Recht kurios

Zahlt der Mieter die erhöhte Miete ...

... stimmt er damit der Mieterhöhung zu - das muss nicht schriftlich geschehen

Ende 2007 erhielt der Mann ein Schreiben von der Vermieterin, in dem sie ankündigte, ab Januar die Miete zu erhöhen. Er antwortete darauf zwar nicht, zahlte aber anstandslos ab Januar den höheren Betrag (allerdings fehlten jeweils 0,50 Euro). Im April forderte ihn die Vermieterin auf, der Mieterhöhung schriftlich zuzustimmen.

Das sei überflüssig, erklärte das Amtsgericht Berlin-Schöneberg, und Anspruch darauf habe die Vermieterin sowieso nicht (6 C 158/08). Der Mieter habe der Mieterhöhung längst zugestimmt, indem er mehrfach den höheren Betrag überwiesen habe, ohne Vorbehalt anzumelden. Der geringe Fehlbetrag sei offenkundig nur ein Versehen des Mieters.

Wer mindestens zwei Mal vorbehaltlos die höhere Miete zahle, erkläre sich implizit einverstanden. Mieter seien nicht verpflichtet, ihre Zustimmung zu einer Mieterhöhung schriftlich zu formulieren. Sie könnten sie auch mündlich akzeptieren, telefonisch (sogar per Anrufbeantworter), per Telefax, per E-Mail oder eben durch mehrmalige Zahlung.

Köln schließt Büro für Sportwetten ...

... und knöpft dem Inhaber dafür überhöhte Verwaltungsgebühren ab!

Im September 2008 verbot es der Oberbürgermeister der Stadt Köln einem Geschäftsmann, weiterhin Sportwetten zu vermitteln. Er musste sein Wettbüro schließen und sollte dafür auch noch eine happige Verwaltungsgebühr berappen, nämlich 3.750 Euro. Dagegen klagte der Geschäftsmann.

Laut Verwaltungsgebührenordnung von Nordrhein-Westfalen kostet so ein Verbotsbescheid wegen "unerlaubten Glücksspiels" zwischen 1.000 und 10.000 Euro. Diese Regelung sei nichtig, weil sie gegen höherrangiges Recht verstoße, entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (9 B 1788/08).

Laut Gebührengesetz hätten Verwaltungsgebühren einen doppelten Zweck: Zum einen sollten sie den Arbeitsaufwand abgelten, der mit einer Amtshandlung verbunden sei (= Kosten decken). Zum anderen sollten Bürger damit wirtschaftliche oder andere Vorteile ausgleichen, die ihnen durch eine Amtshandlung zugute kämen (= Vorteil abschöpfen).

Nur diese zwei Gesichtspunkte dürften eine Rolle spielen, wenn es darum gehe, Gebühren festzulegen. Da es logischerweise keinen Vorteil darstelle, wenn einem Bürger eine Tätigkeit verboten werde, sei im konkreten Fall allein der Verwaltungsaufwand ausschlaggebend. Der liege aber nach Angaben der Stadt Köln deutlich unter 1.000 Euro.

Mannschaftsbetreuer ohrfeigt gegnerischen Trainer

DFB darf Spielsperren auf seiner Webseite veröffentlichen

Herr R, Mannschaftsbetreuer eines Fußballclubs in Südbaden, der in der Zweiten Bundesliga spielt, erlaubte sich bei einem Spiel der Jugendliga eine Tätlichkeit. Als sich einer seiner Spieler verletzt hatte, lieferte sich R mit dem gegnerischen Trainer zuerst einen verbalen Schlagabtausch, dann gab er ihm eine Ohrfeige. Der Disziplinarausschuss des Deutschen Fußballbunds (DFB) verhängte gegen den Betreuer eine Geldstrafe von 100 Euro und verbot ihm für die Dauer eines Jahres, in Baden-Württemberg offizielle Funktionen auszuüben.

Gemäß seiner Wettkampfordnung veröffentlicht der DFB Spielsperren. So auch in diesem Fall, und zwar auf seiner Webseite. Da stand also nun: "R, 14.4.2008, tätlicher Angriff auf Trainer der Gästemannschaft, Sperre bis zum ... + Geldstrafe". R hielt die Publikation für unzulässig, weil so die Ursache für die Sperre ganz unnötig in der Öffentlichkeit "breitgetreten" werde. Der Eintrag greife rechtswidrig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ein.

Er müsse seine Mitglieder über Ereignisse in den Ligen umfassend informieren, konterte der DFB, dazu gehörten auch verhängte Spielsperren. So sah es auch das Oberlandesgericht Karlsruhe (14 U 131/08). Es wies die Unterlassungsklage des Betreuers ab. Dass wahre Tatsachen mitgeteilt würden, müssten Betroffene in der Regel hinnehmen - auch wenn das für sie von Nachteil sei. Sanktionen, die der Disziplinarausschuss verhänge, gingen nicht nur die Betroffenen und ihren Verein etwas an, sondern auch andere Vereine und andere am Spielgeschehen beteiligte Personen.

Eine Publikation der Spielsperren im Internet erreiche im übrigen - anders als Berichterstattung in Presse oder Fernsehen - nur einen kleinen Personenkreis. Leute, die von sich aus aktiv werden, die Webseite aufrufen und sich bis zu den Spielsperren "durchklicken". Der Umstand, dass Suchmaschinen es leichter machten, sich solche Informationen zu beschaffen, ändere daran nichts. Mit der Publikation auf der DFB-Webseite sei keine öffentliche Blamage oder Stigmatisierung verbunden.

Sabine Christiansen contra Boulevardpresse

Ungenehmigt private Fotos Prominenter zu publizieren, an denen kein Informationsinteresse besteht, ist rechtswidrig

Nach ausgiebiger Berichterstattung über Scheidung und Liebesunglück der Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen stürzte sich die Boulevardpresse im Frühjahr 2006 mit noch größerer Begeisterung auf "ihr neues Glück". Wie viele andere auch zeigte eine Zeitschrift namens "das neue" Fotos von der Prominenten und ihrem neuen Freund beim Bummeln und Einkaufen in Paris. Bildunterschriften: "So verliebt in Paris" und "Wetten, dass sie diesen Mann bald heiratet?"

Die Moderatorin setzte vor Gericht durch, dass die Publikation dieser Bilder untersagt wurde. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Verbot (VI ZR 75/08). Dass Frau Christiansen häufig in der Öffentlichkeit auftrete, gebe der Presse kein Recht, ohne ihre Erlaubnis Fotos zu schießen und zu veröffentlichen. Selbst Prominente hätten Anspruch auf Privatsphäre - auch auf öffentlichen Boulevards.

Die Moderatorin und ihr jetziger Ehemann seien auf den Fotos in erkennbar privaten Situationen als Liebespaar zu identifizieren. So einen Eingriff in ihre Privatsphäre müsse sie nicht hinnehmen. Denn die Berichterstattung bediente kein Informationsinteresse von gesellschaftlicher Relevanz, bestenfalls ein zweifelhaftes Unterhaltungsbedürfnis.

Münchner Weißwurst-Monopol ausgehebelt

Südbayerische Metzger bestreiten Exklusivrechte der Münchner mit Erfolg

Die "Schutzgemeinschaft Münchner Weißwurst" beantragte vor einigen Jahren, die Münchner Weißwurst in das "Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geschützten geografischen Angaben" aufzunehmen. Nur in München hergestellte Würste sollten diesen Namen tragen dürfen.

Die Münchner Weißwurst verdiene den gleichen Schutz wie der Parmaschinken, der nur deshalb dauerhaft verlässlich so eine gute Qualität aufweise, argumentierte der Vertreter der Schutzgemeinschaft. Dem Deutschen Patentamt in München leuchtete dies ein: Es gestand der Münchner Weißwurst Namensschutz zu - ähnlich wie dem Champagner, der Nürnberger Bratwurst oder eben dem Parmaschinken.

Doch gegen diese Entscheidung erhoben Metzger und Erzeugerverbände aus Südbayern Beschwerde beim Bundespatentgericht. Begründung: Der Begriff "Münchner Weißwurst" sei beinahe eine Mogelpackung, weil die meisten Weißwürste von Firmen stammten, die außerhalb der Landeshauptstadt arbeiteten.

Die Südbayern dürfen auch weiterhin die Spezialität herstellen und als Münchner Weißwurst verkaufen, entschied das Bundespatentgericht (30 W (pat) 22/06). Es hob den Beschluss des Patentamts auf. Bei geschützten Bezeichnungen nach EU-Recht seien die "tatsächlich feststellbaren Marktverhältnisse" ausschlaggebend, betonten die Richter.

Und "tatsächlich" kämen Weißwürste in der vorgeschriebenen lebensmittelrechtlichen Qualität schon seit Jahrzehnten überwiegend aus anderen bayerischen Regionen und nicht aus der Isarmetropole. Die Weißwurst sei also eine südbayerische Spezialität und nicht auf den Herstellungsort München beschränkt.

Regisseur krempelte Shakespeare um

Theaterbesucher kann deswegen nicht den Eintrittspreis zurückfordern

Nach dem Besuch einer Inszenierung von William Shakespeares "Viel Lärm um Nichts" war ein Theaterliebhaber empört. Auf lärmenden und rauchenden Mofas waren die Schauspieler auf der Bühne herumgebraust und auch sonst hatte die Aufführung mit der Komödie von Shakespeare nicht so arg viel zu tun. Sie endete - statt mit einer fröhlichen Doppelhochzeit - mit dem dramatischen und von Shakespeare gar nicht vorgesehenen Tod einer Hauptfigur.

Derartiges Treiben sollte man nicht als Stück von Shakespeare ankündigen, fand der Theaterbesucher, das sei Etikettenschwindel. Er verlangte vom Intendanten die 90 Euro zurück, die er für drei Karten (für sich, Frau und Tochter) ausgegeben hatte. Seine Zahlungsklage scheiterte allerdings beim Amtsgericht Hamburg (4 C 370/07).

Jede Theaterinszenierung sei mehr oder weniger eine Interpretation des geschriebenen Stücks und das Resultat der Zusammenarbeit vieler Akteure (des Autors, der Schauspieler, des Regisseurs etc), betonte der Amtsrichter. Sie könne gar nicht "originalgetreu" im engen Sinne sein, also identisch mit einer Inszenierung, wie sie der Autor vielleicht zu seinen Lebzeiten gutgeheißen hätte.

Das heute in Deutschland übliche Regietheater ändere die Vorlagen besonders stark, räumte der Richter ein. Damit müssten informierte Theaterbesucher aber rechnen: Abweichungen seien mittlerweile gang und gäbe. Dass der Schluss eines Stückes modifiziert werde, sei auch nicht unüblich. Durchaus verständlich, wenn dem Theaterliebhaber dieser Umstand missfalle: Auf dem Rechtsweg sei das jedoch nicht zu ändern.

Da sich Theaterbesucher auf freie Interpretationen der Bühnenwerke von vornherein einstellen müssten, seien die Theater auch nicht verpflichtet, in der Werbung oder per Aushang an der Abendkasse darauf hinzuweisen, dass ein Stück in bearbeiteter Version gezeigt werde. Wenn eine Inszenierung nicht so verlaufe, wie sich das der Besucher vorgestellt habe, begründe das keinen Anspruch auf Rückzahlung des Eintrittspreises.

Fernsehsendung über Fürsten-Enkel

Nicht jeder Fernsehbericht über das Privatleben Prominenter verletzt deren Persönlichkeitsrecht

Der private Fernsehsender RTL hatte den Beitrag zwei Tage nach dem Begräbnis des Fürsten Rainier von Monaco ausgestrahlt. Dabei ging es um einen Enkel des Verstorbenen und die Frage nach seiner künftigen Rolle am Hof von Monaco. Gezeigt wurden auch Bilder aus dem Alltagsleben des jungen Mannes, der Freizeitkleidung trug und als umschwärmter Star dargestellt wurde. Der Text charakterisierte ihn durchweg positiv.

Doch schon dies schien der Fürstenfamilie zu viel. Der Prinz verklagte den Sender: Er dürfe diverse Passagen des Berichts nicht mehr ausstrahlen. Doch der Bundesgerichtshof entschied dieses Mal zu Gunsten der Pressefreiheit und gegen die klagefreudige Fürstenfamilie (VI ZR 261/07). Der Beitrag habe sich auf ein zeitgeschichtliches Ereignis bezogen, das Begräbnis des Fürsten. Darüber dürften Fernsehsender ohnehin berichten.

Anknüpfend an dieses Ereignis habe der Bericht den Enkel porträtiert und sich mit der Frage befasst, ob er wohl künftig eine größere Rolle im Fürstentum spielen werde. Der äußerst wohlwollende Text habe lediglich unstreitige Tatsachen erwähnt, die meist belanglos gewesen seien oder sich nur oberflächlich mit der Person des Enkels beschäftigten. Einen tieferen Einblick in seine persönlichen Lebensumstände habe es nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern dies das Persönlichkeitsrecht des Porträtierten verletzt haben könnte.

Caroline contra Boulevardpresse

Krankheit von Ernst August ist Privatsache, kein zeitgeschichtliches Ereignis

In der Zeitschrift NEUE REVUE erschien 2005 ein Artikel mit der Überschrift "Caroline - was wird jetzt aus ihr? Sie weinte am Grab ihres Vaters. Sie weint am Bett ihres Mannes". Der Artikel befasste sich mit einer lebensgefährlichen Krankheit ihres Mannes.

Ernst August Prinz von Hannover leide nicht zufällig an Bauchspeicheldrüsenentzündung, denn er lebe "wie im Rausch". "Weißwein in der Strandbar. Rotwein im Sporthotel. Und zur Entgiftung nach Meran". Jetzt hätten ihn die Ärzte gewarnt: "Kein Tropfen Alkohol mehr ... sonst ...". Der Text ist garniert mit einem Foto, welches das Paar 2003 während des Skiurlaubs zeigt: auf einer Terrasse in Zürs am Arlberg vor leeren Gläsern am Tisch sitzend. Caroline hebt eine Weinflasche hoch.

Dieses Foto habe in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, urteilte der Bundesgerichtshof, und gab der Unterlassungsklage gegen den Zeitschriftenverlag statt (VI ZR 272/06). In solchen Fällen sei immer abzuwägen zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und der Pressefreiheit. Wesentlich sei dabei, ob die Presse eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtere, also die Leser informiere, oder ob sie lediglich die Neugier nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedige.

Ein Erholungsurlaub gehöre auch bei Prominenten zum geschützten Kernbereich der Privatsphäre. Das Paar in dieser Situation zu fotografieren, sei also unzulässig. Der Text beschäftige sich nicht sachlich mit dem Zusammenhang von Alkoholmissbrauch und gesundheitlichen Folgen, sondern mit Trinkgewohnheiten und Gesundheitszustand des Prinzen. Diese höchstpersönliche Angelegenheit gehe die Öffentlichkeit nichts an.

Ist Reitkunst Kunst?

Reitlehrerin beantragte die Aufnahme in die Künstlersozialkasse

Die Künstlersozialkasse ist Bestandteil der gesetzlichen Sozialversicherung. Freischaffende Künstler und Publizisten - meist schlechter abgesichert als andere Selbständige - erhalten durch sie Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, wobei sie nur die Arbeitnehmerbeiträge zahlen müssen.

Eine Reitlehrerin wollte Mitglied der Künstlersozialkasse werden, wurde von ihr jedoch abgewiesen. Ohne Erfolg blieb auch ihr Versuch, die Versicherungspflicht - gemäß Künstlersozialversicherungsgesetz - vom Sozialgericht feststellen zu lassen. Das Sozialgericht Gießen stufte ihren Beruf nicht als künstlerische Tätigkeit ein (S 4 KR 11/06).

Die Reitlehrerin lehrte ihre Schüler die "Klassisch Barocke Reitkunst, Zirzensik" und Reiten im Damensattel. Sie nahm regelmäßig an Pferdechampionaten und ähnlichen Veranstaltungen teil, führte dort Barocke Reitkunst vor und erzielte mehrere Preise. Barockreiten, durchgeführt auf Barockpferden wie zum Beispiel Lippizanern, ist eine spezielle Art von Dressurreiten, die viele Elemente der hohen Schule enthält (z.B. Piaffe, Passagereiten, spanischer Schritt).

Letztlich sei die Ähnlichkeit zum Dressurreiten sehr groß, fand das Sozialgericht. Daher sei die Berufstätigkeit der Reitlehrerin eher als sportliche Tätigkeit einzuordnen. Auch beim Dressurreiten gebe es viele zirzensische Elemente. Trotzdem werde es allgemein als Sport und nicht als Kunst angesehen.

Unfreiwillig für Dosensuppen geworben

Fernsehköchin erhält von Supermarkt-Betreiber fiktive Lizenzgebühr

Anlässlich der Eröffnung eines Supermarkts gab es für die Kunden Sonderangebote, auf die ein Werbeprospekt aufmerksam machte. Unter anderem wurde mit einem Foto der Fernsehköchin Sarah Wiener für Dosensuppen geworben. Der Haken: Die Restaurantbesitzerin wusste davon nichts. Für diese unfreiwillige Reklame müsse sie der Betreiber des Supermarkts entschädigen, forderte Frau W., als sie nachträglich davon erfuhr. Für Werbeverträge erhalte sie üblicherweise mindestens 100.000 Euro.

Das sei viel zu hoch gegriffen, fanden Landgericht und Oberlandesgericht Koblenz. Entschädigung stehe der Köchin prinzipiell zu, räumten die Richter ein, niemand müsse gegen seinen Willen und/oder ohne sein Wissen als Werbeträger herhalten. Schadenersatz gebe es dafür aber nur in der Höhe, in der Lizenzgebühren für einen korrekt vereinbarten Werbevertrag angefallen wären.

Die Höhe der Lizenzgebühr werde geschätzt und zwar abhängig von der Bekanntheit bzw. vom Sympathie-/Imagewert des Abgebildeten und vom Verbreitungsgrad der Reklame. Frau Wiener sei nur Kochinteressierten bekannt. Gegen eine hohe Lizenzgebühr spreche aber vor allem, dass der Werbeprospekt nur wenige Tage lang und nur regional begrenzt verteilt worden sei. Kein vernünftiger Vertragspartner würde für so eine Werbeaktion 100.000 Euro zahlen. Das Foto sei nicht einmal mit dem Namen der Köchin versehen und der Verkauf von Suppendosen offenbar nicht nennenswert gewesen.

Die Gerichte sprachen Frau W. für die ungenehmigte Verwendung ihres Fotos daher nur 5.000 Euro Entschädigung zu. Ihre Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidungen wurde vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen (1 BvR 127/09). Die Höhe der Lizenzgebühr einzuschätzen sei zulässig, erklärten die Verfassungsrichter. Die Vorinstanzen hätten die Umstände des Einzelfalls in ihren Entscheidungen ausreichend gewürdigt (also den Verbreitungsgrad der Werbung, Aufmerksamkeitswert und die Rolle, welche die Köchin in der Werbung einnehme). Die Schätzung sei in keiner Weise willkürlich, ein Verfassungsverstoß durch die Vorinstanzen sei daher zu verneinen.

Anwälte ohne Schlips flogen aus dem Gerichtssaal

Landgericht Mannheim entscheidet den "Krawattenstreit" zu ihren Gunsten

Ein Mannheimer Amtsrichter warf zwei Anwälte aus Gerichtsverhandlungen, weil sie keine Krawatte trugen. Er pochte auf eine Verordnung des baden-württembergischen Justizministeriums von 1976: Demnach zählt zur Amtstracht von Richtern, Staatsanwälten und Anwälten im Dienst ein weißes Hemd mit weißem Langbinder. Die zwei Rechtsanwälte klagten gegen den Zwang zum Schlips unter der Robe.

Das Landgericht Mannheim gab im ersten Verfahren dem Anwalt eingeschränkt Recht (4 Qs 52/08). Einerseits betonte es, dass zur "vollständigen Amtstracht eines Rechtsanwalts" grundsätzlich auch die Krawatte gehört. Andererseits: Ob die Verordnung Baden-Württembergs überhaupt noch gelte, sei unklar. In der Berufsordnung für Rechtsanwälte stehe nur: "Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe". Weitergehende Pflichten sehe die Berufsordnung nicht vor.

Diese unklare Rechtslage hätte der Amtsrichter zu Gunsten des Betroffenen berücksichtigen sollen. Jedenfalls sei es unverhältnismäßig gewesen, den Juristen aus dem Gerichtssaal zu werfen: Er sei in geschlossener Robe aufgetreten. Die darunter getragenen Kleidungsstücke hätten die Würde des Gerichts in keiner Weise in Frage gestellt. Angesichts dieser geringfügigen "Störung" den Nebenkläger seines Anwalts zu berauben, sei falsch und greife in rechtswidriger Weise in die Berufsfreiheit des Anwalts ein.

Geschiedenes Paar streitet um Schrebergarten

Gartenhaus kann nicht gemäß Hausratsverordnung zugeteilt werden

Tauziehen ums Familienauto oder ums Eigenheim gibt es bei Scheidungen ja häufig. Das Oberlandesgericht Hamm hatte über einen nicht ganz alltäglichen Streit zu entscheiden: Ein frisch geschiedenes Paar konnte sich nicht einigen, wer künftig in den Genuss des Schrebergartens kommen sollte. Das Gartenhaus auf dem gepachteten Kleingartengrundstück gehörte beiden Partnern.

Das Familiengericht hatte Garten und Gartenhaus als Hausrat eingestuft und (gemäß der Hausratsverordnung) der Ehefrau zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Ihr Ex-Gatte wollte seinen Schrebergarten jedoch nicht kampflos aufgeben und legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Sie hatte beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm Erfolg (2 UF 147/08).

Die Entscheidung des Familiengerichts könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil eine Kleingartenanlage kein Hausratsgegenstand sei, so das OLG. Dazu zählten nur bewegliche Gegenstände der Ehepartner und ihrer Kinder, die dem Zusammenleben der Familie dienten - zum Beispiel ein Auto.

Das Gartenhaus sei auch keine Ehewohnung, die man einem der Partner zur alleinigen Nutzung zuweisen könnte. Denn im Schrebergarten habe das Paar nicht gewohnt, sondern nur seine Freizeit verbracht. Keiner der Ex-Partner habe Anspruch darauf, es alleine zu benutzen. Sie müssten sich in Bezug auf den Schrebergarten irgendwie einigen oder den Pachtvertrag kündigen.

Kellner schickte Straßenmusiker weg

Schmerzensgeld für unfreiwillige "Hauptrolle" in einem Artikel - Foto inklusive

Eine Zeitschrift für Popkultur veranstaltete 2007 ein kleines Experiment: Zwei Sänger - darunter Rea Garvey, Sänger der Band Reamonn - traten als Straßenmusikanten in Heidelberg auf. Die Aktion sollte eine Art von "Bordsteinduell" darstellen und zeigen, wie schwer es Straßenmusiker haben. Als Rea Garvey vor einem Restaurant Gitarre spielte und sang, kam nach einer Weile ein Kellner heraus und schickte ihn weg: Hier dürfe der Gitarrenspieler keine Musik machen, sonst bekomme er, der Kellner, Ärger mit dem Chef.

Diese Szene wurde von Mitarbeitern des Magazins fotografiert und zu einem Artikel verarbeitet. Ein Foto zeigte den Kellner, wie er den Musiker verscheuchte. Kommentar: "Dann stürmt plötzlich ein Kellner aus dem Restaurant ... Sie können hier keine Musik machen". Rea Garvey entschuldigte sich, grinste, schüttelte ihm die Hand und packte die Gitarre ein. "Das ist wirklich authentisch. Die gleiche Erfahrung habe ich früher auch gemacht. Egal, wie gut oder schlecht du spielst - irgendwann wirst du immer weitergeschickt". Irgendwann höre in Heidelberg der Spaß auf.

Nachdem der Artikel erschienen war, wurde der Kellner mehrmals darauf angesprochen: Ob er denn derjenige sei, bei dem der Spaß aufhöre ... Der Kellner verklagte die Herausgeberin des Popmagazins auf Schmerzensgeld, weil sie mit der Publikation des Fotos sein Recht am eigenen Bild verletzt habe. Das Landgericht sprach ihm 2.000 Euro zu, vom Oberlandesgericht Karlsruhe wurde die Entscheidung bestätigt (6 U 209/07).

Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertige es nicht, das Foto des Kellners ohne dessen Wissen und Einverständnis zu veröffentlichen. Selbst wenn man einräume, dass die Zeitschrift das Publikum über die Arbeit von Straßenmusikern sozialkritisch aufklären wollte: Dazu sei es nicht nötig gewesen, das Foto abzubilden. Auf die Person, die einen bestimmten Musiker wegschickt, komme es nicht an, wenn es um die allgemeine Aussage gehe, dass Straßenmusiker ständig von ihren Auftrittsorten vertrieben werden.

Man hätte den Kellner auch problemlos mit den üblichen technischen Mitteln unkenntlich machen können, anstatt ihn als Holzkopf zu identifizieren und zu blamieren, der eine bekannte Persönlichkeit nicht erkannte. Der Wortbericht unterstelle ihm Humorlosigkeit und unterwürfige Sturheit. Von den Lesern werde so ein Bericht naturgemäß mit Spott und Schadenfreude aufgenommen.

Heiß begehrter Doktortitel

Der slowakische Titel "doctor práv" darf hierzulande nicht als "Dr." im Namen geführt werden

Ein pensionierter Amtsrichter wollte im Ruhestand endlich zu akademischen Ehren kommen. Mit der Juristischen Fakultät der Comenius-Universität in Bratislava schloss er einen "Vertrag über die Sicherung des Rigorosums und der Verteidigung der Doktordissertation". Er reichte eine Schrift ein. Als Gegenleistung für einen "Kostenbeitrag" von 4.500 Euro sowie 500 Dollar erhielt er eine Art Doktortitel "light" im Schnellverfahren: den juristischen akademischen Grad "doctor práv" (abgekürzt: "JUDr.").

In Nordrhein-Westfalen beantragte der Ruheständler, nun den Namenszusatz "Dr." führen zu dürfen. Das wurde untersagt. Auch vom Verwaltungsgericht Arnsberg erhielt der Mann keine günstigere Auskunft (9 L 45/09). Doktorgrade von Hochschulen aus dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaft könnten in der verliehenen Form geführt werden, das sei hier aber der Grad JUDr.

Nach dem Slowakischen Hochschulgesetz entspreche das zum Erwerb des "doctor práv" führende Studium nicht einem Promotionsstudium. Also stehe auch der akademische Titel nicht auf einer Ebene mit dem deutschen Doktortitel (das sei jedenfalls der "Bologna-Klassifikation" der Studienabschlüsse zu entnehmen). Er berechtige vielmehr den Träger erst dazu, in Deutschland zu promovieren - und sei schon deshalb nicht mit einer deutschen Promotion gleichzusetzen.

Zwei Ehemänner einer Frau streiten ums Sorgerecht fürs Kind

Im Fall von Bigamie gilt der zweite Ehemann als sorgeberechtigter Vater

Eine Frau hatte in Nigeria zwei Männer geheiratet: den ersten 2001, den zweiten 2003. 2003 kam auch ihr Kind zur Welt. Mittlerweile wohnt die Familie in Deutschland: Die Ehe mit dem ersten Mann wurde 2006 geschieden, die Frau lebt mit ihrem zweiten Ehemann zusammen.

Gemäß deutschem Familienrecht ist der Ehemann einer Frau als sorgeberechtigter Vater anzusehen, wenn während der Ehe ein Kind geboren wird. Auf dieses Gesetz pochten nun beide Ehemänner: Sie bestanden darauf, neben der Mutter das Sorgerecht für das Kind zu übernehmen und als Vater anerkannt zu werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken sprach das Sorgerecht dem zweiten Ehemann zu (5 UF 128/08).

Es stützte seine Entscheidung auf die "300-Tage-Regel": Sie wird angewandt, wenn ein Ehemann stirbt. Wird ein Kind innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemannes der Mutter geboren, so gilt der verstorbene Ehemann als Kindesvater. Heiratet die Mutter vor der Geburt des Kindes wieder, so gilt der zweite Ehemann als dessen Vater, selbst wenn das Kind innerhalb der 300 Tage geboren wurde.

Diese Regel übertrug das OLG nun auf die Doppelehe: Gehe es in einem Fall von Bigamie um die Abstammung eines Kindes, werde der erste Ehemann behandelt, als sei er tot. Der zweite Ehemann werde als Vater anerkannt, sofern die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit ihm verheiratet war.

Totschlag auf Geburtstagsfeier

Eltern des Opfers haben Anspruch auf Opferentschädigung

Eine Gruppe junger Leute feierte in einer Parkanlage - "An den Ruhrwiesen" in Schwerte - den Geburtstag eines Beteiligten. Man hatte sich um eine Tischtennisplatte herum versammelt und trank jede Menge Alkohol. Schließlich fingen zwei betrunkene Männer einen Streit an, der in eine Rangelei mit tödlichem Ende ausartete. Einer der Kontrahenten zog ein Messer und tötete den anderen mit mehreren Stichen.

Vom Landgericht Hagen wurde der Gewalttäter wegen Totschlags zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Die Eltern des Opfers beantragten bei der zuständigen Behörde, ihnen - im Rahmen der Opferentschädigung - Bestattungsgeld zu gewähren. Das wurde mit der Begründung abgelehnt, das Opfer habe an der Eskalation mitgewirkt. Doch das Sozialgericht Dortmund war anderer Ansicht (S 18 VG 434/07).

Der Sohn der Kläger habe sich nicht leichtfertig selbst gefährdet, sondern habe schlicht das Risiko verkannt - wohl auch infolge seines Alkoholkonsums. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass sein Gegner ein Messer ziehen würde. Opferentschädigung dürfe nur verweigert werden, wenn das Opfer einem festen Kreis von Alkohol- und Drogenkonsumenten angehöre, der milieubedingt gefährlich sei.

Das treffe hier aber nicht zu, auch wenn die Beteiligten betrunken gewesen seien. Eine Geburtstagsrunde im Park sei noch kein verfestigtes, besonders gefährliches Milieu, dem der Getötete sozusagen als Mitglied zugerechnet werden könnte. Dass eine Rangelei zwischen Betrunkenen eskaliere und ein böses Ende nehme, sei vielmehr milieu-übergreifend überall zu beobachten und zu befürchten, wo viel Alkohol konsumiert werde.

Eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung ...

... für systematischen Internetvertrieb der Partydroge Gammabutyrolacton

Im Internet stießen die Drogenfahnder auf die Website, über die man Gammabutyrolacton (GBL) beziehen konnte. Dieser Stoff wird zum einen legal in der chemischen Industrie eingesetzt, zum anderen als Partydroge konsumiert. Im Körper wird GBL innerhalb von einer Minute in Gammahydroxybuttersäure umgewandelt, die auf den Konsumenten euphorisierend wirkt. Bei zu hohen Dosen (oder gleichzeitigem Alkoholkonsum) kann GBL Schwindelanfälle, Übelkeit, Bewußtlosigkeit oder Koma auslösen. In seltenen Einzelfällen hat der Konsum auch schon zum Tod geführt.

Das für etwa 25 Euro pro Liter von einer Firma gelieferte GBL füllte der Betreiber der GBL-Website in kleinere Gefäße um und verkaufte es für 60 bis 70 Euro pro Liter an eine Vielzahl von Abnehmern in ganz Europa. Das Amtsgericht Hamburg verurteilte ihn wegen verbotenen Verkaufs bedenklicher Arzneimittel zu eineinhalb Jahren Gefängnis auf Bewährung (6104 Js 635/07).

Die Umstände seines Geschäfts erlaubten den Schluss darauf, so der Amtsrichter, dass er das GBL zum Konsum als Rauschmittel angeboten habe. Dass er sie legal verwendet habe, sei auszuschließen, weil der Drogenverkäufer dafür Fachkenntnisse in Chemie und einschlägige Produktionsanlagen bräuchte. Dass GBL gesundheitliche Schäden verursachen und zu Abhängigkeit führen könne, habe der Mann ebenso gewusst, wie dass er Illegales tat.

Vor dem Abschluss eines Geschäfts habe er sich stets nach der Rechtslage am Aufenthaltsort der Abnehmer erkundigt und nicht in Staaten geliefert, in denen der Verkauf von GBL verboten sei. Wie Zeugen aussagten, habe er sich intensiv mit dem Betäubungsmittelgesetz und der möglichen Strafbarkeit seines Verhaltens auseinandergesetzt. Doch die Gewinnmargen seien wohl zu verlockend gewesen. (Der Angeklagte legte gegen das Urteil Berufung ein.)

Pflege eines Urnengrabs

Ein zu Lebzeiten unkündbarer Vertrag über Grabpflege ist unwirksam

Ein Mann schloss mit einem Kirchenkreis einen "Treuhandvertrag": Für den Betrag von 5.250 Euro sollte der Kirchenkreis nach seinem Tod 30 Jahre lang sein Urnengrab pflegen. Laut Vertragsformular war eine Kündigung des Vertrags zu Lebzeiten des Kunden ausgeschlossen. Dennoch kündigte der Mann nach ein paar Monaten den Grabpflegevertrag, weil seine Tochter versprochen hatte, sich um das Grab zu kümmern.

Das Geld sah er allerdings nicht wieder. Der Kirchenkreis pochte auf die Vertragsbedingungen: Der Treuhandvertrag sei unkündbar, Anspruch auf Rückzahlung habe er daher nicht. Damit war der Bundesgerichtshof nicht einverstanden: Er erklärte die Vertragsbedingungen für unwirksam: Der Kunde habe kündigen dürfen (III ZR 142/08).

Viele ältere Menschen hätten den Wunsch, schon zu Lebzeiten die Pflege ihres Grabes zu regeln. Entweder hätten sie keine Angehörigen oder sie wollten diese entlasten. Oder sie fürchteten, die Familie werde das Grab nicht pflegen. In so einem Fall könne es durchaus im Interesse des Kunden liegen, eine spätere Kündigung des Pflegevertrags durch die Erben zu verhindern.

Eine Kündigung durch den Kunden selbst auszuschließen, beeinträchtige jedoch den Vertragspartner in unangemessener Weise. Das Ziel des Vertrags erfordere es nicht, den Kunden zu Lebzeiten langfristig an den Vertrag zu binden und jede Änderung seines Willens zu ignorieren.

"Jagdlampenset" ist keine verbotene Waffe

Bundesverwaltungsgericht stoppt das Bundeskriminalamt

Auf Initiative des Bayerischen Landeskriminalamts beschloss das Bundeskriminalamt, als Jagdlampen angebotene Lampensets (aus Lampe, Kabelschalter und Universalhalter) als verbotene Waffen einzustufen. Dabei stützte sich die Behörde auf das Waffengesetz: Für "Schusswaffen bestimmte Vorrichtungen, die das Ziel beleuchten, z.B. Zielscheinwerfer" gehören demnach zu den verbotenen Waffen.

Gegen diese Entscheidung des Bundeskriminalamts klagte ein Handelsunternehmen, das Ausrüstungsgegenstände für den Freizeit- und Outdoorbereich verkauft - unter anderem auch so genannte Jagdlampen. Vom Verwaltungsgericht Wiesbaden bekam das Unternehmen Recht: Ein Verbot sei absurd, denn derartige Lampensets könnten statt als Jagdlampe genauso gut in einem Fotomagazin als Kamerazubehör angeboten werden.

So sah es auch das Bundesverwaltungsgericht und wies die Revision des Bundeskriminalamts gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zurück (6 C 21.08). Die Behörde habe da ziemlich übertrieben. Aus dem Gegenstand selbst, also der Lampe, könne man erst einmal gar nichts ableiten. Erst durch eine bestimmte Absicht des Verwenders werde eine Lampe zum Zielscheinwerfer für eine verbotene Waffe, das hänge allein von den Umständen des Einzelfalls ab. So etwas sei nicht durch eine allgemeine - an unbestimmte Adressaten gerichtete - Verfügung des Bundeskriminalamts zu regeln.

" ... dann bekommt ihr auf die Fresse!"

Diese Ankündigung beleidigt Justizvollzugsbeamte nicht

Seit 2001 lebt der Mann aus Ghana in Deutschland. 2008 besuchte er mit Frau und zwei Kindern einen Bekannten, der in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel einsaß. Im Besucherraum kaufte er Getränke, das Wechselgeld steckte er in die Hosentasche. Zwischendurch verließ der Vater mit seinem dreijährigen Sohn den Besucherraum, um auf die Toilette zu gehen. Als sie zurückkamen, wurde der Vater durchsucht. Ein Justizvollzugsbeamter fand den 5-Euro-Schein und erklärte daraufhin den Besuch für beendet: Es ist nämlich im Gefängnis verboten, Bargeld auf die Toilette mitzunehmen. Das muss auf dem Besuchertisch bleiben.

Davon wusste der Besucher nichts. Es kam zu einem Streit, der einen zweiten Vollzugsbeamten auf den Plan rief. Schließlich rief der wütende Mann: "Drinnen führt ihr euch auf wie die Könige. Ihr kommt ja irgendwann hier raus, und dann bekommt ihr auf die Fresse!" Die Beamten stellten Strafanzeige wegen Beleidigung. Doch das Amtsgericht Hamburg sprach den Mann frei (256 Cs 160/08).

Ob der Wutausbruch des Besuchers, der sich zu Unrecht der Anstalt verwiesen fühlte, überhaupt als Androhung körperlicher Gewalt ernstzunehmen sei, sei bereits zweifelhaft. Doch selbst wenn: Das Androhen von Schlägen sei nicht strafbar. In ein Beleidigungsdelikt könne man das auch nicht umdeuten. Der einschlägige Paragraph schütze nicht vor Grobheiten, sondern nur vor der Herabwürdigung von Personen. Von Beleidigung könne nur die Rede sein, wenn dem Betroffenen negative Eigenschaften zugeschrieben würden. Das treffe hier nicht zu.

"Fresse" sei ein derber Ausdruck für Mund (neuerdings auch für Gesicht). Das sei unhöflich, aber keine Abwertung der Person. Da die Aufforderung "Halt die Fresse" umgangssprachlich sehr verbreitet sei, müsste es diesbezüglich ja Beleidigungsklagen hageln. Die Beamten zu duzen, sei auch keine Beleidigung, zumal von seiten eines ghanaischen Staatsbürgers, der die deutsche Sprache nicht gut beherrsche. Viele Deutsche fänden so eine Ansprache ganz normal.

Wenn der Staatsanwalt betone, die "Äußerung sei nicht unter Gleichgestellten" gefallen, sondern gegenüber Beamten, belege dies ein problematisches Verständnis vom Verhältnis zwischen "Menschen" und "Staatsbediensteten". Unmutsäußerungen und aufmüpfiges Verhalten sei noch keine strafbare Beleidigung. Wenn Beamte sich persönlich angegriffen fühlten, weil jemand ihren Anweisungen nicht widerspruchslos gehorchte, zeige sich darin eine überholte Vorstellung vom braven Bürger.