Rechtspflege

Mutter Alkoholikerin?

Im Prozess um das Sorgerecht für Kinder darf der Richter keine ärztliche Untersuchung anordnen

Bei der Scheidung war der Frau das Sorgerecht für die beiden Kinder zugesprochen worden. Damit war ihr Ex-Mann nicht einverstanden. Beim Amtsgericht beantragte er, ihr das Sorgerecht zu entziehen und auf ihn zu übertragen. Sie sei alkoholkrank und daher nicht in der Lage, die Kinder zu erziehen, argumentierte der Vater.

Um diese Einschätzung prüfen zu lassen, wollte der Amtsrichter die Frau zum Gesundheitsamt schicken. Hier sollten die Ärzte unter anderem die Leberwerte aufnehmen, um den Grad einer eventuellen Alkoholkrankheit festzustellen. Gegen diesen Beschluss wehrte sich die Frau, weil er erheblich in ihre Persönlichkeitsrechte eingreife. Das Oberlandesgericht Oldenburg gab ihr Recht und hob den Beschluss auf (2 WF 55/07).

Auch wenn das Gericht ermitteln müsse, ob die Vorwürfe des Vaters zuträfen, gelte hier der Grundsatz: Ohne Rechtsgrundlage dafür könne niemand gezwungen werden, an einer ärztlichen Untersuchung mitzuwirken. Im Familienrecht existiere keine solche Rechtsgrundlage. Im Rahmen eines Streits um das Sorgerecht für Kinder sei es daher unzulässig, einen Elternteil aufzufordern, sich beim Gesundheitsamt untersuchen zu lassen.

Staatsanwaltschaft durchsucht Arztpraxis

Bei vagem Verdacht auf Abrechnungsbetrug ist das unverhältnismäßig

Mit dem gerne verklärten Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient kann es hier nicht weit her gewesen sein: Eine Privatpatientin beanstandete die Abrechnung ihrer Ärztin, weil diese für eine Ultraschalluntersuchung 74,71 Euro berechnete. Die Frau konnte sich an keine Ultraschalluntersuchung am fraglichen Tag erinnern. Daraufhin übersandte ihr die Ärztin Abdrucke von Ultraschallbildern, auf denen ihr Name, Datum und Uhrzeit aufgedruckt waren.

Davon ließ sich die Patientin jedoch nicht beeindrucken: Das seien ja wohl Bilder der Vorjahresuntersuchung, bei denen das Datum ausgetauscht wurde - oder Bilder einer anderen Patientin, bei denen der Name ausgetauscht wurde. Zur aufgedruckten Uhrzeit sei sie nicht in der Praxis gewesen. Ihr Ehemann ging zur Polizei und erstattete Anzeige wegen Abrechnungsbetrugs.

Die Staatsanwaltschaft leitete gegen die Medizinerin ein Ermittlungsverfahren ein und durchsuchte ihre Praxis- und Laborräume. Gefunden wurde nichts, was die Vorwürfe belegt hätte. Die Beschwerde der Ärztin gegen den Durchsuchungsbeschluss wurde vom Landgericht abgewiesen, erst ihre Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Durchsuchung für rechtswidrig (2 BvR 1219/07). Der Tatverdacht gegen die Ärztin sei über Vermutungen und vage Indizien nicht hinaus gegangen. Angesichts dessen - und bei dem geringen Schaden von 74,71 Euro - sei es unverhältnismäßig gewesen, die Arztpraxis zu durchsuchen.

Die Ultraschallbilder sprächen dafür, dass die Untersuchung tatsächlich durchgeführt wurde. Das habe auch das Landgericht eingeräumt, es habe den Gedanken wegen der abweichenden Uhrzeit aber wieder verworfen. Das sei unverständlich: Die korrekte Wiedergabe der Uhrzeit sei keine zentrale Funktion eines Ultraschallgeräts, ein technischer Fehler könne leicht zu einem falschen Ausdruck führen. Warum der Staatsanwalt die Bilder für weniger überzeugend hielt als den vagen Verdacht der Patientin, sei nicht nachvollziehbar.

Zu Unrecht wegen Ruhestörung abgemahnt?

Mieter geht gerichtlich gegen die Abmahnung vor - unzulässige Klage

Eines Tages erhielt der Mieter Post von der Vermieterin, die das Schreiben als "Abmahnung" bezeichnete. Andere Hausbewohner hätten sich über ihn beschwert, teilte sie mit, weil er ständig sein Fernsehgerät überlaut einstelle. Für den Fall einer erneuten Beschwerde wegen Ruhestörung drohte die Vermieterin an, den Mietvertrag fristlos zu kündigen.

Der Mieter hielt den Vorwurf für absurd und die Abmahnung für unberechtigt. Diesen Standpunkt wollte er unbedingt von der Justiz bestätigt bekommen. Dafür gibt es jedoch keine Rechtsgrundlage, erfuhr er beim Bundesgerichtshof (VIII ZR 139/07). Weder im Mietvertragsrecht, noch im Bürgerlichen Gesetzbuch sei vorgesehen, dass Mieter gegen unberechtigte Abmahnungen vorgehen könnten.

Und das sei kein Zufall. Denn eine Abmahnung bewirke nichts weiter, als dem Mieter ein Fehlverhalten vor Augen zu führen. Das habe keinerlei Konsequenzen für einen späteren Rechtsstreit. Werde der Mietvertrag gekündigt und komme es in einem Prozess auf das abgemahnte Fehlverhalten an, müsse der Vermieter - wenn der Mieter eine Pflichtverletzung bestreite - diese belegen. Diesen Beweis müsse der Vermieter führen, ob er nun abgemahnt habe oder nicht.

Im Arbeitsrecht könne ein Arbeitnehmer verlangen, dass eine unberechtigte Abmahnung zurückgenommen werde. Dieses Prinzip sei aber auf das Mietrecht nicht übertragbar. Denn es beruhe auf einer sehr ausgeprägten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die im Mietrecht nicht existiere.

Jugendamt wendet sich gegen Umgangsrecht für einen Vater

Ist das Kindeswohl gefährdet, muss das Amtsgericht Schutzmaßnahmen treffen

Die (unverheirateten) Eltern des Jungen hatten sich getrennt. Das Kind lebte bei der Mutter. Da der Vater auf die schiefe Bahn geraten war, fürchteten die Mutter und Mitarbeiter des Jugendamts, der Umgang mit dem Vater könnte dem Jungen schaden. Das Jugendamt beantragte deshalb beim Amtsgericht, den Kontakt zwischen Vater und Kind zu verbieten.

Der Amtsrichter lehnte dies ab. Dagegen legte das Jugendamt Beschwerde ein und bekam vom Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken Recht (9 UF 167/06). Wenn das Jugendamt dem Gericht Fakten vorlege, die eine Gefahr für das Kindeswohl anzeigten, so das OLG, dann dürfe sich das Amtsgericht nicht darauf beschränken, den Antrag zurückzuweisen. Das Amtsgericht sei zwar inhaltlich nicht an den Antrag des Jugendamts gebunden. Es müsse aber jedenfalls alle wesentlichen Umstände ermitteln und Maßnahmen ergreifen, um das Kind zu schützen.

Da sei in erster Linie an eine Einschränkung des Sorgerechts zu denken oder daran, für das Kind einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Das Amtsgericht habe jedoch nicht einmal den Sachverhalt richtig aufgeklärt. Denn es stehe nicht fest, wer überhaupt das Sorgerecht innehabe. Auch wisse man nichts über die aktuellen Lebensverhältnisse der Eltern und ihren Kontakt zueinander.

Anwaltskanzlei verunsichert Wohnungskäufer

Per Rundschreiben suggerierten Anwälte "dringenden Beratungsbedarf"

Die Anwaltskanzlei versprach sich viel von ihrer Werbestrategie: Sie schickte ein Rundschreiben an die Käufer von 43 Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. In dem Rundschreiben wurden die Käufer darüber informiert, dass der Kaufvertrag unter bestimmten Umständen rückabgewickelt werden könne. Wenn die finanzierende Bank mit der Verkäuferin, einem Immobilienunternehmen, zusammenwirke, könnten der Bank falsche Angaben des Bauträgers angerechnet werden, womit auch der Darlehensvertrag anfechtbar wäre.

Darauf folgten Suggestivfragen wie: "Sind Sie sicher, dass die Immobilie ihren Kaufpreis wert ist?" und "Handelt es sich hier wirklich um eine sichere Kapitalanlage, die auch künftig ausreichend Erträge abwirft?" Das Immobilienunternehmen forderte die Anwaltskanzlei auf, derartige Werbeaktionen zu unterlassen.

Zu Recht, entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken (4 U 106/07). Dieses Rundschreiben wende sich gegen das Immobilienunternehmen und überschreite die Grenzen zulässiger Werbung. Bei den Adressaten werde mit den Suggestivfragen der Eindruck erweckt, der Kauf sei wohl ein Fehler gewesen und deshalb bräuchten sie dringend Beratung von erfahrenen Anwälten.

Die Werbung verunsichere gezielt die Käufer, um so Mandanten für die Kanzlei zu gewinnen. Sei ein Käufer aber erst einmal Mandant geworden, bestehe auch die Gefahr eines Prozesses zwischen Käufer und Verkäufer - mit ungewissem Ausgang. Dies schädige den Ruf des Immobilienunternehmens und störe bisher intakte Geschäftsbeziehungen.

"Anwalt sofort" - "Beratung bei Kaffee und Kuchen"

Werbung einer Anwaltskanzlei stellt keinen unlauteren Wettbewerb dar

An den Fenstern der Kanzleiräume, auf Briefköpfen und Werbeflugblättern stand als Name der Kanzlei "Anwalt sofort". Auf einem der Flyer versprachen die Anwälte "Beratung oder Termin sofort - Rechtsklarheit und -sicherheit - Beratung bei Kaffee und Kuchen". "Anwaltliche Erstberatung" in verschiedenen Rechtsgebieten kostete zwischen 20 und 40 Euro.

Ein Konkurrent beanstandete die Werbung, die unlauteren Wettbewerb darstelle. Diesen Vorwurf konnte das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg nicht nachvollziehen (1 U 70/07). Dass ein Rechtsanwalt unter der Bezeichnung "Anwalt sofort" auftrete, sei nicht zu beanstanden, so das OLG.

Das sei nicht unseriös und unsachlich, sondern bedeute, dass dem Rechtssuchenden in dieser Kanzlei so bald wie möglich Rat zuteil werde. Man räume schneller Beratung einen hohen Stellenwert ein - im Rahmen des Möglichen natürlich. Entgegen der Meinung des Konkurrenten werde da nicht "Rund-um-die-Uhr-Beratung" auch außerhalb üblicher Bürozeiten angepriesen. Auch das Versprechen von "Kaffee und Kuchen" sei keine effekthascherische oder anstößige Reklame.

Das allgemeine Werbeverbot für Freiberufler sei ja Vergangenheit. Heute gelte nur noch das Kriterium, dass Werbung sachlich und berufsbezogen sein müsse. Das Publikum vertraue darauf, dass Anwälte ihre Aufgaben unabhängig, zuverlässig und verschwiegen erfüllten und nicht ausschließlich gewinnorientiert handelten. Dieses Vertrauen dürfe durch Reklame nicht erschüttert werden.

Strafverfahren wegen vermeintlichen Todes eingestellt

Notorischer Urkundenfälscher fälschte seine eigene Todesbescheinigung

Der Mann war kein unbeschriebenes Blatt mehr: Er hatte schon diverse Prozesse wegen Betrugs und Urkundenfälschung hinter sich. Mehrmals hatte er auch versucht, mit gefälschten (angeblich von Amtsträgern oder Rechtsanwälten stammenden) Urkunden den Ausgang von Strafprozessen zu beeinflussen. Sein "Meisterstück" aber lieferte der notorische Urkundenfälscher 2006.

Das Landgericht Aachen hatte ihn wegen Urkundenfälschung und Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Verteidigerin des Angeklagten Revision ein. Während des Revisionsverfahrens erhielt das Gericht im November 2006 ein Schreiben, das angeblich vom Vater des Angeklagten stammte: Sein Sohn sei verstorben, teilte er mit. Eine Sterbeurkunde des Standesamts lag bei. Daraufhin wurde das Strafverfahren eingestellt.

Weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben allerdings, dass der Sterbeurkunde eine gefälschte Todesbescheinigung zugrunde lag - ausgestellt von einem nicht existierenden Arzt "Dr. W". In Wirklichkeit war der Angeklagte quicklebendig und geflohen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass nun das Strafverfahren genau an dem Punkt fortgesetzt werden müsse, an dem es Ende 2006 eingestellt worden war (2 StR 485/06). Denn der Angeklagte sei nicht verstorben, sondern halte sich verborgen.

Teilweise vertrete die Rechtsprechung den Standpunkt, man müsse ein neues Verfahren einleiten, wenn ein Prozess aufgrund einer irrigen Annahme beendet wurde. Das gelte aber jedenfalls dann nicht, wenn der Irrtum - so wie hier - durch eine Täuschung des Beschuldigten selbst aktiv herbeigeführt wurde. Sollte sein Vater den Brief geschrieben haben, sei dem Angeklagten diese Täuschungshandlung ebenfalls zuzurechnen. Die Revision des Angeklagten sei als unbegründet zu verwerfen.

Nun muss der Urkundenfälscher also ins Gefängnis - wenn er denn gefunden wird.

Gericht verbietet süchtigem Vater Umgang mit dem Sohn

Vater legt Beschwerde ein - Oberlandesgericht lässt sich dafür zwei Jahre Zeit

Nach der Trennung eines unverheirateten Paares hatte das Amtsgericht dem Mann verboten, seiner Ex-Freundin nahezukommen. Der alkohol- und drogensüchtige Mann hatte sie mehrmals belästigt und bedroht, als er "zugedröhnt" war. Aus diesem Grund schloss das Gericht auch den Umgang des Mannes mit seinem (damals zweijährigen) Sohn für drei Jahre aus und empfahl ihm eine Therapie.

Der Vater legte gegen die Entscheidung Beschwerde ein. Damit ließ sich das Oberlandesgericht (OLG) zwei Jahre Zeit. In dieser Zeit war der Mann länger inhaftiert, nahm in der Strafanstalt an sozialen Trainings teil und kontaktierte den Psychologen. Schließlich wies das OLG die Beschwerde ab.

Begründung: Der Vater sei psychisch instabil und neige in Phasen von Drogen- und Alkoholmissbrauch zu Exzessen. Dann gefährde er sich und andere. In Zeiten der Abstinenz handle er vernünftig und gehe sehr liebevoll mit dem Kind um. Daher habe auch eine Gutachterin begleiteten Umgang befürwortet. Das sei aber verfrüht - die vom Häftling unternommenen Bemühungen, seine Sucht zu bekämpfen, seien nicht nachhaltig und verlässlich.

Die Verfassungsbeschwerde des Vaters gegen das Urteil hatte Erfolg: Es wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben (1 BvR 1637/07). Den Kontakt zum Kind drei Jahre lang auszuschließen, greife eklatant in das Elternrecht ein. Wenn das OLG das Kontaktverbot - nach verfassungsrechtlich bedenklich langer Dauer des Verfahrens und entgegen den Empfehlungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen - aufrecht erhalten wolle, dürfe es sich bei dieser Entscheidung nicht nur auf den Inhalt alter Akten stützen.

Das OLG hätte Eltern und Kind persönlich anhören müssen, um sich von allen Beteiligten einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. Auch ein neues Sachverständigengutachten hätte sich angeboten. Vor zwei Jahren habe das Kind den Umgang mit dem Vater gewünscht, wie die Gutachterin damals feststellte. Nach so langer Zeit benötige man aktuelle Entscheidungsgrundlagen. Dies umso mehr, als der Mann zwischendurch im Gefängnis gewesen sei und sich um Resozialisierung bemühte.

Interessenkollision

Anwältin beriet im Scheidungsverfahren beide Ehepartner

Das Ehepaar wünschte eine einvernehmliche Scheidung mit einem gemeinsamen Anwalt. Der Mann engagierte eine Anwältin, die ihn und seine Ehefrau bei der Trennungsvereinbarung beriet. Darüber wurden die Beteiligten schnell einig - die Regelung der Vermögensfragen war dabei noch ausgeklammert. Doch in Bezug auf den Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich zeichneten sich danach sehr schnell widerstreitende Interessen der Eheleute ab.

Trotzdem beriet die Anwältin zunächst weiter beide Partner. Nach intensiven Gesprächen mit der Ehefrau sah sie sich nicht mehr in der Lage, lediglich die Interessen des Ehemannes zu vertreten. Die Anwältin geriet regelrecht in eine Zwickmühle und kündigte schließlich das Mandat des Ehemannes. Der musste sich einen neuen Anwalt suchen und lehnte es ab, der Anwältin Honorar zu zahlen.

Das Kammergericht in Berlin gab ihm Recht (16 U 62/06). Ein Rechtsanwalt dürfe grundsätzlich keine gegensätzlichen Interessen vertreten. Dass die Anwältin die getrennt lebenden Ehepartner über Trennungsfolgen informierte und für sie eine Trennungsvereinbarung abfasste, sei allerdings nicht zu beanstanden. Für diese Tätigkeit stehe ihr auch Honorar zu.

Sobald es um entgegengesetzte finanzielle Interessen gehe, verbiete es sich jedoch, beide Partner zu beraten. Die Eheleute verdienten sehr unterschiedlich und verfügten über gemeinsames Immobilienvermögen. Dadurch seien widersprüchliche Interessen (etwa im Hinblick auf die Bewertung der Immobilien) gegeben, welche die Anwältin mit beiden Mandanten besprochen habe. Darauf hätte sich die Rechtsanwältin niemals einlassen dürfen. Für die zahlreichen Gespräche und Telefonate mit dem Ehepaar - einzeln und gemeinsam - über die Aufteilung des Vermögens könne sie daher kein Honorar verlangen.

Reality-TV mit Gerichtsvollzieherin

Privatfernsehsender sendet Bericht über einen Schuldner, der gar keiner war

Im Juni 2007 berichtete ein privater Fernsehsender über die Arbeit einer Münchner Gerichtsvollzieherin. Ein Kamerateam begleitete die Frau dabei, wie sie in aller Frühe (mit Polizeibeamten und einem Schlosser) die Wohnung eines gesuchten Schuldners aufbrach und betrat. Da kam ihr ein verschlafener, nur mit einer Unterhose bekleideter Mann entgegen. Auf Verlangen zeigte er den Polizisten brav seinen Ausweis.

Die Kontrolle brachte es an den Tag: Der Mann war gar nicht der gesuchte Schuldner. Gesendet wurde die entwürdigende Szene trotzdem. Der unfreiwillige Hauptdarsteller des Berichts verklagte den Sender auf Schmerzensgeld. Darauf habe er Anspruch, urteilte das Landgericht München I, und sprach ihm 5.000 Euro zu (9 O 18165/07). Der gegen den Willen des Gefilmten gesendete Bericht verletze dessen Persönlichkeitsrecht.

Zwar behauptete der Verantwortliche des Fernsehsenders, sein Team habe den Mann über den Bericht informiert und er habe der Ausstrahlung zugestimmt. Das half ihm aber nichts: Wenig glaubwürdig sei das angesichts der absurden Situation, fand das Gericht.

Wenn jemand von zwei Polizisten aus dem Bett getrommelt werde, die den Ausweis sehen wollten, werde er schlicht überrumpelt. Zudem stamme der Mann aus der Slowakei, könne nicht richtig deutsch und habe wohl kaum verstanden, was ihm das Kamerateam mitteilte. Indem es die Wohnung betrat, habe das Team den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt und anschließend die Verwirrung des Mannes ausgenutzt, um ihm die Sendeerlaubnis abzuluchsen. Ein so erreichtes Einverständnis sei nichtig. (Der Sender legte gegen das Urteil Berufung ein.)

Betrunkener begeht Unfallflucht

Seine Ehefrau verständigt die Polizei: Aussage vor Gericht verwertbar?

So ein Anruf erreicht die Polizeiinspektion auch nicht alle Tage: Eines Abends teilte eine Frau mit, ihr Mann sei soeben "blau wie ein Veilchen" mit dem Auto nach Hause gekommen und habe einen "Unfall gebaut". Sofort brach ein Streifenwagen auf. Als die Polizisten bei dem Ehepaar eintrafen, beteuerte der notorische Verkehrssünder sofort lautstark, es sei "alles Unsinn". Er sei nicht gefahren.

Der Streit zwischen dem Paar eskalierte derart, dass die Beamten die Eheleute trennen mussten. Tatsächlich war der Betrunkene auf einen Wagen aufgefahren, der vor einer auf Rot geschalteten Ampel gewartet hatte. Dann war er an dem Wagen vorbeigefahren, streifte ihn dabei nochmals. Zuletzt überquerte er auf der Flucht die Kreuzung, während die Ampel immer noch auf Rot stand.

Das Amtsgericht verurteilte den einschlägig vorbestraften Mann wegen Unfallflucht und vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Führerschein wurde ihm entzogen. Da der Verkehrssünder die Tat bestritt und vor Gericht hartnäckig schwieg, stützte der Richter sein Urteil auf die Vorwürfe der Ehefrau. Vor Gericht stand sie dazu allerdings nicht mehr, sondern berief sich auf ihr Recht, die Aussage zu verweigern.

Der Angeklagte legte Revision ein: Ihm sei kein Vorsatz nachzuweisen. Außerdem hätte der Amtsrichter die früheren Angaben seiner Ehefrau ignorieren müssen. Wenn ein Zeuge von seinem Recht Gebrauch mache, in der Hauptverhandlung die Aussage zu verweigern, dürfe das Gericht auch frühere Äußerungen nicht verwerten, räumte das Oberlandesgericht Saarbrücken ein, sonst liefe das Zeugnisverweigerungsrecht ins Leere (Ss 70/2007 (78/07)). Das gelte aber nur für Aussagen, die der Zeuge im Rahmen einer Vernehmung gemacht habe.

Die Ehefrau sei von den Polizeibeamten aber nicht nach einer Auskunft gefragt, geschweige denn verhört worden. Sie habe von sich aus bei der Polizeiinspektion angerufen, als gegen ihren Mann noch keinerlei Tatverdacht bestand. Später habe die Frau vor den Beamten ("ungefragt, spontan und aus freien Stücken") ihre Aussage wiederholt. Deshalb habe das Amtsgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf diese Aussage stützen dürfen.

Auch der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Trunkenheit sei nicht zu beanstanden: Der mehrfach wegen Trunkenheit am Steuer vorbestrafte Angeklagte sei mit 1,81 Promille unterwegs gewesen und habe einige schwere, alkoholbedingte Fahrfehler begangen. Nach dem Unfall sei er weitergefahren, obwohl (oder besser: weil) er genau wusste, dass er betrunken und fahruntüchtig war.

Anwalt vertritt sich vor Gericht selbst ...

Rechtsschutzversicherung muss ihm dann keine Anwaltskosten ersetzen

Ein angestellter Anwalt stritt mit seinem Arbeitgeber über Fahrtkostenabrechnungen. Die Auseinandersetzung wurde schließlich vor dem Arbeitsgericht ausgetragen. Für diesen Prozess werde sie die Kosten übernehmen, sagte ihm die Rechtsschutzversicherung zu - allerdings mit einer Einschränkung: Wenn er den Prozess selbst führe, anstatt einen Anwalt zu beauftragen, ersetze sie keine (fiktiven) Anwaltskosten.

Trotzdem forderte der Rechtsanwalt später für sein Auftreten vor dem Arbeitsgericht Ersatz für Auslagen und Anwaltsgebühren (629 Euro). Seine Zahlungsklage gegen den Rechtsschutzversicherer scheiterte beim Amtsgericht München (121 C 28564/07).

Der Leistungsumfang der Versicherung sei in den Versicherungsbedingungen klar geregelt, so die Amtsrichterin. Der Versicherte erhalte das Entgelt für einen Rechtsanwalt ersetzt, soweit er diesem gegenüber zur Zahlung verpflichtet sei. Schon der Wortlaut der Klausel setze voraus, dass Versicherter und Anwalt zwei verschiedene Personen seien. Diese Klausel sei nicht zu beanstanden.

Eine Rechtsschutzversicherung solle den Versicherungsnehmer von tatsächlichen Kosten freistellen. Kosten seien hier jedoch gar nicht erst entstanden. Allenfalls sei dem Rechtsanwalt Gewinn entgangen, weil er in der Zeit, in der er seine eigenen Interessen vor dem Arbeitsgericht verfolgte, kein anderes Mandat übernehmen konnte. Eine Rechtsschutzversicherung habe aber nicht den Zweck, die Versicherten davor zu bewahren, dass ihnen Gewinn entgeht.

HWS-Schleudertrauma nach Autounfall (2)

Rechtsstreit ist nicht ohne fachmedizinisches Gutachten zu entscheiden

Die Autofahrerin bremste mit ihrem VW Golf vor einer Ampel, die gerade auf Rot umschaltete. Da fuhr der "Hintermann" auf ihren Wagen auf. Anschließend kam es zu einem juristischen Tauziehen: Die Frau behauptete, sie habe bei dem Auffahrunfall ein HWS-Schleudertrauma erlitten. Dafür müsse die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers Entschädigung zahlen.

Das Amtsgericht München beauftragte einen Biomechaniker damit, den Fall zu untersuchen. Fazit des Gutachtens: Der Autofahrer sei mit etwa 5 bis 8 km/h aufgefahren. Ein Anstoß bei dieser Geschwindigkeit reiche nicht aus, um ein HWS-Schleudertrauma auszulösen. Daraufhin wurde die Klage der Autofahrerin abgewiesen. Sie legte Berufung ein und beantragte ein medizinisches Gutachten. Das Landgericht München lehnte dies unter Verweis auf das vorliegende Gutachten ab.

Ein biomechanisches Gutachten könne eine medizinische Untersuchung des Unfallopfers nicht ersetzen, urteilte dagegen der Bundesgerichtshof (VI ZR 235/07). Man könne nicht von vornherein ausschließen, dass ein Arzt zu einem anderen Ergebnis komme - zumal ein Biomechaniker wohl kaum über die Spezialkenntnisse eines Fachmediziners verfüge.

Es müsse geklärt werden, ob der Unfall die Beschwerden der Autofahrerin verursacht habe. In so einem Fall erübrige sich ein fachmedizinisches Gutachten höchstens dann, wenn von vornherein feststehe, dass der/die Betroffene einen ursächlichen Zusammenhang nicht beweisen könne.

"OK"-Vermerk eines Telefax-Sendeberichts ...

... beweist nicht, dass das Faxschreiben dem Empfänger zugegangen ist

Dieses nur scheinbar unwichtige Detail spielt immer dann eine Rolle, wenn es darum geht, ob Fristen eingehalten wurden: ob die Kündigung eines Mietvertrags rechtzeitig beim Vermieter angekommen ist, ob ein Kaufvertrag rechtzeitig widerrufen wurde oder eine Berufungserklärung rechtzeitig beim Gericht einging.

Wer solche wichtigen Willenserklärungen per Faxgerät zum Empfänger schickt - Einschreiben mit Rückschein sind empfehlenswerter -, sollte sich zumindest den Empfang per Rückfax bestätigen lassen. Denn: Wenn der Empfänger bestreitet, ein Schreiben per Fax erhalten zu haben, ist das schwer zu widerlegen.

Einen Sendebericht des Telefaxgeräts vorzulegen, der für die strittige Übertragung einen "OK-Vermerk" aufweist, beweist den Zugang des Schreibens jedenfalls nicht, so ein Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg (4 U 132/07). Der "OK-Vermerk" auf dem Sendeprotokoll belege nur, dass ein Fax an die Telefaxnummer des Empfängers abgesandt wurde, also die Verbindung zwischen Sende- und Empfangsgerät zustande kam.

Das sei aber kein Beweis dafür, dass alle Daten fehlerfrei übermittelt wurden. Störungen in der Leitung oder im Empfänger-Gerät könnten den Zugang des Schriftstücks verhindert haben. Erst wenn das Empfänger-Gerät ein Faxschreiben ausdrucke, sei die Übertragung gelungen. Damit sei das Schreiben dem Empfänger im juristischen Sinn "zugegangen", d.h. er könne dessen Inhalt zur Kenntnis nehmen.

Zu viel Kindergeld erhalten?

BVerfG: Staat muss Bedürftigen auch in dieser Frage Beratungshilfe gewähren

Eine Mutter erhielt einen Bescheid der Familienkasse: Sie habe zuviel Kindergeld erhalten, das müsse zurückgezahlt werden. Die mittellose Frau hielt den Bescheid für unberechtigt, kannte sich in Rechtsfragen aber nicht gut aus. Deshalb beantragte sie beim Amtsgericht Beratungshilfe.

Der Amtsrichter verwies auf das Beratungshilfegesetz (§ 2): Beratungshilfe gewähre der Staat Bedürftigen nur in Angelegenheiten des Sozialrechts, nicht aber in solchen des Steuerrechts. Hier gehe es um Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Anspruch auf Beratungshilfe habe die Antragstellerin daher nicht.

Deren Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil hatte Erfolg: Das Bundesverfassungsgericht erklärte § 2 Absatz 2 des Beratungshilfegesetzes für verfassungswidrig (1 BvR 2310/06). Dieser Paragraph sei mit dem Gleichbehandlungsprinzip des Grundgesetzes unvereinbar, entschieden die Verfassungsrichter. Hier müsse der Gesetzgeber eine neue, verfassungsgemäße Lösung finden.

Das Recht durchdringe mittlerweile nahezu alle Lebensbereiche, also seien Bürger auf fachkundigen, rechtlichen Rat angewiesen. Für die Wahrnehmung ihrer Rechte vor Gericht könnten mittellose Bürger Prozesskostenhilfe erhalten. Der Gesetzgeber müsse auch im außergerichtlichen Bereich dafür sorgen, dass Bürger mit der Durchsetzung ihrer Rechte nicht von vornherein an mangelnden Einkünften und ungenügendem Vermögen scheiterten.

Das sei im Prinzip mit dem Beratungshilfegesetz geschehen. Dass das Gesetz aber Beratungshilfe in Angelegenheiten des Steuerrechts ausschließe, führe zu einer Ungleichbehandlung von Rechtsuchenden. Beratungshilfe dürfe nicht auf Angelegenheiten des Sozialrechts beschränkt werden: Dafür gebe es keinen sachlichen Grund. Im Steuerrecht begründete Zahlungspflichten könnten auch Bedürftige betreffen - gerade beim Kindergeld, das unabhängig vom zu versteuernden Einkommen gewährt werde.

Streitbarer Mandant nervt Rechtsanwalt ...

... bis dieser kündigt: Honorar steht dem Anwalt trotzdem zu

Der Mandant war offenbar so ein Besserwisser, dass ihn der Anwalt irgendwann nicht mehr aushielt. Er hatte für seinen Prozess vor dem Landgericht München I zwar einen Anwalt nehmen müssen (dort besteht Anwaltszwang). Aber eigentlich wollte er sich selbst verteidigen. Als erstes ließ der Mann den Rechtsanwalt wissen, dass er die Prozessakte durchgearbeitet und schon selbst einen Schriftsatz entworfen habe. Den solle der Anwalt "gleichlautend und ungekürzt" bei Gericht einreichen.

Dem Anwalt wurde bei der Lektüre des Schriftsatzes mulmig, denn sein Mandant unterstellte dem Gegner falsche Aussagen ("Prozessbetrug"). So könne man nicht vorgehen, fand der Rechtsanwalt. Da handle man sich bloß den Verdacht übler Nachrede ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erfuhr der Anwalt, dass der Streithansel den Entwurf gegen seinen Rat doch unverändert eingereicht hatte. Außerdem lehnte der renitente Mandant den Richter wegen Befangenheit ab - ohne dies mit dem Anwalt abzusprechen. Der Prozess wurde ausgesetzt.

Nach diesem Auftritt hatte der Anwalt genug und legte das Mandat nieder. Er schickte dem Mann eine Rechnung über 751 Euro. Wer zur Unzeit das Handtuch werfe, könne nicht anschließend Honorar verlangen, fand der Mandant. Das Amtsgericht München entschied den Streit zu Gunsten des Anwalts (222 C 30394/07).

Der Vorwurf, der Anwalt habe das Mandat "zur Unzeit" niedergelegt, gehe ins Leere, so die Richterin. Den Gerichtstermin habe der Rechtsanwalt ja trotz der Meinungsverschiedenheiten wahrgenommen. Anschließend sei der Prozess ausgesetzt worden: Der Mandant habe also Zeit gehabt, sich einen anderen Anwalt zu suchen. Im Prinzip könnten bei diesem Vertragsverhältnis beide Parteien jederzeit kündigen.

Im konkreten Fall habe der Rechtsanwalt dazu guten Grund gehabt: Wenn sich ein Mandant mehrmals unvernünftig über den fundierten Rat seines Anwalts hinwegsetze, erschüttere das die Vertrauensbasis der Zusammenarbeit. Weitere Zusammenarbeit erscheine unzumutbar, wenn sich ein Mandant partout nicht beraten lassen wolle. Dem Anwalt stehe daher trotz der Kündigung Honorar zu.

Streit um Fahrverbot

Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kann auch anders als durch eine Blutprobe bewiesen werden

Auf der Heimfahrt von seiner Stammkneipe wurde der Mann gegen 22 Uhr von der Polizei angehalten, weil er mit dem Auto Schlangenlinien fuhr. Der Fahrer war so betrunken, dass er sich am Wagen festhalten musste, um nicht umzufallen. Wegen seines desolaten Zustands scheiterten die Polizeibeamten mit ihrem Versuch, einen Atemalkoholtest durchzuführen. Sie brachten ihn in eine Klinik, wo gegen Mitternacht eine Blutprobe entnommen wurde.

Um eine richterliche Anordnung der Blutprobe bemühten sich die Polizisten nicht. Das war dem Amtsrichter egal: Er entzog dem Autofahrer vorläufig den Führerschein, weil die Blutprobe eine BAK von über zwei Promille ergeben hatte. Dagegen legte der Verkehrssünder Beschwerde ein: Das Amtsgericht hätte die Blutprobe im Verfahren gar nicht heranziehen dürfen, weil sie nicht von einem Richter angeordnet wurde, meinte er.

Das treffe zu, räumte das Landgericht Berlin ein (528 QS 42/08). Nur bei "Gefahr im Verzug" dürften Polizisten selbst eine Blutprobe anordnen (in der Praxis ist das allerdings die Regel und nicht die Ausnahme!). Doch stehe im konkreten Fall die "alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit" auch unabhängig von den Werten der Blutprobe fest.

Die Ausfallerscheinungen des Autofahrers seien offenkundig gewesen. Er habe rote Augen gehabt und so geschwankt, dass er nicht mehr selbständig stehen konnte. Die Polizisten hätten ihn kaum verstanden, so habe er gelallt. Zudem sei er außerstande gewesen, "ins Röhrchen zu blasen". Diese Indizien genügten als Beleg: Das Amtsgericht habe dem Trunkenbold zu Recht den Führerschein abgenommen.

Hauptverhandlung im "Holzklotz-Fall":

Richter darf einem Journalisten verbieten, mit Laptop daran teilzunehmen

Im November 2008 begann der Strafprozess im "Holzklotz-Fall": Der Angeklagte soll vor acht Monaten von einer Autobahnbrücke einen Holzklotz auf einen Wagen geworfen haben. Damit wurde eine Mutter vor den Augen ihrer Familie getötet.

Der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts Oldenburg verbot den zahlreich erschienenen Medienvertretern, mit Laptop oder Notebook an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Der Widerspruch eines Journalisten gegen das Verbot wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zurückgewiesen (1 BvQ 47/08).

Zum einen werde die Pressefreiheit dadurch nicht erheblich eingeschränkt, stellte das BVerfG fest. Die Journalisten könnten ja nach wie vor über die Gerichtsverhandlung berichten. Die Berichterstattung in den Medien hänge nicht davon ab, ob Laptops zugelassen würden.

Zum anderen sei das Verbot gerechtfertigt, weil moderne Laptops zum Teil über Kameras und Mikrophone verfügten. Man könne während des Prozesses nicht kontrollieren, ob Journalisten damit filmten oder Tonaufnahmen machten. Und dergleichen sei nun einmal während einer mündlichen Verhandlung verboten.

Streithansel dürfen nicht gleich vor Gericht ziehen

Bei manchen Streitigkeiten ist vorher ein Schlichtungsversuch angesagt

Das gilt zumindest in Bayern: Bei Streitigkeiten unter Grundstücksnachbarn oder wegen Beleidigungen müssen sich die Beteiligten erst an einen Schlichter (Anwälte, Notare, Schlichtungsstellen von Kammern oder anderen Berufsverbänden) wenden, um den Zwist gütlich beizulegen.

Eine Münchnerin versuchte, diese Vorschrift zu umgehen und erhob Klage vor dem Landgericht München I. Worum ging es? Auf einer Wohnungseigentümerversammlung hatte es einen heftigen Streit gegeben. Einer Eigentümerin wurde vorgeworfen, andere genötigt oder sogar tätlich angegriffen zu haben. Diesen Vorwurf wollte die Frau nicht auf sich sitzen lassen.

Einem Schlichter traute sie aber offenbar nicht zu, ihre Ehre zu retten. Die Wohnungseigentümerin hielt ein gerichtliches Verbot der "ungeheuerlichen Behauptungen" für notwendig. Deshalb wandte sie sich ans (für derlei Auseinandersetzungen unzuständige) Landgericht in der Hoffnung, es würde sie dann schon ans Amtsgericht München verweisen. So geschah es auch. Doch der Amtsrichter wies die Klage als unzulässig ab (154 C 22954/08).

Er forderte die Frau auf, zuerst einen Einigungsversuch nach dem Bayerischen Schlichtungsgesetz durchzuführen. Das sei vorgeschrieben, wenn jemand Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre geltend mache. Die Eigentümerin dürfe das Schlichtungsverfahren nicht umgehen, indem sie sich ans Landgericht wende. Sinn und Zweck des Gesetzes sei es gerade, dass Streithansel ihren Streit außergerichtlich aus der Welt schaffen sollten. Gelinge das im Schlichtungsverfahren nicht, könne die Frau immer noch klagen.

Geldstrafe wegen falscher Versicherung an Eides Statt:

Darf ein Zahlungsunfähiger ein Girokonto mit 20.000 Euro Miesen verschweigen?

Ein hoch verschuldeter Geschäftsmann musste eidesstattlich versichern, zahlungsunfähig zu sein (früher hieß das: den Offenbarungseid leisten). Dem zuständigen Gerichtsvollzieher sagte er, dass er über keine Konten mehr verfüge. Tatsächlich führte der Mann jedoch noch ein Konto bei der Kreis- und Stadtsparkasse, das er allerdings mit fast 20.000 Euro überzogen hatte. Deshalb dachte er, das sei kein Vermögenswert, den er offenlegen müsste.

Der Amtsrichter brummte ihm wegen falscher Versicherung an Eides Statt eine Geldstrafe auf. Gegen das Urteil legte der Pleitier Revision ein: Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hob es auf und verwies die Sache ans Amtsgericht zurück (3 Ss 106/08).

Strafbar sei die falsche Aussage nur, wenn Vermögen verheimlicht werde, so das OLG. Ob das nicht offenbarte Girokonto einen Vermögenswert darstelle, müsse das Amtsgericht allerdings erst noch klären. Der Schuldner müsse bei der eidesstattlichen Versicherung sein Aktivvermögen angeben, also Guthaben und Gegenstände, auf die der Gläubiger per Pfändung zugreifen könne.

Bei einem Girokonto mit negativem Saldo sei das nur der Fall, wenn der Kontoinhaber mit der Bank vertraglich einen Dispositionskredit vereinbart habe. Dann bestünde für den Kontoinhaber eventuell Aussicht auf ein so genanntes Tagesguthaben (mit Anspruch auf Kreditauszahlung), das pfändbar wäre.