Industrie und Handwerk

Schlussrechnung und Verjährung

Kurzartikel

Der Werklohn von Handwerkern und anderen Auftragnehmern wird fällig, wenn sie die erste "prüfbare Schlussrechnung" einreichen. Weist der Bauherr die Rechnung nicht als "nicht prüffähig" zurück, beginnt zu diesem Zeitpunkt auch die dreijährige Verjäh-rungsfrist für die Ansprüche der Auftragnehmer gegen den Bauherrn zu laufen. Wichtig zu wissen: Fälligkeit und Fristbeginn verschieben sich auch dann nicht, wenn die Schlussrechnung wegen Einwänden des Bauherrn korrigiert wird.

Mangelhafte Hüftprothese schädigt Patientin

Leidgeprüfte Seniorin erhält Schmerzensgeld: Hersteller muss für Fehler seines Medizinprodukts haften

Eine damals 71 Jahre alte Patientin erhielt 2005 und 2006 künstliche Hüftgelenke: so genannte Großkugelkopfprothesen mit Metall-Metall-Gleitpaarung. Schon fünf Jahre später musste die rechte Prothese ausgetauscht werden, weil sie die Patientin massiv geschädigt hatte: "Knochenfraß" am Oberschenkelknochen führte über Jahre hinweg zu Schmerzen bzw. Bewegungseinschränkungen und machte den Austausch, also eine weitere Operation notwendig.

Die Patientin verklagte den Medizinproduktehersteller auf Schmerzensgeld und bekam vom Landgericht Freiburg Recht (6 O 359/10). Am Landgericht harren über 100 ähnliche Fälle einer Entscheidung — die Richter hatten lange nach einem geeigneten Gutachter suchen müssen. Doch am Ende stand fest, dass die Hüftprothesen mangelhaft waren. Ärztliche Fehler beim Eingriff könne man hier ausschließen, so das Gericht.

Die Gesundheitsschäden seien auf intensiven Metallabrieb zurückzuführen: Zusätzlich zu Metallabrieb an der Gleitpaarung, der einkalkuliert war, habe es im Bereich der "Steckkonusverbindung" deutlichen Abrieb gegeben, mit dem der Hersteller nicht gerechnet habe. Das Unternehmen habe diese Hüftprothese 2003 erstmals angeboten. Schon damals sei der Produktfehler nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft erkennbar gewesen.

Mediziner hätten Bedenken gegen das neue Prothesensystem vorgetragen. Der Hersteller wäre verpflichtet gewesen, die Einwände zu prüfen und zu berücksichtigen. Mittlerweile hätten sie sich als begründet erwiesen — durch Schadensfälle, die der Hersteller bei verantwortungsvollem Handeln hätte vermeiden können und müssen. Angesichts der gravierenden Folgen für die Patientin sei ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro angemessen

"A-Wort" als Kündigungsgrund

Installateur beleidigte den Seniorchef: Das rechtfertigt eine fristlose Kündigung

Zoff in einem kleinen Sanitär-Handwerksbetrieb: Die Eltern arbeiteten noch mit, ihre zwei Söhne hatten die Firma übernommen. Sie beschäftigten drei Gesellen und einen 62-jährigen Installateur. Zwischen dem Seniorchef und dem älteren Mitarbeiter kam es eines Tages zu einem heftigen Streit. Das Wortgefecht kommentierte einer der Söhne folgendermaßen: "Kinderkram. Sind wir hier im Kindergarten?"

Das ärgerte den Mitarbeiter so, dass er sich am nächsten Tag beim Mit-Geschäftsführer beschwerte: Sein Bruder lasse "gerne den Chef raushängen", während der Vater sich ihm gegenüber sowieso wie ein "Arsch" benehme. Am Abend forderte der Juniorchef den Installateur auf, über sein eigenes Benehmen nachzudenken. Dafür stelle er ihn drei Tage von der Arbeit frei.

Zu einer Entschuldigung mochte sich der Arbeitnehmer aber nicht durchringen. Nach der Frist von drei Tagen kündigte ihm der Handwerksbetrieb fristlos. Die Kündigungsschutzklage des Installateurs scheiterte beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (3 Sa 244/16). Wenn ein Arbeitnehmer seinen Chef als "Arschloch" bezeichne, sei das Grund genug für eine fristlose Kündigung, urteilte das Gericht. Das gelte auch ohne vorherige Abmahnung und trotz eines langjährigen Arbeitsverhältnisses.

Auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung könne sich der Mitarbeiter nicht berufen: Dieses Recht sei kein Freibrief für grobe Beleidigungen. Die verbale Attacke werde auch nicht durch die Vorgeschichte verständlich: Die Bemerkungen des Geschäftsführers und des Seniorchefs gegenüber dem Installateur seien nicht provozierend gewesen. Eine "Affekthandlung" aus Wut könne man schon deshalb ausschließen, weil zwischen den beiden Gesprächen 16 Stunden lagen.

Dem Arbeitnehmer fehle jede Einsicht in sein Fehlverhalten, was sich vor Gericht zeigte und daran, dass er sich nicht entschuldigen wolle. Deshalb sei hier auch eine Abmahnung vor der Kündigung entbehrlich gewesen, die darauf abziele, ihn vor weiterem Fehlverhalten zu warnen. In einem kleinen Familienbetrieb, in dem alle eng zusammenarbeiteten, sei es den Arbeitgebern nicht zuzumuten, unter diesen Umständen das — über 23 Jahre dauernde — Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Und sei es auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Bauarbeiter stürzt vom Dach

Auftraggeberin und Dachdecker haben krass gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen

Eine Solarfirma, spezialisiert auf die Montage von Photovoltaikanlagen, hatte eine Lagerhalle angemietet. Die Firma beauftragte einen Dachdecker, mit dem sie schon öfter zusammengearbeitet hatte, auf dem Hallendach eine Solarstromanlage zu montieren. Die Absicherungsmaßnahmen am Dach wollte die Solarfirma vorher selbst durchführen.

Als jedoch die Dachdecker-Mannschaft eintraf — ein Vorarbeiter mit vier unerfahrenen Leiharbeitern —, war keine Absturzsicherung vorhanden. Der Vorarbeiter beschwerte sich zwar bei der Auftraggeberin darüber, nichtsdestotrotz begann er in Absprache mit seinem Chef mit der Montage. Es kam, wie es kommen musste: Ein Leiharbeiter trat aus Versehen auf ein nicht abgesichertes Lichtband (Glasflächen) auf dem Dach.

Der Mann brach durch das Glas und stürzte knapp zehn Meter tief auf den Betonboden der Halle. Die Berufsgenossenschaft Bau zahlte für die Heilbehandlung des Schwerverletzten rund 167.000 Euro. Der Haftpflichtversicherer der Solarfirma ersetzte 77.700 Euro. Die Berufsgenossenschaft forderte von der Solarfirma, vom Dachdecker und dessen Vorarbeiter den Differenzbetrag: Sie hätten den Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht, weil sie sämtliche Unfallverhütungsvorschriften ignorierten.

Das Oberlandesgericht Hamm gab der Berufsgenossenschaft Recht (I-9 U 75/15). Deren Experten und Sachverständige von der Gewerbeaufsicht hätten festgestellt, dass zu Beginn der Arbeiten alle Sicherungsmaßnahmen fehlten, die zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren erforderlich seien: Fangnetze an den Dachrändern, Sicherheitsgurte, Sicherungsnetze im Bereich der Lichtbänder. An keiner Stelle seien die Bauarbeiter gegen Unfälle durch Stolpern oder Ausgleiten etc. gesichert gewesen.

Dass Auftraggeberin und Vorarbeiter die Leiharbeiter davor warnten, die Lichtbänder zu betreten, entlaste sie nicht: Warnungen könnten zwingend notwendige Unfallverhütungsmaßnahmen nicht ersetzen. So verlagere man nur die Verantwortung für die Arbeitssicherheit auf die Arbeiter. Das sei prinzipiell unzulässig und hier erst recht. Denn der Verletzte sei kein ausgebildeter Dachdecker und zum ersten Mal auf einem Dach gewesen. Ein Fehltritt aus Versehen könne bei der Arbeit jederzeit passieren, ohne ein Mitverschulden des Arbeitnehmers zu begründen.

Unter diesen Umständen hätten der Vorarbeiter nicht mit den Dacharbeiten beginnen dürfen. Die Solarfirma habe leichtfertig beschlossen, die Sicherungsmaßnahmen erst danach und parallel zu den Arbeiten durchzuführen. Ihr Verhalten erscheine besonders verwerflich, weil sie als Auftraggeberin großes Interesse daran hatte, die Arbeiten zügig voranzubringen. Diesem Interesse habe das Unternehmen offenkundig die Sicherheit der Arbeiter untergeordnet.

Wucherpreis für Badumbau

Firma versucht vergeblich, das Vierfache des Üblichen zu kassieren

Eine Architektin beauftragte eine Handwerksfirma damit, ihr Bad umzubauen. Laut Kostenvoranschlag der Firma sollte der Endpreis bei 27.000 DM plus Mehrwertsteuer liegen. Nach Beginn der Arbeiten unterschrieb die Architektin eine Zusatzvereinbarung, die den ursprünglichen Auftrag erheblich erweiterte. Ein Überblick über die zusätzlichen Kosten war darin nicht enthalten.

Das Unternehmen errechnete schließlich einen Gesamtpreis von über 75.000 DM. Die Architektin weigerte sich, die Rechnung zu begleichen und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen. Das Kammergericht in Berlin schlug sich auf ihre Seite und entschied, dass der Zusatzvertrag unwirksam war: Eine so ungewöhnlich hohe Vergütung verstoße gegen die guten Sitten (7 U 6252/94).

Der geforderte Werklohn stehe zur vertraglich vereinbarten Leistung in einem krassen Missverhältnis. Ein Experte der Handwerkskammer habe ausgeführt, ein Badumbau mit vergleichbarem Aufwand koste üblicherweise ca. 20.000 DM. Schon eine Forderung, die doppelt so hoch sei wie üblich, sei als Wucher anzusehen. Bereits aus diesem Grund sei der Zusatzvertrag nichtig.

Zudem habe ihn die Sanitärfirma auf unzulässige Weise herbeigeführt: Wegen der verwirrenden Kombination von ursprünglichem Auftrag und zusätzlicher Vereinbarung habe die Auftraggeberin den wirklichen Preis für den Umbau nicht mehr erkennen können. Sie müsse für den Umbau nur den üblichen Werklohn zahlen. Da sie der Handwerksfirma bereits 16.619,23 DM überwiesen habe, sei damit der Umbau bezahlt.

Pfusch beim Fenstereinbau?

Schleift eine Fenstertüre am Boden, kann dieser Mangel auch auf das Konto der Fliesenleger gehen

Beim Neubau eines Einfamilienhauses baute ein Fensterbauer im Erdgeschoss sechs Fenstertüren ein. Als er fertig war, verweigerte der Bauherr die Abnahme mit der Begründung, der Handwerker habe schlecht gearbeitet. Neben anderen Mängeln beanstandete er, dass sich eine Türe nicht vollständig öffnen ließ: Der Flügel schleife am Bodenbelag.

Der Handwerker klagte den restlichen Werklohn von 11.565 Euro ein. Zu Recht, entschied das Landgericht Krefeld, denn seine Leistung weise keine wesentlichen Mängel auf (2 O 346/15). Handwerker müssten zwar ein "funktionstaugliches Werk" herstellen. Und eine Fenstertüre, die man nicht ganz öffnen könne, erfülle zweifellos ihre Funktion nicht richtig. Doch dieses Defizit sei — gemäß dem Gutachten des gerichtlichen Bausachverständigen — nicht auf Fehler des Fensterbauers zurückzuführen.

Laut Gutachten habe der Handwerker alle anerkannten Regeln der Technik eingehalten. Die Einbauhöhe der Fenstertüren sei durch den in der Rohbauphase angebrachten Meterriss vorgegeben, an dem sich alle Folgehandwerker orientierten. So auch der Fensterbauer. Wie hoch der Bodenaufbau werden würde, habe er nicht wissen können: Der Bodenaufbau sei nicht fertig gewesen, als er die Fenstertüren eingebaut habe.

Fest stehe jedoch, dass nach dem Einbau der Fenstertüren über dem Estrich noch genug Bodenluft bestanden habe. Sie hätte für einen Boden mit üblichen, dünnen Fliesen ausgereicht. Hätten sich anschließend die Fliesenleger bei ihrer Arbeit korrekt nach der Höhe der Fenster gerichtet, würden die Fensterflügel nicht am Boden schleifen. Auch der Architekt des Bauherrn hätte beiden Handwerkern entsprechende Vorgaben machen können.

Vom Beruf krank gemacht?

Sehnenscheidenentzündung eines Straßenbauers ist keine Berufskrankheit

Ein 1966 geborener Mann arbeitete viele Jahre für ein Straßenbau-Unternehmen. Als Straßenbauer und Pflasterer bediente er schwere Bohrmaschinen, Drucklufthämmer, Rüttelplatten etc. 2007 bekam er Schmerzen in Armen und Händen, Taubheitsgefühle traten auf. Ein Orthopäde stellte fest, dass die Sehnenansätze am Ellenbogen überbeansprucht und entzündet waren. Ein Jahr später folgte ein Reha-Aufenthalt, doch die Probleme traten immer wieder einmal auf.

2015 meldete schließlich die Krankenkasse des Bauarbeiters der Berufsgenossenschaft Bau — die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist auch für Berufskrankheiten zuständig —, der Versicherte sei seit einem halben Jahr arbeitsunfähig krank. Er leide an einer chronischen Sehnenscheidenentzündung, die durch seine Tätigkeit als Tiefbauer verursacht wurde. Dabei sei er ständigen Vibrationen ausgesetzt. Für weitere Heilmaßnahmen bzw. eine Berufsunfähigkeitsrente sollte die Berufsgenossenschaft sorgen.

Die bestritt jedoch, dass beim Bauarbeiter eine Berufskrankheit vorlag. Das Sozialgericht Karlsruhe gab ihr Recht und wies die Klage des Arbeitnehmers ab (S 1 U 431/16). Zwar sei Sehnenscheidenentzündung in der einschlägigen Liste ("Berufskrankheiten-Verordnung") aufgeführt, sie könne durchaus eine Berufskrankheit sein. Allerdings nur, wenn bestimmte arbeitstechnische Voraussetzungen erfüllt seien: nämlich eine einseitige, lang andauernde mechanische Beanspruchung oder ungewohnte Arbeiten. Beides treffe im konkreten Fall nicht zu.

Der Bauarbeiter habe zwar jahrelang schwere Arbeiten verrichtet, die erheblichen Krafteinsatz erforderten. Sie sei aber weder ungewohnt gewesen, noch einseitig. Vielmehr habe er bei seiner Tätigkeit ständig die Körperhaltung gewechselt: Er habe mal stehend, mal gebückt, nach vorne gebeugt oder kniend gearbeitet. Damit sei eine dauerhaft einseitige Beanspruchung der Arme ausgeschlossen.

Anerkannt als berufsbedingte Auslöser einer Sehnenscheidenentzündung seien nur "hochfrequente, gleichförmige Bewegungen" bei ungünstiger Hand- oder Armhaltung, wie z.B. beim Bedienen von Tastatur und Maus am Computer. Dagegen komme Schwerarbeit als Ursache für eine Sehnenscheidenentzündung höchstens dann in Betracht, wenn die Tätigkeit kontinuierlich mit unnatürlichen Bewegungsabläufen bzw. Haltungen von Gliedmaßen verbunden sei. Ansonsten gehe man bei Schwerarbeit von rascher Gewöhnung, also einem Trainingseffekt aus, der berufsbedingte Sehnenschäden verhindere.

Mangelhafte Heizungsanlage?

Auftraggeber lässt Heizung sanieren und bleibt auf den Kosten sitzen, weil die Mängel nicht mehr geprüft werden können

Ein Bauherr ließ sein Einfamilienhaus mit einer Heizungsanlage ausstatten: Solewärmepumpe plus Speicher und Fernbedienungen. Die Werkleistung des Heizungsbauers A hatte er bereits "abgenommen" (d.h. als ordnungsgemäß akzeptiert), als er bemerkte, dass die Fernbedienung nicht richtig funktionierte. Daraufhin beauftragte der Auftraggeber einen Sachverständigen damit, die Anlage zu kontrollieren.

Der Heizungsfachmann stellte fest, dass die Raumtemperatur mit der Fernbedienung nicht zu regulieren war. Verstellte er den Regler auf 17 Grad, blieb die Temperatur konstant bei 23 Grad. Nachts konnte man die Raumtemperatur nicht automatisch herunterfahren. Anstatt den Heizungsbauer A zur Nachbesserung aufzufordern, dem er nicht mehr vertraute, ließ der Auftraggeber kurzerhand einen anderen Handwerker die Heizung vollständig abbauen und neu installieren.

Für die Kosten dieser Aktion (rund 16.400 Euro) forderte er Schadenersatz von Heizungsbauer A. Das Landgericht wies seine Klage ab: Der vom Gericht bestellte Sachverständige habe nach der Neu-Installation nicht mehr prüfen können, welche Mängel vorher vorlagen. Gegen das Urteil legte der Auftraggeber Berufung ein: Selbst wenn vielleicht sein Privatgutachter die Mängel nicht sehr präzise beschrieben habe, belege doch die Rechnung des zweiten Heizungsbauers, welche Nachbesserungsarbeiten nötig gewesen seien.

Das genügte dem Oberlandesgericht Celle aber nicht (5 U 163/13). Wenn ein Auftraggeber nach der Abnahme eine Heizungsanlage als mangelhaft beanstande, müsse er diesen Vorwurf belegen. Das habe der Hauseigentümer unmöglich gemacht, indem er die Wärmepumpenheizung abbauen und neu montieren ließ. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige habe nur die instandgesetzte Anlage besichtigen, aber nicht prüfen können, inwiefern die Werkleistung des Handwerkers A Mängel aufwies.

Eine Handwerkerrechnung könne die Prüfung durch einen Sachverständigen nicht ersetzen. Ihr sei z.B. nicht zu entnehmen, ob der zweite Heizungsbauer die Funktionstauglichkeit der Nachtabsenkung geprüft habe. Auch der private Gutachter des Hauseigentümers habe sich dazu nur vage geäußert. Dass es notwendig war, die Anlage komplett neu zu installieren, sei jedenfalls kaum nachvollziehbar. So könnte etwa ein Kurzschluss in einer Elektroleitung die Heizungssteuerung außer Gefecht gesetzt haben. Dann hätte es gereicht, den Kurzschluss zu beseitigen. (Das Urteil ist erst seit kurzem rechtskräftig, nachdem der Bauherr seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgenommen hat.)

Neue Kunststofffenster angekokelt

Kann die Bauherrin vom Bauunternehmer den Austausch beschädigter Fenster verlangen?

Beim Bau eines Einfamilienhauses beauftragte der Bauunternehmer eine Spezialfirma mit Fassadenarbeiten. Der Subunternehmer fertigte mangelhafte Fensterverblechungen und verursachte obendrein beim Schweißen Brandschäden an den neuen Kunststofffenstern. Die Bauherrin verklagte den Generalunternehmer auf Schadenersatz für den Austausch der Fenster (17.500 Euro).

Diese Kosten seien völlig unverhältnismäßig, fand das Bauunternehmen: Die Handwerksfirma könne die Schäden reparieren, das sei wesentlich günstiger. So sah es auch das Landgericht. Doch der Bauherr legte gegen diese Entscheidung Berufung ein und setzte sich beim Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg durch (2 U 887/15).

Im Prinzip habe das Landgericht zwar zu Recht angenommen, dass sich geschädigte Auftraggeber unter Umständen mit einer Reparatur von Mängeln begnügen müssten, so das OLG. Das gelte auch dann, wenn geringfügige optische Beeinträchtigungen bleiben. Anders liege der Fall jedoch, wenn mit einer Reparatur weitergehende Nachteile verbunden seien. Und das treffe hier zu.

Die Bauherrin habe nachvollziehbar dargelegt, dass sie die Kunststofffenster ohne den "Pfusch" der Handwerksfirma lange Zeit nicht hätte streichen lassen müssen. Wenn nur die Mängel ausgebessert würden, fiele dieser Vorteil weg. Zudem sei die Reparatur von Kunststofffenstern keine Routinearbeit, die jede Handwerksfirma problemlos ausführen könne.

Vor allem würde die Bauherrin aber durch eine Reparatur ihren gesetzlichen Anspruch auf Gewährleistung gegenüber dem Fensterhersteller verlieren. Daher müsse der Bauunternehmer, dem die mangelhafte Werkleistung des Subunternehmers zuzurechnen sei, auf seine Kosten die Fenster erneuern — und nicht nur ausbessern lassen.

Unvollständige Dampfsperre

Kurzartikel

Stimmt der mit dem Ausbau eines Dachs beauftragte Architekt dem Vorschlag des Dachdeckers zu, in Teilen des Dachgeschosses auf eine Dampfsperrfolie zu verzichten, was Schimmel begünstigt und den anerkannten Regeln der Technik widerspricht, ist das ein Planungsfehler. Denn der Handwerker hat den ursprünglichen Plan des Architekten nicht schlecht ausgeführt, vielmehr wurde der Plan einvernehmlich geändert. Daher muss der Architekt für den Baumangel haften.

Unzulässige Bierreklame

Brauerei darf ihre Biere in der Werbung nicht als "bekömmlich" anpreisen

Ein Wirtschaftsverband beanstandete die Bierreklame einer Brauerei als unzulässig. Sie hatte 2015 eines ihrer Biere — mit Alkoholgehalt von 4,4 % — so gelobt: "Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt reift es in Ruhe aus, wodurch es besonders bekömmlich wird."

Stein des Anstoßes für den Verband, dem auch Konkurrenten der Brauerei angehören, war das Wort "bekömmlich". Für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürften Hersteller nicht mit "gesundheitsbezogenen Angaben" werben, erklärte der Wirtschaftsverband. So steht es in der einschlägigen EU-Verordnung (Health Claims Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 - HCVO).

Das Oberlandesgericht Stuttgart gab dem Verband Recht: Bier dürfe nicht als "bekömmlich" beworben werden (2 U 37/16). Angaben zu alkoholischen Getränken dürften nicht mehrdeutig sein. Und es sei verboten, Verbrauchern in der Reklame positive Wirkungen auf die Gesundheit zu versprechen. Eine "gesundheitsbezogene Angabe" im Sinne der HCVO liege nicht erst dann vor, wenn behauptet werde, ein Produkt wirke sich "heilsam" auf die Gesundheit des Konsumenten aus.

Unzulässig sei Werbung schon dann, wenn sie den Eindruck erwecke, beim beworbenen Produkt fehlten negative oder schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit oder fielen zumindest geringer aus als jene, die mit dem Konsum ähnlicher Produkte verbunden seien. Wenn man gängige Wörterbücher nach der Bedeutung von "bekömmlich" befrage, laute die Antwort: "zuträglich", "leicht verdaulich" oder "gesund".

Das suggeriere zum einen, dass sich beim Konsum allgemeines Wohlbehagen einstelle. Zum anderen beinhalte das Attribut "bekömmlich" aber auch ein "Langzeitversprechen": Auch bei lang anhaltendem Konsum werde das beworbene Lebensmittel dem Verbraucher nicht schaden. Das sei bei alkoholischen Getränken eine fragwürdige Aussage.

Die Brauerei sei auch für den Werbespruch "Wohl bekomm’s" bekannt. Das sei als Trinkspruch nur ein gut gemeinter Wunsch und daher zulässig. Das Unternehmen dürfe aber künftig nicht mehr versprechen, ihr Bier sei "bekömmlich".

Haare beim Färben verbrannt

Friseurin sengte beim "Painting" vorgeschädigte Haare einer Kundin an: 1.000 Euro Schmerzensgeld

Im Sommer 2014 besuchte Frau X einen Friseursalon, um sich ihre langen schwarzen Haare blondieren zu lassen. Die Kundin hatte ihre Haare, die ziemlich angegriffen waren, selbst schon mehrmals gefärbt. Friseurin L riet von einer Komplettblondierung ab und schlug der Kundin vor, die Haare per "Painting" zu färben. Dabei wird das Haar auf Frischhaltefolie gelegt ("Strähnchentechnik") und nicht bis zum Haaransatz gefärbt.

Frau X akzeptierte den Vorschlag und die Friseurin machte sich mit einem handelsüblichen Färbemittel ans Werk. Nach ca. 20 Minuten klagte die Kundin über Hitze im Nacken. Sofort spülte Friseurin L die Haare aus — doch sie waren bereits so angesengt, dass sie drastisch gekürzt werden mussten. Frau X verklagte die Inhaberin des Salons auf Zahlung von 4.000 Euro Schmerzensgeld.

Das Amtsgericht Rheine sprach der Kundin 1.000 Euro zu (14 C 391/14). Mitarbeiterin L habe fahrlässig gehandelt, indem sie massiv geschädigte, poröse Haare gefärbt habe. Die Painting-Methode, also das Färben mittels Strähnchen, sei zwar schonender als eine Blondierung. Sie belaste das Haar trotzdem erheblich, wie die vom Gericht beauftragte Sachverständige erläutert habe: Denn chemische Vorgänge in Verbindung mit Wärme griffen das Haar weiter an, das auf Oxidationsmittel reagiere.

Das habe Frau L gewusst bzw. als ausgebildete Friseurin wissen müssen. Also hätte sie der Kundin von einer weiteren Farbbehandlung abraten oder zumindest einen Probedurchlauf mit einigen Haarspitzen durchführen müssen. Stattdessen habe sie noch größere Schäden am Haar in Kauf genommen. Für die Schmerzen, den Verlust der langen Haare und eine unerwünschte Frisur stehe der Kundin daher eine Entschädigung zu. Mehr als 1.000 Euro sei aber nicht angemessen.

Bei der Festsetzung des Betrags berücksichtigte das Gericht, dass Haarschäden bei der Painting-Methode höchst selten sind und im betroffenen Friseursalon noch nie vorkamen. Zudem hatte Friseurin L sofort versucht, den Schaden wieder gut zu machen, indem sie der Kundin die Haare stufig auf Kinnlänge schnitt und Pflegeprodukte anbot. Und schließlich habe Frau L kein gesundes, volles Haar ruiniert — das hätte auf die Farbbehandlung gar nicht auf diese Weise reagiert, so das Fazit des Amtsgerichts.

Bauklempner als Dachdecker

Führt ein Handwerker "angrenzende Leistungen" im Sinn der Handwerksordnung aus, ist er dabei haftpflichtversichert

Ein Bauklempner sollte für eine Werkstatt ein Blechdach montieren und das Dach abdichten. Er verlegte Bitumenschweißbahnen und eine Dampfsperre. Mit mäßigem Erfolg: Beim ersten starken Regen drang über das Dach Wasser ins Gebäude ein. Der Auftraggeber bezifferte den Schaden auf 22.400 Euro und forderte Schadenersatz vom Handwerker.

Der bat seine Betriebshaftpflichtversicherung, den Schaden zu regulieren. Das Unternehmen verweigerte dies mit der Begründung, der Klempner habe den Schaden mit Dachdeckerarbeiten ausgelöst. Die seien aber nicht versichert. Daraufhin zog der Handwerker vor Gericht und klagte die Versicherungsleistung ein.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab ihm Recht (12 U 477/14) und verwies auf die Handwerksordnung: Wer ein Handwerk betreibe, könne auch Arbeiten in anderen Handwerken ausführen, wenn sie mit dem Leistungsangebot seines Handwerks technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen (§ 5). Laut den Versicherungsbedingungen seien auch Risiken mitversichert, die dadurch entstehen.

Am Dach vermischten sich unterschiedliche Handwerke, das liege in der Natur der Sache. Dachdeckerarbeit ergänze das Leistungsangebot des Bauklempners bzw. Spenglers, auch Zimmerleute führten regelmäßig Dachdeckerarbeiten aus.

Im konkreten Fall sollte das Dach mit Blech eingedeckt werden. Dabei sei es nicht unüblich, dass der Spengler oder Klempner auch damit beauftragt werde, die Dampfsperre zu montieren. Diese Tätigkeit hänge fachlich mit dem Beruf des Bauklempners und mit dem des Dachdeckers zusammen. Sie sei daher vom Versicherungsschutz der Betriebshaftpflichtversicherung umfasst.

Versicherer kürzt Krankentagegeld

BGH erklärt die Anpassungsklausel einer privaten Krankentagegeldversicherung für unwirksam

Ein Handwerksmeister — selbständiger Ofensetzer und Fliesenleger — hatte eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen, um sich gegen Verdienstausfall abzusichern. 100 Euro pro Tag sollte er im Krankheitsfall erhalten. Nach einigen Jahren reduzierte der Versicherer den vereinbarten Tagessatz von 100 Euro auf 62 Euro und verringerte die Prämien, die der Ofensetzer zahlen musste.

Diese Maßnahme begründete das Unternehmen mit der "Anpassungsklausel" im Versicherungsvertrag: Es sei vorgesehen, Tagessatz und Prämien anzupassen — d.h. herabzusetzen —, wenn das Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers sinke.

Der Handwerker wehrte sich gegen die Änderung und bekam vom Bundesgerichtshof Recht (IV ZR 44/15). Die Anpassungsklausel sei intransparent, erklärten die Bundesrichter. In den Versicherungsbedingungen müsse der Umfang des Versicherungsschutzes klargestellt werden. Welche Umstände ihn reduzieren könnten, müssten auch durchschnittlich informierte Kunden ohne Spezialkenntnisse im Versicherungsrecht verstehen können. Diese Anforderung erfülle die Klausel nicht.

Grundsätzlich dürfe Krankentagegeld das Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers nicht übersteigen. Maßstab für das Nettoeinkommen solle der durchschnittliche Verdienst im Jahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit sein.

Wie sich das Nettoeinkommen bei einem beruflich selbständigen Versicherungsnehmer zusammensetze, lasse die Klausel aber offen. Unklar sei auch, welcher Stichtag für die Berechnung des Nettoeinkommens ausschlaggebend sein solle. Zudem stelle die rein steuerrechtlich ermittelte Höhe des Nettoeinkommens bei Selbständigen nicht unbedingt ein geeignetes Kriterium für die Höhe des Verdienstausfalls dar.

Offen bleibe obendrein, wie lange eine (nach Vertragsschluss eintretende) Minderung des Einkommens dauern müsse, um eine Kürzung des vereinbarten Krankentagegeldes zu rechtfertigen. Auch bei aufmerksamer Lektüre könne der Versicherungsnehmer dem Vertragstext nicht eindeutig entnehmen, unter welchen Bedingungen der Versicherer den Tagessatz senken werde. Versicherer dürften aber die vereinbarten Leistungen nicht einseitig und für die Kunden überraschend herabsetzen.

Sitzmöbel neu beziehen lassen: Steuerbonus?

Eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen gibt’s nur für Leistungen im Haushalt des Steuerpflichtigen

2014 beauftragte ein Ehepaar einen Raumausstatter damit, zwei Sofas und einen Sessel neu zu beziehen. Der Handwerker holte die Sitzgruppe ab und erledigte den Auftrag in seiner Werkstatt, die von der Wohnung des Ehepaares etwa vier Kilometer entfernt liegt. Bei seiner Einkommensteuererklärung beantragte das Ehepaar für diese Aktion (Kostenpunkt: 2.600 Euro) den Steuerbonus für "haushaltsnahe Dienstleistungen". Dazu gehören im Prinzip auch Leistungen von Handwerkern.

Das Finanzamt lehnte die Steuerermäßigung jedoch ab: Sie werde nur für Leistungen gewährt, die ein Handwerker "im Haushalt des Steuerpflichtigen erbringe". Erfolglos klagten die Steuerzahler gegen diesen Bescheid. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz bestätigte die Auffassung der Finanzbeamten (1 K 1252/16).

Ein Haushalt ende zwar nicht strikt an der Grundstücksgrenze: So würden z.B. auch Ausgaben für den Winterdienst vor dem Haus begünstigt. Die Handwerkerleistungen müssten aber zumindest in einem direkten räumlichen Zusammenhang zum Haushalt stattfinden. Das sei bei einer Werkstatt, die mehrere Kilometer vom Haus oder von der Wohnung des Steuerzahlers entfernt liege, nicht der Fall.

"Häusliche" und "außerhäusliche" Leistungen strikt zu unterscheiden, führe zu dem vielleicht nicht optimalen Resultat, dass es allein vom Ort abhänge, ob für eine Tätigkeit der Steuerbonus gelte oder nicht. Dieses Ergebnis habe der Gesetzgeber jedoch bewusst in Kauf genommen, um mit dem Steuerbonus auch die Schwarzarbeit bei Dienstleistungen in Privathaushalten zu bekämpfen.

Wärmepumpe ohne Kühlung

Heizungsbauer sollte für einen Fehler des Elektrikers büßen

Ein Bauherr beauftragte einen Heizungsbauer damit, im neu errichteten Einfamilienhaus eine Wärmepumpenheizung einzubauen, die im Sommer das Gebäude auch kühlen kann. Gemäß der Ausschreibung des Architekten wurde die Arbeit zwischen dem SHK-Handwerker und einem Elektriker aufgeteilt. Der Elektriker sollte die Raumthermostate montieren und mit dem Steuerungsgerät der Heizung verkabeln.

Damit das Steuerungsgerät die Kühlfunktion ansteuern kann, ist ein vieradriges Kabel nötig. Doch der Elektriker schloss die Thermostate mit einem dreiadrigen Kabel an. Deshalb ließ sich die Kühlfunktion der Heizung mit den Thermostaten nicht regeln. Erstaunlicherweise verweigerte der Auftraggeber daraufhin (nicht dem Elektriker, sondern) dem Heizungsbauer den restlichen Werklohn: Er sei verpflichtet, eine funktionierende Heizung zu installieren, argumentierte der Bauherr. Die Kühlung funktioniere aber nicht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm verurteilte den Bauherrn dazu, dem SHK-Handwerker den vollen Werklohn zu zahlen (24 U 48/15). Es konnte keinen Mangel erkennen, genauer gesagt: keinen Mangel, den der Heizungsbauer zu verantworten hätte. Die Thermostate zu installieren und zu verkabeln, habe ausdrücklich nicht zum Umfang der Leistungen gehört, die der Heizungsbauer erbringen sollte.

Zwar sei es richtig, dass er laut Vertrag ein "funktionsgerechtes Werk" abliefern müsse, so das OLG. Der Bauherr könne sich hier aber nicht darauf berufen, dass die Heizung ihre Funktion nicht erfülle. Wenn ein Teil der dafür nötigen Arbeiten einem anderen Fachunternehmer übertragen werden, reduziere sich die Leistungspflicht des Heizungsbauers. Er müsse für die Funktionsfähigkeit der Gesamtanlage nur im Rahmen seines vereinbarten Leistungsanteils einstehen.

Allenfalls komme hier die (Neben-)Pflicht des SHK-Handwerkers in Betracht, den Elektriker auf notwendige Schritte für das Funktionieren der Wärmepumpenheizung aufmerksam zu machen. Von einem Elektrofachmann beraten, verneinte das OLG jedoch auch in diesem Punkt ein Versäumnis des Heizungsbauers: Nach Aussage des Fachmanns gehöre es bei Elektrikern zum Grundwissen, für eine Heizung mit Kühlfunktion die Thermostate mit einem mindestens vieradrigen Kabel zu verdrahten. Daher habe der Heizungsbauer so einen Hinweis für überflüssig halten dürfen.

Wende bei den VW-Abgasskandal-Prozessen?

OLG Hamm bejaht Erfolgsaussicht einer Klage auf einen Neuwagen: VW-Kundin bekommt Prozesskostenhilfe

Bisher waren alle Klagen enttäuschter VW-Kunden erfolglos, die ihre manipulierten VW-Dieselfahrzeuge zurückgeben wollten. So entschied das Landgericht Bochum im März 2016, die Manipulation am Abgassystem sei zwar als Mangel zu bewerten. Da er aber ziemlich günstig zu beheben sei, liege keine erhebliche Pflichtverletzung des Herstellers vor, die den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigte. Das Landgericht Frankenthal argumentierte ähnlich und fügte hinzu, VW habe immerhin ein Nachbesserungskonzept angekündigt. Bis Ende 2016 auf eine Umrüstung zu warten, sei für die Kunden zumutbar.

Dem widersprach jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem Verfahren um Prozesskostenhilfe (28 W 14/16). Im konkreten Fall geht es um einen VW Polo Trendline mit Dieselmotor, den eine Frau aus Gelsenkirchen 2011 für 19.500 Euro gekauft hatte. Die VW AG erklärte ihre Forderung nach einem Neufahrzeug für unverhältnismäßig.

So sah es auch das Landgericht, das deshalb Prozesskostenhilfe (Pkh) für eine Klage gegen VW abgelehnt hatte: Pkh werde nur Bürgern in Finanznöten gewährt und auch nur dann, wenn bei kursorischer Prüfung des Sachverhalts eine Klage aussichtsreich erscheine.

Dagegen fand das OLG Hamm, eine Klage auf Lieferung eines einwandfreien Neuwagens habe durchaus hinreichende Aussichten auf Erfolg. Es gewährte der Kundin daher Pkh: Da könnte sich bei den Prozessen um die VW-Dieselfahrzeuge eine Wende andeuten. Ob der Kundin ein Neuwagen zustehe, sei im Hauptsacheverfahren zu entscheiden, so das OLG. Völlig fernliegend sei das nicht: Denn durch die Installation der Manipulationssoftware, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte verhindere und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegle, dürfte der VW Polo von der (bei vergleichbaren Fahrzeugen) üblichen Beschaffenheit abweichen.

Zudem stehe bis jetzt nicht fest, ob die vom Hersteller favorisierte Alternativlösung — die technische Umrüstung des Abgassystems — überhaupt möglich sei. Bisher habe das Kraftfahrtbundesamt diese Lösung noch nicht abgesegnet. VW-AG und Behörde hätten sich bisher nicht dazu geäußert, ob und wann mit der Freigabe zu rechnen sei und wann die Umrüstung technisch realisiert werden könnte.

Der Hersteller könne aber die Kunden nicht endlos vertrösten: Wenn die Option auf eine Nachbesserung nicht innerhalb einer angemessenen Frist durchführbar sei, könnte die Rückgabe des Wagens gegen die Lieferung eines neuen Fahrzeugs in Betracht kommen.

Einbauküche "nach Maß" war zu klein

Verkäufer haftet für unzureichende Kundenberatung

Nach Verkaufsberatungen in der eigenen Wohnung bestellte ein Mann eine Einbauküche für eine Stellwand von 3,08 m Länge. Als die Küchenzeile montiert worden war, stellte er fest, dass die Einbaumöbel lediglich 2,70 m breit waren! Links und rechts klafften Lücken von zusammen 38 Zentimetern, die durch Blenden abgedeckt waren.

Empört beschwerte sich der Kunde beim Verkäufer und verlangte, das Geschäft rückgängig zu machen. Da der Küchenhändler sich weigerte, den Kaufpreis herauszurücken, erhob der Käufer Klage. Vor Gericht erklärte er, der Verkäufer habe ihn nicht darüber informiert, wie man den Stellplatz in seinem Küchenraum bestmöglich nutzen könne.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschied, dass der Verkäufer den Kaufpreis zurückzahlen muss (22 U 215/94). Vergeblich hatte der Verkäufer darauf gepocht, es habe keine ausdrückliche Vereinbarung gegeben, dass die Küchenzeile genau drei Meter lang sein sollte. Selbst wenn das zutreffe, sei die Einbauküche mangelhaft, so das OLG.

Bei einer Einbauküche könne der Käufer erwarten, dass der Aufstellplatz effizient genutzt werde. Die Einbaumöbel seien in der Regel genormt und 60 Zentimeter breit. Aus diesem Rastermaß hätte sich zwanglos eine Gesamtbreite von drei Metern (5 mal 0,6 m) ergeben. Der Kunde könne daher die Küchenzeile zurückgeben und den Kaufpreis zurückverlangen.

Gebissschäden durch Kindertee

Eltern verklagten den Hersteller von Zuckertee zu spät auf Schadenersatz

Die Eltern eines 1982 geborenen Mädchens verklagten 1991 einen Hersteller von Zuckertee auf Schadenersatz. Weil das Kind täglich Fencheltee aus dessen Produktpalette getrunken, d.h. aus der Saugflasche genuckelt habe, sei das gesamte Gebiss zerstört, warfen die Eltern dem Unternehmen vor. Wegen dieser gravierenden Schäden habe das Kind ständig Schmerzen beim Essen - vor allem wenn es um Lebensmittel gehe, bei denen man herzhaft zubeißen müsse. Diese Misere habe eine zusätzliche Betreuung erfordert, dabei hätten sich Eltern, bezahlte Erzieher und andere Pflegepersonen abgewechselt.

Doch der Produzent der zuckerhaltigen Teeprodukte winkte gelassen ab: Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen seinem Kindertee und Gebissschäden könne es unmöglich geben, meinte er. Das Oberlandesgericht Frankfurt wies die Klage der Eltern ab, allerdings aus formellen Gründen (9 U 122/92). Sie hätten den Hersteller des Kindertees spätestens 1986 verklagen müssen, also sofort, nachdem Zahnärzte die ersten Gebissschäden bei dem Mädchen diagnostizierten. Sie hätten aber erst vier Jahre später Klage erhoben. Das sei zu spät, da die Verjährungsfrist drei Jahre betrage. Nun könnten sie das Unternehmen nicht mehr für die Gesundheitsschäden haftbar machen.

Kaufvertrag oder Werkvertrag?

Von der Verjährungsfrist hängt es ab, ob ein Installateur für die schlechte Montage einer Solaranlage einstehen muss

Hauseigentümer A bestellte Anfang 2009 bei einer Spezialfirma eine Solarthermieanlage (d.h. eine Solaranlage, die die Heizung unterstützt und Warmwasser bereitet). Die Firma sollte die Anlage liefern und auf dem Dach montieren. Für Solarkollektoren und anderes Material zahlte A ca. 11.500 Euro, für die Montage 3.500 Euro. In den zwei folgenden Wintern kam es zu Feuchtigkeitsschäden am Dach.

Deshalb beantragte der Kunde im August 2011 bei Gericht ein "selbständiges Beweisverfahren". Das bedeutet: Das Gericht gibt — als Vorbereitung eines Bauprozesses — ein unabhängiges Sachverständigengutachten in Auftrag, um die Schadensursache klären zu lassen. Der Sachverständige stellte fest, dass die Solarbaufirma die Dachhaken für die Solarkollektoren so tief eingeschraubt hatte, dass beim Abtauen von Schnee Wasser ins Dachgeschoss eintrat.

Daraufhin verklagte Hauseigentümer A den Anlagenbauer auf Schadenersatz, weil er die Solaranlage falsch montiert habe. Der bestritt die Mängel gar nicht, erklärte aber, A’s Gewährleistungsanspruch sei bereits verjährt. Denn hier gehe es nicht um einen Werkvertrag mit fünfjähriger Verjährungsfrist, sondern um einen Kaufvertrag mit zweijähriger Verjährungsfrist. Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken gab dem Solarhandwerker Recht (1 U 51/15).

Bei Solaranlagen, die auf Dächern montiert werden, gehe die Rechtsprechung überwiegend von einem Kaufvertrag aus. Dabei komme es auf den Schwerpunkt der Leistung an: Liefere der Verkäufer nur die Ware oder stehe die Montage im Vordergrund? Bestehe die Anlage aus Serienteilen, die man sehr einfach zusammenfügen und trennen könne, oder aus angepassten Einzelteilen, die man nach der Montage anderswo kaum verwenden könne? Nach diesen Kriterien liege im konkreten Fall ein Kaufvertrag vor.

Denn die Solarthermieanlage setze sich aus Standardkomponenten zusammen. Nur die Verbindungsteile zur Heizung habe der Anlagenbauer speziell auf das Haus zugeschnitten. Die Materialkosten überstiegen bei weitem die Montagekosten. "Prägten" die Materialkosten einen Vertrag, liege der Schwerpunkt der Leistung bei Verkauf und Lieferung. Die Montage sei nur ein Zusatz. Da es sich um einen Kaufvertrag handle, seien die kaufrechtlichen Bestimmungen auch auf die Montage anzuwenden.

Demnach sei A's Anspruch verjährt. Als er im August 2011 das Beweisverfahren eingeleitet habe, sei die zweijährige Verjährungsfrist für seinen Gewährleistungsanspruch schon abgelaufen gewesen. Sie begann im Januar 2009 mit der Lieferung der Solaranlage zu laufen und endete Anfang 2011.