Recht kurios

Nachbarn im Clinch

Hauseigentümer streiten über einen mit Stacheldraht bewehrten Holzzaun

Zwei Münchner Ehepaare bewohnen je eine Hälfte eines Doppelhauses. Ihre Freizeit widmen sie dem schönen Zweck, den Nachbarn das Leben schwer zu machen. Daher sind die Beteiligten bei der Justiz gut bekannt: Jeder Konflikt führt zu einem Prozess. Aktueller Zankapfel: eine 1,80 Meter hohe Holzkonstruktion des Eigentümers A an der Grundstücksgrenze, die mit Stacheldraht bestückt ist. Der Holzzaun war schon einmal Thema vor Gericht. Damals erklärten beide Hauseigentümer, der Zaun solle so bleiben.

2006 verlangte B jedoch, die "Befestigungsanlage" müsse verschwinden. Sie erinnere an die Grenze der ehemaligen DDR und verschatte sein Grundstück. Außerdem benutze Herr A die Holzkonstruktion, um sich zu verstecken und ihn mit Blumenzwiebeln zu bewerfen oder auf andere Weise zu schikanieren. Nur die Klage von B sei Schikane, konterte Widersacher A. Er benötige den Zaun, um seine Privatsphäre gegen dessen ständige Anfeindungen zu schützen. Außerdem verdecke der Zaun die überaus hässliche Grenzbepflanzung der Nachbarn B.

Der Zaun beeinträchtige die Eheleute B nicht, entschied das Amtsgericht München (173 C 23153/06). Ihre eigenen Pflanzen überwucherten ihn ja weitgehend. Auch in der Nachbarschaft standen mehrere Zäune in dieser Höhe. Zwar widerspreche die Stacheldraht-Anlage den Grundsätzen eines normalen Umgangs mit den Mitmenschen: Stacheldraht habe nun einmal einen aggressiven und feindseligen Charakter.

Trotzdem habe das Ehepaar B keinen Anspruch darauf, dass der Zaun entfernt werde. Seit 2004 - als zuletzt über den Zaun gestritten wurde - habe sich an der Konstruktion nichts geändert. Seinerzeit habe man sich darauf geeinigt, er solle bleiben. Das müsse nun auch gelten. Wenn schon ansonsten über alles Mögliche gestritten werde, müsse sich das Paar A nun wenigstens darauf verlassen können.

Zigarettenwerbung mit "Ernst August" ...

... ging ins Auge: Prinz von Hannover klagt auf Lizenzgebühr

Aus gegebenem Anlass berichteten die einschlägigen Gazetten vor einiger Zeit besonders eifrig über den Prinzen von Hannover: Er hatte vor einem deutschen Gut einen Kameramann angegriffen und sich auf einer Ferieninsel einen Kampf mit einem Diskothekenbesitzer geliefert. Das brachte die Werbeagentur der Hersteller von "Lucky Strike" auf die Idee, ihn zu veräppeln.

In der Werbeanzeige ist eine allseits eingedrückte, lädierte Zigarettenschachtel dieser Marke abgebildet. Und die Überschrift fragte spöttisch: "War das Ernst? Oder August?" Dieser Scherz kam beim Prinzen von Hannover nicht gut an. Er verklagte Zigarettenhersteller und Werbeagentur auf Zahlung einer Lizenzgebühr, weil sie (ohne sein Wissen und gegen seinen Willen) seinen Namen für eine Werbekampagne missbrauchten.

Das Oberlandesgericht Hamburg gab Ernst August Recht (7 U 23/05). Die zerknautschte Zigarettenpackung spiele spöttisch auf den Hang des Prominenten an, handgreiflich zu werden. Das Wortspiel sei zwar nicht beleidigend - man mache sich jedoch mit der Überlegung, ob der Prinz sogar auf Zigarettenschachteln einschlagen würde, über ihn lustig. Die Werbeanzeige verbreite einen Witz auf Kosten des Prinzen, nutze also seine Bekanntheit, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf die betreffende Zigarettenmarke zu lenken.

Die unbefugte Nutzung der Vornamen beeinträchtige die Vermögensinteressen des Prinzen. Denn man beschneide sein Recht, selbst darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise sein Name für Werbezwecke verwertet werden solle. Als Ausgleich dafür stehe ihm jenes Entgelt zu, das er erhalten hätte, wenn er der Verwendung seines Namens in der Anzeige zugestimmt hätte ("fiktive Lizenzgebühr"). Die Richter verurteilten die Beklagten zur Zahlung von 60.000 Euro. (Sie legten gegen das Urteil Revision ein.)

Mutti wollte im Garten beerdigt werden

Das führt zu einem langen juristischen Tauziehen mit der Kommune

Bevor seine Frau gestorben sei, habe sie ihm gesagt, sie wolle verbrannt und in ihrem eigenen Garten beerdigt werden, erklärte der Witwer den zuständigen Kommunalbeamten. Doch das Ordnungsamt lehnte ab. Kaum war die Asche seiner Frau auf dem städtischen Friedhof beigesetzt worden, schlich der Witwer nachts auf den Friedhof und "stahl" die Urne. Anschließend vergrub er sie im Garten.

Die Aktion brachte ihm eine Geldstrafe wegen Störung der Totenruhe ein. Und auch die Stadt gab keine Ruhe: Zwar duldete sie bis auf weiteres, dass die Urne an Ort und Stelle blieb. Aber das Ordnungsamt stellte Bedingungen: Der Witwer müsse dafür sorgen, dass der Privatgrund "nicht in einer der Totenwürde widersprechenden Weise genutzt werden könne und dauerhaft öffentlich zugänglich" sei. Das müsse er ins Grundbuch eintragen lassen.

Nichts dergleichen geschah. Da erwirkte das städtische Ordnungsamt einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, ließ die Urne wieder ausbuddeln und "in Verwahrung nehmen". Diesmal wehrte sich die Tochter der Verstorbenen, doch sie forderte die Asche der Mutter vergeblich zurück. Das Verwaltungsgericht Arnsberg lehnte ihren Antrag ab (3 L 751/07).

Eine Beerdigung auf privatem Grund verstoße gegen die öffentliche Sicherheit, wenn dafür keine Erlaubnis vorliege (gemäß nordrhein-westfälischem Bestattungsgesetz). Solle Totenasche außerhalb eines Friedhofs verstreut oder beigesetzt werden, müssten die genannten Bedingungen erfüllt sein. Die Totenruhe müsse gewahrt werden. Die Einschätzung der Behörde, dass dies im Garten der Familie unsicher sei, sei nach der Vorgeschichte nicht zu beanstanden. (Die Familie legte Berufung ein.)

Almsieck contra Boulevardpresse

"Vorbeugende" Unterlassungsklage gegen zukünftige Veröffentlichungen ist unzulässig

Während eines Urlaubs auf Sardinien 2005 war Franziska von Almsieck mit ihrem Freund von einem Fotografen der Boulevardpresse aufgespürt worden. Der Papparazzo knipste das Paar unter anderem am Strand vor dem Hotel. In mehreren Zeitschriften erschienen anschließend Artikel mit den Fotos, versehen mit Untertiteln wie "Turtelnd und verliebt im Urlaub".

Mit Erfolg ging die frühere Schwimmsportlerin gegen die Publikation vor: Der Verleger verpflichtete sich, die beanstandeten Fotos nicht mehr zu verbreiten. Damit gab sich die Sportlerin jedoch nicht zufrieden. Sie forderte ein generelles Versprechen, nie mehr Fotos aus ihrem privaten Alltag zu verwenden. Mit diesem Anliegen scheiterte sie beim Bundesgerichtshof (VI ZR 265/06 und VI ZR 269/06).

Ob die Publikation eines Fotos zulässig sei oder nicht, könne man nicht im Voraus beurteilen, erklärten die Bundesrichter. Denn das hänge zum einen von den Fotos, zum anderen auch vom Begleittext ab. In jedem Einzelfall sei das Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuwiegen gegen das Interesse des Abgebildeten am Schutz seiner Privatsphäre.

Eine solche Interessenabwägung könne man aber nicht in Bezug auf Bilder vornehmen, die noch gar nicht existierten (oder die zumindest noch nicht bekannt seien). Dass dann auch noch niemand wissen könne, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden, liege in der Natur der Sache.

Spielbanken müssen Automatenspielsäle kontrollieren

Gesperrter Spieler verlor ein Vermögen und klagt auf Schadenersatz

Der spielsüchtige Mann kehrte immer wieder an den Spieltisch bzw. an die Spielautomaten zurück, obwohl er sich im Kasino schon beinahe ruiniert hatte. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, beantragte er im Jahr 1999, ihm bundesweit den Zugang zu allen Spielbanken zu sperren. So geschah es auch.

Doch: Während an den Roulette-Tischen Personenkontrollen stattfanden, war das damals in den Automatenspielsälen noch nicht der Fall. Trotz Sperre gelang es daher dem notorischen Spieler, hier weiterhin Geld zu verschleudern. Da seinerzeit in den Spielbanken noch keine allgemeine Kontrollpflicht galt, blieb jedoch die Klage des Mannes auf Schadenersatz beim Bundesgerichtshof (BGH) ohne Erfolg (III ZR 9/07).

Im Prinzip betonten die Bundesrichter die Verantwortung der Spielbanken: Sie müssten auch in den Automatensälen sicherstellen, dass gesperrte Personen draußen blieben. Spielsperren könnten ihre Schutzfunktion nur entfalten, wenn sie effektiv durchgesetzt würden. Allerdings: In den Automatenspielsälen müssten die Spielbanken erst seit einem Grundsatzurteil (des BGH) von 2005 Personenkontrollen durchführen - vorher habe man das anders gesehen.

Im konkreten Fall habe der gesperrte Spielsüchtige sein Geld in der Zeitspanne zwischen Januar 2000 und August 2001 verloren. Deshalb habe er keinen Anspruch auf Schadenersatz. Zu diesem Zeitpunkt durfte die Spielbank davon ausgehen, dass sie in den Automatensälen nur die Telecash-Geräte überwachen müsse.

Beim Festzug vom Pferd abgeworfen

Bei der Begegnung mit einer Blaskapelle scheute das Tier

Eine bayerische Gemeinde plante einen Festumzug mit Musik, Oldtimer-Fahrzeugen und Reitern. Das Landratsamt hatte die Veranstaltung mit einer Auflage genehmigt: An der vorgesehenen Wendeschleife des Festzugs dürften die Pferde nicht direkt Oldtimern oder einer spielenden Blaskapelle begegnen. So wurde es auch auf einer Gemeinderatssitzung abgesprochen.

Doch beim Umzug kam es dann ganz anders: Am Wendepunkt zog eine Blaskapelle an den Reitern vorbei. Das laute "Um-tata" versetzte eines der Pferde in Panik, obwohl es nicht zum ersten Mal bei einem Umzug teilnahm und von einer Begleitperson am Zügel geführt wurde. Das Tier scheute, stieg hoch, verlor das Gleichgewicht und stürzte. Dabei warf das Pferd die Reiterin ab, beide verletzten sich. Von der Gemeinde forderte die Reiterin Entschädigung für die Unfallfolgen.

Zu Recht, wie das Oberlandesgericht München entschied (1 U 5353/06). Die Veranstalterin des Festzugs habe die Auflage des Landratsamts missachtet. Demnach hätte sie dafür sorgen müssen, dass die Reiter und ihre Tiere nicht direkt auf Oldtimer und Blaskapellen trafen. Die Pferde sollten nicht durch Motorengeräusche oder laute Musik nervös werden und außer Kontrolle geraten. Um dies zu erreichen, hätte die Gemeinde entweder die Zahl der Teilnehmer begrenzen oder eine größere Wendeschleife wählen können.

Die Reiterin treffe kein Mitverschulden an dem Unfall. Ihr Pferd sei erwiesenermaßen "festzugstauglich". Hätte die Frau versucht, aus der Reitergruppe auszuscheren oder abzusteigen, hätte dies das Risiko nicht verringert. In einer kritischen Situation sei ein Pferd vom vertrauten Reiter immer noch eher zu kontrollieren als durch die Begleitperson am Zügel.

Literaturprofessor als Bücherklau

Wertvolle Originalbände auf Auktionen versteigert: Bewährungsstrafe

Eigentlich möchte man ja meinen, dass ein deutscher Hochschullehrer von seinem Gehalt einigermaßen leben kann. Doch ein Bonner Literaturwissenschaftler betätigte sich als Bücherklau, um es aufzubessern. In der Bonner Universitätsbibliothek stahl er im Laufe mehrerer Jahre ca. 80 wertvolle, historische Originalbände. Diese Bände ließ der Germanist auf Antiquitäten-Auktionen versteigern und machte damit gutes Geld.

Damit der Diebstahl nicht aufflog, besorgte sich der Professor auf Flohmärkten wertlose, alte Bücher, bearbeitete ihr Äußeres ein wenig und brachte sie dann anstelle der Originalbände in die Bibliothek "zurück". Als ein Bibliothekar Verdacht schöpfte und die Polizei einschaltete, versuchte der Hochschullehrer den Diebstahl zu vertuschen: Er legte eine Reihe von gefälschten Quittungen und Rechnungen vor, um so zu belegen, dass er die versteigerten Bücher rechtmäßig erworben hatte.

Das Landgericht Bonn verurteilte den Professor wegen Betrugs, versuchten Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Weil das Landgericht vom Angeklagten benannte Zeugen nicht vernahm, die auf Auktionen Bücher ersteigert hatten, legte er Revision gegen das Urteil ein. Damit hatte er beim Oberlandesgericht Köln jedoch keinen Erfolg (81 Ss 111/07 - 294). Die Kölner Richter bestätigten die Entscheidung der Bonner Kollegen.

Teure Partnervermittlung

Honorar ist nicht erst im Erfolgsfall zu zahlen

5.336 Euro hatte die 48-jährige Frau dem Partnervermittlungsinstitut im Voraus gezahlt. Das Institut sollte dafür Kontakte mit geeigneten Partnern arrangieren. Nach dem "Wunschprofil" der Kundin sollten die potenziellen Partner ein bestimmtes Alter haben und Interesse an einer ernsthaften Beziehung. In den zwei folgenden Jahren erhielt die Frau 17 Partnervorschläge vom Institut, ohne einen Partner zu finden.

Schließlich kündigte sie den Vertrag und forderte wegen Erfolglosigkeit 75 Prozent des Honorars zurück (4.002 Euro). Von den 17 Vorschlägen seien die meisten unbrauchbar gewesen, mit einigen Herren sei überhaupt kein Kontakt zustande gekommen. Nach Ansicht des Instituts spielte das keine Rolle: Die Vergütung falle unabhängig vom Erfolg an, so sei das eben bei Dienstverträgen.

Bei Verträgen mit Partnervermittlern sei das Honorar nicht erst im Erfolgsfall zu zahlen, bestätigte das Amtsgericht München (212 C 7522/07). Für die Institute wäre das ein zu hohes Risiko. Die Vergütung werde vielmehr für den Nachweis von Kontakten gezahlt. Allerdings könne die Kundin so einen Vertrag jederzeit kündigen. Ob sie vom gezahlten Vorschuss etwas zurückbekomme und wie viel, richte sich nach der Vertragsdauer und danach, ob die Vorschläge des Instituts etwas taugten.

Der Wert von Partnervorschlägen hänge von den Wünschen der Kundin ab, gemäß denen das Partnerschaftsvermittlungsinstitut eine Vorauswahl unter den Kandidaten treffe. Entsprächen die Herren in einzelnen Punkten nicht dem Wunschprofil, mache dies die Vorschläge nicht völlig wertlos. Im konkreten Fall sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Kundin nur vier Mal persönlich Kontakt aufnehmen konnte, die meisten Vorschläge hätten nicht einmal zu einem telefonischen Kontakt geführt. Unter diesen Umständen könne die Frau die Hälfte des Vorschusses zurückfordern, also 2.668 Euro.

Quizmaster mit oder ohne Motoryacht?

Verlag demonstriert mit Luftbildaufnahmen die Möglichkeiten von "Google Earth"

Unter dem Titel "Spione im Garten" veröffentlichte eine Zeitschrift einen Artikel über die Möglichkeiten der Internetrecherche mit "Google Earth". Wie nahe man damit Prominenten und anderen Privatleuten kommen kann, demonstrierten Luftbildaufnahmen von einem See nahe Berlin. Die Aufnahmen zeigten Villen am See.

Eine der Villen gehört einem bekannten Fernsehmoderator und Quizmaster. Am Ufer des Sees lag an einem Bootssteg ein Boot oder eine Yacht. Kommentar der Zeitschrift: "Ja, hier lässt es sich aushalten. Unten am Bootssteg schaukelt eine Motoryacht ... Die Umrisse der Villa mit einem Türmchen im klassizistischen Stil lassen auf große Räume schließen ... Hier wohnt Quizmaster ..., der für sich und seine Familie eine moderne Prunkvilla bauen konnte".

Der Betroffene verlangte vom Zeitschriftenverlag eine Gegendarstellung: Der Text schreibe ihm ein Luxusaccessoire (Motoryacht) zu, das er nicht besitze und auch nicht für erstrebenswert halte. Es entspreche nicht seinem Selbstverständnis, mit seinen Einkommensverhältnissen zu protzen.

Dass das Boot oder die Yacht dem Quizmaster gehöre, sei dem Kommentar nicht eindeutig zu entnehmen, fand das Oberlandesgericht Düsseldorf (I-15 U 176/07). Die Formulierung könne man auch anders deuten. Dem Leser des Kommentars dränge sich jedenfalls keine bestimmter Schluss auf. Deshalb müsse die Zeitschrift auch keine Gegendarstellung drucken.

Das abgebildete Boot könnte auch einem Wassersportler, einem Fan oder Besucher gehören. Für den Leser sei erkennbar, dass die Momentaufnahme und der Text das Ambiente beschreiben, Aussagen zu Eigentumsverhältnissen fehlten. Im übrigen werde auch das Haus des Quizmasters nur nebenbei erwähnt. Die Aufnahme diene nur als "Aufhänger" für das eigentliche Thema des Artikels, die Einsatzmöglichkeiten von "Google Earth".

Hohe Entschädigung für "Esra"

Schlüsselroman über das Liebesleben eines Autors verletzt die Persönlichkeitsrechte seiner Ex-Freundin

Jahrelang beschäftigte der Fall die Gerichte. Autor B. veröffentlichte einen autobiographisch geprägten Roman mit dem Titel "Esra", in dem er eine verflossene Liebe "aufarbeitete". Wie er die Titelheldin Esra beschreibt und ihr Leben schildert, ist in der Romanfigur unschwer seine frühere Freundin, eine Schauspielerin, zu erkennen. Die Frau war verständlicherweise nicht davon erbaut, dass ihr Intimleben öffentlich ausgebreitet wurde. Auch ihre Kinder kamen im Roman vor und waren leicht als reale Personen zu identifizieren.

Der Verlag, der den Roman herausgegeben hatte, musste nach langem Rechtsstreit ("Persönlichkeitsrechte der Dargestellten contra künstlerische Freiheit") einzelne Passagen streichen. Darüber hinaus verlangte die Ex-Freundin vom Schriftsteller und vom Verlag 50.000 Euro Entschädigung für die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Das Landgericht München I sprach ihr diese Summe zu (9 O 7835/06).

Unabhängig von der Frage, ob die Schilderungen in allen Einzelheiten der Wahrheit entsprächen, müsse man Folgendes festhalten, so die Richter: Weder das Intimleben einer Frau noch das Mutter-Kind-Verhältnis sollte Gegenstand öffentlicher Erörterungen sein. Zwar sei zu bedenken, dass sich die Pflicht, Schadenersatz zu leisten, negativ auf die Freiheit der Kunst auswirke. Dennoch sei in diesem Fall eine so hohe Entschädigung angemessen, weil die Verletzung der Privatsphäre gravierend gewesen sei.

Ehefrau als Stasi-Spitzel verdächtigt

Informantenstatus unbewiesen - keine Aufhebung der Ehe

Eine Bürgerin der DDR war 1988 (mit Genehmigung der DDR-Behörden) in die BRD ausgereist. Einige Monate später verabredete sie sich mit ihrem (in der DDR gebliebenen) Lebensgefährten zu einem letzten Treffen - in einer Autobahnraststätte an der Transitstrecke. Dort wurde das Paar vorübergehend festgenommen.

Kurz vorher hatte der Mann eine andere Frau kennengelernt, die er 1990 heiratete. Vor der Hochzeit fand - seiner späteren Schilderung nach - ein Gespräch statt, bei dem er seine Zukünftige fragte, ob sie die Stasi über das Treffen mit seiner früheren Lebensgefährtin informiert habe. Das habe die Frau bestritten. Doch sie konnte seinen Verdacht wohl nie ganz ausräumen. Jedenfalls beantragte (und bekam) der Mann 1995 Einsicht in die Stasi-Akten.

Elf Jahre lang unternahm der Mann nichts. Erst 2006 beantragte er bei Gericht, die Ehe aufzuheben - weil ihn seine Frau an die Stasi verraten habe. Wenn er darüber Bescheid gewusst hätte, hätte er sie nicht geheiratet. Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg ließ ihn abblitzen (10 UF 161/07). Ob die Heirat durch "arglistige Täuschung" zustande kam, sei ungeklärt. Die Ehe aufzuheben, komme daher nicht in Frage (wird eine Ehe wegen der Umstände der Eheschließung aufgehoben, ist sie von Anfang an nichtig).

Dass die Ehefrau 1988 als Informantin gearbeitet habe, sei nicht bewiesen, so das OLG. Die Stasi-Akten seien in diesem Punkt unklar. Viel naheliegender sei, dass der DDR-Geheimdienst auf andere Weise von dem Treffen erfahren habe. Die Stasi habe das Telefon des Mannes abgehört und ihn seit der Ausreise seiner Lebensgefährtin ständig überwacht. Ob ihn seine spätere Ehefrau in jenem (nicht belegten) Gespräch vor der Hochzeit angelogen habe, sei auch nicht mehr zu klären. Das behaupte er und seine Frau sage das Gegenteil.

Im übrigen sei die Frist für seinen Antrag schon längst abgelaufen. Wenn ein Ehepartner von Umständen erfahre, die ihn von einer Heirat abgehalten hätten, müsse er innerhalb eines Jahres die Aufhebung der Ehe beantragen. Die Richter empfahlen, ein "normales" Scheidungsverfahren einzuleiten.

"Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand"

Gewerkschaftssekretär soll für Spott über Arbeitgeber-Anwalt büßen

Auf einer Betriebsversammlung ging es um Schichtzuschläge. Der Betriebsrat kündigte an, Anwälte sollten die Angelegenheit prüfen. Daraufhin erklärte ein Gewerkschaftssekretär der IG Metall, ihm fehle jedes Verständnis dafür, dass den Arbeitnehmern keine Vergütungen gezahlt würden, während sich zwei Anwälte kostspielig über die Zuschläge streiten sollten. Da halte er es mit Kurt Tucholsky: "Er war ein Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand".

Dieses Zitat (das allerdings nicht von Kurt Tucholsky, sondern von Ludwig Thoma stammt) bezog einer der Anwälte, Verbandsfunktionär von Arbeitgeberverbänden, auf sich und fühlte sich diffamiert. Er verklagte den IG-Metaller auf Unterlassung (mit 5.000 Euro Geldstrafe im Wiederholungsfall) und veranschlagte einen Streitwert von 50.000 Euro. Was bedeutet, dass der Gewerkschaftler 1.400 Euro allein für einen Anwalt hätte zahlen müssen.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg erklärte sich für unzuständig (9 Ta 2/07). Die Äußerung des Gewerkschaftssekretärs habe offenkundig keinen Bezug zu gewerkschaftlichen Aufgaben und sei damit kein Fall für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Mit der Klage des Arbeitgeber-Anwalts müsse sich das Amtsgericht befassen. Der Streitwert sei jedenfalls viel zu hoch angesetzt, der liege höchstens bei 4.000 Euro.

Begründung: Die Beleidigung halte sich in Grenzen. Höchstens Anwalt und Schriftsteller Ludwig Thoma könnte sich gekränkt fühlen, denn, falsch zitiert, werde die Selbstironie nicht deutlich. Schließlich laute das korrekte Zitat aus der Erzählung "Der Vertrag": "Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand." Das beziehe sich auf die Examensnote 1.

Dieser ironische Spruch werde oft zitiert. Und "auch sonst" müssten Juristen wegen einer mit dem Beruf "verbundenen geistigen Prägung gelegentlich als Objekt des Spottes herhalten". Das sei auszuhalten und nicht mehr als 4.000 Euro wert. Man könne sich ob der kampfeserprobten Persönlichkeit des Arbeitgeber-Funktionärs auch kaum vorstellen, dass ihn so eine "hingeschnäuzte Bemerkung" 50.000 Euro tief verletzt haben sollte.

Partnervermittler wirbt mit "Lockvogel"

Kunde erfährt die Adresse der Traumfrau nicht und verlangt das Honorar zurück

In Zeitungsanzeigen von Partnerschaftsvermittlern ist das so üblich: Als Blickfang war eine "attraktive, rassige Frau" abgebildet, die angeblich einen "Mann fürs Leben" suchte. "Bea" hieß die Schönheit auf dem Foto und gefiel einem Mann so gut, dass er sogleich beim Vermittlungsinstitut anrief. Die Frau wolle er kennenlernen, sagte er. Im Vertrag, den der Mann unterschrieb, stand zwar, das "Institut sichere keinen Kontakt zu bestimmten Personen zu". Dennoch glaubte der Kunde an seine Chance, die "Traumfrau" zu treffen - erkauft mit einem Honorar von 7.900 Euro.

Drei Partnervorschläge erhielt der Mann vom Institut, doch "Beas" Adresse erfuhr er nicht. Nun erklärte er den Vermittlungsvertrag für "sittenwidrig" und klagte auf Rückzahlung des Honorars. Der Vertrag sei keineswegs von vornherein sittenwidrig und nichtig, urteilte der Bundesgerichtshof (III ZR 239/06). Wenn es sich wirklich um ein "Lockvogelangebot" gehandelt habe, könne der Kunde den Vertrag jedoch wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Die Täuschung wäre darin zu sehen, dass der Vermittler Kunden mit einem "Lockvogel" anlocke, d.h. mit einer vermeintlichen Kundin, die aber in Wirklichkeit gar nicht als Partnerin vermittelt werden solle. Das sei nicht von der Hand zu weisen, so die Bundesrichter. Immerhin habe das Institut mehrere Jahre lang eine Vielzahl von Anzeigen gleichen Inhalts in unterschiedlichen Regionen geschaltet - immer mit dem gleichen Foto von "Bea".

Dennoch müsse sich die Vorinstanz nochmals mit der Sache befassen. Denn nach mehrmaliger Aufforderung durch die Justiz habe das Partnerschaftsvermittlungsinstitut schließlich doch noch eine Zeugin benannt, die mit "Bea" identisch sein sollte, und deren Vertrag sowie Kundenprofil vorgelegt. Wenn "Bea" doch kein Lockvogel gewesen sein sollte, bleibe es allerdings rätselhaft, warum ihre Telefonnummer bzw. Adresse dem Kunden und der Justiz vorenthalten wurden. Das sei noch zu klären. Partnervermittler schuldeten ihren Kunden zwar Diskretion, aber als Zeugin müsse "Bea" trotzdem Auskunft geben.

Kirchengemeinde baut Altarraum um

Tochter des Kirchenarchitekten pocht auf das Urheberrecht

Die Kirche St. Gottfried in Münster wurde 1952/1953 erbaut. 2002 ließ die katholische Kirchengemeinde St. Gottfried den Altarraum der Kirche umgestalten. Der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils entsprechend wollte sie so die Kirchenbesucher stärker in den Gottesdienst einbeziehen. Doch die Tochter des (1966 verstorbenen) Architekten des Bauwerks pochte auf das Urheberrecht des Vaters und forderte, die Kirchengemeinde müsse den Umbau des Altarraums rückgängig machen.

Der Urheber eines Werks (hier: der Baukunst) habe zwar grundsätzlich ein Recht darauf, dass es für Zeitgenossen und Nachwelt unverändert erhalten bleibe, betonte der Bundesgerichtshof (I ZR 166/05). Wenn sich aber berechtigte Interessen des Eigentümers und die Belange des Künstlers widersprächen, müsse man die Interessen abwägen.

Der Umbau des Altarraum sei keineswegs nur eine "Frage des guten Geschmacks", wie die Vorinstanz meinte. Es gehe vielmehr darum, wie die Pfarrgemeinde die heilige Messe feiern möchte. Wenn sie der geänderten Liturgie Rechnung tragen wolle, entspreche das ihrem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Und das falle schwerer ins Gewicht als das Urheberrecht des Architekten.

Ein Architekt wisse, für welchen Zweck der Eigentümer ein Bauwerk verwenden wolle, und müsse von vornherein damit rechnen, dass sich daraus auch die Notwendigkeit ergeben könne, das Bauwerk zu verändern. Die Kirchengemeinde nutze das Gotteshaus für ihre Gottesdienste und müsse die Möglichkeit haben, den Kircheninnenraum diesem Zweck entsprechend zu gestalten.

Online-Roulette-Spielverträge ...

... sind auch dann nicht sittenwidrig, wenn der Spieler kein Einsatz-Limit angibt

Die Spielbank Wiesbaden bietet Spielern auch im Internet ein Betätigungsfeld: Sie können online Roulette spielen. Die zuständige Behörde genehmigte dies mit Auflagen. Nur Personen ab 21 Jahren, die ihren Hauptwohnsitz in Hessen haben oder sich dort aufhalten, dürfen teilnehmen. Außerdem muss sich jeder Spieler registrieren und dabei ein Limit für seine Spieleinsätze bestimmen.

Ein Koblenzer meldete sich beim Online-Roulette an. Um "reinzukommen", gab er Adresse und Telefonnummer eines hessischen Bekannten an. Ein Limit setzte der Spieler bei der Anmeldung nicht fest. Seinen Einsatz von 4.000 Euro und einige kleine Gewinne verzockte er. Das Geld wurde von seinem Kreditkartenkonto abgebucht, diese Abbuchungen machte er später rückgängig.

Als die Spielbank ihr Geld forderte, stellte sich der Mann auf den Standpunkt, er müsse für den verlorenen Betrag nicht geradestehen. Der Spielvertrag sei sittenwidrig, weil er ohne Limit gespielt habe. Das müsste die Spielbank verhindern. Mit dieser Argumentation kam der Spieler beim Bundesgerichtshof nicht durch (III ZR 190/07). Er müsse die verlorenen Wetteinsätze bezahlen, urteilten die Bundesrichter.

Die offizielle Zulassung der Spielbank umfasse auch das Online-Roulette. Verbotenes Glücksspiel finde also nicht statt. Ein Gesetzesverstoß der Spielbank sei auch nicht daraus abzuleiten, dass der Spieler selbst deren Zulassungspraxis austrickste und die Teilnahme erschlich, indem er einen hessischen "Mittelsmann" einschaltete. Sittenwidrig werde der Spielvertrag auch nicht durch das Weglassen des Limits.

Diese Auflage zum Schutz der Spieler sollte nicht überschätzt werden. Man versuche so, die Spieler vor dem Spielbeginn dazu anzuhalten, sich den Einsatz gut zu überlegen. Doch sei fraglich, ob Spielsüchtige und gefährdete Spieler ihre finanziellen Möglichkeiten realistisch einschätzten. Die Höhe des Limits sei ja frei wählbar und müsse nicht etwa den wirtschaftlichen Verhältnissen des Spielers angepasst sein. Süchtige könne man letztlich nur durch eine wirksame Sperre vor sich selbst schützen.

Missratener Grabstein

Käuferin will vom Kauf der Extra-Anfertigung zurücktreten

Nachdem ihr Ehemann gestorben war, bestellte die Witwe beim Steinmetz ein Grabmal. Sie wählte aus einem Katalog einen Grabstein für 5.360 Euro aus und zahlte 2.500 Euro an. Doch der Doppelgrabstein erwies sich als zu breit für das Familiengrab. Die Maße wurden angepasst, der extra angefertigte Grabstein aufgestellt.

Drei Monate später erklärte die Witwe dem Steinmetz, sie trete vom Kauf zurück. Denn der Grabstein sei zu schmal, eine Rille unansehnlich ausgeführt, der rechte Arm des eingemeißelten Kreuzes einen Zentimeter zu kurz und der Stein zu gelb. Zudem wirke die Grabeinfassung zu kurz. Da sich der Handwerksbetrieb weigerte, das Geschäft rückgängig zu machen, traf man sich vor Gericht wieder.

Das Landgericht München I entschied den Streit zu Gunsten des Handwerkers (31 S 3833/07). Da das im Katalog abgebildete Muster zu breit war und andere Maße gewählt werden mussten, änderten sich dadurch naturgemäß bei der handwerklichen Ausführung des Grabsteins auch die Proportionen. Das verstehe sich eigentlich von selbst, betonte das Gericht. Es sei auch allgemein bekannt, dass natürliches Material nicht einheitlich gefärbt sei.

Auch wenn sich die Käuferin den Grabstein vielleicht anders vorgestellt habe: Die Ausführung weiche nicht wesentlich von der Beschaffenheit ab, die sie mit dem Steinmetz vereinbart habe. Dass der Witwe nun der Grabstein nicht gefalle, stelle keinen Mangel der Ware dar, der einen Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigte.

Unzufriedener Gast wirft mit Döner

Die Kellnerin erhält kein Schmerzensgeld, weil so ein Wurf nicht die Menschenwürde verletzt

War es womöglich Gammelfleisch? Oder hatte der Gast des Dönerlokals einfach schlechte Laune? Jedenfalls kam es zu einem Streit mit der Frau hinter der Theke, weil dem Gast der Döner nicht schmeckte. Als er sein Geld nicht zurückbekam, warf er den Döner weg. So die Version des Kunden. Nach ihr habe er geworfen, behauptete die Döner-Braterin.

Sie verlangte vom unzufriedenen Kunden ein "angemessenes Schmerzensgeld" von 250 Euro. Immerhin habe er sie als "blöde Kuh" beleidigt und den Döner mit voller Wucht gegen sie geschleudert. Zum Glück habe sie schnell genug reagiert und sich gebückt. Der Missetäter stritt alles ab: "Blöde Kuh" sei ihm nie über die Lippen gekommen, beteuerte er. Den Döner habe er nur hinter die Theke und nicht auf die Frau geworfen.

Das Amtsgericht München wies nach gründlicher Befragung aller Zeugen die Klage auf Schmerzensgeld ab (154 C 26660/07). Niemand habe die Beleidigung gehört, also sei die "blöde Kuh" nicht belegt. Daher stehe der Döner-Braterin auch kein Schmerzensgeld zu. Selbst wenn der Gast wirklich mit dem angebissenen Döner auf sie gezielt haben sollte, ändere das nichts. Nur eine schwerwiegende Verletzung der Menschenwürde begründe einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Davon könne bei einem Döner-Wurf keine Rede sein.

Strafverfahren wegen vermeintlichen Todes eingestellt

Notorischer Urkundenfälscher fälschte seine eigene Todesbescheinigung

Der Mann war kein unbeschriebenes Blatt mehr: Er hatte schon diverse Prozesse wegen Betrugs und Urkundenfälschung hinter sich. Mehrmals hatte er auch versucht, mit gefälschten (angeblich von Amtsträgern oder Rechtsanwälten stammenden) Urkunden den Ausgang von Strafprozessen zu beeinflussen. Sein "Meisterstück" aber lieferte der notorische Urkundenfälscher 2006.

Das Landgericht Aachen hatte ihn wegen Urkundenfälschung und Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Verteidigerin des Angeklagten Revision ein. Während des Revisionsverfahrens erhielt das Gericht im November 2006 ein Schreiben, das angeblich vom Vater des Angeklagten stammte: Sein Sohn sei verstorben, teilte er mit. Eine Sterbeurkunde des Standesamts lag bei. Daraufhin wurde das Strafverfahren eingestellt.

Weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben allerdings, dass der Sterbeurkunde eine gefälschte Todesbescheinigung zugrunde lag - ausgestellt von einem nicht existierenden Arzt "Dr. W". In Wirklichkeit war der Angeklagte quicklebendig und geflohen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass nun das Strafverfahren genau an dem Punkt fortgesetzt werden müsse, an dem es Ende 2006 eingestellt worden war (2 StR 485/06). Denn der Angeklagte sei nicht verstorben, sondern halte sich verborgen.

Teilweise vertrete die Rechtsprechung den Standpunkt, man müsse ein neues Verfahren einleiten, wenn ein Prozess aufgrund einer irrigen Annahme beendet wurde. Das gelte aber jedenfalls dann nicht, wenn der Irrtum - so wie hier - durch eine Täuschung des Beschuldigten selbst aktiv herbeigeführt wurde. Sollte sein Vater den Brief geschrieben haben, sei dem Angeklagten diese Täuschungshandlung ebenfalls zuzurechnen. Die Revision des Angeklagten sei als unbegründet zu verwerfen.

Nun muss der Urkundenfälscher also ins Gefängnis - wenn er denn gefunden wird.

Hund als Pfand behalten

Eine Bekannte betreute den Hund monatelang und forderte Ersatz für ihre Ausgaben

Eine Münchnerin musste längere Zeit ins Krankenhaus und brauchte jemanden, der sich um ihren Mischlingsrüden - nennen wir ihn Bello - kümmerte. Eine Bekannte, die ihn schon öfter betreut hatte, nahm den Hund in Pension. Als das "Frauchen" Bello nach gut drei Monaten abholen wollte, ließ ihn die Bekannte jedoch nicht so ohne weiteres gehen. Vorher müsse ihr die Hundehalterin Kosten ersetzen. Für Futter, Tierarzt und Medikamente habe sie 1.680 Euro ausgegeben.

Obwohl Bellos Besitzerin eigentlich hätte wissen müssen, was in einem Vierteljahr so alles anfällt, war sie über die Forderung empört. Sie werde nicht dafür zahlen, dass man ihr einen "kleinen Gefallen" getan habe. Und überhaupt: Die Bekannte müsse den Hund sofort zurückgeben, sonst werde er der Familie entfremdet und womöglich traumatisiert. Ungerührt bestand die Bekannte auf ihrer Forderung. Die Hundebesitzerin klagte auf Herausgabe des Tieres.

Das Amtsgericht München wies ihre Klage ab, nachdem es sich davon überzeugt hatte, dass die Besuche beim Tierarzt notwendig waren und Bello gut betreut worden war. Begründung: Gehe jemand mit dem Tier spazieren, könne man von einer Gefälligkeit sprechen. Wenn eine Bekannte drei Monate lang ein Tier betreue, habe das nichts mehr mit einem kleinen Gefallen zu tun. Das sei schon eher ein unentgeltlicher Pflegevertrag. Die Bekannte könne Ersatz für ihre Auslagen beanspruchen.

Vom Landgericht München I wurde diese Entscheidung bestätigt (31 S 13391/07). Die geforderten Futterkosten seien angesichts der langen Zeit "angemessen", tierärztliche Behandlung für eine artgerechte Tierhaltung nötig. Dass die Bekannte das Tier als Pfand zurückhalte, um nicht auf ihren Kosten sitzen zu bleiben, sei daher gerechtfertigt. Dass Bello einen psychischen Knacks davontrage, sei kaum zu befürchten. Denn die Hundebesitzerin habe ihn ja der Bekannten anvertraut, weil sie sicher war, dass er dort gut versorgt würde.

Verweste Leiche gefunden und schleunigst vergraben

Die Brüder des Verstorbenen wollen für die "pietätlose Notbeerdigung" nicht zahlen

Am Morgen eines heißen Augusttages fanden Vermieter und Polizei den stark verwesten Leichnam eines alleinstehenden 45-Jährigen. Der Diabetiker war an akutem Herz-Kreislaufversagen gestorben, wie sein Hausarzt feststellte, der von der Polizei verständigt wurde. Da die Wohnung bereits voller Ungeziefer war, beauftragte das kommunale Ordnungsamt sofort einen Bestatter. Der brachte den Verstorbenen noch am gleichen Tag unter die Erde, in einem Reihengrab auf dem städtischen Friedhof in Frechen.

Die beiden Brüder des Verstorbenen rechtzeitig zu ermitteln, gelang dem Ordnungsamt nicht: Dabei wohnte einer von beiden nur wenige hundert Meter vom Rathaus Frechen entfernt, war ordnungsgemäß gemeldet und stand im Telefonbuch. Der andere Bruder war im Jahr zuvor in einen Nachbarort gezogen und ebenfalls gemeldet. Ihm teilte die Kommune schriftlich mit, dass der 45-Jährige gestorben war. Für die Notbestattung habe er Gebühren von 1.622 Euro zu zahlen.

Es sei extrem pietätlos, den Mann ohne Familie und Angehörige quasi zu verbuddeln, kritisierten die empörten Brüder. Dafür auch noch zu zahlen, komme überhaupt nicht in Frage. Immerhin habe ihnen die Stadt eine würdevolle Trauerfeier verwehrt. Auch in einem Notfall müsse die Stadt den Leichnam wenigstens ein oder zwei Tage in einem Kühlraum aufbewahren, um den Angehörigen einen Abschied zu ermöglichen.

Das Oberverwaltungsgericht Münster gab den Verwandten Recht und ersparte ihnen die Bestattungsgebühren (19 A 3665/06). Das Recht der Angehörigen auf Totenfürsorge gehe vor. Sie sollten die Verstorbenen möglichst gemäß deren Wünschen beerdigen. Die Ordnungsbehörde sei verpflichtet, nach einem Leichenfund mit allem Nachdruck die Angehörigen zu ermitteln.

Das gelte selbst dann, wenn ein verwester Leichnam eine Gefahr für die Gesundheit darstelle. Um die so klein wie möglich zu halten, müsse man zwar die Wohnung sofort räumen, aber nicht zwingend eine Notbeerdigung durchführen. Geeignete Kühlräume für Leichen müsse die Stadt nicht einmal selbst einrichten: Solche Räume gebe es in rechtsmedizinischen Instituten und zahlreichen Bestattungsunternehmen sowie Krematorien.