Bei einem Spaziergang in der Leipziger Fußgängerzone trat ein Mann auf eine rissige Bodenplatte. Wegen mangelhafter Unterfütterung gab diese nach und kippte. Der Spaziergänger stürzte und zog sich eine Quetschung am Schultergelenk und am rechten Ellenbogen zu. Von der Gemeinde verlangte der Mann neben Schmerzensgeld von mindestens 4.000 DM auch Schadenersatz für seine beim Sturz beschädigte neuwertige Kleidung (Kostenpunkt: 1.050 DM).
Das Landgericht Halle entschied gegen den verletzten Spaziergänger (3 O 289/95). In den neuen Bundesländern hätten sich Straßen und Wege zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung vielfach in katastrophalem Zustand befunden. Trotz sehr umfangreicher und kostenintensiver Ausbesserungs- und Ausbaumaßnahmen sei der Sicherheitsstandard der Verkehrswege nach wie vor auch nicht annähernd mit dem der alten Bundesländer vergleichbar.
Daher müssten auf absehbare Zeit Einschränkungen der "Verkehrssicherheit" hingenommen werden. Der Schutz vor Gefahren, die sich aus dem schlechten Zustand der Wege und Straßen ergäben, bleibe folglich im wesentlichen die Aufgabe des Einzelnen. Kommunen hafteten allenfalls dann für die Unfallfolgen, wenn "völlig unerwartete und völlig atypische Gefahrenquellen lauerten, mit denen auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer nicht rechnen" müsse.
P.S.: Die Schadenersatzklage eines verletzten Fußgängers mit dem Hinweis auf den schlechten Straßenzustand im Osten abzuschmettern, würde heute wohl keinem Richter mehr einfallen. Da haben sich auch im Westen durch kaputt gesparte Infrastruktur und klamme Kommunen die "Maßstäbe" verschoben. Schlaglöcher überall - im Westen und im Osten. Wenn Fußgänger stürzen, haben sie in ganz Deutschland kaum eine Chance auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld. Straßen sind prinzipiell so hinzunehmen, wie sie sind, so die aktuelle Rechtsprechung. Was sich nicht geändert hat: Kommunen haften nur für Schäden durch schlecht erkennbare, unerwartete Gefahrenquellen.