Recht kurios

"Sie Parkplatzschwein!"

Wer unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz parkt, sollte nicht allzu empfindlich sein

Herr W, Fahrer eines Werttransporters, musste die Einnahmen eines Rostocker Supermarktes abholen. Eine Baustelle auf dem Parkplatz vor dem Einkaufsmarkt schränkte das Platzangebot etwas ein. Kurzerhand stellte W seinen Transporter auf einem Behindertenparkplatz ab: Der befand sich direkt neben dem Eingang, an dem er das Geld übernehmen sollte.

Als W ausgestiegen war, kam ein Mann auf ihn zu und beschimpfte ihn als "Parkplatzschwein". Der wütende Herr L war ein engagierter Kämpfer für die Rechte von Behinderten. Anschließend fotografierte L das Fahrzeug und steckte hinter den Scheibenwischer einen Zettel mit der gleichen Botschaft: "Sie Parkplatzschwein!"

Das Foto veröffentlichte L in einem Internetmagazin unter der Rubrik "Parkplatzschwein". Hier berichtete er regelmäßig über Fälle unbefugten Parkens auf Behindertenparkplätzen. W forderte ihn auf, den Online-Bericht zu entfernen und derartige Beleidigungen künftig zu unterlassen. L tat nichts dergleichen und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen.

Das Amtsgericht Rostock entschied, dass W nicht beleidigt wurde (46 C 186/12). Herr L, dessen Lebensgefährtin behindert sei, habe sich gemeinsam mit anderen Betreibern des Internetmagazins vorgenommen, darüber zu informieren, wie rücksichtslos sich viele Verkehrsteilnehmer gegenüber Behinderten verhielten. Dafür sei W ein gutes Beispiel: Auch im Prozess habe er nicht das geringste Unrechtsbewusstsein in Bezug auf seinen Parkverstoß gezeigt.

Auch wenn "Schwein" unter anderen Umständen durchaus eine Beleidigung darstellen könne — in diesem Kontext sei das anders, erklärte das Amtsgericht. Herrn L sei es nicht darum gegangen, W die negativen Eigenschaften eines "Schweines" zuzuschreiben (schmutzig, stinkend), um seine Person herabzusetzen. Vielmehr habe er das Verhalten von W als "rücksichtslos und nur auf das eigene Interesse bedacht" anprangern wollen. Das sei keine ehrverletzende Schmähkritik.

Außerdem: So, wie W "ticke", hätte er sich mit Sicherheit auch beleidigt gefühlt, wenn L ihn "nur" Falschparker genannt hätte. Das Internetmagazin hat seine Rubrik "Parkplatzschwein" mittlerweile anders genannt.

Sportwettenanbieter fordert Ausgleich für entgangene Gewinne

Kein Schadenersatz für "Berufsverbot", obwohl das staatliche Wettmonopol hierzulande nicht europakonform war

Ein Sportwettenanbieter mit einer Lizenz aus Gibraltar hatte vor einigen Jahren in Bayern Wettbüros eröffnet. Die bayerischen Behörden verboten 2005 sein Geschäft — unter Verweis auf den Staatsvertrag zum Lotteriewesen, der es in Deutschland nur den staatlichen Lotteriegesellschaften (Oddset) erlaubt, solche Wetten anzubieten.

Im September 2010 erklärte jedoch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), das deutsche Sportwettenmonopol sei mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit unvereinbar. Daraufhin forderte der Wettanbieter vom Bundesland und von zwei bayerischen Städten Schadenersatz für entgangene Gewinne in den Jahren 2006 und 2007.

Schadenersatz stehe ihm nicht zu, urteilte der Bundesgerichtshof (III ZR 196/11). Den könnte man ihm allenfalls zubilligen, wenn die bayerischen Behörden eklatant gegen EU-Recht verstoßen hätten. Dieser Vorwurf wäre aber nur gerechtfertigt, wenn die Regelungen des EU-Rechts eindeutig gewesen wären und die bayerischen Behörden vorsätzlich diesen Regelungen zuwider handelten. Vor 2005 habe aber der EuGH noch gar nicht klar formuliert gehabt, dass das staatliche Wettmonopol, so wie es in Deutschland praktiziert wurde, dem EU-Recht widersprach.

Das Bundesverfassungsgericht habe 2006 entschieden, die deutschen Regelungen seien in sich nicht stimmig und müssten geändert werden — durchaus im Sinne der europäischen Anforderungen. Das höchste deutsche Gericht habe dem Gesetzgeber allerdings bis Ende 2007 Zeit gegeben, neue Bestimmungen zu erlassen. 2005 hätten die bayerischen Behörden noch davon ausgehen dürfen, dass Sportwetten bis auf weiteres den Monopolgesellschaften vorbehalten bleiben würden.

Vermieter beim Kreditinstitut angeschwärzt

"Üble Nachrede" der Mieterin macht Fortsetzung des Mietvertrags unzumutbar

Kaum war die Frau in das Einfamilienhaus eingezogen, begannen auch schon die Querelen mit dem Vermieter. Mehrfach arteten die Wortwechsel aus und die Mieterin beleidigte den Vermieter auf üble Weise. Er schickte der Mieterin eine Abmahnung, in der er klarstellte, weiteres Fehlverhalten werde er nicht mehr dulden. Beim nächsten Mal kündige er das Mietverhältnis.

Die Abmahnung schien die Frau eher zu beflügeln als abzuschrecken … Jedenfalls meldete sie sich beim Baufinanzierer des Vermieters und empfahl ihm, dessen Bonität zu überprüfen. Der Mann stecke finanziell arg in der Klemme. Falls das Kreditinstitut keine Prüfung veranlasse, werde sie sich selbst ans Bundesaufsichtsamt für das Banken- und Kreditwesen wenden.

Das Kreditinstitut erkundigte sich erst einmal beim Vermieter und erfuhr, dass an den Behauptungen "nichts dran war". Der Hauseigentümer hatte nun endgültig genug und kündigte der Mieterin fristlos. Da die Frau und ihr Lebensgefährte die Kündigung nicht akzeptierten, erhob er Räumungsklage.

Das Landgericht Potsdam gab ihm Recht (4 S 193/10). Der Hauseigentümer habe das Mietverhältnis fristlos kündigen dürfen. Mit erfundenen Behauptungen habe ihn die Frau beim Kreditinstitut in "Misskredit" bringen wollen.

Üble Nachrede dieses Kalibers verletze den Mietvertrag und zwar so gravierend, dass es für den Vermieter unzumutbar sei, das Mietverhältnis fortzusetzen. Nach der wirkungslosen Abmahnung und diesem Vorfall habe er nicht mehr damit rechnen können, dass sich die Frau in Zukunft korrekt verhalten werde.

Warme, wasserfeste Winterschuhe

Darf der Käufer die Schuhe zurückgeben, wenn er nach kurzer Zeit "kalte Füße" bekommt?

Im Herbst erschien ein Kunde in einem Schuhgeschäft und erkundigte sich nach "warmen und wasserfesten Winterschuhen". Die Verkäuferin zeigte ihm ein Paar, das 145 Euro kostete. Das Modell der Marke S mit Goretex-Membran und gefüttertem Schaft wird auf der Internetseite eines Onlineshops als "perfekter Begleiter durch den Winter" gelobt.

Der Kunde erstand die Schuhe, schickte sie aber im Frühling wieder zurück: Sie seien für winterliche Bedingungen nicht geeignet, fand er. Schon nach wenigen Minuten Schneeschippen oder bei einer Autofahrt habe er kalte Füße bekommen. Der Käufer verlangte sein Geld zurück.

Das Schuhgeschäft schickte dem Hersteller die Schuhe, um sie prüfen zu lassen. Als der keinen Sachmangel entdeckte, lehnte es der Geschäftsführer des Ladens ab, die Ware zurückzunehmen. Vergeblich zog der Kunde vor Gericht: Das Schuhgeschäft muss den Kaufpreis nicht erstatten, entschied das Amtsgericht Düsseldorf (45 C 9929/11).

Der Käufer habe einen warmen und wasserdichten Schuh gewünscht. Diesem Wunsch entspreche das gekaufte Paar objektiv: Der gefütterte Schaft isoliere gegen Kälte, die Goretex-Membran schütze gegen Feuchtigkeit. Wenn der Träger den Schuh subjektiv als nicht warm genug empfinde, belege das keinen Sachmangel des Produkts. Anders als bei Schlafsäcken werde bei Schuhen keine Eignung für bestimmte Temperaturen angegeben.

Im Auto spielten Schuhe keine so große Rolle, da könne man die Heizung einschalten. Auch dass der Kunde beim Schneeschippen im Dezember nach zehn Minuten kalte Füße hatte, rechtfertige keine Reklamation: Die Schuhe seien an sich gut wintertauglich — wenn auch vielleicht nicht optimal für tiefen Schnee und extreme Kälte wie im letzten, ungewöhnlich harten Winter.

Der Kunde habe einen Luftpolstersohlenschuh mit leichtem Futter gekauft: Einen Schuh, mit dem man auch bei extremer Kälte durch den Schnee stapfen könne, habe er nicht verlangt. Er müsse selbst wissen, ob Schaftfutter für ihn ausreiche oder ob für seine Bedürfnisse eine warme Sohle zusätzlich notwendig sei. Verbraucher könnten sich im Laden das Schuhwerk aussuchen, das ihren Bedürfnissen entspreche.

Reisebüro buchte falschen Flug

Sprachliches Missverständnis: Die Kundin wollte nach Porto statt nach Bordeaux

"Wir können alles außer hochdeutsch" — der Werbeslogan Baden-Württembergs könnte auch das Motto dieses Rechtsstreits sein. Denn Porto kann man mit Bordeaux nur verwechseln, wenn das "t" in Porto nicht als harter, sondern als weicher Konsonant ausgesprochen wird. Man wird die Heimat der Reisebüro-Kundin also wohl in Sachsen, in Franken oder im Schwäbischen verorten dürfen.

Die Fakten: Eine in Stuttgart wohnende Frau suchte ein Reisebüro auf, weil sie nach Porto (Stadt in Nordportugal) fliegen wollte. Die Mitarbeiterin des Reisebüros verstand Bordeaux (Hauptstadt des Weins in Südwest-Frankreich) und buchte für die Kundin einen Flug dorthin.

Als die Kundin die Reiseunterlagen erhielt, stellte sie den Irrtum fest und wollte das Flugticket zurückgeben. Doch darauf ließ sich das Reisebüro nicht ein. Da sich die Frau weigerte, für einen Flug nach Bordeaux Geld auszugeben — wo sie "niemals hin wollte" —, zog das Reiseunternehmen vor Gericht.

Die Kundin muss die 294 Euro für den Hin- und Rückflug nach Bordeaux bezahlen, entschied das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstadt (12 C 3263/11). Denn der Reisevermittlungsvertrag sei trotz des sprachlichen Missverständnisses wirksam zustande gekommen. Dass die Mitarbeiterin im Reisebüro Porto mit Bordeaux verwechselt habe, sei nicht ihr anzukreiden.

Grundsätzlich sei es so: Wenn der Zuhörer undeutlich gesprochene Worte falsch verstehe, trage der Sprecher die Folgen (juristisch ausgedrückt: Das Risiko, dass der Empfänger eine Erklärung falsch auffasst, trägt der Erklärende). Im konkreten Fall gelte das erst recht: Denn die Mitarbeiterin des Reisebüros habe der Kundin zwei Mal "in korrekter hochdeutscher Sprache" die Flugroute, Startort und Zielort genannt. Erst als die Kundin alles bestätigte, habe sie den Flug verbindlich gebucht.

Ersatz-Frauchen will Hund nicht mehr hergeben

Hundebesitzerin versucht, bei Gericht eine einstweilige Verfügung zu erwirken

Weil sie gerade ein Kind bekommen hatte, brachte eine Münchnerin im Januar 2012 ihren Hund für ein paar Tage zu ihrem Vater. Dort sah ihn eine Bekannte und fand ihn "süß". Spontan bot sie der Hundebesitzerin an, das Tier etwa zwei Wochen lang zu betreuen. Die frischgebackene Mutter nahm das Angebot gerne an.

Aber ach: Als sie ihren Hund wieder abholen wollte — um auszuprobieren, ob er sich mit dem Säugling verträgt —, gab ihn die Bekannte nicht mehr her. Sie verkündete sogar, sie werde bald nach Berlin umziehen und den Hund mitnehmen.

Nun war guter Rat teuer! Die Hundebesitzerin bat die Justiz um Hilfe und beantragte beim Amtsgericht München eine einstweilige Verfügung: Eile sei geboten, denn die Bekannte in Berlin zu finden, werde schwierig sein. Außerdem sei das Wohl ihres Tieres gefährdet, weil die Bekannte oft zu tief ins Glas schaue und psychische Probleme habe.

Doch der zuständige Richter am Amtsgericht München hielt die Angelegenheit nicht für so dringend, dass er eine einstweilige Verfügung erlassen hätte (173 C 8666/12). Eine Verfügung im Eilverfahren würde die Entscheidung im Zivilprozess um den Hund vorwegnehmen. So eine Maßnahme komme nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht.

So ein Ausnahmefall sei hier nicht gegeben. Sollte der Hund durch nicht artgerechte Haltung tatsächlich gefährdet sein, sei dafür die Tierschutzbehörde der Stadt München zuständig. Dass ein Umzug der Betreuerin es für die Hundebesitzerin komplizierter machen würde, das Tier zurück zu bekommen, räumte der Amtsrichter zwar ein. Das rechtfertige aber keine einstweilige Verfügung.

Eine einstweilige Verfügung werde nur erlassen, wenn ein Antragsteller auf die Maßnahme so unbedingt angewiesen sei, dass er/sie ein ordentliches Gerichtsverfahren nicht abwarten könne, weil er/sie andernfalls unverhältnismäßig großen oder sogar irreparablen Schaden erleiden würde. So ein Risiko bestehe hier nicht.

Regatta-Begleitfahrt steuerlich absetzbar?

Unternehmer lud Geschäftspartner während der Kieler Woche auf eine Schiffsreise ein

Um die Geschäftsbeziehungen zu seinen Partnern zu pflegen und verdiente Mitarbeiter aus dem Vertriebsbereich zu belohnen, ließ sich ein mittelständischer Unternehmer etwas Besonderes einfallen. Er charterte während der "Kieler Woche" — d.h. für die Segelregatta — ein historisches Segelschiff. Damit unternahm "seine Crew" eine Regatta-Begleitfahrt und wurde dabei mit gutem Essen verwöhnt.

Die Ausgaben für den luxuriösen Segelturn wollte der Unternehmer als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen. Doch da spielten die Finanzbeamten nicht mit.

Gegen den ablehnenden Steuerbescheid klagte der Unternehmer: Die Kosten dieser Reise, inklusive Bewirtung der Gäste, müssten doch genauso als Betriebsausgabe anerkannt werden wie die Kosten von so genannten "VIP-Logen" in Fußballstadien (das lasse die Finanzverwaltung zu). Schließlich könne man eine Segelregatta nicht von einem festen Punkt aus, sondern nur von einem Schiff aus richtig beobachten.

Dieses Argument überzeugte den Bundesfinanzhof nicht (IV R 25/09). Ganz bewusst habe der Gesetzgeber im Einkommensteuergesetz die Kosten "unangemessener Repräsentation" von Unternehmen vom Steuerabzug ausgeschlossen. Solche Kosten sollten nicht per Steuerabzug auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

Dazu gehörten auch Ausgaben für Schiffsreisen und damit verbundene Geschäftsessen. Wer Geschäftspartner auf diese Weise unterhalten und das Unternehmen so aufwändig repräsentieren wolle, müsse das auf eigene Kosten tun. Auf Anweisungen der Finanzverwaltung zu VIP-Logen könne sich der Unternehmer nicht berufen: Die seien für die Finanzgerichtsbarkeit nicht bindend.

Erbitterter Streit ums Elterngrab

Eine Tochter ließ die Urnen umbetten: Schmerzensgeld für drei Schwestern

Zuerst war die Mutter der vier Schwestern gestorben. Der Vater ließ sie einäschern und in seinem Wohnort Ulm bestatten. Hier sei ihr Lebensmittelpunkt gewesen und hier wolle auch er beigesetzt werden, so erzählte es der Witwer Bekannten und so geschah es zunächst auch. Schriftlich wurde das allerdings nicht niedergelegt. Das entfachte eine erbitterte Familienfehde um den "richtigen" Friedhof. Die Schwestern waren einander so spinnefeind, dass jede den Blumenschmuck der anderen vom Grab entfernte.

Der Vater hatte Tochter A eine über den Tod hinaus geltende Vollmacht erteilt. Nach seinem Tod wurde sie als Grabnutzungsberechtigte des Elterngrabs registriert, von dem sie 24 Kilometer entfernt wohnte. Weil ihr so die Grabpflege zu mühsam war, ließ sie die beiden Urnen umbetten und auf den Friedhof an ihrem Wohnort verlegen. Die Schwestern wussten davon nichts. Als sie es erfuhren, zogen die Schwestern vor Gericht: A müsse die Urnen zum Ulmer Friedhof zurückbringen und ihnen Schmerzensgeld zahlen, forderten sie.

Unsinn, konterte Frau A, sie sei im Recht, denn der Vater habe sie mit der Totenfürsorge beauftragt. Außerdem könne sie so das Grab viel besser pflegen. Diese Argumente überzeugten das Landgericht Ulm nicht: Es stellte sich auf die Seite der Schwestern (2 O 356/11). Weder aus dem kommunalen Grabnutzungsrecht, noch aus der Vollmacht könne Frau A ein Recht auf alleinige Totenfürsorge ableiten. Ein Freibrief dafür, eigenmächtig die Toten bzw. ihre Asche umzubetten, sei das erst recht nicht.

Die Totenruhe müsse ungestört bleiben, egal, ob es sich um eine bestattete Leiche oder um eine Urne handle. In erster Linie sei der Wille des Verstorbenen zu wahren, und der wollte neben seiner Frau auf dem Ulmer Friedhof beerdigt werden. Der Wille der Verstorbenen gehe dem Willen der Kinder vor. Das müsse auch Tochter A respektieren, selbst wenn es den Aufwand für die Grabpflege erhöhe. Sie könne auch eine Friedhofsgärtnerei beauftragen — das sei zumutbar.

Durch die Umbettung der Urnen per Handstreich habe Frau A den Schwestern deutlich ihre Missachtung gezeigt. Sie habe ihnen den Ort der Trauer um die Eltern genommen und die Möglichkeit, selbst die Totenfürsorge auszuüben. Weil sie so deren Persönlichkeitsrechte verletzte, müsse sie jeder Schwester 500 Euro Schmerzensgeld zahlen. Der Affront und die völlige Uneinsichtigkeit von Frau A rechtfertigten eine solche Sanktion.

Mieter nutzt den Garten als Toilette

Vermieter kündigt ihm fristlos wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens

Mieter H wohnte mit seiner Familie seit drei Jahren in dem Kölner Mehrfamilienhaus. Dann häuften sich die Klagen der Mitbewohner über ihn. Mehrmals beschwerten sich die Nachbarn beim Vermieter darüber, dass er den Garten vor seiner Wohnung im Erdgeschoss als Toilette benutzte. Das stinke so zum Himmel, dass sie nicht mehr auf dem Balkon sitzen könnten.

Weil eine Abmahnung nichts half, kündigte der Vermieter den Mietvertrag des Übeltäters fristlos und klagte auf Räumung. Zu Recht, wie das Amtsgericht Köln entschied (210 C 398/09). Die Kündigung habe das Mietverhältnis wirksam beendet, denn der Mieter habe seine Pflichten aus dem Mietvertrag grob verletzt und den Hausfrieden nachhaltig gestört. Vor und nach der Abmahnung habe H im Garten uriniert, entweder in einen Eimer oder auf den Rasen und die Bäume.

Der Mieter der Wohnung im ersten Stock habe dies häufig beobachtet und vermutet, H mache daraus Dünger. Denn H habe zusätzlich Obstreste in den Eimer geschüttet und alles vermischt. Auf seinen Balkon könne er kaum noch gehen, habe der Nachbar ausgesagt, da der Gestank so unangenehm sei. Man könne den Fäkalgeruch auch deutlich wahrnehmen, wenn man am Garten vorbei ins Haus gehe.

Diese Aussage sei von einem Zeugen aus dem 7. Stock bestätigt worden. Er habe H schon direkt darauf angesprochen, dass er sich im Garten mit heruntergezogener Hose auf einen Eimer gesetzt habe. Das habe der Mann keineswegs bestritten, sondern nur gesagt, "das sei Kompost". Der Zeuge habe darüber die Hausverwaltung informiert, weil der Gestank manchmal sogar bis zur 7. Etage hinaufzog. Diese permanente Belästigung der Mitbewohner rechtfertige eine Kündigung, H müsse ausziehen.

Besucherin einer Strandbar fiel in den Rhein

Kein Schadenersatz für einen Sturz auf nasser Ufertreppe beim Public Viewing

Im Sommer 2010 besuchte Frau X eine Strandbar am Mainzer Rheinstrand. Da hatte der geschäftstüchtige Wirt eine "public viewing"-Zone für die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika eingerichtet. Nebenan führte eine breite Ufertreppe hinunter zum Fluss. Auf der vorletzten Stufe über dem Wasser rutschte Frau X aus, fiel erst auf den rechten Arm und dann in den Rhein. Dabei brach sie sich das Handgelenk. Den Gastronomen verklagte die Frau auf 28.600 Euro Schadenersatz — allerdings ohne Erfolg.

Der Wirt widersprach ihrem Vorwurf, er habe vor der Sturzgefahr nicht gewarnt: Da stünden Warnschilder und während der WM seien obendrein Sicherheitskräfte eingesetzt worden. Auch das Landgericht fand, er habe für die Sicherheit der Gäste ausreichend gesorgt, und wies die Zahlungsklage der Verletzten ab. Das Oberlandesgericht Koblenz bestätigte das Urteil (8 U 1030/11).

Der Gastwirt habe das getan, was ein umsichtiger und verständiger Mensch für nötig (aber auch für ausreichend) halte, um die Gäste vor Schäden zu bewahren. Am Rheinstrand gebe es kein verstecktes Risiko, vor dem man warnen müsste, im Gegenteil. Dass Treppenstufen, die direkt in den Fluss führten, nass sein könnten, sei angesichts des Wellengangs für jedermann offenkundig. Ständig schwappe Wasser über die unteren Stufen.

Eben deshalb nützten viele Gäste des Rheinstrands und der Strandbar die breite, übersichtliche Ufertreppe, um die Füße ins Wasser zu halten oder auch nur nass zu machen. Dass es da rutschig sei, sei also nicht zu übersehen. Darauf müssten sich Besucher einstellen. Wenn eine Gefahrenstelle sozusagen "vor sich selbst warne", müsse ein Gastronom keine großen Anstrengungen unternehmen, um die Gäste eigens darauf hinzuweisen.

Eins mit der Natur

Waldbesitzer möchte, dass nach seinem Tod die Asche im Wald verstreut wird

So naturverbunden fühlt sich der Besitzer eines Waldgrundstücks, dass er nach seinem Tod mit der Natur eins werden möchte: Beim Landkreis beantragte er die Erlaubnis dafür, nach der Verbrennung seines Leichnams die Asche auf dem Grundstück verstreuen zu lassen. Seine Überreste sollten der Natur zugeführt werden, um zu dokumentieren, dass seine Existenz still entweicht. Die Ansichten über Begräbnisse hätten sich in den letzten Jahren total gewandelt.

Doch die zuständige Behörde verwies verständnislos auf den in Rheinland-Pfalz bestehenden Friedhofszwang: Verstorbene bzw. ihre Asche auf privaten Grundstücken zu bestatten, komme nur im Ausnahmefall in Frage. Die Liebe des Antragstellers zu Natur und Wald reiche nicht, um eine Ausnahme zu machen. Vom Oberverwaltungsgericht Koblenz erhielt der Naturfreund ebenfalls eine Absage (7 A 10005/12.OVG).

Ein berechtigtes Interesse an einer Ausnahmegenehmigung bestehe nicht schon dann, wenn sie dem Wunsch eines Verstorbenen entspreche. Dagegen stünden öffentliche Interessen, die den Friedhofszwang rechtfertigten: die Wahrung der Totenruhe, die Sitte, Tote auf öffentlichen Friedhöfen zu beerdigen und die Scheu der Bevölkerung, allenthalben dem Tod zu begegnen.

Dem Gesetzgeber stehe es frei, den Friedhofszwang beizubehalten und damit das sittliche Gefühl weiter Bevölkerungskreise zu berücksichtigen: Tote sollten auf den dafür bestimmten Flächen beerdigt werden. Aschenreste nach einer Verbrennung sollten ebenso pietätvoll behandelt, ihre Totenruhe genauso gewahrt werden wie die erdbestatteter Leichen. Deshalb dürften Urnen auch nicht privat von Angehörigen aufbewahrt werden. Das sei eine allgemein akzeptierte Einschränkung der Freiheit.

Nachtruhe ist nur bis sechs Uhr geschützt

Gericht hält Glockenläuten einer Kirche am frühen Morgen für zumutbar

Etwa 70 Meter liegen zwischen der evangelischen Kirche und dem Wohnhaus von Herrn T. Er fühlte sich durch das Glockenläuten der Kirche gestört: An jedem Werktag läutete die Kirchturmglocke um sechs Uhr früh zwei Minuten lang. Herr T, selbst Mitglied der evangelischen Landeskirche, verklagte die Kirche auf Unterlassung. Das Läuten verletze ihn in seiner Religionsfreiheit, behauptete T, denn er vertrete eine laizistische Weltanschauung. Er werde gezwungen, ein akustisches religiöses Zeichen zu hören, das ihn störe.

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim wies die Klage ebenso ab wie schon das Verwaltungsgericht Stuttgart (1 S 241/11). Glockenläuten sei keine für Anwohner schädliche Einwirkung: Die geltenden Grenzwerte der Technischen Anleitung (TA) Lärm würden eingehalten (die TA Lärm setzt das Bundesimmissionsschutzgesetz um). Geschützt sei die Nachtruhe grundsätzlich nur bis sechs Uhr früh. Zudem sei Glockenläuten traditionell akzeptiert und sozial angemessen.

Zwar räumte das Gericht ein, das Glockenläuten "tangiere" die Religionsfreiheit von Herrn T. Das "akustische religiöse Zeichen" gehe aber nicht vom Staat aus. Die Behörden seien nicht verpflichtet, gegen die Kirche einzuschreiten, um die Religionsfreiheit von Herrn T zu schützen. Denn die Kirche nehme mit dem Glockenläuten ebenfalls verfassungsmäßig geschützte Rechte wahr.

Diesen Konflikt müsse man ausgleichen, indem die Grenzwerte beachtet würden, aber nicht durch ein Verbot des Glockenläutens. Das würde der laizistischen Weltanschauung Vorrang einräumen, der ihr gegenüber anderen Weltanschauungen nicht zustehe. Im Übrigen — so die ironisch-boshafte Schlussbemerkung des Gerichts — verbleibe dem Anwohner schon wegen der Kürze des Läutens der größte Teil der Zeit zwischen sechs und acht Uhr zu ruhiger Schriftlesung und Meditation.

Glücksspiel (1): "Super-Manager"-Spiel

Fußballspiel im Internet: erlaubter Zeitvertreib oder verbotenes Glücksspiel?

Das parallel zur Fußballbundesliga laufende Internetspiel von "bild.de" — der "Super-Manager" — steht schon seit Jahren im Mittelpunkt juristischen Tauziehens. Die Regierung von Mittelfranken verbot es ebenso wie das Regierungspräsidium Karlsruhe als öffentliches Glücksspiel. Im Unterschied zum Verwaltungsgericht Karlsruhe und zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, die beide die Klage von "bild.de" gegen das Verbot abwiesen, gab der Verwaltungsgerichtshof Mannheim der Betreiberin der Website Recht.

Worum geht es? Die Teilnehmer zahlen 7,99 Euro fürs Mitspielen mit einer fiktiven Fußballmannschaft. Ihren Phantasie-Kader stellen sie mit einem fiktiven Budget (1 Million Euro) aus realen Bundesligaspielern zusammen. Nach jedem Bundesliga-Spieltag bewerten Experten die Fantasie-Teams gemäß deren Leistungen im realen Bundesligaspiel. Für Tore oder gewonnene Zweikämpfe gibt es Extrapunkte. Der Spieler-Manager, der am Ende der Saison am meisten Punkte hat, erhält 100.000 Euro. Weitere Platzierungen werden mit kleineren Summen oder Sachpreisen belohnt.

Weil für den Erwerb der Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und der Gewinn überwiegend vom Zufall abhängt — was "bild.de" natürlich bestreitet —, wurde der "Super-Manager" in einigen Bundesländern als öffentliches Glücksspiel verboten. Ein gleich lautendes Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat jetzt der Verwaltungsgerichtshof Mannheim aufgehoben (6 S 389/11). Wie weit es den Teilnehmern möglich sei, ihre Gewinnchancen durch Fußballkenntnisse zu beeinflussen, könne offen bleiben, so das Gericht.

Jedenfalls sei der "Super-Manager" schon deshalb kein verbotenes Glücksspiel, weil die Spieler mit dem Entgelt nicht die Gewinnchance kauften. Die Gewinne stellten Sponsoren zur Verfügung. Die Gebühr von 7,99 Euro je Phantasie-Team sei kein Spieleinsatz, sondern decke die Veranstaltungskosten. Die Gebühr werde für die Teilnahme am Spiel gezahlt und sei — anders als ein Spieleinsatz — für den Mitspieler in jedem Fall verloren. Das Verbot sei auch deshalb rechtswidrig, weil bei diesem Spiel die Gefahr der Spielsucht und deren negative Wirkungen deutlich geringer seien als bei strafbaren Glücksspielen.

Streit um Lotto-Testkauf

Lässt ein Lottoverkäufer Jugendliche spielen, sind Sanktionen der Lotterieverwaltung gerechtfertigt

Um zu überprüfen, ob Lose oder Spielscheine an Jugendliche verkauft werden, schickt die bayerische Lotterieverwaltung regelmäßig minderjährige Testpersonen in Lottoannahmestellen. So war es auch im konkreten Fall: Im Februar 2011 legte ein 17-jähriger Testkäufer dem Angestellten eine Kundenkarte mit dem Bild seines Vaters vor. Dem Mitarbeiter der Annahmestelle fiel es nicht auf, er akzeptierte den Spieleinsatz für KENO (laut Reklame der Lotterieverwaltung eine super-moderne, "schnelle Zahlenlotterie mit täglicher Millionenchance"!).

Das brachte der Inhaberin des Ladens eine Abmahnung und eine Geldstrafe (319 Euro) von der Lotterieverwaltung ein. Obendrein sollten sie und ihr Mitarbeiter an einer Nachschulung teilnehmen. Während die Leiterin der Annahmestelle der Aufforderung nachkam, weigerte sich der Angestellte. Nun sperrte die Lotterieverwaltung seine Bedienerkennung im Onlinesystem, so dass er seine Aufgaben nicht mehr erfüllen konnte. So unter Druck gesetzt, fuhr der Mann doch zur Nachschulung und die Sperre wurde aufgehoben.

Die Sanktionen wollte er aber nicht einfach auf sich sitzen lassen. Er forderte von der Lotterieverwaltung Schadenersatz für die Vertragsstrafe (die ihm die Arbeitgeberin vom Lohn abgezogen hatte), für den verlorenen Lohn während der Sperre und für die Fahrt zur Nachschulung. Da werde zu Lasten der Angestellten ein Test inszeniert, so sein erboster Kommentar, um kostenpflichtige Nachschulungen durchzuführen und den Testkäufern Fangprämien zu verschaffen. Der Testkauf sei nicht mal korrekt gewesen. In Wirklichkeit habe der Karteninhaber selbst, also der Vater, den KENO-Schein abgegeben.

Diese Vorwürfe wies das Amtsgericht München zurück (244 C 25788/11). Die Lotterieverwaltung sei gemäß dem Glücksspielstaatsvertrag dazu verpflichtet, Spielsüchtige und Jugendliche zu schützen, erklärte die Amtsrichterin. Die Lotterieverwaltung müsse gewährleisten, dass Minderjährige und gesperrte Personen nicht an Lotterien und Wetten teilnehmen. Um Verstöße festzustellen, seien Testkäufe nötig — und obendrein Sanktionen, um künftige Verstöße zu verhindern.

Der Testkäufer und sein Vater bestätigten als Zeugen, dass der Testkauf korrekt abgelaufen war. Fangprämien würden nicht bezahlt, so die Amtsrichterin, so dass das vom Angestellten angeprangerte Szenario reichlich abwegig erscheine. Ebenso wie die Vermutung, die bayerische Lotterieverwaltung wolle durch Testkäufe nur Geld einnehmen und Teilnehmer für ihre Schulungen rekrutieren.

Cola contra Pepsi

Pepsi-Glasflaschen ähneln Cola-Glasflaschen nicht so sehr, dass das Markenrecht von Cola verletzt wäre

Unternehmen des Coca-Cola Konzerns zogen vor Gericht: Sie forderten, der PepsiCo Deutschland GmbH den Vertrieb von Pepsi in den aktuell verwendeten Glasflaschen zu verbieten. Sie ähnelten der 0,2 Liter Coca-Cola Konturflasche so sehr, dass dies die Markenrechte von Coca-Cola an der Flaschenform verletze. PepsiCo nutze in unlauterer Weise die Attraktivität und den guten Ruf der Marke Coca-Cola aus, um den eigenen Umsatz zu steigern.

Allein der Umstand, dass beide Flaschen tailliert seien, führe nicht zu Verwechslungen, urteilte das Landgericht Hamburg (315 O 310/11). Es wies die Klage ab: Eine von vielen Herstellern eingesetzte, allgemein übliche ästhetisch-funktionale Grundform wie eine taillierte Flasche stehe nicht unter dem Schutz des Markenrechts.

Von der Grundform abgesehen, sei die Coca-Cola-Flasche sehr charakteristisch gestaltet und von der Konkurrenz leicht zu unterscheiden: vor allem durch die vertikale Riffelung des Glases und durch den breiten, leicht gewölbten Glasgürtel, der Flaschenkörper und Flaschenhals optisch deutlich trenne. Diese Merkmale weise die "Carolina-Flasche" von Pepsi nicht auf, die von horizontalen Wellenlinien geprägt sei.

Angesichts dieses deutlichen Unterschiedes stellten die Verbraucher keine gedankliche Verbindung zwischen der Pepsi-Flasche und Coca-Cola her. Weder werde das "Image" von Coca-Cola ausgenutzt, noch Coca-Cola als Marke geschädigt. (Coca-Cola hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Monaco und die Boulevardpresse

Bilder vom Besuch einer Vernissage dürfen veröffentlicht werden

In einer Londoner Kunstgalerie, die dem "Rolling Stone" Ron Wood gehört, wurden die Werke eines Warhol-Schülers ausgestellt. Mit geladenen Gästen wurde die Ausstellung eröffnet, dabei knipste der Fotograf einer bekannten Bildagentur Fotos. Unter anderem lichtete er Charlotte Casiraghi ab, eine Tochter von Caroline Prinzessin von Hannover. Die Zeitschrift "BUNTE" veröffentlichte das Bild und berichtete unter dem Titel "Die lange Nacht der Goldkinder" über das Londoner Nachtleben der "Jungsociety".

"Im Gedränge der Vernissage: Galerist und Millionenerbe … und eine Besucherin diskutieren mit der jungen Kunstkolumnistin Charlotte Casiraghi die Werke eines Warhol-Schülers ...". Alle Mitglieder des Fürstenhauses von Monaco achten strikt auf ihre Privatsphäre und führen seit Jahrzehnten einen unerbittlichen Kampf gegen die Boulevardpresse. Auch diesmal bemühte Frau Casiraghi die Justiz, um durchzusetzen, dass das Foto nicht mehr veröffentlicht wird.

Doch diesen Prozess verlor sie beim Bundesgerichtshof gegen den Zeitschriftenverlag (VI ZR 5/10). Wenn über Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse berichtet werde, dürften Medien Fotos von Personen publizieren, ohne sie vorher um Erlaubnis zu fragen, so die Bundesrichter. "Gesellschaftliches Interesse" sei zu Gunsten der Pressefreiheit weit auszulegen. Dazu zählten auch unterhaltende Beiträge über das Alltagsleben Prominenter, vorausgesetzt, deren Privatsphäre bleibe gewahrt.

Wenn der berühmte Besitzer einer Galerie andere Prominente einlade, sei es üblich, dass publikumswirksam darüber berichtet werde. Das stelle keinen Eingriff in das Privatleben der fotografierten Personen dar. Der Text weise darauf hin, dass Frau Casiraghi in einem Magazin bereits einen Artikel über eine Kunstausstellung in Spanien veröffentlicht habe. Das erkläre ihren vertrauten Umgang mit Galeristen und stelle einen sachlichen Zusammenhang zur Teilnahme an der Vernissage her.

Der Artikel befasse sich außerdem generell damit, was im Moment "cool" sei, welchen Stellenwert die "Royals" bei den Kindern von Prominenten und Adeligen haben und welche Veranstaltungen diese besuchten. Das sei für die Öffentlichkeit interessant und mache auch die sozialen Unterschiede deutlich, in denen junge Menschen aufwachsen. Das könne durchaus Anlass zu sozialkritischen Überlegungen sein.

"Krankhafter Liebeswahn"

… eines Schizophrenen: Rechtfertigt das einen Freiheitsentzug?

1996 wurde Frau K, eine flüchtige Bekannte, für den jungen Mann zum Objekt der Begierde. W verfolgte und belästigte sie, wollte nicht akzeptieren, dass sie seine Zuneigung nicht erwiderte. Sein Besitzanspruch artete aus: Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Beleidigungen inklusive. Wegen einer physischen Attacke wurde er zu drei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. 1997 diagnostizierte man in einer Fachklinik eine paranoide Schizophrenie. Der "wahnhaft Liebeshungrige", der sich sehnlichst eine Frau wünscht, steht seither unter Betreuung.

2001 wurde W nach wiederholten Nachstellungen an Frau K's Arbeitsplatz in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik untergebracht und medikamentös eingestellt. 2005 entließ man ihn unter Führungsaufsicht. Das ging einige Jahre gut, bis er die Medikamente absetzte. Anfang 2011 erkor W eine Nachbarin zur Angebeteten: Vor ihrer Wohnungstür bereitete er ihr eine Art "Altar" aus Blumen, Süßigkeiten, Stofftieren und Kondomen. Bald landete er wieder in der Klinik.

Amtsgericht und Landgericht Ravensburg ordneten an, den Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung zu verlängern: Die Vorgeschichte zeige, dass W bald wieder in einen Liebeswahn zu einer beliebigen Frau verfallen werde. W zeige keine Krankheitseinsicht, lehne die Medikamente und betreutes Wohnen ab. Daher stelle er ein Risiko für alle Frauen dar, die mit ihm zufällig in Kontakt kämen. W legte gegen den Beschluss Rechtsbeschwerde ein. Der Bundesgerichtshof hielt die Zwangseinweisung für unzureichend begründet (XII ZB 488/11).

Freiheitsentzug sei ein gravierender Eingriff in die Grundrechte einer Person. Gegen ihren Willen dürfe man psychisch Kranke nur einsperren, wenn sie sich oder andere gefährdeten. Belästigungen oder Beschimpfungen rechtfertigten dies nicht — solche Verhaltensweisen von Kranken müsse die Gesellschaft ertragen. Auch in Fällen wie diesem, bei krankheitsbedingten unablässigen Stalking-Attacken, komme eine zwangsweise Unterbringung in einer Klinik nur in Frage, wenn andernfalls die attackierten Personen erheblich gefährdet wären.

Zwar treffe es zu, dass W langfristig Medikamente nehmen müsse, um sein aggressives, unnatürliches Besitzstreben einzudämmen. Doch seine Vergehen im krankhaften Liebeswahn seien bisher nicht so schwerwiegend, dass eine Zwangseinweisung verhältnismäßig wäre. W habe Frau K mehrfach an den Armen gepackt und gedrückt: Diese Vorfälle lägen zehn Jahre zurück. Es fehle eine seriöse Einschätzung des künftigen Gefahrenpotenzials durch einen Sachverständigen.

Schülerin ließ sich tätowieren

Nach einer Woche verlangte die wankelmütige 17-Jährige vom Studio, das Tattoo zu entfernen

Eine 17-jährige Münchnerin ließ sich im Tätowierstudio auf die Innenseite eines Handgelenks ein koptisches Kreuz tätowieren. Das kostete 50 Euro. Ihren Eltern hatte sie nichts davon erzählt. Ob nun die Eltern protestierten oder ob der jungen Frau das Kreuz einfach nicht (mehr) gefiel: Jedenfalls erschien sie nach etwa einer Woche wieder im Tätowierstudio und behauptete, das Tattoo sei schief. Der Tätowierer sollte es mit einem Laser entfernen.

Darauf ließ sich der Studioinhaber jedoch nicht ein: Das Tattoo sei völlig in Ordnung gewesen. Ihr Handgelenk sehe so aus, als habe die Kundin selbst schon versucht, das Tattoo zu beseitigen: Das Kreuz sei ausgewaschen und mit einer Kruste überzogen. Der Tätowierer bot der Kundin an, das Tattoo nachzubessern. Das wollte sie aber nicht.

Nach ihrem 18. Geburtstag verklagte die junge Frau den Studioinhaber auf Rückzahlung von 50 Euro und Kostenübernahme für eine Laserbehandlung (799 Euro). Das Amtsgericht München wies ihre Klage ab (213 C 917/11). Da sie neben der Schule in einer Eisdiele jobbe, habe sie die 50 Euro aus eigener Tasche zahlen können. Also sei der Werkvertrag mit dem Studio wirksam, erklärte der Amtsrichter, auch wenn die Kundin bei dessen Abschluss noch minderjährig gewesen sei.

Das Tattoo habe ursprünglich dem Wunsch der 17-Jährigen entsprochen, auch wenn sie das im Nachhinein bestreite. Daher habe sie keinen Anspruch auf Rückzahlung. Sie habe dem Eingriff in den Körper zugestimmt. Und trotz ihres Alters habe es der jungen Frau auch nicht an Urteilsfähigkeit gefehlt: Sie habe schon gewusst, was sie tat. Einer Schülerin, die fast volljährig sei und schon einen kleinen Job ausfülle, könne man die nötige Einsicht zutrauen.

Nächtliche Schlägerei vor der Disko

Der schwer verletzte Verlierer bekommt keine Opferentschädigung vom Staat

In einer Duisburger Disko gab es im Januar 2010 eine Rangelei zwischen einem 33-jährigen Deutschen und einem amerikanischen Soldaten. Der Soldat sei "äußerst aggressiv" gewesen und habe eine "Statur wie Mike Tyson" gehabt, erklärten Zeugen hinterher. Nichtsdestotrotz ließ sich der Deutsche etwas später am Abend draußen vor dem Eingang auf eine Schlägerei mit dem geübten Kampfsportler ein. Das ging für ihn übel aus.

In wenigen Sekunden schlug der Soldat den Kontrahenten bewusstlos. Doch damit nicht genug: Nach kurzem Rückzug kehrte er um und versetzte dem am Boden liegenden Gegner brutale Fußtritte gegen den Kopf, um ihn zu töten. Der Täter floh in die USA. Ein Begleiter, der ihm bei der Schlägerei geholfen hatte, wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der 33-Jährige überlebte nur knapp: Er erlitt einen Schädelbruch, leidet bis heute unter Gedächtnis- und Sprachstörungen.

Vergeblich beantragte der Verletzte bei der zuständigen Behörde Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Er räumte zwar ein, dass er mit zu der Eskalation beitragen hatte. Aber dass der Soldat einen Bewusstlosen so brutal treten würde, habe er nicht vorhersehen können. Das sei seinem eigenen Fehlverhalten nicht mehr zuzurechnen. Die Pause in der Schlägerei stelle eine Zäsur dar, danach sei die Situation neu zu bewerten.

Diese Argumentation verhalf seiner Klage beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen nicht zum Erfolg (L 13 VG 68/11). Eine Schlägerei mit einem aggressiven Unbekannten bilde das Musterbeispiel einer gefährlichen Situation, deren Ausgang nicht kalkulierbar sei, so das Gericht. Der Diskobesucher habe daher auch mit schweren Verletzungen rechnen müssen. Wer eine Prügelei mitmache oder gar provoziere, gefährde sich leichtfertig selbst und handle grob fahrlässig. In so einem Fall sei ein Anspruch auf Opferentschädigung ausgeschlossen.

Wohnungsdurchsuchung bei Schuldnerin

Muss der Vollstreckungsbeamte in Socken nach pfändbaren Dingen suchen?

Dem Finanzamt schuldete die aus der Türkei stammende Frau 4.230 Euro Steuern. Die Behörde leitete die Zwangsvollstreckung ein und beantragte bei Gericht einen Durchsuchungsbeschluss. Ein Vollstreckungsbeamter sollte sich in der Wohnung der Schuldnerin nach pfändbaren Gegenständen umsehen. Die Frau focht den Gerichtsbeschluss an, widersprach allerdings gar nicht der Durchsuchung als solcher.

Die Schuldnerin forderte vielmehr, der Vollziehungsbeamte müsse seine Straßenschuhe ausziehen, bevor er ihre Räume betrete. So sei es in ihrem Kulturkreis üblich und auch geboten, um sich vor Schmutz und Bakterien zu schützen. Das Landgericht Limburg wies die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss zurück (7 T 18/12).

Gegen die gängige Praxis, eine im Rahmen der Zwangsvollstreckung nötige Wohnungsdurchsuchung mit Straßenschuhen durchzuführen, sei nichts einzuwenden. Mit den Besonderheiten der türkischen Kultur habe die Sache nichts zu tun: Auch in deutschen Familien komme es häufig vor, dass Gäste bei Besuchen die Straßenschuhe vor der Wohnungstüre ausziehen.

Ein Vollstreckungsbeamter betrete die zu durchsuchende Wohnung jedoch nicht als eingeladener Gast bei Bekannten, sondern um bei fremden Personen seinen staatlichen Auftrag auszuführen. Wenn er sich in dieser Situation nicht in Socken bewegen möchte, sei das zu respektieren. Der Beamte müsse da keine Rücksicht nehmen auf das Empfinden der Schuldner — gleich welcher kultureller Herkunft. Es sei schon "zehntausendfach in Straßenschuhen vollstreckt" worden, ohne dass "negative Folgen bekannt geworden wären".