Jugend und Ausbildung

Jobcenter muss Schulbücher finanzieren

Schulbücher gehören in Bundesländern ohne oder mit eingeschränkter Lernmittelfreiheit nicht zum Regelbedarf Hilfsbedürftiger

In der Bildungspolitik hat der viel gelobte Föderalismus viele Haken, von unterschiedlichen Lehrplänen bis hin zu unterschiedlichen Prüfungsanforderungen. Auch die Lernmittelfreiheit ist in jedem Bundesland anders geregelt. In Niedersachsen z.B. wurde sie vor Jahren abgeschafft, in Bayern eingeschränkt. In manchen Bundesländern gilt die Lernmittelfreiheit nur für einige Schulformen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat nun klargestellt, dass Jobcenter in Bundesländern, in denen Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen, verpflichtet sind, für Hilfsbedürftige die Kosten zu übernehmen (B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R). Schulbücher stellten unter diesen Umständen einen Härtefall-Mehrbedarf dar.

Im Prinzip gehörten die Ausgaben für Schulbücher zwar zum Regelbedarf — aber nicht in der richtigen Höhe, wenn keine Lernmittelfreiheit bestehe, so das BSG. Der Regelbedarf der Hilfeempfänger werde nämlich aus dem bundesweiten Durchschnitt von Einkommen und Verbrauch ermittelt. In einem Bundesland, in dem z.B. für die Oberstufe des Gymnasiums keine Lernmittelfreiheit gelte, lägen die Kosten für die Schüler jedoch weit über dem durchschnittlichen Aufwand für Schulbücher.

Der Sozialstaat müsse für Hilfeempfänger ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten. Deshalb habe das Bundesverfassungsgericht den "Härtefall-Mehrbedarf" eingeführt. Er solle besonderen Situationen Rechnung tragen, in denen ein überdurchschnittlich hoher Bedarf vorliege und sich der Regelbedarf als unzureichend herausstelle.

Hilfeempfänger bricht Ausbildung ab

Das Jobcenter darf deshalb nicht alle Zahlungen von Arbeitslosengeld II zurückfordern

Ein Bezieher von Arbeitslosengeld II (oder: Grundsicherung für Arbeitsuchende) begann auf Anraten seines Sachbearbeiters im Jobcenter eine außerbetriebliche Berufsausbildung. Das wurde jedoch keine Erfolgsgeschichte: Der Arbeitslose fehlte wiederholt unentschuldigt und flog schließlich aus der Maßnahme. Daraufhin kürzte ihm das Jobcenter das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent.

Später verlangte die Behörde sogar die Leistungen vollständig zurück: Der junge Mann habe durch seine Nachlässigkeit die außerordentliche Kündigung durch den Ausbilder provoziert und damit seine Hilfebedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt. Gegen die Forderung setzte sich der unzuverlässige Auszubildende zur Wehr und bekam vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Recht (L 7 AS 1331/17).

Der Hilfeempfänger habe glaubhaft erklärt, während der Ausbildung erkannt zu haben, dass sie ihm nicht liege. Laut Grundgesetz könne jedermann seinen Beruf und seine Ausbildungsstätte frei wählen — dieses Recht habe auch der Arbeitslose. Sein Fernbleiben von der Ausbildung stelle zwar ein Fehlverhalten dar. Doch darauf habe das Jobcenter mit der Leistungskürzung um 30 Prozent bereits angemessen reagiert.

Die Sozialleistungen komplett zurückzufordern, sei nur gerechtfertigt, wenn sich ein Leistungsempfänger in hohem Maß sozialwidrig verhalte. Von einem mutwilligen, unentschuldbaren Handeln des Arbeitslosen könne hier aber keine Rede sein. Die Sanktion sei überzogen. Schließlich garantiere die Verfassung allen Bürgern das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Jugendschutz in Videotheken

Wenn auch Kinder und Jugendliche Zutritt zum Laden haben, ist eine Extrakasse für Pornofilme nötig

Eine "Familienvideothek", die auch für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zugänglich war, bot unter anderem Pornofilme an. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Verkauf solcher Videos nur zulässig, wenn die indizierten Werke in einem "für Jugendliche nicht zugänglichen Ladengeschäft" aufbewahrt und verkauft werden. Den fraglichen Laden konnten Besucher jedoch nur über eine einzige Tür betreten.

Auf dem Weg in einen separaten Raum für Pornovideos kamen die Interessenten an den Angeboten der Familienvideothek und an der einzigen Kasse vorbei. Der Betreiber einer konkurrierenden Videothek hielt dies für unzulässig und zog gegen seinen Berufskollegen vor Gericht. Das Landgericht Köln gab ihm Recht (81 O 195/94).

Die Videothek dürfe keine Pornofilme mehr anbieten, solange dort auch Personen unter 18 Jahren Zutritt hätten. Anderenfalls liefe die dem Jugendschutz dienende Regelung ins Leere. Zu einem "Ladengeschäft" gehöre nämlich schon vom Wortsinn her eine eigene Kasse, an der die Filme herausgegeben und bezahlt würden. Eine "Mischvideothek" sei auch dann unzulässig, wenn die "verbotene Ware" in einem abgeschlossenen Raum präsentiert werde.

Juristische Fragen in der Meisterprüfung

"Erbrecht ist für Friseurbetrieb von Bedeutung"

Eine Frau wollte den Meisterbrief im Friseurhandwerk erwerben. Sie fiel durch die Prüfung, weil ihr unter anderem im Fach Rechts- und Sozialwesen die für den Handwerksmeister als Unternehmer notwendigen Kenntnisse fehlten. Nach der missglückten Prüfung zog sie vor Gericht und bemängelte, dass viele Fragen, die sie falsch beantwortet habe, für einen Frisuermeister ohne Bedeutung seien.

Ihre Klage blieb jedoch beim Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht erfolglos (3 L 214/94). Der Prüfbehörde stehe bei der Auswahl des Prüfungsstoffs ein weiter Ermessensspielraum zu, erklärte das Gericht. Die Grenze sei erst bei Fragen erreicht, die nichts mehr mit dem Friseurhandwerk zu tun hätten.

Daher sei es nicht zu beanstanden, wenn nach der Grundschuld gefragt werde. Diese könne beim Aufbau eines Friseurbetriebs von Bedeutung sein und das Erbrecht sei wichtig, wenn es darum gehe, die Betriebsnachfolge zu regeln. Kritisch werde es, wenn die Prüflinge je zwei Rechtsgebiete des öffentlichen und des privaten Rechts nennen sollten. Eine solche Frage sei bei einer Meisterprüfung im Friseurhandwerk "gerade noch" zulässig.

Angehender Professor will Arbeitslosenhilfe

Er muss zunächst sein Vermögen aufbrauchen

Ein 42-jähriger Hochschulassistent gab seine Tätigkeit an der Universität Münster auf, um für eine Professur seine Habilitationsschrift anfertigen zu können. Er meldete sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe. Das Arbeitsamt verweigerte jegliche Zahlung, da der Assistent noch über ein Vermögen von 50.000 DM verfügte: Zunächst müsse er dieses Vermögen für seinen Lebensunterhalt verwenden - bis auf einen Freibetrag von 8.000 DM -, bevor er Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe.

Damit könne er nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten, trug der Mann vor, er benötige das Geld für einen Computer, für Literatur sowie für Druck und Veröffentlichung seiner Habilitationsschrift. Doch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen belehrte ihn eines Besseren (L 9 Ar 160/94).

Arbeitslosen müsse Vermögen nur dann nicht für ihren Lebensunterhalt einsetzen, wenn sie es für die Berufsausbildung oder zum Aufbau einer Existenz benötigten. Davon könne bei dem arbeitslosen promovierten Akademiker aber nicht die Rede sein: Er verfüge über eine überdurchschnittliche berufliche Qualifikation und habe jahrelang als Hochschulassistent gearbeitet. Er könne sich daher auch ohne Habilitation seinen Lebensunterhalt verdienen und habe keinen Anspruch auf Leistungen des Arbeitsamts.

Eltern müssen keine Zweitausbildung finanzieren

Kurzartikel

Haben Eltern ihrem Kind bereits eine angemessene, der Neigung entsprechende Berufsausbildung ermöglicht, müssen sie keine weitere Ausbildung finanzieren. Dies gilt auch dann, wenn ein volljähriges Kind im erlernten Beruf keine Anstellung findet: Dieses Risiko besteht bei jeder Berufswahl und ist vom Kind selbst zu tragen. Will das Kind eine Zweitausbildung absolvieren, muss es selbst für seinen Unterhalt sorgen. Ein gutes Einkommen der Eltern ändert daran nichts.

Private Halloween-Party an der Uni

Verletzt sich ein Student während der Party beim Verfolgen eines "Bierdiebs", ist er nicht gesetzlich unfallversichert

Mit einigen Kommilitonen hatte ein Student eine Halloween-Party in den Räumen der Mainzer Universität organisiert. Am späteren Abend bemerkte er, dass ein fremder "Gast" unbefugt eine Bierflasche aus dem Kühlschrank nahm. Der Student forderte ihn auf, die Flasche zurückzustellen. Doch der Unbekannte dachte gar nicht daran, sondern türmte mit dem Bier.

Der Student verfolgte den Bierdieb und holte ihn ein. Bei der Rangelei stürzten beide, die Bierflasche zerbrach und der Verfolger verletzte sich erheblich an einer Hand.

Studenten und Schüler sind gesetzlich unfallversichert, wenn ihnen im Zusammenhang mit ihrer Ausbildung ein Unfall widerfährt. Auch der Mainzer Studierende wandte sich an die Unfallkasse und beantragte Leistungen. Wenn jemand einen mutmaßlichen Straftäter verfolge, stehe er unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, erklärte der junge Mann. Das müsse auch für ihn gelten, denn er habe einen Dieb gestellt und die Tat, wenn auch einige Monate später, angezeigt.

Doch die Unfallkasse ließ ihn abblitzen. Das Sozialgericht Mainz gab der Unfallkasse Recht und wies die Zahlungsklage des Studenten ab (S 14 U 45/17). Während der Halloween-Party hätten die Teilnehmer nicht unter dem Schutz von der studentischen Unfallversicherung gestanden. Denn es habe sich um eine private Fete in der Uni, aber nicht um eine Veranstaltung der Universität gehandelt.

Auch auf die Regelung für "Verfolger von Straftätern" könne sich der Student nicht berufen. Die sei nur anzuwenden, wenn jemand verunglücke, dessen wesentliches Motiv es war, einen Verdächtigen zu verfolgen oder festzunehmen. Das treffe hier nicht zu, obwohl der unbekannte Gast eine Bierflasche gestohlen habe. Der Student sei dem Dieb aber nach Überzeugung des Gerichts vor allem deshalb nachgelaufen, um die Bierflasche zurückzuholen oder Geld dafür zu verlangen.

Also sei die Verfolgungsjagd eher privat motiviert gewesen. Dafür spreche die Tatsache, dass der Student nach dem Unfall weder "Anzeige gegen Unbekannt" stellte, noch die Kommilitonen nach der Identität des Diebes fragte. Sinn und Zweck des Versicherungsschutzes für "Verfolger von Straftätern" sei es aber nicht, das Verfolgen privater Interessen zu schützen. Vielmehr solle damit eine "sozial-politisch erwünschte" Eigeninitiative im Allgemeininteresse abgesichert werden.

Unfall nach dem Elternabend

Die Mutter eines Schülers stürzt im Dunkeln auf einer Außentreppe der Schule: Schadenersatz?

Der Elternabend an einer Schule hatte etwas länger gedauert. Als er zu Ende ging, war es schon dunkel — und die Außenbeleuchtung auf dem Schulgelände defekt. Eine Mutter stürzte beim Weggehen im Dunklen auf einer Außentreppe und verletzte sich. Dafür verlangte die Frau vom Schulträger 15.000 Euro Entschädigung. Wenn draußen die Beleuchtung ausfalle, müsse er zumindest für eine Notfallbeleuchtung sorgen, hielt sie ihm vor.

Dem widersprach das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg (4 U 1/18). Zwar müsse sich der Schulträger darum kümmern, dass Besucher sich auf dem Schulgelände gefahrlos bewegen könnten, so das OLG. Er müsse aber nicht alle erdenklichen Maßnahmen treffen, um Unfälle völlig auszuschließen.

Im Schulhof stehe eine Laterne, welche die Treppenstufen normalerweise ausreichend beleuchte. Man könne vom Schulträger nicht verlangen, für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Laterne ausfalle, eigens eine Notbeleuchtung zu installieren. Die gesamte Außenbeleuchtung sei erst wenige Wochen vor dem Unfall vollständig erneuert worden.

Zudem kontrolliere der Hausmeister die Beleuchtung jeden Nachmittag. Sie wegen einer Veranstaltung am Abend nochmals zu prüfen, würde die Anforderungen an die Sicherheitsmaßnahmen übertreiben. Letztlich hätte die Frau den Sturz leicht vermeiden können, wenn sie sich in der Dunkelheit besonders vorsichtig bewegt hätte. Auch der Gedanke, die Handytaschenlampe einzuschalten, hätte nahegelegen.

Aufenthaltserlaubnis für ausländische Studenten

Sie wird nach Studienabschluss für die Arbeitssuche verlängert, aber nicht erneut nach erfolglosem Aufbaustudium

Ein Student aus Kamerun hatte 2012 in Deutschland sein Studium mit dem Bachelor abgeschlossen. Doch das Aufbaustudium — ein Masterstudium im gleichen Fach — war weniger erfolgreich: Ohne Abschluss wurde er im März 2017 exmatrikuliert. Daraufhin beantragte der Mann bei der Ausländerbehörde, seine für das Studium erteilte Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Er wolle nun eine Arbeitsstelle suchen.

Das wurde von der Behörde abgelehnt. Auch die Rechtsmittel des Kameruners blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stellte klar: Wenn Ausländer zu Studienzwecken eine Aufenthaltserlaubnis bekämen, könne diese nach erfolgreichem Abschluss des Studiums verlängert werden, und zwar um höchstens 18 Monate (7 B 10332/18.OVG).

So hätten die Absolventen genügend Zeit, eine ihrem Abschluss angemessene Tätigkeit zu suchen. Die Frist für die Arbeitsplatzsuche beginne also mit dem Studienabschluss. Doch seit dem erfolgreichen Studienabschluss des Antragstellers seien weit mehr als 18 Monate vergangen. Durch ein erfolgloses Aufbaustudium verlängere sich die 18-Monate-Frist nicht.

Das Ziel des Gesetzgebers, qualifizierte Arbeitskräfte für die deutsche Wirtschaft zu gewinnen, werde auf diese Weise nicht unterlaufen. Hätte der Antragsteller auch das Aufbaustudium geschafft, wäre seine Aufenthaltsgenehmigung erneut um 18 Monate verlängert worden, um es ihm zu ermöglichen, eine angemessene Arbeit zu finden.

Als geistig behindert eingestuft

Einem Sonderschüler wurde zu Unrecht der Schulwechsel verwehrt: Bundesland haftet für Fehler der Schule

Heute ist der junge Mann 21 Jahre alt, hat mit Bestnoten seinen Hauptschulabschluss nachgeholt und arbeitet in einem Supermarkt. Als Nenad M. 2004 in Bayern eingeschult wurde, sprach der siebenjährige Roma kaum Deutsch. Vermutlich wurde er deshalb fälschlicherweise als geistig behindert eingestuft und auf eine Sonderschule geschickt.

Nach dem Umzug der Familie besuchte der Schüler in Köln eine "Förderschule" für geistig Behinderte und bat die Lehrer immer wieder um einen Schulwechsel — doch der Absprung in eine Regelschule wurde ihm verwehrt. Ein erneuter Test seiner Fähigkeiten unterblieb. Nach fast elf Jahren auf der Sonderschule gelang Nenad M. — mit Hilfe des Elternvereins "mittendrin" — der Wechsel an ein Berufskolleg, wo er den Hauptschulabschluss nachholte.

Der Elternverein, der sich für Inklusion einsetzt, unterstützte auch seine Klage gegen das Bundesland Nordrhein-Westfalen. Nenad M. forderte Entschädigung für Verdienstausfall: Wenn er in einer geeigneten Schule gefördert worden wäre, hätte er mit 16 Jahren einen Realschulabschluss erwerben können und bessere berufliche Chancen gehabt.

So sah es auch das Landgericht Köln: Es sprach dem jungen Mann prinzipiell Anspruch auf eine Entschädigung zu, legte nur deren Höhe noch nicht fest (5 O 182/16). "Bei der jährlichen Überprüfung des Förderbedarfs hätte der Schule auffallen müssen", dass der Schüler "keinen Förderbedarf im Bereich geistige Entwicklung hatte", stellte das Landgericht fest. Grundlage für die Zuweisung an eine Förderschule sei auch Jahre später immer noch das Gutachten aus der Grundschulzeit in Bayern gewesen.

Nenad M. sei daher zu Unrecht ein Schulwechsel verwehrt worden: Für diese Amtspflichtverletzung der Förderschule müsse das Land Nordrhein-Westfalen haften. An einer allgemeinen Schule hätte Nenad M. einen Schulabschluss erreichen können. Ihn ohne Überprüfung des Förderbedarfs dauerhaft auf die Förderschule festzulegen, habe ihm berufliche Perspektiven verbaut.

Kindergeld trotz unterbrochener Ausbildung

Kurzartikel

Die Familienkasse darf die Zahlung von Kindergeld für eine volljährige Frau nicht einstellen, wenn sie ihre Ausbildung an einer Berufsfachschule krankheitsbedingt unterbrechen muss. Die junge Frau habe - amtsärztlich bestätigt - aus objektiven Gründen aussetzen müssen, so das Finanzgericht. Dass ihr Wiedereinstieg derzeit nicht kalkulierbar sei, ändere nichts am Anspruch auf Kindergeld. Derzeit gebe es jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankte die Absicht aufgegeben habe, ihre Ausbildung nach der Genesung fortzusetzen.

Unfall im Tierheim

Schüler wird von einem Löwen angefallen: Hier muss die gesetzliche Unfallversicherung einspringen

Im Rahmen einer schulischen Lehrveranstaltung half ein Schüler bei Arbeiten in einem Tierheim aus. Als er Sand aus einem Gehege schaufelte, wurde er von einem Löwen angefallen und verletzt. Vor Gericht verlangte der Schüler von der Leitung des Tierheims Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass für die Behandlungskosten die gesetzliche Unfallversicherung und nicht das Tierheim aufkommen muss (3 U 138/94). Der Schüler habe Arbeiten ausgeführt, die in der Regel von den Angestellten des Tierheimes verrichtet werden. Zudem habe die Schule dieses Praktikum organisiert, bei schulischen Veranstaltungen seien Schüler unfallversichert. Deshalb liege hier eine Art von "Arbeitsunfall" vor. Allerdings sehe die gesetzliche Unfallversicherung kein Schmerzensgeld vor. Den Inhaber des Tierheimes könne der Schüler nicht zusätzlich zur Unfallversicherung haftbar machen.

Beim Jura-Examen durchgefallen

Kurzartikel

Ein Kandidat fiel beim juristischen Staatsexamen durch - bei dieser Prüfung wurden zwei seiner Klausuren objektiv fehlerhaft beurteilt. Dennoch begründet das fahrlässige Verschulden der Prüfer keinen Anspruch des "durchgefallenen" Kandidaten auf Schadenersatz für Verdienstausfall, wenn unabhängige Gutachter zu dem Schluss kommen, dass die Examensarbeiten bei zutreffender Bewertung ebenfalls nur mit "mangelhaft" benotet worden wären. Der Kandidat hätte also das Examen auch in diesem Fall nicht bestanden.

Tinnitus durch Kindergeschrei?

Kurzartikel

Die gesetzliche Unfallversicherung ist nicht verpflichtet, die Tinnitus-Therapie einer Erzieherin zu finanzieren, die ihre Ohrgeräusche darauf zurückführt, dass ihr ein Kind am Arbeitsplatz "Kinderheim" ins Ohr geschrien hat. Das könne schon deshalb keinen Arbeitsunfall darstellen, so das Sozialgericht, weil nach dem Wissensstand der Medizin auch sehr laute menschliche Schreie keinen Schallpegel erreichten, der einen Tinnitus oder andere dauerhafte Hörschäden auslösen könne.

Dschungelcamp statt Schule

Mathe-Lehrerin vom Dienst suspendiert: Sie reiste mit ihrer Tochter während der Schulzeit zur RTL-Show

Die Tochter Nathalie V. ist aus dem Reality-TV bekannt und sollte im Januar 2016 in Australien an der Dschungelcamp-RTL-Show teilnehmen ("Ich bin ein Star — Holt mich hier raus!"). Ihre Mutter wollte sie unbedingt begleiten. Die 48 Jahre alte, verbeamtete Studienrätin beantragte bei der Landesschulbehörde Niedersachsen einen Sonderurlaub vom 11.1. bis zum 27.1., der jedoch abgelehnt wurde.

Die Mathe-Lehrerin flog dennoch nach Australien, den Flug hatte sie längst gebucht. Nach den Weihnachtsferien schickte sie der Schule ein ärztliches Attest. Darin wurde ihr bescheinigt, sie sei wegen "depressiver Erschöpfung" vom 7.1. bis zum 29.1. arbeitsunfähig. Der Australien-Trip während der "Krankheit" flog auf, weil die Studienrätin dort mit ihrer Tochter ein Video aufnahm, das im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Das Amtsgericht Soltau verurteilte sie zu einer Geldstrafe, weil sie sich mit falschen Angaben ein Attest erschlichen habe.

Daraufhin leitete die Landesschulbehörde ein Disziplinarverfahren gegen die Beamtin ein. Sie suspendierte die Frau vorläufig vom Dienst und ordnete an, ihr nur noch die Hälfte des Gehalts auszuzahlen: Die Lehrerin habe ihren Gesundheitszustand falsch dargestellt, sei also — trotz der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung — unentschuldigt dem Unterricht fern geblieben und dann auch noch dreist im TV aufgetreten. Das erschüttere jegliches Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit und Integrität.

Erfolglos wehrte sich die Studienrätin gegen die Maßnahmen: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erklärte sie für rechtmäßig (3 ZD 10/17). Das Verfahren vor dem Disziplinarausschuss werde höchstwahrscheinlich mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis enden. Planvoll und berechnend sei die Lehrerin vorgegangen, um mit einem unzutreffenden Attest die Reise entgegen dem Beschluss der Landesschulbehörde zu ermöglichen.

Zudem fehle ihr jede Einsicht in ihr Fehlverhalten: Das spreche nicht unbedingt dafür, dass sie künftig ihren Dienstpflichten zuverlässig nachkommen werde. Die Zweifel daran bestärke auch ein Interview, das die Studienrätin einer bundesweit erscheinenden Zeitung gegeben habe — trotz einer Anweisung der Landesschulbehörde, sich mit öffentlichen Äußerungen bis zum Ende des Disziplinarverfahrens zurückzuhalten. Lehrer müssten einen Erziehungsauftrag erfüllen und für die Schüler ein Vorbild sein. Wer sich so verhalte wie die Studienrätin, sei für diese Aufgabe charakterlich ungeeignet.

Abiturkurs an einer Privatschule

Vorhersehbare Gesundheitsprobleme berechtigen einen Schüler nicht zur vorzeitigen Auflösung des Schulvertrags

Im Sommer 2015 meldete sich ein 20-Jähriger bei einer Privatschule zu einem Kurs an, der in zehn Monaten auf das Abitur vorbereiten sollte. Er unterschrieb den Schulvertrag als Teilnehmer, sein Vater unterschrieb als "Erziehungsberechtigter" und zahlte das Schulgeld. Im Vertrag hieß es: "Über die Bindung an ein Schuljahr bin ich mir bewusst. … Eine Anmeldung zu einem Kurs ist verbindlich. Die Kurse können nicht vorzeitig ordentlich gekündigt werden."

Im November und Dezember 2015 fehlte der junge Mann mehrfach im Unterricht. Laut Attest vom Hausarzt war er wegen Problemen mit seinem Reizdarm "schulunfähig". Schließlich teilte die Privatschule dem Schüler mit, sie könne ihn wegen der Fehlzeiten und versäumter Übungsaufgaben nicht zur Abiturprüfung anmelden.

Daraufhin kündigte der Vater des Schülers den Schulvertrag "aus wichtigem Grund außerordentlich" und stellte die Zahlungen ein. Die Kündigung sei berechtigt, meinten Vater und Sohn: Er, der Schüler, sei wegen wiederkehrender Bauchkrämpfe und psychosomatischer Beschwerden schulunfähig. Die Schule akzeptierte die Kündigung nicht und klagte die Unterrichtsgebühren ein.

Das Amtsgericht München gab ihr Recht (242 C 15750/16). Der Amtsrichter erklärte die Kündigung für unwirksam und konnte sich dabei auf ein medizinisches Gutachten stützen: Ein Reizdarm führe nicht zu Schulunfähigkeit, hatte der gerichtliche Sachverständige ausgesagt, der den Schüler untersucht hatte. Plötzlich und überraschend komme so ein Problem erst recht nicht. Das sei keine "unvorhersehbare Krankheit", die sich der Schüler erst nach Vertragsschluss zugezogen habe.

Der junge Mann habe bei der Untersuchung selbst eingeräumt, so der Amtsrichter, dass die Beschwerden schon seit Jahren mehrmals die Woche auftreten. Er sei volljährig und damit unbeschränkt geschäftsfähig. Wenn sich der Schüler — trotz des bekannten Gesundheitsrisikos — für einen Kurs von zehn Monaten entscheide, müsse er auch die Konsequenzen tragen. Für die Unterrichtsgebühren hafteten Vater und Sohn gemeinsam.

Nachts die Schule beschmiert

Oberschüler wurde nach der Graffiti-Aktion zu Recht von einer Klassenfahrt ausgeschlossen

Nachbarn alarmierten die Polizei, weil in einer Oberschule in Berlin-Steglitz mitten in der Nacht Licht brannte. Die Beamten erwischten einen volljährigen Oberschüler zusammen mit einigen Jugendlichen auf frischer Tat: Mit Smartboard-Stiften, die der Schule gehörten, hatten die Übeltäter Wände im Neubau der Schule beschmiert.

Daraufhin beschloss die Schulleitung, den Oberschüler von der geplanten Klassenfahrt nach Schottland auszuschließen. Der Schüler verteidigte sich mit dem Argument, er habe sich nach einer Party unter Alkoholeinfluss von seinem Mitschüler dazu überreden lassen, in die (nicht verschlossene) Schule einzudringen. Die Schmierereien seien ihm und dem Mitschüler aber nicht zuzurechnen. Die gingen auf das Konto der drei schulfremden Jugendlichen.

Der Versuch des Schülers, damit die Sanktion abzuwenden, scheiterte beim Verwaltungsgericht Berlin (VG 3 L 1317.17). Der Schüler habe ohne Erlaubnis nachts die Schule betreten und zudem Unterrichtsmaterial entwendet und zweckentfremdet. Selbst wenn er die Wände nicht selbst beschmiert haben sollte: Die Folgen seines Fehlverhaltens störten den geordneten Schulbetrieb. Optisch bleibe der Vandalismus einstweilen durch die verschmutzten Wände im Schulalltag gegenwärtig.

Daher sei die Ordnungsmaßnahme rechtmäßig. Dass der Schüler aufgrund des Ausschlusses von der Schulfahrt auf Bildungserfahrungen verzichten müsse, liege in der Natur der Strafe und sei nicht zu beanstanden.

Knallkörper an Siebenjährigen verkauft!

Kioskbetreiberin muss dem verletzten Kind 60.000 DM Schmerzensgeld zahlen

Ein Schüler im Alter von sieben Jahren und acht Monaten kaufte sich vor Unterrichtsbeginn am Kiosk eine Zehner-Packung "Feuerringe". Nach Schulschluss zog er sich schwere Brandverletzungen am linken Oberschenkel zu, als die Feuerwerkskörper in der Hosentasche losgingen. Der Junge hatte einen Knallkörper, dessen Lunte nur scheinbar erloschen war, zu den anderen in seine Hosentasche gesteckt. Er erlitt Verbrennungen dritten Grades.

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf muss ihm die Betreiberin des Kiosks 60.000 DM Schmerzensgeld zahlen (22 U 220/94). Sie müsse für die Folgen des illegalen Verkaufs haften, auch wenn sie den Schadensablauf nicht in allen Einzelheiten habe voraussehen können. Die Verkäuferin hätte aber wissen müssen, dass ein Kind in diesem Alter noch nicht mit Feuerwerkskörpern umzugehen verstehe. Dass es sich um ein Produkt handle, das auch an Personen unter 18 Jahren verkauft werden dürfe, entlaste sie nicht. An Grundschüler dürften Zündmittel wegen der erheblichen Gefahren auf keinen Fall abgegeben werden.

Verfassungsrichter ausgekontert?

Stoiber lässt das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergänzen

Der Bayerische Landtag hat am 23. Dezember 1995 das "Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen" durch folgenden Absatz ergänzt:

"Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht: Damit kommt der Wille zum Ausdruck, die obersten Bildungsziele der Verfassung auf der Grundlage christlicher und abendländischer Werte unter Wahrung der Glaubensfreiheit zu verwirklichen. Wird der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberechtigten widersprochen, versucht der Schulleiter eine gütliche Einigung. Gelingt eine Einigung nicht, hat er nach Unterrichtung des Schulamts für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die Glaubensfreiheit des Widersprechenden achtet und die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller in der Klasse Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt; dabei ist auch der Wille der Mehrheit soweit möglich zu berücksichtigen."

Das Gesetz ist am 1. Januar 1996 in Kraft getreten.

Nachbar will Schulsportplatz stilllegen

Den Lärmpegel einer nur für den Schulsport genutzten Anlage müssen Anwohner hinnehmen

Lange Zeit lag das Sportgelände des Leibniz-Gymnasiums in Neustadt an der Weinstraße brach. Dann investierte die Kommune in einen Allwetterplatz, der im Sommer 2014 eröffnet wurde: eine Sportanlage auf Tartanboden, mit zwei Handballtoren und einem fünf Meter hohen Ballfangzaun für Fußball und Basketball. Ein halbes Jahr später zog ein genervter Nachbar vor Gericht und forderte, die Lärmbelästigung müsse aufhören. Der Lärm auf dem Sportplatz überschreite das zulässige Höchstmaß (laut Sportanlagenlärmschutzverordnung).

Das Verwaltungsgericht Neustadt wies seine Klage ab (5 K 60/17.NW). Der Hauseigentümer berufe sich auf die strengen Grenzwerte einer Verordnung, die für den Schulsport keine Gültigkeit hätten. Beim Schulsport lägen sie höher. Denn Sportunterricht sei ein wichtiger Bestandteil des staatlichen Bildungsauftrags. Er wirke sich positiv auf die Gesundheit der Schüler, auf ihre sportlichen Fähigkeiten und ihr soziales Verhalten aus.

Kinder und Jugendliche müssten im Rahmen der Ganztagsschule Sport im Freien ausüben können. Schulen mit Sportanlagen seien auch in allgemeinen Wohngebieten zulässig. Daher müssten Anwohner die Geräuschkulisse hinnehmen. Und gar so dramatisch sei die Lärmbelästigung auch wieder nicht. Die betreffende Anlage diene ausschließlich dem Schulsport unter Aufsicht von Lehrkräften — nicht etwa für Sportvereine, die abends trainierten.

Der eingezäunte Platz sei verschlossen, einen Schlüssel hätten nur die Sportlehrkräfte der Schule. Der Platz werde nur während des Schulbetriebs genutzt, nur ausnahmsweise finde Sportunterricht bis 18 Uhr statt. Die besonders sensiblen Ruhezeiten am Morgen und am Abend seien ebenso "lärmfrei" wie das Wochenende. Und auch die Ferienzeit biete dem Hauseigentümer einen Ausgleich für die Geräuschkulisse während des Schulbetriebs.