Jugend und Ausbildung

Kinder werfen Kieselsteine auf ein Auto

Sie spielten im Garten der Kindertagesstätte: Aufsichtspflicht verletzt?

Der Autofahrer hatte seinen Wagen auf einem Parkplatz direkt vor einer kommunalen Kindertagesstätte abgestellt. Unter Aufsicht von zwei Erzieherinnen spielten die 25 Kinder im Garten. Der Garten, in dem viele größere Kieselsteine als Ziersteine herumliegen, wird von einem grobmaschigen Gitterzaun abgegrenzt. Drei Kinder entfernten sich aus einer Gruppe, sammelten Kieselsteine auf und warfen sie "in einem Schwung" auf den dort geparkten Wagen.

Die Kratzspuren im Lack musste der Autobesitzer reparieren lassen. Dafür forderte er von der Kommune als Dienstherrin der Erzieherinnen Schadenersatz: Wenn Kinder unter ihrer Aufsicht so eine Attacke starten könnten, habe die für die Gruppe zuständige Erzieherin nicht gut genug aufgepasst.

Während die Vorinstanz die Klage mit der Begründung abgewiesen hatte, Kinder in diesem Alter müsse man nicht permanent überwachen, gab das Oberlandesgericht Koblenz dem Autobesitzer Recht (1 U 1086/11). Wenn die Kinder draußen im Garten spielten, müsse man sie besonders gut kontrollieren. Beim Toben im Freien könne schnell etwas passieren, in Spiellaune neigten Kinder auch eher zu Streichen.

Das erhöhe das Risiko. Das gelte umso mehr, wenn — wie hier — der Zaun zum Parkplatz hin durchlässig sei und zudem eine Menge Kieselsteine zum Werfen verlockten. Angesichts solcher "Gefahrenmomente" für fremdes Eigentum müssten die Kinder alle paar Minuten kontrolliert werden. Dass sie diese Aufsichtspflicht erfüllt habe, habe die Erzieherin nicht belegen können. Daher müsse die Kommune für den Schaden am Autodach einstehen.

Arbeitslosengeld für Studentin vor Studienbeginn

Urteile in einem Satz

Wenn eine Studentin vor dem Fachhochschulstudium eine Ausbildung absolviert und im Ausbildungsbetrieb bis Ende August gearbeitet hat, das Studium an der Fachhochschule aber erst am Ende September beginnt, darf die Agentur für Arbeit ihren Antrag auf Arbeitslosengeld für die Zwischenzeit

nicht mit der Begründung ablehnen, dass eine Studentin dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht; vor dem Studienbeginn muss die Studentin trotz Einschreibung keine Vorlesungen hören, nicht für Klausuren lernen oder Praktika absolvieren; sie steht daher dem Arbeitsmarkt wie jeder andere Arbeitsuchende zur Verfügung.

Bachelor- und Master-Studium als einheitliche Ausbildung

Urteile in einem Satz

Eltern müssen ihren Kindern im Prinzip nur eine Ausbildung finanzieren; ein unterhaltspflichtiger Vater, der seiner Tochter bis zum Abschluss des Bachelor-Studiums (Politologie und Sinologie) Unterhalt gezahlt hat, darf jedoch nach bestandener Prüfung die Zahlungen nicht einstellen, wenn die Tochter ihre Berufsausbildung mit dem Masterstudiengang "Master of International Business" (mit regionalem Schwerpunkt China) fortsetzen möchte;

Bachelor- und Master-Studium sind als einheitliche Berufsausbildung einzustufen, wenn der zweite Ausbildungsabschnitt auf dem Bachelor-Studium aufbaut, also wie hier ein enger sachlicher Zusammenhang gegeben ist.

Kindergeld für Au-pair-Mädchen?

Urteile in einem Satz

Eltern können für volljährige Kinder Kindergeld beziehen, wenn diese eine Ausbildung absolvieren; Aufenthalte im Ausland, auch als Au-pair, sind nur als Ausbildung anzusehen, wenn das Kind einen systematischen Sprachunterricht von mindestens zehn Stunden wöchentlich besucht;

hält sich die Tochter eines Steuerzahlers nach dem Abitur ein Jahr lang als Au-pair-Mädchen in England auf, kann der Vater für diesen Zeitraum kein Kindergeld verlangen, wenn sie weniger als zehn Stunden Englischunterricht hatte, die sprachliche Fortbildung durch die Gastmutter nicht belegt wurde und der Auslandsaufenthalt auch nicht der Vorbereitung auf einen Fremdsprachentest diente, der für einen Ausbildungsgang notwendig ist.

Ausbildungsunterhalt trotz spätem Studienbeginn

Urteile in einem Satz

Hat eine Tochter nach dem Abitur, weil sie nicht sofort einen Studienplatz in Zahnmedizin erhielt, eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Angestellten abgeschlossen und in diesem Beruf gearbeitet, kann es der (zahlungsfähige) Vater fünf Jahre später nicht — mit der Begründung, dass sie bereits einen Beruf erlernt hat — ablehnen, der Tochter Ausbildungsunterhalt für das Studium zu zahlen;

das Studium der Zahnmedizin hängt sachlich und zeitlich eng mit dem bisherigen Ausbildungsweg zusammen und wurde von der Tochter von Anfang an angestrebt, die sich die ganze Zeit über sehr um einen Studienplatz bemüht hat.

Rechtsanspruch auf Kita-Platz

Kann ihn eine Kommune nicht erfüllen, muss sie ersatzweise private Kinderbetreuung finanzieren

In Rheinland-Pfalz haben Kinder ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr Anspruch auf einen kostenlosen Kindergartenplatz. Das Bundesland hat diese Regelung eingeführt, um Familien finanziell zu entlasten. Doch wie fast überall in den alten Bundesländern bleibt der tatsächliche Ausbau der Kindergärten und Kindertagesstätten hinter dem Bedarf zurück. Prozesse wie dieser sind daher in großer Zahl zu erwarten.

Eine berufstätige Mutter hatte für ihre zwei Jahre alte Tochter vergeblich einen kommunalen Kindergartenplatz gesucht. An ihrem Wohnort war keiner verfügbar, daher musste sie die Kleine vorübergehend in einer privaten Betreuungseinrichtung unterbringen. Es dauerte ein halbes Jahr, bis ein Platz in einem städtischen Kindergarten frei wurde. Die Frau verklagte die Stadt: Die Kommune müsse die Ausgaben für die private Betreuung des Kindes ersetzen.

Das Verwaltungsgericht Mainz gab der Mutter Recht (1 K 981/11.MZ). Die Stadt sei ihrer gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen, für jedes Kind rechtzeitig einen Kindergartenplatz bereitzustellen. Für dieses Betreuungsangebot müssten Kommunen ohne Einschränkung und Ausnahme sorgen.

Das Versäumnis der Stadt unterlaufe den Anspruch der Familien auf kostenlose Kinderbetreuung. Für die Folgekosten müsse die Kommune einstehen.

Zum Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder

Er besteht nur zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, nicht nach dem sozialen Jahr

Der 1991 geborene junge Mann, nennen wir ihn Karl, hatte im Sommer 2010 das Abitur bestanden, war aber nicht sofort zum angestrebten Medizinstudium zugelassen worden. Deshalb absolvierte er zuerst (von September 2010 bis inklusive Juli 2011) ein freiwilliges soziales Jahr im medizinischen Bereich. Im August nahm Karl an einem Rettungshelferlehrgang teil, im Oktober begann er mit einer Ausbildung zum Krankenpfleger — alles, um die Wartezeit bis zum Studium zu überbrücken.

Während des sozialen Jahres konnte Karl seinen Lebensunterhalt mit dem erzielten Einkommen bestreiten, auch die Ausbildungsvergütung für Krankenpfleger-Azubis reicht dafür aus. Nur für die kurze Übergangsphase zwischen dem sozialen Jahr und der Pfleger-Ausbildung (August und September 2011) verlangte er von seinem Vater Unterhalt. Der Vater rückte aber kein Geld heraus. Karls Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine Klage wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe abgewiesen (2 WF 174/11). Sie hätte keine Aussicht auf Erfolg, erklärte das OLG.

Begründung: Nur in einer kurzen Übergangszeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiterführenden Ausbildung bzw. eines Studiums sei einem volljährigen Kind eine gewisse Erholungsphase zuzugestehen. In dieser Erholungsphase könne das Kind Unterhalt beanspruchen — vorausgesetzt, die Eltern seien leistungsfähig — und müsse nicht selbst dafür sorgen.

Zwischen anderen Abschnitten des Lebensweges, die nicht direkt mit der Berufsausbildung zusammenhängen, müssten volljährige Kinder jedoch ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, so das OLG. Auch wenn der Abiturient sein soziales Jahr in einer medizinischen Einrichtung absolviert habe: Das soziale Jahr stelle keine Berufsausbildung im Sinne des Unterhaltsrechts dar. Deshalb schulde ihm der Vater für die zweimonatige Übergangsphase zwischen dem sozialen Jahr und Krankenpfleger-Ausbildung keinen Unterhalt.

Nach dem Schulabschluss müssten Kinder bald eine Berufsausbildung beginnen und diese zielstrebig absolvieren. Wenn bis zum Beginn der gewünschten Ausbildung eine längere Wartezeit zu überbrücken sei (aus welchen Gründen auch immer), müssten volljährige Kinder in dieser Zeit selbst für ihren Unterhalt aufkommen.

Handy in der Schule geklaut

Versicherung muss den Verlust nicht ersetzen, wenn der Besitzer das Mobiltelefon unbeaufsichtigt ließ

Wie immer war der Trubel groß, als sich die ganze Klasse in der Umkleidekabine der Schulsporthalle umzog. Die Berufsschüler hatten Sportunterricht. Ein Schüler vergaß in dem Durcheinander sein teures Mobiltelefon in der Kabine. Nach der Turnstunde war es verschwunden und ward nie mehr gesehen. Die nächste böse Überraschung: Die Handyversicherung weigerte sich, den Schaden zu regulieren. Den Verlust habe der Schüler durch seinen Leichtsinn verschuldet, teilte sie mit.

Vom Amtsgericht Wiesbaden bekam der Schüler keine bessere Auskunft: Es wies seine Zahlungsklage ab und zitierte die Versicherungsbedingungen des Unternehmens (93 C 193/11 (34)). Da stehe klipp und klar, dass bei Diebstahl kein Versicherungsschutz bestehe, wenn die versicherte Sache "auch nur kurz unbeaufsichtigt abgelegt, in abgelegten Kleidungsstücken, abgestellten Taschen, Koffern oder Rucksäcken aufbewahrt wird".

Der Versicherungsnehmer habe ganz eindeutig gegen seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verstoßen und damit quasi den Versicherer von seiner Leistungspflicht "befreit". Denn er habe das Mobiltelefon während des Sportunterrichts unbeaufsichtigt in der Umkleidekabine liegen lassen.

Vergeblich pochte der Schüler darauf, die Sporthalle sei doch abgeschlossen gewesen. Das bedeute keineswegs, dass er auf das Gerät genügend aufgepasst habe, erklärte der Amtsrichter. Während des Sportunterrichts habe jeder Schüler — und auch andere Personen mit einem Schlüssel zur Sporthalle — die Umkleidekabine betreten und das Handy an sich nehmen können.

Zwangseinweisung ins G8

Gegen den Willen der Eltern darf ein Schüler nicht ins achtjährige Gymnasium geschickt werden

Die Eltern hatten ihren Sohn H nach vier Jahren Grundschule an einem neunjährigen Gymnasium in Trier angemeldet. Zu ihrem Pech herrschte dort großer Andrang: Es gab 50 Bewerber mehr, als die Schule aufnehmen konnte. Der Schulleiter musste also auswählen, dabei fiel H durch.

Anschließend teilte ihn die Schulbürokratie nicht für eines der drei anderen neunjährigen Gymnasien der Kommune ein, sondern wies H einen Platz am Friedrich-Spee-Gymnasium zu, einer achtjährigen Ganztagsschule. Dagegen setzten sich die Eltern mit Erfolg zur Wehr: Das Verwaltungsgericht Trier erklärte die Entscheidung für rechtswidrig (5 L 259/12.TR).

Angesichts der großen Unterschiede zwischen dem neunjährigen Regelgymnasium und dem (ab der siebten Klasse nur als Ganztagsschule angebotenen) achtjährigen Gymnasium verletze die Zuweisung eines Schulplatzes gegen den Willen der Erziehungsberechtigten deren verfassungsrechtlich garantiertes Elternrecht. Die Auswahl der Schulart sei unverzichtbarer Bestandteil des Elternrechts.

Außerdem habe sich auch der rheinland-pfälzische Gesetzgeber bewusst dagegen entschieden, das achtjährige Gymnasium für alle Schüler verbindlich einzuführen. Die G8-Ganztagsschulen seien in Rheinland-Pfalz nicht die reguläre Schulart, sondern lediglich ein Angebot an die Eltern. Da habe man Erfahrungen aus anderen Bundesländern berücksichtigt. Eines der vier neunjährigen Gymnasien in Trier müsse H aufnehmen. (Die Schulbehörde hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.)

Bundesfinanzhof contra Gesetzgeber

Gesetzgeber besteht auf amtsärztlichem Attest als Beleg für krankheitsbedingte Kosten

Im konkreten Fall geht es um die ärztliche Behandlung von Lese- und Rechtschreibschwäche und die steuerliche Behandlung ihrer Kosten. Der Rechtsstreit ist exemplarisch für einen prinzipiellen Dissens zwischen dem obersten deutschen Finanzgericht, dem Bundesfinanzhof (BFH), und dem Gesetzgeber. Die Steuerzahler, Eltern des betroffenen Kindes, wollten von einem Urteil des BFH aus dem Jahr 2010 profitieren.

Um die medizinische Notwendigkeit von Behandlungskosten zu belegen, sei kein (vorher eingeholtes) amtsärztliches Attest mehr erforderlich, hatte der BFH seinerzeit entschieden. Nun gibt es aber Maßnahmen, deren medizinische Indikation nur schwer einzuschätzen ist, weil sie nicht eindeutig nur dazu dienen, Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Dazu gehört die Behandlung von Legasthenie.

Auf Empfehlung eines Facharztes und des schulpsychologischen Dienstes hatten die Steuerpflichtigen 2007 ihr an Legasthenie leidendes Kind in einem darauf spezialisierten Internat untergebracht. Die Eltern holten aber kein amtsärztliches Attest ein. Deswegen anerkannte das Finanzamt die Internatskosten nicht, als die Eltern sie in ihrer Steuererklärung für 2007 als außergewöhnliche Belastung geltend machten.

Nun klagten die Eltern gegen den Steuerbescheid und pochten auf das Urteil des BFH. Auf dieses Urteil hatte der Gesetzgeber allerdings sofort reagiert: Im Steuervereinfachungsgesetz 2011 forderte er erneut einen formellen Nachweis. Auch und gerade bei Legasthenie sei die Zwangsläufigkeit der Ausgaben für ein Internat bzw. für die ärztliche Behandlung durch ein amtsärztliches Attest zu belegen (oder durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung).

Deshalb wies das Finanzgericht Münster die Klage der Eltern ab (11 K 317/09 E). Die gesetzliche Neuregelung sei in allen Fällen zu beachten, in denen die Steuer noch nicht wirksam festgesetzt sei. Ausnahmsweise verstoße auch die Tatsache, dass das Steuervereinfachungsgesetz rückwirkend gelte, nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze.

Denn das Gesetz schreibe nur die Rechtslage rückwirkend fest, die bis zur Änderung der BFH-Rechtsprechung 2010 gegolten habe. 2007 hätten die Steuerzahler keinen Anlass gehabt anzunehmen, dass sie um die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes "herumkämen". (Die Eltern haben gegen das Urteil Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt.)

Probezeit und Kündigung

Urteile in einem Satz

Sowohl der Auszubildende als auch der Ausbildende können einen Ausbildungsvertrag während der Probezeit kündigen, ohne eine Kündigungsfrist einzuhalten - allerdings muss das Kündigungsschreiben der anderen Seite noch während der Probezeit zugehen;

ist ein Auszubildender minderjährig, ist die Kündigung wirksam, wenn das Kündigungsschreiben den Eltern vor dem Ende der Probezeit zugestellt wird; wird das Schreiben am letzten Tag der Probezeit in den Briefkasten der Familie eingeworfen, gilt es auch dann als zugestellt, wenn die Eltern zufällig an diesem Tag verreist sind.

"Ewig" auf Studienplatz gewartet

Urteile in einem Satz

Auch wenn ein Studienbewerber geradezu unzumutbar lange auf einen Studienplatz gewartet hat, begründet dieser bedauerliche Umstand keinen direkten Anspruch des Studienbewerbers darauf, zum gewünschten Studium zugelassen zu werden;

Gerichte können Studienbewerbern nicht zu einem Studienplatz verhelfen — die Regeln, nach denen Studienplätze verteilt werden, stellt der Gesetzgeber auf, also kann sie auch nur der Gesetzgeber ändern.

Gebärdendolmetscher für Azubi

Urteile in einem Satz

Bewilligt das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung einem gehörlosen jungen Mann (Auszubildender im Bereich Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker) die Übernahme von Kosten eines Gebärdendolmetschers für den Besuch der Berufsschule,

muss letztlich die Bundesagentur für Arbeit für diese Kosten aufkommen, weil es sich um eine Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation im Rahmen der Arbeitsförderung handelt — dazu gehört nicht nur die praktische Berufsausbildung, sondern auch die Berufsschule; Träger solcher Rehabilitationsmaßnahmen ist die Agentur für Arbeit.

Künftige Bankkauffrau mit Schulden?

Urteile in einem Satz

Laut Berufsbildungsgesetz kann ein Ausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit gekündigt werden; kündigt eine Sparkasse den Ausbildungsvertrag mit einer Jugendlichen bereits vor Beginn der Probezeit,

verstößt dies dann nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die ausbildende Sparkasse wegen erheblicher Schulden der Auszubildenden daran zweifelt, dass die Jugendliche für den Beruf der Bankkauffrau geeignet ist.

Azubi vergeigt Abschlussprüfung

Schuldet er einem nichtehelichen Kind Unterhalt, darf er keine neue Ausbildung beginnen

Der junge Mann absolvierte ab Herbst 2007 eine (erste) Berufsausbildung zur Fachkraft im Gaststättengewerbe. Die dauerte zwei Jahre. Im Mai 2009 brachte seine damalige Freundin eine Tochter zur Welt. Unterhalt konnte der Auszubildende für das Kind von der Ausbildungsvergütung nicht zahlen. Im August 2009 versiebte der frischgebackene Vater die Abschlussprüfung.

Gleich anschließend begann er eine andere Lehre (Maler und Lackierer), vom Malerbetrieb bekam er eine Ausbildungsvergütung von 330 Euro monatlich. Der Mutter seines Kindes gegenüber erklärte er sich erneut für leistungsunfähig. Die zog nun vor das Familiengericht, um Unterhalt durchzusetzen.

Das Gericht fand, nach dem Misserfolg bei der Prüfung hätte der Vater "richtige Arbeit" suchen müssen. Es schrieb ihm ein fiktives Einkommen aus voller Erwerbstätigkeit zu (das bedeutet: das Gericht rechnet so, als hätte er eine Ganztagsstelle angenommen und verdiente entsprechend). Der Auszubildende wurde dazu verurteilt, monatlich 120 Euro für sein Kind abzuzwacken. Dagegen legte der junge Mann vergeblich Beschwerde ein: Das Kammergericht in Berlin bestätigte die Entscheidung (17 UF 45/11).

Solange der/die Unterhaltspflichtige die erste Berufsausbildung absolviere, müsse der Anspruch des Kindes auf Unterhalt zurückstehen, so das Kammergericht. Denn langfristig gesehen liege es auch in dessen Interesse, wenn der Vater/die Mutter durch eine Berufsausbildung die Voraussetzung dafür schaffe, den Unterhalt durch eine besser qualifizierte, dauerhafte Berufstätigkeit aufzubringen anstatt durch ungelernte Tätigkeiten oder Gelegenheitsarbeit.

Wer Unterhalt schulde, müsse die Ausbildung jedoch zielstrebig "durchziehen". Im konkreten Fall habe der Vater aber nicht einmal den Versuch unternommen, die Prüfung zu wiederholen. Wenn er durch die Abschlussprüfung falle, dürfe er keine neue Ausbildung anfangen. Dann müsse der Unterhaltspflichtige ganztags arbeiten, um den Unterhalt für das Kind zu verdienen.

Da er diese Pflicht nicht erfüllte, sei es gerechtfertigt, dass ihm die Vorinstanz fiktive Einkünfte zugerechnet habe. Immerhin habe der Vater eine Ausbildung im Gaststättengewerbe gemacht und dabei praktische Erfahrungen gesammelt. Würde er in dieser Branche arbeiten, könnte er ein Bruttoeinkommen von ca. 1.600 Euro monatlich erzielen (Basis der Schätzung: Lohnregister im Internet). Von diesem Betrag könnte der Unterhaltspflichtige auf jeden Fall 120 Euro für seine Tochter abzweigen.

Heimaturlaub eines Austauschschülers fiel aus

Flugtickets verfallen: Reiseabbruchsversicherung erstattet nur zusätzliche Rückreisekosten

Ein Münchner Austauschschüler verbrachte ab August 2010 ein Jahr in Mexiko. Seine Mutter hatte für ihn den Hin- und Rückflug gebucht und zudem in der Weihnachtszeit einen Flug nach Deutschland und wieder zurück. Vorsorglich schloss die Frau auch eine Reiserücktrittskosten- und Reiseabbruchsversicherung ab. Bei einem Reiseabbruch erstattete der Versicherer laut Vertrag nur "zusätzliche Rückreisekosten".

Kurz vor dem Weihnachtsurlaub erkrankte der Jugendliche an einer schweren Magen-Darm-Grippe und musste die Heimreise abblasen. Nun wandte sich seine Mutter an das Versicherungsunternehmen und forderte die Flugkosten ersetzt (Mexico City nach München und zurück: 781 Euro). Doch die Versicherung winkte ab: Hier seien keine zusätzlichen Reisekosten angefallen, schließlich sei der Sohn in Mexiko geblieben. Die 781 Euro seien "Sowieso"-Kosten.

So sah es auch das Amtsgericht München: Der zuständige Richter wies die Klage der Mutter gegen die Versicherung ab (242 C 16294/11). Fraglich sei schon, ob der Schüler eine Reise abgebrochen habe. Im Grunde sei ja nur eine Reisepause ausgefallen, also eine Unterbrechung des einjährigen Aufenthalts in Mexiko. Das könne aber letztlich offen bleiben.

Denn die Versicherungsbedingungen seien eindeutig: Erstattet würden nur zusätzliche (also später entstandene, ungeplante) Rückreisekosten und eben keine Ausgaben für Reiseleistungen, die von Anfang an gebucht und dann nicht in Anspruch genommen werden. Diese Regelung benachteilige die Versicherungsnehmer nicht unangemessen: Der eingeschränkte Leistungsumfang sei im Vertrag klar und unmissverständlich formuliert.

Englisch-Nachhilfe als Sozialleistung

Aufgeweckter Hauptschüler fordert Kostenübernahme, um den qualifizierten Abschluss zu schaffen

Die begeisterten Lehrer erklärten den Fall für "einzigartig". Der jetzige Hauptschüler M hat bis zur neunten Klasse eine Förderschule besucht (früher: Sonderschule oder Schule für Lernbehinderte). Dort gab es keinen Englischunterricht. Durch außergewöhnlich gute Leistungen schaffte M als "Externer" den einfachen Abschluss einer Hauptschule. Das erlaubte ihm den Wechsel in die zehnte Klasse der Hauptschule mit dem Ziel, einen qualifizierten Hauptschulabschluss zu erlangen.

Nun wurde das Englisch-Defizit zur Hürde: Für den einfachen Abschluss müssen die Schüler keine Englischprüfung bestehen, für den qualifizierten Hauptschulabschluss aber schon. Ein Lehrer riet M, privat Nachhilfe zu nehmen, um sich in den wenigen Monaten bis zur Prüfung die nötigen Kenntnisse anzueignen. Der eifrige Schüler hielt sich daran. Der Nachhilfelehrer berechnete für zwei Mal Unterricht pro Woche (jeweils eineinhalb Stunden) 134 Euro monatlich.

Das konnte sich der Schüler, der Hartz-IV-Leistungen bezieht, nicht leisten. Er beantragte bei der Sozialbehörde die Kostenübernahme, was diese ablehnte. Lernförderung werde nur bezahlt, wenn die Versetzung in die nächsthöhere Klasse auf dem Spiel stehe. Außerdem habe M bereits einen Schulabschluss. M wehrte sich gegen diese Abfuhr und setzte sich beim Sozialgericht Wiesbaden durch (S 23 AS 899/11 ER).

Für den qualifizierten Abschluss sei die Lernförderung notwendig, stellte das Gericht fest. Hier gehe es nicht darum, einem ungeeigneten Schüler einen Abschluss zu ermöglichen, den er aus eigener Kraft nicht erreichen würde. Der fleißige und engagierte Schüler sei dazu sehr wohl in der Lage: Sein Defizit in Englisch beruhe weder auf intellektuellem Unvermögen, noch auf Nachlässigkeit (Fehlstunden etc.).

Vielmehr habe M in der Förderschule einfach kein Englisch lernen können. Und nun müsse er dieses Defizit in kürzester Zeit aufholen. In Ausnahmefällen wie diesen, wenn sich ein Schüler aus eigener Kraft für einen anderen Schulzweig qualifiziere, müsse der Hartz-IV-Träger die Kosten des Nachhilfeunterrichts tragen. Das sei nur eine kurzfristige Unterstützung, die M aber benötige, um das Lernziel "Quali" zu erreichen.

Freiwilliges Soziales Jahr

Steht einem volljährigen Sohn in dieser Zeit Unterhalt vom Vater zu?

Im Sommer 2011 beendete der 19-jährige (der bei der mittellosen, geschiedenen Mutter wohnt) die Realschule mit erweitertem Abschluss. Seither absolviert er ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Pflegediensteinrichtung, die für ihn gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge zahlt plus 198 Euro Taschengeld. Nach diesem Jahr möchte der junge Mann das Fachabitur machen. Den Vater, der seit seinem 18. Geburtstag kein Geld mehr herausrückte, wollte er auf Unterhalt verklagen — auch während des Sozialen Jahres.

Mangels Erfolgsaussicht verweigerte ihm das Amtsgericht Prozesskostenhilfe: Wer ein Soziales Jahr absolviere, habe nur Anspruch auf Unterhalt, wenn die Pflegetätigkeit (z.B. als Altenpfleger) notwendige Voraussetzung für den weiteren Ausbildungsweg sei. Diese Ansicht werde in der Rechtsprechung allgemein geteilt, räumte das Oberlandesgericht Celle ein: Doch seit 2008 — seit das Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten gelte — sei die Lage anders einzuschätzen (10 WF 300/11).

Seitdem werde das Freiwillige Soziale Jahr nicht mehr nur als praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen angesehen. Der Gedanke einer "an Lernzielen orientierten" Ausbildung trete mehr in den Vordergrund. Pädagogisch begleitet, solle die Hilfstätigkeit den Teilnehmern auch "soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen vermitteln". In den Gesetzesmaterialien der Bundesregierung sei von Schlüsselkompetenzen die Rede, die auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbesserten.

Demnach sei das Freiwillige Soziale Jahr als Abschnitt der angemessenen Gesamtausbildung einzustufen, die Eltern ihren Kindern schuldeten. Als eine Art von Orientierungsphase verbessere es die Bildungsfähigkeit Jugendlicher und ihre Berufschancen. Sie könnten sich hier Klarheit darüber verschaffen, ob sie sich für einen sozialen Beruf eigneten.

Im konkreten Fall sei der Vater außerdem mit einem Nettoverdienst von 2.084 Euro durchaus leistungsfähig. Er müsse den Unterhaltsbedarf des Sohnes (abzüglich Kindergeld) decken. Im eigentlichen Unterhaltsprozess müsse dann geklärt werden, wie weit das Taschengeld des Sohnes und ausbildungsbedingter Mehrbedarf zu berücksichtigen seien. Vermutlich laufe es auf ca. 353 Euro Unterhalt hinaus.

Kindergeld und Semestergebühren:

Semestergebühren sind vom studentischen Einkommen in voller Höhe abzuziehen

Ein Vater beantragte Kindergeld für seinen Sohn, der an der Universität studierte. Für Kinder in Ausbildung wird (bis zum 25. Geburtstag) Kindergeld bewilligt, sofern ihre jährlichen Einkünfte den Grenzbetrag von 8.004 Euro nicht übersteigen. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil der Student ihrer Ansicht nach mehr verdiente.

Die Berechnung hätte allerdings zu einem anderen Ergebnis geführt, wenn die Familienkasse die Semestergebühren des Sohnes von seinem Verdienst abgezogen hätte. Diese Gebühren seien keine ausbildungsbedingte Mehrkosten, meinte die Familienkasse, wenigstens nicht in voller Höhe. Denn davon profitierten die Studenten ja auch, z.B. in Form von Semestertickets für den öffentlichen Nahverkehr.

Gegen den ablehnenden Bescheid der Familienkasse klagte der Vater und setzte sich beim Bundesfinanzhof (BFH) durch (III R 38/08). Semestergebühren seien insgesamt als ausbildungsbedingter Mehrbedarf anzusehen und deshalb vom Einkommen abzuziehen, entschied der BFH. Denn Studierende müssten diese Gebühren, wenn sie ein Studium aufnähmen oder fortsetzten, in voller Höhe zwingend entrichten.

Privat nutzbare Vorteile wie das Semesterticket änderten daran nichts. Die Studenten könnten nämlich nicht frei darüber entscheiden, ob sie die Leistungen überhaupt in Anspruch nehmen wollen, die mit den Semestergebühren abgegolten würden.

Doktorwürde futsch

Universität darf sie nicht allein wegen der Beteiligung eines bestechlichen Doktorvaters zurückziehen

In acht Fällen nahm die Universität Hannover die Verleihung der Doktorwürde an Juristen zurück. Damit reagierte sie auf einen Korruptionsskandal: Der Doktorvater dieser Juristen, ehemaliger Professor in Hannover, hatte von einem gewerblichen Institut für Promotionsvermittlung pro Doktorand 4.000 Euro kassiert, insgesamt 156.000 Euro. Deswegen war der Professor 2008 wegen Bestechlichkeit zu Gefängnis verurteilt worden.

Die Juristen hatten an das Institut Summen von je 10.000 Euro und mehr gezahlt. Die Strafverfahren gegen sie endeten fast alle mit Freispruch, manche wurden gegen Geldbuße eingestellt. Gegen den Verlust der Doktorwürde wehrten sich die Betroffenen mit Erfolg. Allein die Teilnahme eines bestochenen Doktorvaters am Verfahren rechtfertige die Aberkennung des Titels nicht, entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (2 LA 333/10).

Schließlich bewerte eine mehrköpfige Kommission die Leistungen der Doktoranden. Anhaltspunkte für Mängel der wissenschaftlichen Arbeiten (wie etwa Fälschungen, die Übernahme fremden Gedankenguts etc.) habe es nicht gegeben. Auf jeden Fall hätte die Universität ihre Qualität neu begutachten lassen müssen. Die Doktoranden hätten nicht gewusst, dass der ihnen als Doktorvater vermittelte Universitätsprofessor bestochen worden war.

P.S.: Anders sieht es natürlich aus, wenn es um direkt Beteiligte geht: Der promovierte Geschäftsführer des mittlerweile Pleite gegangenen "Instituts für Wissenschaftsberatung" ist seinen Titel los. Wer jahrelang gegen Zahlung von Honorar Promotionskandidaten an Professoren vermittelt und wegen Bestechung rechtskräftig zu Freiheitsstrafe verurteilt ist, dem kann die Universität (hier: Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) wegen vorsätzlicher Straftat den Doktorgrad aberkennen. (Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2011 - 6 K 3445/10)