im Gefängnis zu garantieren, dürfte die Anstaltsleitung dem Häftling untersagen, seine transsexuelle Neigung auszuleben. Dann müsste sie aber in erster Linie gegen diejenigen vorgehen, von denen eine rechtswidrige Bedrohung ausgehe und nicht gegen den Häftling, der ein ihm zustehendes Recht ausübe.

Blutprobe bei einem Autofahrer ...

... ohne richterliche Anordnung führt nicht zwingend zu Beweisverwertungsverbot

Wenn bei einem Autofahrer die Blutalkoholkonzentration geprüft werden soll, muss das von einem Richter angeordnet werden ("Richtervorbehalt"). Nur bei "Gefahr im Verzug" dürfen Polizisten darauf verzichten und die Blutprobe selbst in die Wege leiten. Zwei Autofahrer, die wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, erhoben Verfassungsbeschwerde, weil keine richterliche Anordnung vorlag.

Im ersten Fall hatte ein Polizist aus dem Streifenwagen eine Polizeidienststelle angerufen und darum gebeten, einen richterlichen Beschluss anzufordern. Erst als der Diensthabende mitteilte, er könne telefonisch keinen Richter erreichen (Sonntag!), ordnete der Beamte vor Ort die Blutprobe an. Doch der Vorgang wurde nicht in den Akten dokumentiert. Im zweiten Fall hatte die Polizei ebenfalls vergeblich am Sonntag nach einem Richter gesucht: Am zuständigen Amtsgericht existierte kein nächtlicher richterlicher Eildienst.

Die Verkehrssünder rügten, ihre Grundrechte auf Rechtsschutz und faires, rechtsstaatliches Verfahren sei durch das staatliche Vorgehen verletzt worden. Das Amtsgericht hätte seinen Urteilen nicht das Ergebnis der Blutprobe als Beweismittel zu Grunde legen dürfen ("Beweisverwertungsverbot"). Dem widersprach das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 1596/10, 2 BvR 2346/10).

Es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Vorschriften ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehe. Das sei nur ausnahmsweise bei sehr schweren Verfahrensfehlern der Fall bzw. wenn Polizisten willkürlich "Gefahr im Verzug" annähmen. Weder eine fehlende Dokumentation, noch das Fehlen eines richterlichen Bereitschaftsdienstes rechtfertigen ein Verwertungsverbot.

Hier sei der Richtervorbehalt nicht willkürlich oder absichtlich umgangen worden. Im Übrigen gehöre der Grundsatz, dass eine Blutprobe von einem Richter anzuordnen sei, nicht zu den unverzichtbaren rechtsstaatlichen Grundsätzen, sondern beruhe auf einer Entscheidung des Gesetzgebers. Ein Verstoß gegen die Prinzipien eines fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens liege hier nicht vor.

Großeltern betreuen nach dem Tod der Mutter den Enkel

Gegen eine Gerichtsentscheidung zum Sorgerecht können sie keine Beschwerde einlegen

Das Sorgerecht für den nichtehelich geborenen Sohn hatte die Mutter allein ausgeübt. Der Vater des Kindes war zwei Jahre im Gefängnis, traf den Jungen danach ein paar Mal, aber nicht regelmäßig. Im Februar 2008 starb die Mutter, ihre Eltern nahmen das Kind zu sich. Vergeblich beantragten sie die Vormundschaft.

Das Amtsgericht übertrug statt dessen dem Vater das Sorgerecht, allerdings sehr eingeschränkt. Die Großmutter sollte die Vermögenssorge übernehmen, als Ergänzungspfleger sollte sich die "Katholische Jugendfürsorge" um die gesundheitlichen und schulischen Belange des Jungen kümmern.

Gegen diesen Beschluss legte die Großmutter Beschwerde ein, die allerdings schon aus formellen Gründen beim Bundesgerichtshof scheiterte (XII ZB 241/09). Damit die einschlägigen Prozesse nicht ausuferten, so die Bundesrichter, habe der Gesetzgeber den Personenkreis, der in Familiensachen zu einer Beschwerde berechtigt sei, im Familiengerichts-Reformgesetz von 2008 bewusst klein gehalten. Es gebe kein allgemeines Beschwerderecht für Verwandte. Diesen Willen des Gesetzgebers müssten die Fachgerichte respektieren.

Auch wenn die Großmutter bei dem Jungen an die Stelle der Mutter getreten sei und sich auf das Elternrecht berufen könne: Die Entscheidung des Amtsgerichts beeinträchtige ihre Rechte nicht. Denn der ihr übertragene Bereich des Sorgerechts stehe ihr unverändert zu, die der Jugendfürsorge übertragenen Kompetenzen habe sie niemals innegehabt.

Dass der Junge bei den Großeltern bleiben solle, habe ohnehin niemand in Frage gestellt, weder der Amtsrichter, noch der Vater des Kindes. Das Familienleben von Großeltern und Enkel bleibe bestehen.

Fußballfan mit Mundschutz unterwegs

Das ist eine verbotene Schutzwaffe im Sinn des Versammlungsgesetzes

Am "Bieberer Berg" in Offenbach fand im Sommer 2009 ein DFB-Fußballpokalspiel statt. Vor dem Stadion wurden die üblichen Personenkontrollen durchgeführt. Bei einem Besucher fanden die Kontrolleure - im Schuh versteckt! - einen schwarzen Mundschutz, wie ihn auch die Boxer während des Kampfes tragen. Der Verein erstattete Anzeige. Das damals 21-jährige Mitglied eines Fanclubs erklärte, er habe sich mit der "passiven Waffe" vor Konflikten zwischen Fans schützen wollen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied, dass so ein Mundschutz zu den "Schutzwaffen" zählt, die laut Versammlungsgesetz während Versammlungen oder Demonstrationen unter freiem Himmel verboten sind (2 Ss 36/11). Schutzwaffen seien dazu bestimmt, den Körper bei kämpferischen Auseinandersetzungen zu schützen. Wer so etwas bei sich trage, sei offenkundig gewaltbereit.

Ein Mund- oder Zahnschutz werde bei Kampfsportarten (Boxen etc.) eingesetzt, um die Mundpartie vor den Auswirkungen von Schlägen zu schützen. Also stelle er eine passive Waffe im Sinne des Versammlungsgesetzes dar. Das werde vom Gesetzgeber als sicheres Indiz für Gewaltbereitschaft, d.h. potenziell aggressives Verhalten gewertet.

Dabei komme es nicht darauf an, ob die Schutzwaffe tatsächlich bestimmungsgemäß benutzt wurde. Bereits das Mitnehmen so eines Abwehrmittels verstoße gegen das Versammlungsgesetz. Über die Sanktion, mit der der Verstoß geahndet werden solle, entscheide das Amtsgericht als Vorinstanz.

Frist versäumt: Schriftsatz Minuten zu spät gefaxt

Anwaltsverschulden: Er muss die Uhrzeit am Faxgerät regelmäßig überprüfen

Für einen Mandanten sollte der Anwalt Berufung gegen ein Urteil einlegen. Die Frist dafür lief am 12. April 2010 um 24 Uhr ab. Beim Landgericht kam die Berufungsbegründung des Anwalts per Fax am 13. April um 00.03 Uhr an. In der Absenderzeile des Faxschreibens stand allerdings als Uhrzeit 23.49 Uhr. Um 23.51 Uhr druckte das Faxgerät des Anwalts einen Sendebericht aus, der die vollständige Übertragung des Schriftsatzes bestätigte.

Ursache der Abweichung: Der Dienstleister, der die Kopierer und Faxgeräte der Anwaltskanzlei wartete, hatte die Zeit falsch eingestellt. Vergeblich beantragte der Rechtsanwalt beim Landgericht, seinen Mandanten so zu behandeln, als hätte er die Frist nicht versäumt ("Wiedereinsetzung in den vorigen Stand").

Das komme nicht in Frage, entschied der Bundesgerichtshof, denn für die Verspätung sei der Rechtsanwalt verantwortlich (III ZB 55/10). Wenn er die Zeit bis zum Fristablauf bis zur letzten Minute nutze und sich dabei auf die Zeitanzeige des Faxgeräts verlasse, dann müsse er Vorsorge treffen und die technischen Voraussetzungen schaffen, um die Frist einhalten zu können.

Entweder sei das Faxgerät technisch in der Lage, kontinuierlich selbständig die Zeitanzeige mit der gesetzlichen Zeit abzugleichen. Oder - wenn ein Faxgerät dies nicht könne -, dann müsse der Anwalt für regelmäßige Kontrolle der Zeiteinstellung am Faxgerät sorgen. Er dürfe nicht einfach dem Techniker des Wartungsbetriebs vertrauen, sondern er müsse sein Büropersonal beauftragen, die Zeitanzeige in bestimmten Abständen zu prüfen.

Die Signale müssten am letzten Tag der Frist vom Telefaxgerät des betreffenden Gerichts bis 24 Uhr vollständig empfangen sein. Auf den Zeitpunkt des Ausdrucks des Faxschreibens komme es nicht an.

Familiengericht verordnet Psychotherapie

Mutter wehrt sich gegen Auflage beim Verfahren ums Sorgerecht

Die unverheiratete Frau hatte zwei Kinder, eine 2001 geborene Tochter und einen 2005 geborenen Sohn. Auf Anregung des Jugendamts entzog das Familiengericht der psychisch labilen Mutter 2008 teilweise das Sorgerecht für ihren Sohn. Er wurde in einer Pflegefamilie untergebracht. Jugendamt und Verfahrenspflegerin überredeten die Frau zu einer Psychotherapie, um "im Interesse der Tochter an ihrer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit" zu arbeiten.

Bei einem erneuten Verfahren um das Sorgerecht verpflichtete das Amtsgericht die Mutter dazu, die Psychotherapie "bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, den das Jugendamt - in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten - als erforderlich ansieht". Dagegen erhob die Frau Verfassungsbeschwerde und bekam vom Bundesverfassungsgericht Recht (1 BvR 1572/10).

Für diesen Eingriff in die Privatsphäre der Mutter gebe es keine Rechtsgrundlage. Ein Psychotherapeut versuche, in Interaktion mit dem Patienten, persönliche Verhaltensweisen und/oder die Persönlichkeitsstruktur zu ändern, um psychische Störungen bzw. Leiden zu beheben oder zu mindern. So eine Analyse der seelischen Verfassung und der Denkweise fordere vom Patienten intensive Mitarbeit und eine Auseinandersetzung mit sich selbst.

Ob jemand so eine Einflussnahme auf die eigene Person zulassen wolle oder auch nicht, könne der/die Betroffene nur selbst entscheiden. Eine Therapie zwangsweise zu verordnen, wenn der Patient dazu nicht bereit sei, verspreche wenig Erfolg. Sollte sich die Mutter gegen die Therapie entscheiden und ihre psychische Verfassung tatsächlich das Kindeswohl gefährden, müsse das Familiengericht andere Maßnahmen anordnen, um dies zu verhindern (Jugendhilfe, Entzug des Sorgerechts etc.).

"Zertifizierter Testamentsvollstrecker"

Wenn ein Rechtsanwalt sich so nennt, muss er über einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen verfügen

Ein Regensburger Rechtsanwalt bezeichnet sich im Briefkopf als "Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)", seit ihm die Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge (AGT) ein Zertifikat ausgestellt hat. Vorher hatte der Anwalt an Leistungskontrollen der AGT teilgenommen. Über zwei Jahre Berufserfahrung als Anwalt verfügte er, mehr setzt die AGT nicht voraus.

Die Rechtsanwaltskammer Nürnberg beanstandete den hochtrabenden Titel "Zertifizierter Testamentsvollstrecker" als irreführend, weil der Betreffende auf diesem Gebiet fast keine praktischen Erfahrungen habe. Erst zwei Mal sei er als Testamentsvollstrecker tätig gewesen. Das genügte auch dem Bundesgerichtshof nicht (I ZR 113/10).

Anders als die Rechtsanwaltskammer meine, widerspreche die Bezeichnung zwar nicht dem Berufsrecht der Anwälte: Die "Kundschaft" wisse schon, dass das eine Tätigkeitsbeschreibung sei und kein Beruf. Und dass jemand sich in diesem Bereich auskenne, sei eine wichtige Information für Rechtssuchende.

Aber diese erwarteten von einem "zertifizierten Testamentsvollstrecker" dann auch besondere theoretische Kenntnisse im Erbrecht und praktische Erfahrungen in diesem Bereich. Daher sei es irreführend, wenn ein Anwalt mit wenig Erfahrung sich so nenne. Ein zweimaliger Einsatz als Testamentsvollstrecker werde diesen Erwartungen nicht gerecht.

Mandant linkt Anwalt

Honorarvereinbarung, die das Mindestentgelt unterschreitet, ist unwirksam

Ein Münchner engagierte einen Rechtsanwalt für einen Prozess. Sie vereinbarten ein Stundenhonorar von 220 Euro. Zunächst enthielt der Vertrag auch die Klausel, dass als Mindestentgelt das gesetzliche Honorar gelten sollte. So eine Klausel sei bei einem Bagatellverfahren überflüssig, meinte der Mandant, und strich sie mit Einverständnis des Rechtsanwalts. Die Vorhersage lag daneben, der Anwalt benötigte deutlich mehr Zeit als gedacht.

Schließlich stellte er (entsprechend dem vereinbarten Stundensatz) seinem Mandanten 9.680 Euro in Rechnung. Doch der Mandant erklärte, mehr als die gesetzlichen Gebühren von 3.135 Euro werde er nicht zahlen. Die Honorarvereinbarung sei unwirksam: In gerichtlichen Angelegenheiten dürfe nämlich kein Honorar vereinbart werden, das die gesetzliche Vergütung unterschreite. Genau das sei jedoch geschehen, weil die Klausel zum gesetzlichen Honorar gestrichen wurde.

Darauf habe der Mandant doch selbst bestanden, wunderte sich der Anwalt, damit könne er doch jetzt nicht die Honorarvereinbarung aushebeln. Kann der Mandant doch, erfuhr der Rechtsanwalt vom Amtsgericht München, das seine Klage auf Zahlung des Differenzbetrags abwies (223 C 21648/10). Die Vereinbarung verstoße gegen die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), so der Amtsrichter.

Um Preiswettbewerb im Bereich der Rechtspflege zu verhindern, verbiete es die BRAO, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren als im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgesehen. Die ursprünglich im Vertrag enthaltene Klausel habe dies berücksichtigt: Sie zu streichen, sei unzulässig. Das müsse ein Anwalt wissen. Deshalb spiele es jetzt keine Rolle mehr, dass der Vorschlag - anscheinend wohl überlegt - vom Mandanten stammte. Wenn ein Rechtsanwalt, um den Auftrag nicht zu verlieren, etwas Gesetzwidriges vereinbare, müsse er die Konsequenzen tragen.

Streit zwischen Münchner Nachbarn ...

... um einen kaputten Zaun gehört vor die Schlichtungsstelle

Ein klassisches Tauziehen zwischen Nachbarn: Neben dem Holzlattenzaun an der Grenze zwischen zwei Anwesen wuchs (auf dem Grundstück von A) eine Kiefer mit den Jahren zu stattlicher Größe heran. Nachbar B stellte eines Tages fest, dass sich die Querlatten am Zaun verschoben hatten und von den senkrechten Pfosten ablösten. Die Baumwurzeln "quollen als dunkle Masse" aus dem Boden.

B forderte A auf, den Zaun zu reparieren. Der Wildwuchs der Kiefer zerstöre den Zaun. A wies das zurück und konterte, ein Grenzzaun sei von beiden Seiten zu pflegen. B habe aber auch "nie was dran gemacht". Nach diesem Streitgespräch zog B vor Gericht, um feststellen zu lassen, dass A zur Reparatur verpflichtet war. Doch das Amtsgericht München erklärte den Kontrahenten, sie seien hier an der falschen Adresse (173 C 33578/10).

Nach dem "Bayerischen Schlichtungsgesetz" seien Streitigkeiten zwischen Nachbarn, die sich direkt oder indirekt um "Überwuchs an der Grundstücksgrenze" drehten, erst einmal einer Schlichtungsstelle vorzulegen. Diese Regelung gelte auch für Folgeschäden, die indirekt durch Baumbestand an der Grenze hervorgerufen würden.

Schlichtungsstellen - Notare, zugelassene Rechtsanwälte u.a. - sollten die Gerichte entlasten und dazu beitragen, Konflikte rascher und günstiger zu lösen. Darüber hinaus sei damit die Idee verbunden, dass eine erfolgreiche Schlichtung nicht nur den aktuellen Konflikt lösen, sondern allgemein das (dem Konflikt zugrunde liegende) persönliche Verhältnis der Nachbarn befrieden könne.

P.S.: Das Amtsgericht München empfiehlt zu diesem Thema eine Broschüre des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: "Schlichten ist besser als Prozessieren".

Kosten für Zivilprozesse ...

... sind künftig unter bestimmten Bedingungen von der Steuer absetzbar

Gut für die Steuerzahler: Wer mit genügend Aussicht auf Erfolg einen Zivilprozess führt, kann künftig die Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastung von der Steuer absetzen, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) - und änderte damit seine Rechtsprechung. Bisher wurden Prozesskosten nur als außergewöhnliche Belastung anerkannt, wenn es um Rechtsstreitigkeiten von "existenzieller Bedeutung" für den Steuerzahler ging.

Der konkrete Fall: Eine Angestellte war 2004 länger krank. Nach dem Ende der Lohnfortzahlung erhielt sie Leistungen von der Krankentagegeldversicherung. Als nach einem halben Jahr feststand, dass sie dauerhaft berufsunfähig war, zahlte die Krankenversicherung kein Krankentagegeld mehr. Erfolglos verklagte daraufhin die Angestellte die Versicherung auf Fortzahlung.

Die Kosten des verlorenen Rechtsstreits (etwa 10.000 Euro) wollte die Frau bei ihrer Einkommensteuererklärung für 2004 steuermindernd berücksichtigt wissen. Das wurde vom Finanzamt und vom Finanzgericht abgelehnt. Begründung: Die Angestellte lebe in intakter Ehe und könne auf ein Familieneinkommen von ca. 65.000 Euro jährlich "zurückgreifen".

Doch der BFH hob das Urteil auf (VI R 42/10). Unabhängig vom Gegenstand des Prozesses können künftig Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung der Steuerzahler berücksichtigt werden. Unter zwei Voraussetzungen: Die Selbstbeteiligung (abhängig vom Einkommen) für außergewöhnliche Belastungen darf nicht überschritten sein. Und die Klage darf nicht "mutwillig erscheinen", d.h. sie muss hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Ein Erfolg muss "mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg".

Um dies im Fall der Angestellten zu überprüfen, verwies der BFH den Streit ans Finanzgericht zurück.

Versicherung zahlt nicht super-pünktlich

Deswegen muss die Versicherte nicht sofort einen Anwalt einschalten

Eine Münchnerin hatte eine private Rentenversicherung abgeschlossen. Mit dem Versicherungsunternehmen war vereinbart, dass es die Versicherungssumme als einmalige Kapitalabfindung von 23.815 Euro auszahlen sollte - am 1. März 2011. Als das Geld an diesem Tag nicht auf ihrem Girokonto einging, schaltete die Versicherte auf der Stelle einen Anwalt ein, der die Zahlung anmahnte. Am 6. März wurde dann der Betrag überwiesen.

Darüber hinaus forderte die Frau vom Versicherer Schadenersatz für die Anwaltskosten von 294 Euro. Das Unternehmen winkte ab: Einen Anwalt zu beauftragen, sei überflüssig gewesen. Ein Anruf hätte genügt. So sah es auch das Amtsgericht München und wies die Zahlungsklage der Versicherten ab (133 C 7736/11).

Die Versicherung müsste die Anwaltskosten nur erstatten, wenn es notwendig und zweckmäßig gewesen wäre, einen Anwalt einzuschalten. Für einfach gelagerte Fälle wie diesem - eine etwas zu spät ausgezahlte Versicherungssumme - brauche man keine Rechtskenntnisse. Die Versicherte hätte ohne weiteres beim Versicherer anrufen und nachfragen können, warum sich die Auszahlung verzögerte.

Allein die Tatsache, dass der Betrag nicht pünktlich am 1. März auf dem Konto gelandet sei, begründe nicht den Verdacht, dass die Zahlung böswillig versäumt bzw. verzögert werde. Da müsse man sein Anliegen nicht gleich durch ein Anwaltsschreiben verfolgen. Die Versicherte hätte erst mal selbst nachhaken sollen. Am Telefon hätte sie dann ja ankündigen können, dass sie das Geld dringend brauchte und demnächst einen Anwalt einschalten werde.