Land- und Forstwirtschaft

Blitzschlag im Schweinestall

Lüftungsanlage defekt: Feuerversicherer will Landwirt für verendete Schweine nicht entschädigen

In einem Schweinestall im Landkreis Osnabrück gab die Lüftungsanlage ihren Geist auf. Die Alarmanlage, die in so einem Fall eigentlich Gefahr signalisieren soll, tat ebenfalls keinen Mucks mehr: Ihre Steuerplatine war kurz vorher bei einem Gewitter durch einen Blitzschlag beschädigt worden. Deshalb merkte der Landwirt viel zu spät, dass die Lüftung im Stall nicht funktionierte. Das wurde 452 Mastschweinen zum Verhängnis, die elend verendeten.

Der Landwirt meldete seiner Feuerversicherung den Verlust und forderte rund 70.000 Euro Schadenersatz für die Schweine plus Kosten für das Entsorgen der toten Tiere. Da sei sie nun überhaupt nicht zuständig, fand die Versicherung. Die Schweine seien eingegangen, weil die Lüftung defekt gewesen sei. Der Versicherungsschutz in der Feuerversicherung umfasse Lüftungsanlagen nicht.

Mit dieser Argumentation war das Oberlandesgericht Oldenburg nicht einverstanden (5 U 161/13). Es sei unlogisch, in so einem Fall allein die Lüftungsanlage als Grund für den Schaden anzusehen. Nur weil die Alarmanlage nicht anschlug, als die Lüftungsanlage ihren Dienst versagte, sei deren Ausfall nicht sofort aufgefallen. Hätte die Alarmanlage Alarm ausgelöst, wäre der Defekt der Lüftungsanlage rechtzeitig entdeckt und der Tod der Schweine verhindert worden.

Letztlich habe also der Ausfall der Alarmanlage den Schaden verursacht. Wie der gerichtliche Sachverständige ausführte, sei der Defekt der Alarmanlage auf Blitzschlag zurückzuführen. Blitzschlag gehöre zu den in der Feuerversicherung versicherten Risiken. Daher müsse das Versicherungsunternehmen den Verlust der Schweine ersetzen, die Forderung des Landwirts sei in voller Höhe berechtigt. (Die Versicherung hat gegen das Urteil Revision eingelegt.)

Tötung von Eintagsküken

Geflügelzüchter dürfen weiterhin männliche Küken aussondern

Europaweit ist es in der Geflügelzucht üblich, männliche Küken zu töten, sofort nachdem sie geschlüpft sind. Allein in Deutschland finden so etwa 50 Millionen männliche Küken jährlich den Tod. Das Landwirtschafts- und Umweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wollte diese Praxis beenden. Es wies die zuständigen Landkreise an, ein Verbot zu erlassen und ab 2015 durchzusetzen.

Dagegen klagten elf der zwölf Brütereien des Bundeslandes mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht Minden hob die Anordnungen der Landkreise auf (2 K 80/12, 2 K 83/14). Vorerst bleibe es zulässig, so genannte "Eintagsküken" zu töten, entschied das Gericht. Die allgemeinen Generalklauseln im Tierschutzgesetz reichten nicht aus, um ein Verbot zu rechtfertigen, das so massiv in die Berufsfreiheit der Geflügelzüchter eingreife.

Dieses Problem müsse das Parlament per Gesetz regeln. So eine wesentliche Entscheidung dürfe der Gesetzgeber nicht der Verwaltung übertragen. Seit Jahrzehnten werde trotz des Tierschutzgesetzes die Tötung praktiziert und als gerechtfertigt angesehen — übrigens auch im Ausland. Um diese Praxis zu untersagen, reiche der Hinweis nicht aus, dass die Gesellschaft heutzutage den Tierschutz höher bewerte als früher.

Das Verbot würde für die Brütereien das "Aus" bedeuten, weil es bisher keine praxistauglichen und wirtschaftlich vertretbaren Alternativen zur Tötung gebe. Das Geschlecht bereits im Ei zu bestimmen, sei viel zu aufwändig. Die männlichen Tiere als Stubenküken oder Masthähne zu vermarkten, sei im Rahmen der Massentierhaltung ebenfalls unmöglich: Ihre längere Mastzeit brächte höhere Preise mit sich. Doch die Konsumenten seien derzeit nicht bereit, mehr Geld für Geflügel auszugeben.

Versprechen darf man nicht brechen

Die Zusage eines Landwirts, den Hof an den Sohn zu übergeben, ist ein verpflichtender Vorvertrag

27 Jahre lang hatte K auf dem Hof der Eltern gearbeitet - ohne Bezahlung. Nur Kost und Logis bekam er. Als Sohn K heiratete, half die Ehefrau im Lokal der Familie mit. Auch sie sah dafür keinen Pfennig. Ab 1999 bewirtschaftete K den Hof allein, nachdem sich der Vater aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste.

Einst hatte er dem Sohn den Hof versprochen, allerdings wurde die geplante Übergabe nie vertraglich fixiert und notariell beglaubigt. Nach einigen Streitereien änderte der Vater seine Meinung und setzte 2003 einen Bruder von K in einem Erbvertrag als Alleinerben ein. Sohn K reagierte darauf mit einer Klage auf Nachzahlung von Arbeitslohn. Später zog er erneut vor Gericht und verlangte vom Vater die Übergabe des Hofs.

Der Vater müsse mit ihm einen Übergabevertrag schließen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe (9 U 9/11). Bei landwirtschaftlichen Familienbetrieben könne das mündliche Versprechen einer Hofübergabe auch formlos gültig sein, ohne notariellen Vertrag. So ein Versprechen sei als verbindlicher Vorvertrag anzusehen, wenn ein Kind des Hofeigentümers sein Leben auf dieses Versprechen einrichte, d.h. im Vertrauen darauf längere Zeit unentgeltlich auf dem Hof arbeite und keine eigene wirtschaftliche Existenz aufbaue. Das treffe hier eindeutig zu.

Während Bruder M die Gaststätte betreibe, habe K den Hof geführt. Er habe keine Altersvorsorge getroffen, die Eltern hätten für ihn keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt. Schon seit dem Jahr 1980 habe K die Arbeit auf dem Hof im Wesentlichen allein organisiert. Nach 1999 habe der Vater plötzlich behauptet, K sei dazu nicht in der Lage. Dabei habe der Hof z.B. die Milchreferenzmenge nur verloren, weil sich der Hofeigentümer zurückzog, ohne einen Übergabevertrag zu schließen. Künftig wolle K Ziegen halten und mit Demeter zusammenarbeiten, das sei wirtschaftlich vernünftig.

Das OLG konnte keinen Grund dafür erkennen, K den Hof trotz jahrzehntelanger Schufterei vorzuenthalten. Nur eine erhebliche Verfehlung des Sohnes wie etwa ein tätlicher Angriff würde den Vater dazu berechtigen, sein Versprechen zu brechen. Familiäre Auseinandersetzungen seien normal. Der 2003 zwischen dem Vater und Sohn M geschlossene Erbvertrag sei unwirksam, soweit er den Hof betreffe.

Landwirt versemmelt Prüfung

Auszubildender klagt gegen schlechtes Abschneiden bei der Abschlussprüfung

Wer kennt es nicht — das Gefühl, bei einer Prüfung ungerecht behandelt worden zu sein? Als der Auszubildende K die Abschlussprüfung zum Landwirt vermasselt hatte, folgte er diesem Gefühl und klagte gegen das unschöne Ergebnis. Doch beim Verwaltungsgericht (VG) München musste er die nächste Niederlage einstecken (M 16 K 13.3773).

Eine Neubewertung des Ergebnisses sei schon deshalb nicht möglich, weil es an einer verlässlichen Bewertungsgrundlage fehle, so das VG. Das Resultat der praktischen Prüfung sei nur auf einem kurzen Bewertungsblatt festgehalten worden. Welche Prüfungsleistungen K tatsächlich geschafft habe, könne das Gericht gar nicht mehr nachvollziehen.

Mit der gleichen Begründung lehnte es auch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München ab, K die Prüfung wiederholen zu lassen (22 ZB 14.1633). Der VGH ging zusätzlich auf die Kritik des Auszubildenden ein, die Prüfung sei entgegen den Vorschriften öffentlich abgehalten worden.

Wegen der Anwesenheit zweier Zuschauerinnen — eine Auszubildende, eine künftige Prüfungskandidatin — habe sich der Prüfer falsch verhalten. Er habe versucht, sich zu profilieren und deshalb ihn, K, während der Prüfung übermäßig zurechtgewiesen. Statt konkrete Fragen zu stellen, habe er Geschichten über seine eigene Tätigkeit erzählt.

Diesen Vorwurf wies das Gericht zurück: Ob das Verhalten des Prüfers mit den jungen Damen zusammenhing, sei unklar. Jedenfalls sei nicht bewiesen, dass es sich auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt habe. Außerdem hätte der Auszubildende so etwas sofort rügen müssen.

Dass andere Mitglieder des Prüfungsausschusses befangen gewesen seien, also die nötige Neutralität vermissen ließen, habe K auch behauptet und ebenso wenig belegen können. Und zu K’s Beschwerde, er habe für den Prüfungsteil "Tierproduktion" eigene Schafe mitbringen müssen, meinte der VGH nur: Das würden wohl die meisten Kandidaten als Vorteil ansehen und nicht als Nachteil.

Der Wald ist nicht für Pferde da

Waldflächen als Weide zu benützen und einzuzäunen, ist verboten

Eine Waldbesitzerin betrieb auf ihrem Grundstück eine Pferdepension. Im Internet warb sie für Ausritte und Kutschfahrten mit Trinkerpferden. Für Übernachtungsgäste und Wanderreiter standen ein Ferienhäuschen, ein Blockbohlenhaus und mehrere Stellplätze für Wohnmobile zur Verfügung. Für sieben Trinkerpferde hatte die Frau im Wald eine Teilfläche als Weide eingezäunt.

Mitarbeiter des Forstamts stellten bei einer Ortsbesichtigung im November 2011 fest, dass die beweidete Fläche zertrampelt war. Verbiss an Bäumen und Sträuchern dokumentierten sie mit Fotos. Nun erhielt die Waldbesitzerin Post vom Landratsamt: Mitten im Wald Flächen als Pferdeweide zu benützen und abzugrenzen, widerspreche "ordnungsgemäßer Forstwirtschaft" (Niedersächsisches Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung). Damit müsse die Waldbesitzerin aufhören und den Zaun entfernen.

Sie lasse ihre paar Ponys doch nur für fünf oder sechs Wochen im Jahr auf die Waldweide, um Unkraut und Wildgrün wegzufressen, widersprach die Frau. Das verursache keine Schäden an der Vegetation. Zudem verzichte sie wegen der Tiere auf Pflanzenschutzmittel, das sei doch nachhaltige Forstwirtschaft. Den Zaun benötige sie, damit die Ponys nicht weglaufen. Damit sperre sie nicht etwa die Bevölkerung aus: Die Waldwege habe sie frei gelassen.

Der Einspruch der Waldbesitzerin scheiterte beim Verwaltungsgericht Osnabrück (6 A 151/14). Ordnungsgemäß sei Forstwirtschaft dann, wenn sie den Wald nutze, verjünge, pflege und schütze. Ihn als Pferdeweide zu benützen, sei damit nicht zu vereinbaren. Der Verbiss junger Bäume erschwere das Nachwachsen. Niedrige Pflanzen, also die waldtypische Bodenvegetation, werde von Pferden geschält und verbissen, zudem durch Huftritte geschädigt. Stickstoffhaltiger Kot verdichte den Boden und schädige die Baumwurzeln.

Dass die Ponys immer nur einige Wochen im Jahr dort weideten, ändere an den Schäden nichts. Sie seien auf den Fotos bereits deutlich zu erkennen und würden bei anhaltender Nutzung der Fläche als Pferdeweide zunehmen. Zu Recht habe das Landratsamt von der Tierhalterin auch verlangt, den Zaun zu entfernen. Er schränke zum einen das Recht der Menschen ein, sich im Wald zu erholen. Zum anderen diene er dem rechtswidrigen Zweck, den Wald als Auslauffläche für Pferde landwirtschaftlich zu nutzen.

Aushilfs-Landwirt stürzt von der Leiter

Querschnittlähmung: Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft will Kosten nicht übernehmen

Ein selbständiger Elektromeister half regelmäßig im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Mutter mit. Im September 2008 waren hinter dem Geräteschuppen des Hofs einige Bäume gefällt worden, Laub und Äste auf dem Dach gelandet. Der Sohn stieg auf eine Leiter, um die Regenrinne und das Dach — inklusive der dort installierten Photovoltaikanlage — von Geäst zu befreien.

Dabei kippte die Leiter um und der Aushilfs-Landwirt stürzte zu Boden. Ein Wirbelbruch war die Folge, seither ist er querschnittgelähmt. In der Klinik gab der Mann zuerst an, der Unfall habe sich beim Reinigen der Solarstromanlage ereignet. Daraus schloss die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zu seinem Nachteil, es sei ein privater Unfall gewesen, für den sie keine Leistungen gewähren müsse.

Schließlich verklagte der Mann die gesetzliche Unfallversicherung: Die Berufsgenossenschaft müsse den Unfall als Arbeitsunfall anerkennen. Er habe sich zufällig beim Schuppen mit der Solarstromanlage ereignet, aber keineswegs bei einer rein privat motivierten Tätigkeit. Das Landessozialgericht Bayern gab dem Verunglückten Recht (L 2 U 236/11).

Der Landwirt sei einer "gemischten Tätigkeit" nachgegangen. Indem er Äste, Laub und Zweige von der Photovoltaikanlage entfernte, habe er zwar private Zwecke verfolgt (Solarstromanlage für die häusliche Energieversorgung). Aber eben nicht nur: Dachrinne und Fallrohr zu reinigen, sei eine versicherte Tätigkeit im Interesse des landwirtschaftlichen Betriebs. Äste und Grünabfälle stammten von Baumfällarbeiten auf dem Hof.

Mit seiner Säuberungsaktion habe der Aushilfs-Landwirt verhindern wollen, dass das Geäst bei Regen Dachrinne oder Fallrohr verstopfte. Er hätte Regenrinne und Fallrohr in jedem Fall geleert, also auch dann am Dach gearbeitet, wenn er die Solarstromanlage nicht gereinigt hätte. Daher hänge der Unfall mit der versicherten Tätigkeit als Landwirt zusammen: Die Berufsgenossenschaft müsse für die Folgen einspringen.

Brand zerstört Solarstromanlage

Versicherung zahlt nicht, weil ein Traktor in der Scheune die Brandgefahr erhöhte

Am Abend brach in einer Scheune ein Brand aus, in der unter anderem Heu und Stroh lagerten. Tagsüber hatte der Landwirt darin für einige Stunden einen Traktor abgestellt. Das Feuer zerstörte die Scheune und die Photovoltaikanlage auf dem Scheunendach. Seine Ursache blieb unklar. Den Brandschaden an der versicherten Solarstromanlage meldete der Landwirt der Versicherung.

Doch das Unternehmen regulierte den Schaden nicht, trat stattdessen vom Vertrag zurück. Begründung: Im Versicherungsantrag habe der Mann erklärt, dass er in dem Gebäude keine feuergefährlichen Materialien aufbewahre. Dabei habe er dort Heu und Stroh gelagert. Indem der Versicherungsnehmer dort seinen Schlepper parkte, ohne die Batterie abzuklemmen, habe er zudem leichtfertig die Brandgefahr erhöht.

Während die Vorinstanzen die Zahlungsklage des Landwirts gegen die Versicherung abwiesen, machte ihm der Bundesgerichtshof (BGH) zumindest wieder Hoffnung (IV ZR 322/13). Das Oberlandesgericht (OLG) habe dem Landwirt unterstellt, er habe das Risiko gekannt und ihm deshalb vorsätzliches Handeln vorgeworfen. Der Versicherungsnehmer müsse realisiert haben, so das OLG, dass eine Traktorbatterie in der Nähe entzündlicher Stoffe den Eintritt des Versicherungsfalles wahrscheinlicher mache.

Ob dem Landwirt diese Gefahr bewusst gewesen sei, wäre aber erst noch zu klären, urteilte der BGH. Das stehe keineswegs fest. Zwar habe er gewusst, dass sich in der Scheune Reste von Heu und Stroh befanden. Doch daraus zu schließen, der Landwirt habe damit bewusst eine Gefahrerhöhung in Kauf genommen (juristisch: "bedingter Vorsatz"), sei ein großer Schritt. Es sei auch durchaus möglich, dass er das Risiko gar nicht erkannt habe.

Dann müsste die Versicherung den Schaden ersetzen. Nur wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich handelte, sei die Versicherung von ihrer Zahlungspflicht befreit. Selbst bei grob fahrlässigem Handeln entfalle der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Schadenersatz nicht ganz, der Betrag werde nur gekürzt. Mit dieser Richtlinie verwies der BGH den Rechtsstreit ans OLG München zurück, das nun klären muss, ob und inwiefern der Landwirt schuldhaft zu dem Brand beigetragen hat.

Traktor überrollt Liegeradfahrerin

Der Landwirt übersah die Frau beim Rückwärtsfahren auf einem Feldweg

Ein Landwirt bog nach der Feldarbeit mit seinem Traktor rückwärts auf einen Feldweg ein. Er stieß weiter zurück, um einen besseren Platz zum Wenden anzusteuern. Dabei übersah der Traktorfahrer die Frau auf dem Liegerad, die mehr als 50 Meter von ihm entfernt den Feldweg entlang fuhr. Unbeirrt steuerte er rückwärts auf die Radfahrerin zu, obwohl in der Nähe ein Mann — der Ehemann der gehbehinderten Frau — wie wild winkte und pfiff.

Den Mann bemerkte der Landwirt zwar, bezog die Signale aber nicht auf sich. Schließlich rammte der Anhänger des Traktors das Liegerad. Bei der Kollision trugen Rad und Fahrerin einige Blessuren davon. Die Verletzte verklagte den Landwirt und seine Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Das stehe ihr zu, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, denn der Landwirt habe den Unfall verschuldet (3 U 97/14). Auf einem öffentlich zugänglichen Feldweg dürfe er nicht darauf vertrauen, dass er allein unterwegs sei. Der Unfallsachverständige habe erklärt, der Traktorfahrer müsse "geradezu blindlings rückwärts gefahren sein", wenn er die Frau auf einer Strecke von über 50 Metern nicht wahrgenommen habe.

Auf den "toten Winkel" könne sich der Landwirt jedenfalls nicht berufen, so das OLG. Wenn er den Bereich hinter seinem Traktor nicht komplett einsehen könne, müsse er sich beim Rückwärtsfahren mehrmals umdrehen und vergewissern, dass er niemanden gefährde. Außerdem habe der Traktorfahrer den fremden Mann winken sehen — das hätte ihm zu denken geben müssen. Zumindest hätte er daraus schließen können, dass er auf dem Feldweg nicht allein war.

Die Radfahrerin treffe kein Mitverschulden. Sie habe erst nicht reagiert, weil sie annahm, der Traktor werde sich vorsichtig nähern und dann stoppen. Als der Radfahrerin klar wurde, dass der Traktor nicht stoppte, habe sie nicht mehr ausweichen oder die Pedale abschnallen und absteigen können. Den Einwand der Versicherung, die Frau hätte wegen ihrer Behinderung nicht auf dem Feldweg fahren dürfen, erklärte das OLG für abwegig: Ein öffentlicher Feldweg sei kein gefahrenträchtiges Gelände, von dem sich Personen mit Handikap fernhalten müssten.

Vor der Jagd "Zielwasser" konsumiert

Waffenschein weg: Wer alkoholisiert eine Waffe einsetzt, gilt als unzuverlässig

Bevor er in den Wald aufbrach, brachte sich der Jäger für die Jagd noch richtig in Stimmung. Zwei Gläser Rotwein und ein Glas Wodka trank er zum Essen, dann fuhr er zum Hochsitz. Getroffen hat der Jäger dennoch: Mit einem Schuss erlegte er einen Rehbock. Doch dann verließ ihn das Jagdglück: Auf der Rückfahrt geriet er in eine Polizeikontrolle.

Bei einem freiwilligen Alkoholtest vor Ort stellten die Beamten im Atem eine Alkoholkonzentration von 0,47 mg/l fest. Ein weiterer Test auf der Polizeiwache ergab einen Wert von 0,39 mg/l. Daraufhin entzog das Polizeipräsidium dem Mann den Waffenschein: Wer in alkoholisiertem Zustand eine Schusswaffe einsetze, gelte gemäß den waffenrechtlichen Vorschriften als unzuverlässig.

Vergeblich wehrte sich der Jäger gegen die Sanktion: Alle Gerichtsinstanzen bis hin zum Bundesverwaltungsgericht bestätigten die Maßnahme (6 C 30.13). Inhaber eines Waffenscheins müssten zuverlässig sein, d.h. mit Waffen und Munition vorsichtig und sachgemäß umgehen. Dazu gehöre zwangsläufig, sie nur in nüchternem Zustand einzusetzen, so die Bundesrichter.

Alkohol wirke enthemmend, mindere die Reaktionsgeschwindigkeit und die Wahrnehmungsfähigkeit. Solche Risiken seien strikt zu vermeiden. Kein Schütze dürfe schießen, wenn alkoholbedingte Ausfallerscheinungen Dritte gefährden könnten. Bei der vom Jäger konsumierten Menge Alkohol sei das nicht sicher auszuschließen.

Ob es im konkreten Fall tatsächlich zutraf, spiele keine Rolle. Unvorsichtig und unsachgemäß sei der Gebrauch von Schusswaffen schon dann, wenn der Waffenbesitzer solche Ausfallerscheinungen riskiere. Das rechtfertige die Prognose, dass der Jäger auch in Zukunft nicht vorsichtig genug mit der Waffe umgehen werde. Wer auch nur einmal alkoholisiert die Waffe in die Hand nehme, dem könne man nicht mehr zutrauen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht korrekt umzugehen.

Schalldämpfer für Jagdwaffe

Tinnitus-geplagter Forstwirt darf einen Schalldämpfer benützen

Schalldämpfer gehören laut Waffengesetz zu den erlaubnispflichtigen Geräten. Der Leiter eines privaten Forstbetriebs beantragte dafür eine Genehmigung, die jedoch von der zuständigen Behörde wegen erhöhten Sicherheitsrisikos abgelehnt wurde.

Gegen den Behördenbescheid zog der Mann vor Gericht. Er sei einerseits dazu verpflichtet zu jagen, trug er vor. Andererseits leide er bereits an Tinnitus und befürchte weitere Schäden am Gehör. Also benötige er unbedingt einen Schalldämpfer für das Jagdgewehr.

Das Verwaltungsgericht Freiburg ließ sich von einem Waffensachverständigen des Landeskriminalamts beraten und gab dem Forstwirt Recht (1 K 2227/13). Das Jagdgewehr des Forstwirts habe ungedämpft einen Lärmpegel von etwa 160 dB(A) — es sei lauter als der Lärm eines Düsenjägers in sieben Metern Abstand (130 dB(A)). Auch wenn es immer nur kurz knalle, könnten die Schussgeräusche das Gehör irreparabel schädigen (akustisches Trauma).

Zwar könnten Schalldämpfer prinzipiell manche Straftat erleichtern, dieses Sicherheitsrisiko bestehe aber beim Jäger nicht. Auch Jagdverbände hätten sich gegen Schalldämpfer ausgesprochen, weil lautloses Jagen Unbeteiligte, z.B. Wanderer, gefährden könne. Dieses Risiko sei ebenfalls auszuschließen. Denn Schüsse aus einer großkalibrigen Jagdwaffe seien trotz Schalldämpfer deutlich zu hören.

Das Gehör des Jägers sei bereits auf beiden Seiten vorgeschädigt, aus beruflichen Gründen könne er dennoch die Jagd nicht aufgeben. Bei der Jagd einen elektronischen Gehörschutz einzusetzen, komme auch nicht in Frage: Er verstärke die Geräusche der Umgebung und beeinträchtige das so genannte "Richtungshören". Das sei wichtig, wenn der Jäger getroffenes, fliehendes Wild im Dickicht aufspüren müsse oder wenn ein verwundetes Wildschwein zum Gegenangriff übergehe. Daher dürfe der Forstwirt künftig einen Schalldämpfer verwenden.

Reitpferd mit "anormalem" Gebiss

Kann die Käuferin aus diesem Grund den Handel rückgängig machen?

Mehrmals hatte die Frau vor dem Vertragsschluss den vier Jahre alten Wallach Probe geritten. Sie fand ihn sehr friedlich und leicht zu lenken. Das war ihr wichtig, denn sie wollte das Pferd für die Therapie verhaltensgestörter Kinder einsetzen. Der Tierarzt stellte bei der Ankaufsuntersuchung nichts Auffälliges fest. Also kaufte die Therapeutin den Wallach für 9.600 Euro.

Zwei Monate später bemerkte jedoch ein anderer Tierarzt bei dem Pferd eine Zyste und Anomalien am Gebiss. Daraufhin erklärte die Käuferin, sie trete vom Kaufvertrag zurück. Das Landgericht wies ihre Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises ab: Als Reitpferd sei der Wallach nicht untauglich, außerdem hätte die Käuferin dem Verkäufer erst einmal eine Frist zur Nachbesserung setzen müssen.

In der nächsten Instanz, beim Oberlandesgericht (OLG) Celle, hatte die Frau mehr Erfolg (20 U 29/13). Möglicherweise könnte sie das Pferd sogar für therapeutisches Reiten einsetzen, räumte das OLG ein. Doch die Mängel im Gebiss bedeuteten dauerhaft hohen, kostenintensiven Aufwand für die Zahnpflege und machten das Tier zudem sehr empfindlich. Das Pferd sei deshalb nicht so beschaffen, wie es die Käuferin erwarten konnte.

Der Käufer einer mangelhaften Sache könne vom Verkäufer Nachbesserung verlangen — Beheben der Mängel oder Ersatz. Bevor er vom Kauf zurücktrete, müsse er dem Verkäufer dafür eine Frist setzen. Das funktioniere im konkreten Fall aber nicht. Der Mangel sei nicht zu beseitigen. Nicht einmal ein guter Tierarzt könnte das "defekte" Gebiss durch einen oder wenige operative Eingriffe heilen.

Und durch ein beliebiges anderes Pferd könne man den Wallach auch nicht ersetzen. Nicht jedes Tier eigne sich für den Umgang mit Kindern, schon gar nicht für Therapien mit körperlich oder seelisch behinderten Kindern. Die Käuferin müsse auf deren Sicherheit achten. Zu Recht habe die Therapeutin das vom Verkäufer angebotene Ersatzpferd als "viel zu nervös" abgelehnt. Er müsse den Wallach zurücknehmen, den Kaufpreis zurückzahlen und die Ausgaben der Käuferin für Unterkunft, Futter und Tierarzt erstatten.

Motorrad contra Mähdrescher

Der Fahrer ignorierte Auflagen für die breite landwirtschaftliche Arbeitsmaschine

Im Sommer 2010 stieß in der Nähe von Paderborn in einer langgezogenen Linkskurve ein Motorradfahrer mit einem John Deere Mähdrescher zusammen: Der junge Mann prallte gegen den Vorderreifen der extra breiten Arbeitsmaschine und stürzte eine zwei Meter tiefe Böschung hinab. Dabei verletzte er sich schwer, erlitt ein Schädelhirntrauma und diverse Brüche.

Während der Fahrer des Mähdreschers behauptete, der Verletzte sei zu schnell gefahren, machte dieser umgekehrt den Fahrer der Arbeitsmaschine für den Unfall verantwortlich. Sie habe praktisch die Straße blockiert … Das Landgericht Paderborn sprach dem Motorradfahrer Schadenersatz und 20.000 Euro Schmerzensgeld zu (03 O 266/11).

Auf einer schmalen und kurvenreichen Strecke wie dieser hätte der Landwirt auf keinen Fall ohne Begleitfahrzeug fahren dürfen. Hier könne der Gegenverkehr den Mähdrescher nicht rechtzeitig erkennen. An der Unfallstelle sei die Fahrbahn nur 5,40 Meter breit: Die 3,50 Meter breite Arbeitsmaschine rage weit in die Gegenfahrbahn hinein. Davor müsse man den Gegenverkehr warnen, so das Landgericht. Auf ein Begleitfahrzeug mit Rundum-Warnlicht dürfe der Fahrer nur verzichten, wenn die Straße breit genug sei, um Unfälle zu vermeiden.

Mit dieser strikten Auflage habe das Landratsamt die Ausnahmegenehmigung für den Mähdrescher erteilt. Der Fahrer habe die Anordnung ignoriert, deshalb habe der Motorradfahrer den Mähdrescher viel zu spät gesehen. Angesichts einer 1 Meter breiten Lücke zwischen Mähdrescher und Fahrbahnrand habe er nicht passieren können und abrupt bremsen müssen — so das Fazit des Unfallgutachtens.

Dem sei außerdem zu entnehmen, dass der junge Mann höchstens um zehn km/h zu schnell unterwegs war. Das spiele angesichts des erheblichen Fehlverhaltens des Landwirts keine Rolle, erklärte das Landgericht. Der Fahrer und Halter des Mähdreschers (bzw. dessen Haftpflichtversicherung) hafte zu 100 Prozent für die gravierenden Unfallfolgen.

Obstbauer fiel von der Leiter

Witwe kämpft um Rente: Auch beim Aufräumen ist ein Arbeitsunfall möglich

Der Nebenerwerbslandwirt bewirtschaftete einen großen Obstgarten mit etwa 500 Obstbäumen. Daraus machte er Apfelsaft, Most, Apfelessig und ein wenig Schnaps. Die Produkte verkaufte er auf Märkten. Im Herbst 2009 half die ganze Familie bei der Obsternte. Am Tag darauf fuhr der Mann zum Obstgarten, um dort in einem Holzschuppen aus Äpfeln Maische herzustellen.

Im Schuppen fand ihn sein Sohn mittags mit einer schweren Kopfverletzung vor. Der Vater saß blutend auf einer umgeklappten Aluleiter, die Augen blau verfärbt. Auf Ansprache reagierte er kaum. Im Krankenhaus wurde schließlich ein Schädel-Hirn-Trauma mit Schädelbasisbruch festgestellt. Die Ärzte gingen von einem Sturz aus, doch der Unfall war nicht genau zu klären. Denn der Obstbauer kam nicht mehr zu sich und starb acht Monate später.

Als Nebenerwerbslandwirt war der Mann gesetzlich unfallversichert. Seine Witwe beantragte bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Witwenrente: Ihr Mann sei bei der Arbeit verunglückt. Das bestritt jedoch die Berufsgenossenschaft: Die Obsternte, eine versicherte Tätigkeit, sei schon beendet gewesen. Da der Obstbauer am Unfalltag Maische zum Schnapsbrennen herstellte, was ihrer Ansicht nach nicht versichert sei, liege kein Arbeitsunfall vor.

Das Landessozialgericht Bayern sah das anders und gab der Witwe Recht (L 3 U 55/12). Bilder der Polizei vom Unfall zeigten, dass der Obstbauer beim Aufräumen von Arbeitsutensilien verunglückt sei: Überall lagen leere Obstsäcke herum, die für den Obsttransport benutzt werden. Er habe sie über die Leiter auf den Lagerboden hinaufbringen wollen. Vor dem Schuppen habe der Mann Kisten mit verschiedenen Apfelsorten gestapelt.

Das Vorsortieren der Äpfel und das Aufräumen gehörten zur versicherten Tätigkeit des Nebenerwerbslandwirts: Auch typische Vorbereitungsarbeiten und das Verwahren von Arbeitsgeräten (Säcke, Maschinen) seien versichert.

Wofür der Obstbauer vor dem Aufräumen Maische produziert habe, spiele deshalb keine Rolle. Denn die versicherten Tätigkeiten — Sortieren und Verstauen der Obstsäcke auf dem Dachboden — hätte der Verunglückte nach der Ernte in jedem Fall durchgeführt. Auch dann, wenn er keinen Schnaps hätte brennen wollen.

Instabiler Holzstapel

Spaziergänger verunglückt im Wald durch rollende Baumstämme: Forstbetriebe haften

Mit zwei Hunden machte Herr T im April 2012 einen Waldspaziergang. Dort hatten Forstarbeiten stattgefunden, an den Wegen waren Baumstämme zu großen Holzstapeln aufgeschichtet. Als Spaziergänger T an so einem Stapel vorbei kam, sprang einer seiner Hunde hinauf. T pfiff vergeblich und stieg ihm besorgt hinterher.

Plötzlich kamen auf einer Seite des Stapels die Baumstämme ins Rollen, die völlig ungesichert übereinander lagen. Der Hundehalter verlor das Gleichgewicht und stürzte, ein kurzer Baumstamm fiel auf sein rechtes Schienbein. T konnte sich zwar befreien, aber mit einem gebrochenen Unterschenkel nicht mehr gehen. Schließlich fand ein anderer Spaziergänger den Verletzten und verständigte den Rettungsdienst.

Der Unglücksrabe musste mehrmals operiert werden, das verkürzte rechte Bein ist nur noch eingeschränkt belastbar. Seinen Lieblingssport Tennis musste T aufgeben. Er verklagte zwei Forstbetriebe auf Zahlung von insgesamt 20.000 Euro Schmerzensgeld: den Betrieb, der die Baumstämme erworben und gefällt hatte, sowie den Transportunternehmer, der im Auftrag des anderen Betriebs das Holz aus dem Wald holen sollte und vor dem Weitertransport am Wegesrand gestapelt hatte.

10.000 Euro Schmerzensgeld müssten die zwei Firmen dem Verunglückten zahlen, urteilte das Landgericht Bonn (4 O 102/13). In einem öffentlichen Waldgebiet seien so genannte Holzpolter ohne weiteres zugänglich und würden gerade von Kindern gerne bestiegen. Es liege daher auf der Hand, dass man die Baumstämme so aufschichten und sichern müsse, dass sie auch dann nicht wegrollten oder verrutschten, wenn jemand darauf herum klettere.

Firmen, die im Holzgeschäft tätig seien, müssten die Gefahren kennen, die durch instabile Holzstapel entstehen könnten. Die Forstbetriebe hätten ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Sie hätten weder Warnschilder aufgestellt, noch den Mitarbeitern Anweisungen gegeben, wie die so genannten Holzpolter zu sichern seien.

Allerdings müsse sich T ein Mitverschulden von 50 Prozent anrechnen lassen, weil er sich einer besonderen Verletzungsgefahr aussetzte, als er den Holzstapel bestieg. Das mindere seinen Anspruch um die Hälfte, von 20.000 Euro auf 10.000 Euro.

Rindertuberkulose als Berufskrankheit

Richter bejahen dies bei einem Metzger, der in der Nachkriegszeit schlachtete

Bei einem 1928 geborenen Rentner stellten ein Lungenarzt und eine Ärztin des Gesundheitsamtes 2009 übereinstimmend Rindertuberkulose fest. So nennt man die Infektionskrankheit Tuberkulose, wenn sie durch ein besonderes Bakterium ausgelöst wird, das früher durch Rinder übertragen wurde.

Wahrscheinlich sei die Krankheit berufsbedingt, so die Ärzte, denn der Patient habe lange Zeit als Metzger gearbeitet und regelmäßig Rinder geschlachtet. Man habe bei ihm den einschlägigen Erreger (Mycobacterium bovis) gefunden.

Doch die Berufsgenossenschaft anerkannte das Leiden nicht als Berufskrankheit. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Lungenkrankheit und der versicherten Tätigkeit stehe nicht fest, erklärte sie. Schließlich sei der Versicherte auf dem Bauernhof der Eltern aufgewachsen, die einige Milchkühe hielten, und habe als Kind oft rohe Milch getrunken. Folglich könne er sich auch damals schon mit Tuberkulose infiziert haben.

Gegen den negativen Bescheid klagte der Rentner und bekam vom Landessozialgericht Baden-Württemberg Recht (L 10 U 1507/12). Um die Berufstätigkeit als Ursache der Lungenkrankheit zu bejahen, müsse man nicht 100-prozentig eine bestimmte Infektionsquelle nachweisen, so das Gericht. Dafür reiche es aus, wenn der Versicherte bei seiner Arbeit außergewöhnlich großer Infektionsgefahr ausgesetzt war.

Und das treffe zweifellos zu. In der Nachkriegszeit seien ca. 20 bis 30 Prozent der Rinder mit Tuberkulose befallen gewesen, bei Kühen habe der Prozentsatz sogar bei 40 bis 45 gelegen. Also sei damals jeder Metzger beim Schlachten besonderer Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen.

Der Versicherte sei bei der Arbeit im Schlachthof ständig mit Schlachttieren in Kontakt gekommen und habe mindestens 200 Tiere selbst geschlachtet. Darunter dürften ungefähr 40 bis 90 tuberkulosekranke Tiere gewesen sein. Der Rentner erinnere sich gut daran, dass ihm einmal sogar der Eiter eines kranken Tieres in das Gesicht gespritzt sei.

Angesichts dieses intensiven Kontakts mit Tuberkulosebakterien sei es äußerst wahrscheinlich, dass sich der Versicherte bei seiner Berufstätigkeit infiziert habe. Die Berufsgenossenschaft müsse die Tuberkulose als Berufskrankheit anerkennen und dem Rentner entsprechende Leistungen bewilligen.

Illegale Reben

Europarecht: Winzer muss alte Reben roden, die ohne Genehmigung angepflanzt wurden

Ein Winzer legte sich mit der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau an. 2008 forderte sie von ihm, Weinreben auf einer Fläche von 800 Quadratmetern zu entfernen: Sein Vater habe diese Fläche 1972 ohne weinrechtliche Genehmigung bepflanzt.

Hintergrund des Rechtsstreits ist das europäische Recht zum Weinanbau, das die Überschussproduktion von Wein bekämpfen soll: Illegal gepflanzte Reben, die vor dem 1.9.1998 gepflanzt wurden, waren bis Ende 2009 anzumelden. Wer sie meldete und Gebühren zahlte, musste nicht roden. Wer illegal gepflanzte nicht meldete, dem drohte der Befehl, sie auszureißen …

Vergeblich klagte der Winzer gegen den Bescheid der Landesanstalt: Das Verwaltungsgericht Würzburg entschied gegen ihn (W 3 K 14.37). Letztlich seien die umstrittenen Vorschriften zu Gunsten der Winzer erlassen worden, erläuterte das Gericht:

Verstöße gegen das Verbot von Neuanpflanzungen erhöhten kontinuierlich den Wein-Überschuss. Die widerrechtlichen Anpflanzungen führten zu unlauterem Wettbewerb und verschärften die ohnehin großen Probleme des europäischen Weinsektors.

Die Landesanstalt für Weinbau habe den Winzer darauf aufmerksam gemacht, dass er die Legalisierung der nicht genehmigten Reben beantragen könne. Das habe er nicht getan. Stattdessen habe er auf dem Standpunkt beharrt, die Reben seien vor 36 Jahren gepflanzt worden, also müsse die Landesanstalt den bestehenden Zustand anerkennen. Dem Vater des Winzers sei 1972 aber nur eine Überführung von Reben erlaubt worden, nicht das Anpflanzen auf diesem Grundstück.

Auf die "Hobbyregelung" könne sich der Winzer auch nicht berufen (Hobbyregelung: Reben für den Eigenverbrauch sind von der Genehmigungspflicht ausgenommen). Dafür sei die Fläche zu groß, ihre Erträge seien nicht für den Verbrauch im eigenen Haushalt bestimmt. Der Winzer habe zudem selbst erklärt, er wolle einen Museumsweinberg als touristischen Anziehungspunkt schaffen und eigenen Wein ausschenken. Der Weinanbau sei für ihn also kein Hobby.

Um das Roden der Reben kommt der Weinbauer daher nicht herum. Da er die Rodung längst hätte vornehmen müssen, musste er auch noch 1094,40 Euro Strafgeld zahlen.

Arme Zeburinder!

Züchter lässt die Tiere verwahrlosen: Verwaltungsgericht setzt Tierschutz durch

Im unterfränkischen Landkreis Main-Spessart kontrollierte die Amtstierärztin einen Hof, weil innerhalb eines Monats fünf Rinder verendet waren. Im Winter zuvor waren 17 Zeburinder eingegangen. Die Tiermedizinerin beanstandete die Tierhaltung als absolut unzulänglich: Die fünf erkrankten Zeburinder seien nicht behandelt worden. Im Winter sei es draußen für sie zu kalt. Der Stall sei viel zu klein für die stattliche Anzahl Rinder und schlecht ernährt seien sie obendrein.

Das Landratsamt erließ gegen den Tierzüchter einen Bescheid, der ihm einige "Sofortmaßnahmen" auferlegte. Er müsse seinen Stall vergrößern und die Tiere richtig mit Futter und Wasser versorgen, andernfalls werde Zwangsgeld fällig. Gegen die Auflagen wehrte sich der Hofeigentümer: Dass einige Tiere eingegangen seien, liege nicht an den Haltungsbedingungen, sondern an einer Krankheit, die "unter Zeburindern umgehe".

Im Prozess vor dem Verwaltungsgericht (VG) Würzburg erklärte der Landwirt gar, die Rinder hätten wohl giftiges Jakobskreuzkraut gefressen: Mit diesem Argument kam er allerdings nicht durch (W 5 K 14.405). Das VG gab ihm nur in wenigen Punkten Recht, z.B. bei der Stallgröße: Innerhalb kurzer Zeit könne der Züchter das Stallgebäude nicht so erweitern, dass es fast drei Mal so viel Fläche biete.

Er könne und müsse trotzdem den Kälteschutz für die Kälber verbessern, z.B. ein Zelt aufstellen oder Heuballen als Windschutz im Freien einsetzen. Eventuell müsse der Landwirt einige Tiere anderswo unterbringen. Derzeit betrage die Stallfläche pro Tier nur zwei qm, das sei zu wenig. Zunächst einmal müsse er aber vordringlich die Versorgung besser organisieren, bevor noch mehr Tiere an Austrocknung oder Futtermangel verendeten.

Für die "Theorie" des Landwirts, dass sich ein Teil der Herde vergiftet habe, gebe es nicht den geringsten Beweis. Vielmehr lasse der pathologische Befund der verendeten Tiere darauf schließen, dass die zahlreichen Todesfälle auf schlechte Haltungsbedingungen zurückzuführen seien. Da sich der Rinderzüchter hartnäckig gegen alle Erfordernisse artgerechter Haltung gewehrt habe, seien die Auflagen der Behörde auch nicht unverhältnismäßig.

Futterlager statt Legehennen

Keine nachträgliche Baugenehmigung für unerlaubte gewerbliche Nutzung landwirtschaftlicher Hallen

Bis 1990 wurden auf dem großen Grundstück Legehennen gehalten. Drei Hallen standen dafür zur Verfügung. Ein kleines Haus auf dem Gelände war für den Aufenthalt landwirtschaftlicher Mitarbeiter vorgesehen. Seit 2000 werden zwei Hallen von einer GmbH gewerblich genutzt, die mit land- und forstwirtschaftlichen Produkten, vor allem mit Futtermitteln handelt.

Um Landwirtschaft und Siedlungsstruktur zu schützen, gelten auf dem Land strenge Bau- und Nutzungsvorschriften. Deshalb hätte die Grundstückseigentümerin für den neuen Verwendungszweck der Hallen eine Baugenehmigung gebraucht, die sie nicht hatte. 1998 hatte sie bei der Bauaufsichtsbehörde die Erlaubnis für eine Nutzungsänderung beantragt, damals zugunsten einer Tierpension. Da sie aber nicht alle nötigen Unterlagen einreichte, war das Genehmigungsverfahren eingestellt worden.

2012 beantragte die Hofbesitzerin die Erlaubnis dafür, das Mitarbeitergebäude in ein Einfamilienhaus umzubauen. Der Bauantrag brachte den Stein ins Rollen. Denn nun entdeckte die Bauaufsichtsbehörde, was ihr über lange Jahre verborgen geblieben war — dass das Grundstück nicht mehr von einem landwirtschaftlichen Betrieb genutzt wurde. Ohne Baugenehmigung sei jede Nutzungsänderung illegal, teilte die Behörde der Frau mit. Und sie verbot mit sofortiger Wirkung die gewerbliche Nutzung des Grundstücks.

Dagegen zog die Grundstückseigentümerin vor Gericht und pochte darauf, dass früher Futter für die Hennen in einer Halle gelagert worden sei. Die aktuelle Nutzung unterscheide sich also kaum von der erlaubten früheren. Sie führe auch nicht zu negativen Wirkungen auf das Ortsbild (Zersiedelung), die Nachbarn würden nicht beeinträchtigt.

Doch das Verwaltungsgericht Leipzig blieb unerbittlich (4 L 373/14). Selbst wenn früher wegen fehlender Silos eine Halle als Lager für Hühnerfutter gedient haben sollte, bleibe die Nutzungsänderung illegal. Damals sei das nämlich Bestandteil eines landwirtschaftlichen Betriebes gewesen: ohne Futtermittel keine Hühnerhaltung.

Jetzt würden die baulichen Anlagen zu einem völlig anderen Zweck genutzt. Nun werde mit Futtermitteln gehandelt. Früher seien die Hallen für Legehennen genutzt worden. Seit der Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebs dienten sie als gewerbliche Lagerflächen. Diese Zweckentfremdung sei unzulässig, weil für die Änderung keine Baugenehmigung vorliege. Im Außenbereich seien nun einmal nur bestimmte (juristisch: "privilegierte") Vorhaben zulässig, in erster Linie solche, die der Landwirtschaft dienten.

Reitlehrerin von Pferd verletzt

Pferdezüchterin muss für den Unfall nicht haften, wenn die Reitlehrerin sozialversichert ist

Eine ausgebildete Reitlehrerin, erfahren im Training von Westernpferden, half hin und wieder auf dem kleinen Reiterhof einer Züchterin aus. Eines Tages sollte sie mit einem vier Jahre alten Hengst Übungen durchführen. Davon wollte die Tierhalterin ein Video anfertigen, um den Ausbildungsstand des Pferdes zu dokumentieren. Es sollte ihr Entscheidungsgrundlagen über das weitere Training und den möglichen Verkauf liefern.

Während der Videoaufnahmen kam es zu einem Unfall. Die Reitlehrerin ließ das Pferd mehrere Runden im Trab in einem Longierzirkel gehen. Als das Tier die Richtung wechseln sollte und von der Frau in die Mitte geholt wurde, strauchelte es. Das Pferd riss im Fallen die Frau mit zu Boden. Dabei brach sie sich das Schlüsselbein, zudem wurde ihre linke Ohrmuschel abgerissen.

Als die Reitlehrerin Schmerzensgeld und Schadenersatz von ihr verlangte, warf die Pferdezüchterin umgekehrt der Verletzten vor, sie habe den Unfall selbst verschuldet. Die nicht hochgeschnallten Steigbügel hätten den Hengst irritiert. Weil er nervös wurde, habe die Reitlehrerin die Longe lockern müssen, in der sich das Pferd verhedderte. Ansonsten wäre es nicht gestrauchelt.

Die Zahlungsklage der Verletzten gegen die Pferdezüchterin blieb beim Landgericht Stendal ohne Erfolg (23 O 6/13). Allerdings nicht deshalb, weil sie den Unfall selbst ausgelöst hatte — die Schuldfrage spiele hier gar keine Rolle, so das Landgericht. Denn für die Behandlungskosten müsse der Sozialversicherungsträger aufkommen, weil die Reitlehrerin bei einer sozialversicherten Tätigkeit verletzt wurde.

Auch wenn die Reitlehrerin für den Videodreh kein Geld erhalten habe, sei sie versicherungsmäßig wie eine Arbeitnehmerin einzustufen: als so genannte "Wie-Beschäftigte". Laut Sozialgesetzbuch seien auch Personen versichert, die arbeitnehmerähnlich "wie versicherte Personen tätig werden". Das treffe hier zu: Denn die Reitlehrerin habe im Auftrag der Züchterin und in deren Interesse gehandelt, als sie verletzt wurde, und sie sei für diese Art von Tätigkeit qualifiziert.

Da sie unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe, schließe das einen privaten Anspruch gegen die Unternehmerin auf Entschädigung aus. Tierhalter hafteten verschuldensunabhängig für Schäden durch ihre Tiere. Unternehmer hafteten dagegen für Arbeitsunfälle prinzipiell nur, wenn sie den Unfall eines Mitarbeiters schuldhaft selbst verursachten. Ansonsten sei die Sozialversicherung zuständig.

Gefährlicher Stacheldraht

Eine Pferdeweide nur mit Stacheldraht einzuzäunen, widerspricht dem Tierschutz

Eine Landwirtin züchtete Schafe und Rinder, zusätzlich hielt die Frau auf ihrem Hof 20 Pferde. Eine Amtstierärztin stellte bei der Kontrolle des Hofes fest, dass Stuten und Fohlen auf einer Weide grasten, die mit einem Knotengitterzaun und drei darüber gespannten Reihen Stacheldraht eingezäunt war.

Am Stacheldraht könnten sich Pferde schwer verletzen, erklärte die Tierärztin der Pferdehalterin. Sie müsse den Stacheldraht entweder entfernen oder ihn durch einen Innenzaun absichern. Innen gespannte weiße Litzen (mindestens 50 cm vom Draht entfernt) seien für Pferde viel besser wahrzunehmen als Draht.

Doch die Züchterin winkte ab und verwies darauf, dass "noch nie etwas passiert sei". Ein Mitarbeiter kontrolliere den Draht regelmäßig, er sei ordentlich gespannt und stehe unter Strom. Zudem halte sie nur Tiere einer "charakterlich sehr ausgeglichenen" Pferderasse ("Tinker"), die sie zu Kutschpferden ausbilde, weil sie eben nicht zu Panikreaktionen neigten.

Wenig später flatterte ein Brief des Landratsamts ins Haus: Der Zaun verstoße gegen das Tierschutzgesetz. Die Landwirtin müsse ihn ändern oder es drohe ein Zwangsgeld von 500 Euro. Als die Amtstierärztin bei einer Nachkontrolle sechs Wochen später den Zaun unverändert — und zudem Pferdehaare im Stacheldraht — vorfand, setzte die Behörde das Zwangsgeld fest.

Gegen den Bescheid zog die Frau vor Gericht, scheiterte jedoch mit ihrer Klage beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg (11 LC 206/12). Maßgeblich sei hier die Einschätzung der Amtstierärztin, so das OVG. Demnach bestehe Verletzungsgefahr nicht nur dann, wenn Drähte durchhingen oder abrissen. Auch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen habe Stacheldrahtzäune für prinzipiell ungeeignet erklärt - nur wegen der besonderen Pferderasse eine Ausnahme erwogen.

Die dürfe es aber nicht geben. Um Pferde zu erschrecken, genüge es schon, wenn ein Heißluftballon oder ein Hubschrauber die Weide überfliege. Pferde aller Rassen seien Fluchttiere und neigten, trotz unterschiedlicher Temperamente, im Schreck zu Panikreaktionen und Ausbruchsversuchen. Dann sei die Gefahr groß, dass ein Pferd am Stacheldraht hängen bleibe und sich schwere Risswunden zuziehe.

Der Umstand, dass eine Reihe Draht unter Strom stehe, sei auch kein gutes Argument: Das mache ihn für die Pferde nur gefährlicher. Außerdem dürfe Stacheldraht auf Rinderweiden nicht unter Strom stehen. Da auf den Weiden der Landwirtin Pferde und Rinder häufig gleichzeitig ständen, müsse sie den Zaun auch aus diesem Grund anders gestalten. Gegen ein Ausbrechen der Pferde könne sie ihre Weiden mit einem Elektrozaun sichern.