Jugend und Ausbildung

Aufgescheuchtes Wildschwein kollidiert mit Auto

Veranstalter einer Treibjagd muss Vorsichtsmaßnahmen treffen

Ein Autofahrer war in einem Waldstück auf der Landstraße unterwegs. Plötzlich trabte von der Seite ein Wildschwein auf die Straße. Der Autofahrer hatte keine Chance mehr, anzuhalten oder auszuweichen - er krachte mit dem Tier zusammen. Der Schaden am Auto belief sich auf rund 15.000 DM, den die Teilkaskoversicherung beglich. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte in dem Waldstück eine Treibjagd stattgefunden, veranstaltet von der Kommune, die dort das Jagdrecht innehatte. Da der Autofahrer der Ansicht war, unzureichende Vorsichtsmaßnahmen bei der Jagd hätten zu dem Unfall geführt, verlangte er von der Stadt Kostenersatz für Verwaltungsaufwand und die 300 DM Selbstkostenbeteiligung bei der Teilkasko.

Seine Vorwürfe seien unberechtigt, meinte die Stadt, denn man habe die Tiere bei der Jagd von der Straße weggetrieben. Deshalb seien auch keine Warnschilder aufgestellt worden. Das Landgericht Rostock sah das allerdings anders (4 O 176/02). Das Wild von der Straße wegzutreiben, genüge nicht, um dem erhöhten Risiko für den Straßenverkehr bei einer Treibjagd wirksam zu begegnen. Man müsse durch dichte Treiberketten dafür sorgen, dass das Wild nicht rückwärts laufe. Außerdem bestehe die Möglichkeit, entlang gefährdeter Straßen ausbrechendes Wild durch so genannte Jagdlappen abzuhalten oder Warnschilder bzw. Warnposten an der Straße aufzustellen. Da die Stadt als Jagdveranstalter zu wenig unternommen habe, um das Risiko für die Verkehrsteilnehmer kleinzuhalten, hafte sie für den (Rest-)Schaden des Autofahrers.

Mitschüler den Daumen umgeknickt

Unter Schülern: nur ausnahmsweise Anspruch auf Schadenersatz

Die beiden Jungen aus Parallelklassen einer Hauptschule waren sich wohl nicht ganz grün. Jedenfalls behauptete einer, vom Mitschüler beim gemeinsamen Sportunterricht schon öfter angegriffen worden zu sein. Eines Tages bog ihm der Übeltäter (angeblich ohne jeden Grund) die Hand so nach hinten, dass der Daumen umknickte und eine Operation im Krankenhaus erforderlich wurde. Der "Angreifer" bestritt dies: Es sei ein Unfall gewesen, der beim Ringen passiert sei. Als er merkte, dass sein Gegner schrie, habe er den Griff gelockert.

Das Oberlandesgericht Hamm wies die Klage des "Opfers" auf Schadenersatz ab (6 U 63/01). Da er während des Sportunterrichts verletzt worden sei, handle es sich um einen Schulunfall. Nach den einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches komme dann die gesetzliche Unfallversicherung für die Folgen auf. Vom Mitschüler bekomme er keine zusätzliche Entschädigung: Schüler hafteten nicht selbst, wenn sie während des Schulbetriebs jemanden verletzten - außer sie handelten mit voller Absicht.

Dass der "Ringer" den Daumen seines Mitschülers absichtlich ausgerenkt haben könnte, sei aber durch nichts belegt. Bei körperlichen Auseinandersetzungen wollten sich Jugendliche vielleicht manchmal weh tun, normalerweise dem anderen aber keine ernsten und dauerhaften Verletzungen zufügen.

Porno-Videos in der Automatenvideothek ...

... verstoßen nicht automatisch gegen den Jugendschutz

Pornofilme dürfen nur in Videotheken vermietet werden, die für Minderjährige unzugänglich sind - im Interesse des Jugendschutzes ist es verboten, sie in "normalen" Ladengeschäften anzubieten. Bei einer Videotheken-Kette, deren Filialen weitgehend automatisch funktionierten, glaubte der Staatsanwalt, Strafwürdiges entdeckt zu haben: In den Läden gebe es kein Personal, um das Alter der Kunden zu kontrollieren, warf er den Verantwortlichen der Firma vor. Er erhob Anklage wegen Verbreitung pornographischer Videofilme und Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz.

Die Automatenvideotheken arbeiten mit einem biometrischen Sicherheitssystem: Um hier Filme ausleihen zu können, müssen die Kunden persönlich einen Aufnahmeantrag stellen und ihre Ausweispapiere vorlegen. Dann wird ihr Daumenabdruck eingelesen. Sie erhalten Chipkarte und PIN, nur damit ist die Tür zur (videoüberwachten) Videothek zu öffnen. Erst nach automatischer Kontrolle von Chipkarte, PIN und Daumenabdruck des Kunden ist es möglich, im Automatenraum das Videoangebot zu sichten und Filme auszuleihen.

Der Bundesgerichtshof sprach die Geschäftsführer der Firma frei (1 StR 70/03). Bisher sei kein Missbrauch des Systems durch Jugendliche bekannt geworden - das biometrische Sicherheitssystem sei sehr zuverlässig und gewährleiste eine effektive Kontrolle. Jugendschutz- und Alterskontrolle müsse nicht zwingend durch Personal erfolgen. Das habe zwar der Gesetzgeber unterstellt, als er 1985 die entsprechenden Vorschriften erlassen habe. Über diese "Vorstellung sei die technische Entwicklung jedoch hinweggegangen, was eine andere Bewertung gebiete".

Ausbildungsplatz durch Spenden finanziert

In diesem Sonderfall ist eine untertarifliche Ausbildungsvergütung zulässig

Um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, hat der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (VBM) einen gemeinnützigen Verein gegründet. Der Verein lässt in Betrieben seiner Mitglieder (d.h. Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektroindustrie) berufspraktische Ausbildung durchführen. Diese wird durch Spenden des Verbandes und Beiträge der Vereinsmitglieder finanziert. Als überbetrieblicher Verein ist der Verein des VBM nicht an Tarifverträge gebunden.

Ein junger Mann, der mit dem Verein einen Ausbildungsvertrag im Ausbildungsberuf Industriemechaniker abgeschlossen hatte, bekam eine geringere Ausbildungsvergütung, als der Tarifvertrag für die Metallindustrie vorsah. Sie lag bei 72 Prozent der tariflichen Ausbildungsvergütung. Der "Azubi" hielt das für rechtswidrig: Laut Berufsbildungsgesetz stehe jedem Auszubildenden eine "angemessene Ausbildungsvergütung" zu.

Bis hin zum Bundesarbeitsgericht (BAG) kämpfte der Metaller um eine höhere Ausbildungsvergütung - ohne Erfolg (6 AZR 191/02). Sein Ausbildungsplatz sei durch Spenden finanziert, so das BAG, damit wollten die Mitglieder des Vereins Jugendlichen zu einem Ausbildungsplatz verhelfen, die ansonsten arbeitslos wären. In ihrem Interesse werde die Ausbildung durchgeführt, die Leistungen der Auszubildenden würden nicht kommerziell verwertet. In diesem Sonderfall sei es nicht allein nach dem Tarifvertrag zu beurteilen, ob die monatliche Vergütung "angemessen" sei: Die Summe müsse nur "fühlbar zu den Lebenshaltungskosten" des Auszubildenden beitragen. Und das treffe doch wohl zu, befand das BAG.

Berufsbegleitendes Studium ...

... kann unter Umständen bei der Einkommenssteuer berücksichtigt werden

Ein Sparkassenangestellter arbeitete in der Kreditabteilung seiner Sparkasse. Nebenbei begann er ein Studium der Betriebswirtschaftslehre, um "Diplom-Betriebswirt (FH)" zu werden. Vergeblich beantragte er beim Finanzamt, die Ausgaben für das Studium als Werbungskosten von seiner Einkommenssteuer abzuziehen. Wenn er ein Studium aufnehme, sei das privat "motiviert" und habe nichts mit seinem Beruf zu tun, meinten die Finanzbeamten. Und lagen damit ganz auf der Linie der obersten Finanzrichter - zumindest bis Dezember 2002. Im Dezember 2002 wurden jedoch die Aufwendungen für ein berufsbegleitendes (Erst-)Studium an einer Universität vom Bundesfinanzhof (BFH) erstmals als Werbungskosten anerkannt.

Auch im konkreten Fall bekam der Steuerpflichtige vom BFH Recht (VI R 137/01). Er strebe den Studienabschluss an, um sich in seinem Beruf Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen, befand der BFH, also aus beruflichen Gründen. In welcher Höhe die Aufwendungen steuermindernd anzurechnen seien, müsse man unabhängig davon beurteilen, was der Steuerzahler in der Sparkasse verdiene. Studiengebühren, Aufwendungen für Arbeitsmittel und Fahrtkosten zum Studienort stellten Werbungskosten dar. Bei den Fahrtkosten sei die gesetzliche Entfernungspauschale für die "Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" (bzw. hier: Ausbildungsstätte) zu veranschlagen.

Wohin mit kleinen Kindern am frühen Morgen?

Mutter in Berufsausbildung mit Frühschicht steht Kinderbetreuung durch Tagesmutter zu

Die Frau hatte schon zwei Kinder aus erster Ehe, mit ihrem zweiten Ehemann bekam sie zwei weitere Kinder. Da der Mann mit seinem Lohn die große Familie finanziell gerade so über die Runden brachte, begann die Frau eine (vom Arbeitsamt geförderte) zweijährige Berufsausbildung zur Köchin. Aber wohin mit den Kindern? Der Vater musste täglich um 5.30 Uhr aus dem Haus, die Mutter hatte ab 6.30 Frühdienst. Deshalb beantragte die Familie beim Jugendamt einen Zuschuss, um während der Arbeitszeit Betreuung für die Kinder finanzieren zu können. Die Familie hatte auch schon eine geeignete Tagesmutter, eine gelernte Erzieherin, gefunden. Von der Behörde kam jedoch ein abschlägiger Bescheid.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg zeigte dagegen Verständnis für die arbeitswillige Mutter (4 ME 335/02). Sie habe einleuchtend dargelegt, dass ihre große Familie in sehr beengten finanziellen Verhältnissen leben müsste - vor allem wegen der Hauslasten für das Eigenheim -, wenn sie auf Dauer nur auf das Einkommen des Ehemannes verwiesen wäre. Der Wunsch der Frau, durch eigene Berufstätigkeit die wirtschaftliche Grundlage der Familie zu sichern, müsse respektiert werden.

Nicht nur für Alleinerziehende in Berufsausbildung sei Kinderbetreuung notwendig und förderungswürdig. Auch das Bestreben einer kinderreichen Familie, sich einen Lebensstandard über dem Sozialhilfeniveau zu schaffen, verdiene Unterstützung. Und Kindergärten stünden nun einmal während des frühen Schichtdienstes der Frau nicht zur Verfügung. Künftig wird sich die Erzieherin an fünf Tagen in der Woche um die Kinder kümmern.

Angst vor der Klassenfahrt

Muslimin will aus religiösen Gründen nicht verreisen

Eine Klassenfahrt war angesagt. Ohne einen "Mahram" - Vater, Großvater, Bruder oder Onkel - mit ihren Schulkameraden zu verreisen, bereitete einer muslimischen Schülerin der 10. Klasse große Pein. Es war nicht nur die Sorge, ihr Kopftuch zu verlieren und sich beim Duschen unbekleidet zeigen zu müssen. Auch die Vorstellung, die fünf täglichen Waschungen und Gebete zu versäumen und womöglich Schweinefleisch essen zu müssen, versetzte sie in Angst und Schrecken.

Das Oberverwaltungsgericht Münster befasste sich mit dem Anliegen der jungen Frau, von der Klassenfahrt befreit zu werden (19 B 99/02). Die Richter fanden, sie habe ein eindrückliches Bild der Zwänge gezeichnet, denen sie als Mädchen mit ihren religösen Vorstellungen unterworfen sei. Daraus ergäben sich für die Schülerin im Zusammenhang mit einer Klassenfahrt erhebliche Ängste. Diesen Ängsten maßen die Richter bereits Krankheitswert zu: Das Mädchen müsse wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht an der Klassenfahrt teilnehmen, entschieden sie.

Der Staat und sein Erziehungsauftrag

Kein Heimunterricht für Andersdenkende

Herr und Frau K. sind sehr gläubig. Und diesen Glauben, den sie innerhalb einer bibeltreuen christlichen Gemeinschaft pflegen, wollten sie ganz unverfälscht an ihre Kinder weitergeben. Durch nichts sollte dieser Glaube beeinträchtigt werden, vor allem nicht durch den Unterricht in einer normalen Schule. Die Eltern bestanden darauf, ihre Kinder selbst zu unterrichten. Sie beriefen sich auf das Grundrecht der Religionsfreiheit und das natürliche Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen. Behörden und Gerichte verweigerten jedoch den Heimunterricht.

Auch das Bundesverfassungsgericht erklärte den Eltern, ihre beiden Kinder müssten eine öffentliche oder private Schule besuchen (1 BvR 436/03). Dies verletze die Grundrechte der Eltern nicht, denn der staatliche Erziehungsauftrag sei dem elterlichen Erziehungsauftrag gleichgestellt. Der Staat müsse durch Schulunterrricht sicherstellen, dass Kinder zu verantwortlichen Staatsbürgern erzogen würden, fähig, an demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilzunehmen. Heimunterricht könne dies nicht leisten.

Die Schule solle soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Menschen und vor allem mit Andersdenkenden vermitteln, Toleranz, aber auch Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung. Dies sei nur im Kontakt mit Menschen und im Dialog mit unterschiedlichen Auffassungen möglich. Auch religiöse Minderheiten dürften sich dem Dialog nicht verschließen und sich aus dem sozialen Leben ausgrenzen.

Eltern und Lehrerin über Kreuz

Schüler wurde in die Parallelklasse versetzt

Die Eltern hatten einen richtigen Hass auf die Lehrerin ihres Sohnes: Sie krittelten mehrfach massiv an ihr herum, scheuten auch vor Dienstaufsichtsbeschwerden nicht zurück und schalteten sogar die Polizei ein. Das wiederum rief die Eltern von Mitschülern auf den Plan, die sich auf die Seite der Lehrkraft stellten. Da war für die Schulbehörde guter Rat teuer. Schlichtungsversuche bei Klassenkonferenzen und Elternversammlungen blieben erfolglos. Schließlich wollte man dem Hickhack ein Ende bereiten und versetzte den Schüler kurzerhand in die Parallelklasse.

Da er der Maßnahme widersprach, musste sich das Oberverwaltungsgericht Bremen mit dem Schulstreit befassen (2 B 305/02). Die Versetzung sei keine Sanktion gegen den Schüler, betonten die Richter. Es gehe hier nicht um die Schuldfrage. Vielmehr sei durch die unerträglichen Spannungen zwischen Eltern und Lehrerin der Schulfrieden so gestört, dass die Schule ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen könne. Deshalb habe die Schulbehörde einschreiten müssen. In die Parallelklasse zu wechseln, sei für den Schüler keineswegs unzumutbar, im Gegenteil: Die Versetzung biete ihm die Chance, in einem neuen Umfeld unbelastet am Unterricht teilzunehmen.

Heimkinder demolieren Bus-Oldtimer

Schwer erziehbare Kinder müssen nicht "wie im Gefängnis" eingesperrt werden

Ein Mann sammelte alte Omnibusse, die er auf eingezäuntem Gelände renovierte. Einige hundert Meter von seiner Hobby-Werkstätte entfernt lag ein Heim für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche. Die Heimkinder wurden dort in familienähnlichen Wohngruppen betreut. Eines Tages unternahmen vier Jugendliche einen Ausflug zum Bus-Sammelplatz und schlugen mit geklauten Nothämmern Scheinwerfer und Scheiben kaputt. Was ihnen vom Inventar gefiel, ließen sie mitgehen. Als sie am nächsten Tag wiederkamen, wartete schon der Besitzer mit der Polizei auf sie. Er verklagte den Träger des Heims auf Schadenersatz - vergeblich.

Heimleitung und Sozialarbeiter hätten ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt, entschied das Landgericht Bad Kreuznach (2 O 264/00). Grundsätzlich sei es den Kindern verboten, das Heimgelände zu verlassen. Man könne sie aber nicht rund um die Uhr bewachen wie Schwerverbrecher. Schwer erziehbare Kinder und Jugendliche dürfe man nicht wie in einem Gefängnis einsperren, auch wenn sie bereits durch diverse kleine Delikte aufgefallen seien. Das sei weder pädagogisch vertretbar, noch sachlich notwendig.

Anders läge der Fall nur, wenn sie zu gemeingefährlichen Aktionen (wie etwa Brandstiftung) neigten. Ansonsten gelte: Man müsse die Kinder zu selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln anleiten und ihren Hang zu Straftaten durch sinnvolle Beschäftigung und angemessene Sanktionen (wie Hausarrest, Taschengeldentzug etc.) bekämpfen.

Zehnjährige setzt leeres Haus in Brand

Haftpflichtversicherung fordert Geld von der neunjährigen Spielkameradin

Ein unbewohntes Haus reizte zwei kleinere Mädchen zum Zündeln. Zunächst zündete die Neunjährige Feuer in einem Ofen an. Ihre zehn Jahre alte Freundin wollte dann aber "ein eigenes Feuer" haben. Sie zündete im Ofen ein Buch an und entfachte damit und mit weiterem Papier Feuer in einem Plastikkorb, der auf einer Matratze abgestellt war. Das konnte nicht gutgehen: Das Feuer geriet außer Kontrolle und setzte das Gebäude in Brand. Es habe nicht gedacht, dass aus so wenig Papier gleich ein so großes Feuer entstehen könnte, erklärte das Kind.

Zum Glück hatten die Eltern eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Allerdings wollte das Unternehmen nicht alleine für den Schaden aufkommen und versuchte, sich einen Teil der Summe von der Spielkameradin zurückzuholen. Beim Oberlandesgericht Nürnberg ging es um die Frage, ob auch die neunjährige Begleiterin für den Schaden haftet (6 U 1352/02).

Die Richter verneinten das. Das jüngere Mädchen habe zwar, wie schon am Vortag, mitgezündelt. Allerdings im Ofen, also unter halbwegs kontrollierbaren Umständen. Ein Kind in diesem Alter könne nicht alle möglichen Konsequenzen seines Handelns übersehen. Der Gedanke, dass die Freundin auf so unbedachte und leichtsinnige Weise ein zweites Feuer anzünden würde, habe sich der Neunjährigen nun wirklich nicht aufdrängen müssen.

Unfall in der Betriebstoilette

Kein Versicherungsschutz von der gesetzlichen Unfallversicherung

Eine junge Frau wollte Köchin werden und arbeitete als Auszubildende in einem Berufsbildungszentrum. In der Toilette der Ausbildungsstätte ereignete sich ein folgenschwerer Unfall: Die Auszubildende hatte vergessen, die Tür der Toilettenkabine hinter sich abzuschließen. Schwungvoll stieß eine Kollegin die Tür auf und traf die Auszubildende mit voller Wucht am Kopf. Dabei zog sich diese eine Schädelprellung und eine Verletzung am linken Auge zu, die zum Verlust der Sehkraft führte. Die Berufsgenossenschaft - Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung - weigerte sich, das Unglück als Arbeitsunfall anzuerkennen und für die Folgen aufzukommen.

Zu Recht, entschied das Landessozialgericht Bayern und wies die Klage der Auszubildenden auf Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung ab (L 3 U 323/01). Auf dem Betriebsgelände seien Arbeitnehmer und Auszubildende versichert, aber nicht im Toilettenbereich. Hier gehe es nämlich nicht um eine "betriebliche Tätigkeit" - genauso wenig wie in der Kantine beim Essen. Der Versicherungsschutz ende mit dem Betreten der betrieblichen Toilettenanlage und beginne erst wieder, wenn der Versicherte den Toilettenbereich verlasse und zu seinem Arbeitsplatz zurückkehre. In der Toilette des Berufsbildungszentrums gebe es auch keine besonderen Gefahrenquellen, für die der Ausbildungsbetrieb verantwortlich wäre.

Reisepaket: "High School USA 2001/02"

Reiseveranstalter pleite: Versicherung muss auch für Taschengeld der Schüler geradestehen

Wohlhabende Eltern spendierten ihren beiden minderjährigen Kindern ein Reisepaket für einen High-School-Aufenthalt in den USA. Mit einem Spezial-Reiseveranstalter schlossen sie einen Vertrag, der folgende Leistungen beinhaltete: Er hatte Hin- und Rückflug zu buchen, Gastfamilien und Schule auszuwählen, Schulgeld zu zahlen und die Kinder vor Ort zu betreuen. Außerdem sollte er jeden Monat als Taschengeld für die Kinder 200 US-Dollar auf ein Treuhandkonto einzahlen.

Der Reiseveranstalter ging pleite und die Kinder bekamen kein Taschengeld mehr. Ihre Eltern verklagten den Reiseversicherer, weil er sich weigerte, das ausgefallene Taschengeld zu ersetzen. Das Oberlandesgericht Köln verurteilte ihn dazu (9 U 93/02). Die Zahlung des Taschengelds zu organisieren, gehöre bei dieser Art von Reisen zu den Leistungen des Reiseveranstalters und sei daher beim Reisepreis mitkalkuliert. High-School-Reisen könnten nur inklusive dieser Taschengeldregelung gebucht werden.

Denn die Gastfamilien wünschten, dass Austauschschüler regelmäßig Taschengeld erhielten. Der Veranstalter weise in seinem Reiseprogramm eigens darauf hin, wie zeitraubend und teuer Geldüberweisungen in den USA seien. Das Taschengeld monatlich auf das betreffende Konto einzuzahlen sei sicherer und die Schüler könnten so ihre Ausgaben besser einteilen. Aus all diesen Gründen sei das Taschengeld Bestandteil des Reisepreises. Und mit dem Sicherungsschein garantiere der Reiseversicherer, im Falle einer Pleite des Reiseveranstalters den Reisepreis zu erstatten.

Zehnjähriger Junge startet Radlader mit Taschenmesser

Für gleichaltrige Beifahrer gilt: mitgegangen, mitgehangen!

Es war schon ein starkes Stück, das sich die drei Jungs leisteten: In einer durch Schranken abgesperrten Kiesgrube stand ein Radlader herum, der ihnen ins Auge stach. Einer schloss das Gefährt mit einem Taschenmesser kurz, dann fuhren die drei Zehnjährigen in der Kiesgrube umher. Beim Zurücksetzen geriet der Radlader in eine Schlammgrube, kippte um und wurde schwer beschädigt. Der Spaß brachte den Früchtchen eine Schadenersatzklage des Bauunternehmers über die stolze Summe von 53.904 DM ein.

In erster Instanz schien es so, als kämen die kleinen Übeltäter mit einem blauen Auge davon: Die Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, es sei unklar, wer von ihnen den Radlader zuletzt gefahren habe. Das Oberlandesgericht Koblenz erklärte jedoch, dieser Punkt sei bedeutungslos (10 U 998/02). Alle Kinder seien für den Schaden verantwortlich, gemeinsam hätten sie eine "unerlaubte Handlung" begangen. Also hafteten sie gemeinsam für den Schaden (in welcher Höhe, blieb zunächst offen).

Trotz des zarten Alters der drei Knaben nahmen die Richter schuldhaftes Handeln an. Sie hätten "widerrechtlich" fremden Grund betreten - durch mehrere Schranken klar erkennbar gegen unbefugten Zutritt gesichert - und zusammen den Beschluss gefasst, den Radlader in Gang zu setzen. Auch bei 10-Jährigen könne das Wissen unterstellt werden, dass es verboten und gefährlich sei, ohne jede Fahrausbildung mit einem fremden Radlader zu fahren.

Schüler schlägt Lehrerin

Schulleiter fackelt nicht lange: Rausschmiss

Ein Realschüler - als Schläger kein unbeschriebenes Blatt mehr in der Schule - warf in der Pause das Mäppchen eines Mitschülers durch das Klassenzimmer. Der schrieb Hässliches über den Angreifer und dessen Mutter auf ein Heft, danach prügelten sich die Streithähne. Die Folge: Einträge im Klassenbuch. Nun drohte der Mäppchenwerfer seinen Mitschülern, er werde sie zusammenschlagen, wenn er von der Schule fliege. Als die Klassenlehrerin ihn deshalb aufforderte, mit ihr zum Schulleiter zu gehen, rastete er vollends aus. Er rannte zur Türe, fegte dabei Hefte und Bücher von den Tischen und schlug offenstehende Fenster zu. Die Lehrerin eilte dem renitenten Schüler nach, griff nach ihm - und erhielt einen heftigen Faustschlag gegen den Oberarm.

Der Schulleiter fackelte nicht lange und warf den Schüler hinaus. Vergeblich wandte sich der Übeltäter an die Justiz: Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigte den Schulausschluss (9 S 2277/03). Er sei zwar unter allen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen das allerletzte Mittel, hier aber (auch ohne vorherige Androhung) gerechtfertigt. Wenn ein Schüler gegenüber einer Lehrerin handgreiflich werde, störe dies den Schulfrieden in schwerwiegender Weise.

Tätlichkeiten bewirkten ein Klima der Einschüchterung und Angst, einen massiven Autoritätsverlust der Lehrer und gefährdeten so den Erziehungszweck der Schule. Zudem stelle der Schüler eine Gefahr für die Mitschüler dar, er habe schon einige Male sehr aggressiv reagiert und Klassenkameraden angegriffen. Daher komme hier kein milderes Mittel als der Schulausschluss in Betracht. Dem streitsüchtigen Schüler stehe es frei, sich um die Aufnahme in einer anderen Realschule zu bewerben.

Jugendlicher steht Modell für "Foto-Love-Story"

Boulevardzeitung "recycelt" Nacktfoto für Pseudo-Aufklärungsartikel

Vermutlich träumte der Jugendliche von einer Karriere als Modell oder als Schauspieler. Er machte (mit Einwilligung seines Vaters) bei der Foto-Love-Story einer Jugendzeitschrift mit. Unter anderem wurden auch Nacktfotos aufgenommen - gestellte Liebesszenen mit einer Partnerin. Ein Boulevardblatt desselben Verlags veröffentlichte eines der Nacktfotos noch einmal: als Illustration von Artikeln zum Thema "Schamlose Aufklärung". Der Jugendliche erfuhr davon erst, als ihn mehrere Bekannte auf das Foto ansprachen. Erbost ging das Nachwuchs-Modell mit seinem Vater zum Anwalt. Sie verklagten die Zeitung auf Entschädigung. Vergeblich pochte der Verleger darauf, dass der Jugendliche und der Erziehungsberechtigte prinzipiell der Publikation von Nacktfotos zugestimmt hätten.

Dem Argument "Einmal nackt, immer nackt" konnte das Landgericht München I nichts abgewinnen (7 O 15358/03). Das rechtfertige die ungenehmigte Veröffentlichung des Fotos nicht, erklärten die Richter. Denn die Boulevardzeitung habe eine wesentlich höhere Auflage und eine andere Leserschaft. Zudem sei das Foto hier in einem ganz anderen Zusammenhang erschienen. In einer weit verbreiteten Zeitung gut erkennbar bei der (gespielten) Ausübung des Geschlechtsverkehrs gezeigt zu werden, sei ein denkbar harter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Jugendlichen. Die Zeitung müsse ihm deshalb eine Entschädigung von 5.000 Euro zahlen.

Mit dem Argument, es handle sich bei dem Artikel um einen wissenschaftlichen Beitrag zum Thema "Aufklärung", konnte das Boulevardblatt beim Landgericht auch keinen Blumentopf gewinnen: Methodische Suche nach Erkenntnissen sehe anders aus. Um sich mit diesem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen, müsse man außerdem keine Fotos zeigen, auf denen Personen zu identifizieren seien.

"Eigenes Girokonto? - Her damit!"

Bank will Kinder als Kunden anwerben

Mit einem flockigen Rundschreiben ("Hallo ..., herzlich willkommen!") versuchte eine Bank, Girokonten "an das Kind" zu bringen. Sie schrieb alle Kinder und Jugendlichen unter 14 Jahren an, für die sie bereits ein Sparbuch führte. "Möglichkeiten und Vorteile ohne Ende" versprach das Kreditinstitut. Ein Begrüßungsgeschenk winkte, allerlei Infos aus Kinowelt, Sport, Reise sollten das Angebot für Minderjährige interessant machen. Ganz am Rande wurde erwähnt, dass erst die Erziehungsberechtigten gefragt werden müssen ("Ich komme dann mit meinen Eltern zur Kontoeröffnung ...".).

Das Rundschreiben rief Wettbewerbshüter auf den Plan und führte zu einem Rechtsstreit beim Oberlandesgericht Nürnberg (3 U 1036/03). Direkt Minderjährige anzusprechen und sie quasi als Absatzhelfer einzuschalten - denn sie müssten den Wunsch nach einem eigenen Konto ja erst den Erziehungsberechtigten nahebringen -, sei wettbewerbswidrig, entschieden die Richter. Dass dieser Schritt (bis zum 18. Geburtstag) das Einverständnis der Eltern voraussetze, dürfe die Bank nicht am Ende der Werbebotschaft im Kleingedruckten verstecken. Außerdem dürfe sie nicht nur die Vorzüge eines Girokontos anpreisen, sondern müsse auch deutlich auf Pflichten und Risiken hinweisen. Inhaber von Girokonten seien verpflichtet, Kontobewegungen zu kontrollieren, Falschbuchungen zu melden und Überweisungsformulare sorgfältig aufzubewahren. Vor allem die Gefahren des bargeldlosen Zahlungsverkehrs könnten unerfahrene Jugendliche überfordern: Wer zum Beispiel eine Geldkarte verliere, erleide möglicherweise einen viel größeren Verlust, als derjenige, der eine Geldbörse mit etwas Bargeld verliere.

Gegenüber Minderjährigen für Girokonten zu werben, sei nicht prinzipiell verboten, lautete das Fazit der Richter. Aber die Bank müsse die Risiken erläutern und so Erziehungsberechtigte und Sprösslinge veranlassen, sich kritisch mit dem Angebot auseinanderzusetzen.

Streit über Umschulung

Familiengericht überträgt der Mutter die Entscheidungsbefugnis

Eheleute hatten sich getrennt und wollten sich scheiden lassen. Ihre drei Kinder lebten bei der Mutter; jedes zweites Wochenende waren sie mit dem Vater zusammen. Eine Tochter besuchte die 4. Klasse der Grundschule, hinkte jedoch wegen einer Krankheit in ihrer Entwicklung etwas hinterher. Ein zweites Mädchen besuchte eine Sprachsonderschule. Die Mutter wollte beide auf eine staatlich anerkannte Waldorfschule mit besonderem Förder- und Erziehungskonzept schicken. Dagegen äußerte der Vater Bedenken. Da sich die Eltern nicht einig wurden, wandte sich die Mutter ans Familiengericht und beantragte, ihr die Entscheidungsbefugnis in dieser Sache zu übertragen.

Das Amtsgericht Lemgo entschied in ihrem Sinne (8 F 26/03). Beide hätten vernünftige Gründe für und gegen die Umschulung vorgebracht. Wenn die (gemeinsam sorgeberechtigten) Eltern in einer so wichtigen Frage auf keinen gemeinsamen Nenner kämen, müsse man die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Und das sei hier die Mutter, so der Familienrichter. Denn sie betreue und versorge die Kinder überwiegend allein, regle alle Angelegenheiten des täglichen Lebens und kümmere sich auch um die schulische Entwicklung der Mädchen. Sie könne die Situation besser einschätzen als der Vater, der die Kinder nur gelegentlich und außerhalb des Alltags erlebe.

Doktortitel steuerlich absetzbar?

Aufwendungen für die berufliche Qualifikation können Werbungskosten sein

Lange Zeit galten die Kosten einer Promotion (Erwerb des Doktortitels) und andere Ausgaben für die Berufsausbildung als "privat veranlasste Aufwendungen". Sie wurden vom Finanzamt bestenfalls als Sonderausgaben steuermindernd berücksichtigt, d.h. bis zu einem bestimmten Höchstbetrag. Nach neuer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind jedoch Ausgaben für die berufliche Qualifikation, z.B. für ein Studium, unter gewissen Bedingungen als Werbungskosten anzuerkennen, die in voller Höhe absetzbar sind.

Das kann auch für Promotionskosten gelten, entschied der BFH kürzlich (VI R 96/01). Im konkreten Fall ging es um eine Krankengymnastin, die ein Medizinstudium begonnen hatte. Sie wollte Fachärztin für Orthopädie werden und verfasste in diesem Fachgebiet auch eine Doktorarbeit. Beim Finanzamt war die Frau mit ihrem Antrag abgeblitzt, die Kosten für Studium und Promotion von ihren zu versteuernden Einkünften als angestellte Krankengymnastin abzuziehen.

In solchen Fällen komme es darauf an, ob der Doktortitel für das berufliche Fortkommen von erheblicher Bedeutung sei, so der BFH. Bei Ärzten treffe dies zweifellos zu. Mit der Promotion habe die Krankengymnastin ihre medizinischen Kenntnisse vertieft und sich konkret auf die Berufstätigkeit als Fachärztin vorbereitet. Daher seien die Aufwendungen als "beruflich veranlasste Werbungskosten" einzustufen und voll von der Steuer abzusetzen.

Vater will Unterhalt für Sohn kürzen

Ausbildung in der Berufsfachschule muss auch für ein volljähriges Kind finanziert werden

Laut Urteil des Familiengerichts hatte der geschiedene Mann für seinen Sohn monatlich 288 Euro Kindesunterhalt zu zahlen. Als der junge Mann volljährig wurde, versuchte der Vater, mit einer (Abänderungs-)Klage die Unterhaltslast loszuwerden.

Das Oberlandesgericht Dresden sah dafür keine Möglichkeit (10 WF 122/03). Durch den Geburtstag des Sohnes ändere sich an der Verpflichtung des Vaters nichts, weil der Junge nun eine Berufsfachschule besuche. Dies sei keine Lehre, bei der der Auszubildende eine Ausbildungsvergütung erhalte. Die Ausbildung an der Berufsfachschule vermittle (in mindestens einem Jahr) allgemeine und fachliche Lerninhalte und ermögliche den Schülern den Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Sie gehöre zur allgemeinen Schulausbildung, was für den Vater bedeute: Es gelte weiterhin "gesteigerte Unterhaltspflicht" wie bei minderjährigen Kindern.