Handel und Gewerbe

EuGH stärkt Rechte der Verbraucher (2)

Verkäufer einer defekten Spülmaschine muss auch den Aus- und Einbau finanzieren

Eine Kundin hatte bei einem Elektrohändler im Internet eine Spülmaschine zum Preis von 367 Euro bestellt. Laut Kaufvertrag sollte sie der Verkäufer nicht installieren, sondern nur an der Haustüre der Kundin abliefern. Von einem Handwerker ließ sie anschließend das Gerät in der Küche einbauen. Schon nach kurzer Zeit erwies sich die Spülmaschine als mangelhaft.

Da der irreparable Defekt technisch bedingt war und nichts mit dem Einbau zu tun hatte, hielt sich die Käuferin an den Verkäufer. Sie forderte eine funktionsfähige, neue Spülmaschine. Darauf ließ sich der Händler ein. Doch die Kosten des Austauschs - des Ausbaus der defekten Maschine und des Einbaus des Ersatzgeräts - wollte er nicht tragen.

Die Käuferin zog vor Gericht, um die Kostenübernahme durchzusetzen. Am Ende landete der Rechtsstreit beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), der ihn zu Gunsten der Käuferin entschied und einmal mehr die Rechte der Verbraucher stärkte (C-87/09). Sei eine Ware mangelhaft, so der EuGH, müsse der Verkäufer sie zurücknehmen, einwandfreie Ersatzware liefern und die Kosten für den Ein- und Ausbau übernehmen.

Das gelte selbst dann, wenn er für den Defekt nicht verantwortlich und nach dem Kaufvertrag nicht verpflichtet sei, die Ware einzubauen. Verbraucherschutz, wie ihn die europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gewährleiste, bedeute, dass dem Verkäufer der Kaufpreis zustehe - ansonsten müsse er unentgeltlich den Zustand herstellen, der dem Kaufvertrag entspreche.

Verbraucher müssten vor Kosten bewahrt werden, die sie davon abhalten würden, bei Mängeln ihre Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Folgekosten einer mangelhaften Erfüllung des Kaufvertrags müsse deshalb der Verkäufer tragen.

Sturz im Tiefkühlschrank

Betreiber eines Großmarktes haftet nicht für den Beinbruch eines Kunden

Ein Münchner kaufte in einem Großmarkt ein. Auf der Suche nach Pommes frites ging er zu einem großen Tiefkühlschrank. Da die Pommes weiter hinten lagen, stieg der Kunde - über eine ca. 30 Zentimeter hohe Stufe - in den Schrank. Während er die Packung Pommes aus dem Regal zog, fiel hinter ihm die Glastür zu und beschlug von innen. Beim Hinausgehen stürzte der Mann mit dem Karton Pommes frites in den Händen über die Stufe und brach sich das Wadenbein.

Vom Betreiber des Großmarktes forderte er mindestens 4.000 Euro Schmerzensgeld für dieses Missgeschick: Der habe es versäumt, die Stufe auffällig zu kennzeichnen. Dazu wäre er verpflichtet gewesen, denn die Stufe sei - wegen der schlechten Sichtverhältnisse in der Kühlabteilung - überhaupt nicht zu sehen.

Der Inhaber des Großmarkts winkte ab: Der Tiefkühlschrank sei nicht dazu gedacht und geeignet, von Kunden begangen zu werden. Schon deshalb müsse er den Schrank nicht "verkehrssicher" machen. Außerdem sei der Schrank entgegen den Behauptungen des Kunden sehr gut beleuchtet.

Das Amtsgericht München gab dem Inhaber des Großmarkts Recht und wies die Klage des Kunden ab (113 C 20523/10). Eine Gefahrenquelle, vor der das Unternehmen hätte warnen müssen, sei hier nicht ersichtlich. Der Kunde sei beim Einsteigen in den Tiefkühlschrank über die Stufe gestiegen. Also habe er gewusst, dass er beim Aussteigen wieder über die Stufe steigen musste.

Er habe nicht aufgepasst, dafür sei nicht der Großmarkt verantwortlich. Ob er mit dem Karton in der Hand eine Warnung oder Kennzeichnung am Eingang überhaupt gesehen hätte, sei zu bezweifeln. Am einfachsten und sichersten wäre es gewesen, das Personal des Großmarkts zu bitten, ihm den Karton Pommes frites herauszuholen - so sei es eigentlich gedacht.

Recycelte Jagdwurst eine Delikatesse?

Werden Wurstabschnitte wieder verwendet, darf sie nicht als "Delikatessjagdwurst" verkauft werden

Die Berliner Lebensmittelaufsichtsbehörde beanstandete die Bezeichnung einer Jagdwurst: Sie wurde im Berliner Lebensmittelhandel als "Delikatessjagdwurst" in "Spitzenqualität" angeboten, enthielt aber auch abgeschnittene Bestandteile von früher erzeugter Jagdwurst.

Der Produzent nennt das Verfahren "Rework" - wahrscheinlich, weil Recycling zu sehr an Abfall erinnert. Endstücke bereits gebrühter Jagdwurststangen (abgeschnitten, damit das Gewicht der Packungen einheitlich und die Wurstscheiben gleich groß ausfallen) werden fein zerkleinert dem restlichen Material hinzugefügt und erneut gebrüht.

Angesichts dieses Produktionsprozesses führe die Bezeichnung "Delikatesse" die Verbraucher in die Irre, so die Behörde. Unter diesem Namen dürfe die Wurst nicht länger verkauft werden. Vergeblich klagte der Hersteller gegen das Verbot: Das Verwaltungsgericht Berlin gab der Behörde Recht (VG 14 A 7.08).

Werde ein Fleischprodukt mit dem Zusatz "Delikatesse" oder "Spitzenqualität" auf der Verpackung verkauft, erwarteten die Verbraucher besonders ausgewähltes Material von bester Qualität. Die Verwaltungsrichter räumten zwar ein, dass sich das "Rework"-Verfahren nicht nachteilig auf Konsistenz und Geschmack der Jagdwurst auswirkt.

Für Verbraucher hingen aber die Auswahl und die Frische des Ausgangsmaterials direkt mit der Qualität des Endprodukts zusammen, so das Gericht. Wenn ihnen durch die Produktbezeichnung besondere Qualität signalisiert werde, erwarteten sie auch bei einer industriell gefertigten Brühwurst nicht, dass sie wieder verwendete Wurstabschnitte enthält.

Vor dem Supermarkt über die Bordsteinkante gestolpert

Kunde erhält vom Inhaber des Ladenlokals keinen Schadenersatz

Ein Kunde verließ eine Lidl-Filiale durch die automatische Ausgangstüre. Rechts neben dem Ausgang grenzte eine etwa 15 Zentimeter hohe Bordsteinkante den Ein- und Ausgangsbereich des Supermarktes von den Behindertenparkplätzen ab. Über diese Kante stolperte der Kunde, stürzte und verletzte sich am Schultergelenk.

Vom Inhaber des Lebensmittelmarktes verlangte der Kunde Schadenersatz für die Unfallfolgen. Doch das Landgericht Flensburg wies seine Zahlungsklage ab und das Oberlandesgericht Schleswig bestätigte das Urteil (11 U 38/11). Begründung: Der Supermarkt-Betreiber sei für den Sturz nicht verantwortlich, denn die Bordsteinkante sei weithin gut erkennbar - und keine versteckte Stolperfalle.

Der Kunde hätte sie beim Verlassen des Supermarkts bemerken müssen, zumal er regelmäßig dort einkaufe und daher mit den Gegebenheiten vertraut sei. Anders als der Verletzte meine, sei es kein "Schuldeingeständnis", wenn der Inhaber des Ladenlokals mittlerweile neben der Bordsteinkante ein Geländer aufgestellt habe. Das sei vielmehr eine Vorsichtsmaßnahme, mit der er mehr tue, als es seine Pflicht wäre.

Ein unannehmbares Angebot

Kaufinteressent für Grundstück unterbreitete ein Angebot, das die Provision des Maklers reduziert hätte

Ein Makler sollte ein Hausgrundstück an den Mann bringen. Gemäß den Verträgen mit dem Verkäufer und mit Kaufinteressenten stand ihm für die erfolgreiche Vermittlung eine Provision von 5,95 Prozent des Kaufpreises (inklusive Mehrwertsteuer) zu. Ein Interessent bot 600.000 Euro: einen Kaufpreis von 580.000 Euro und als Maklerprovision pauschal 20.000 Euro. Das entsprach nur ca. 3,4 Prozent des Kaufpreises.

Deshalb übergab der Makler das Angebot dem Verkäufer nicht unverändert, sondern rechnete seine Provision heraus (5,95%): Interessent 1 habe 566.300 Euro geboten. Der Eigentümer verkaufte für 570.000 Euro an Kaufinteressent 2, der dem Makler die volle Provision zahlte. Als der Verkäufer erfuhr, dass Interessent 1 580.000 Euro geboten hatte, verlangte er vom Makler 10.000 Euro Schadenersatz.

Das Oberlandesgericht Frankfurt wies die Zahlungsklage ab (19 U 53/11). Das Angebot von Kaufinteressent 1 hätte einen Verzicht des Maklers auf einen erheblichen Teil der vereinbarten Provision beinhaltet, so das Gericht. So ein Angebot sei nicht akzeptabel, denn der Kaufinteressent schuldete laut Vertrag 5,95 Prozent Provision. Ein derartiges Angebot müsse der Makler nicht an den Verkäufer weiterleiten.

Keinesfalls sei er verpflichtet, zu Gunsten eines besseren Kaufpreises für den Verkäufer auf einen Teil der Provision zu verzichten. Der Verkäufer könne auch nicht erwarten, dass der Makler - um das Geschäft nicht zu gefährden - so tue, als würde er eine wesentlich geringere Provision akzeptieren. Das wäre gegenüber dem Käufer treuwidrig, müsste ihn der Makler doch anschließend auf Zahlung des Differenzbetrags verklagen.

Lahmer Gaul

Käufer kann vom Vertrag nur zurücktreten, wenn das Pferd schon "bei der Übergabe mangelhaft" war

Hobby-Gespannfahrer H kaufte im November 2006 von einer Pferdezüchterin Warmblutpferde für den Fahrsport, darunter das Pferd U. Im schriftlichen Kaufvertrag sicherte die Verkäuferin zu, dass es gesund sei und keine verdeckten Mängel habe. H verkaufte das Tier bald weiter. Der Käufer war mit dem Fahrpferd unzufrieden und ließ es vom Tierarzt untersuchen.

Der Tierarzt diagnostizierte Lahmheit, die er auf Arthrose am linken Vorderbein zurückführte. Für Fahrsport sei U ungeeignet, erklärte er. H machte den Weiterverkauf rückgängig und verlangte seinerseits von der Züchterin den Kaufpreis für U zurück. Da die vertragliche Vereinbarung nicht eingehalten worden sei, mache er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch.

Das dürfte er nur, wenn das Pferd erwiesenermaßen bereits bei der Übergabe krank gewesen wäre, stellte das Oberlandesgericht Zweibrücken fest (4 U 34/10). Davon könne aber keine Rede sein. Die Verkäuferin habe zugesichert, dass das Tier ihrem Wissen nach gesund und für den Fahrsport geeignet war - im November 2006. Sie hafte aber nicht für den Fortbestand dieses Zustandes.

Lebewesen entwickelten sich nun einmal, nicht jedes Tier habe "ideale Anlagen". Das sei für sich genommen nicht vertragswidrig. Dass U bei der Übergabe an Käufer H lahmte, sei auszuschließen. Immerhin habe er das Pferd zunächst selbst als Fahrpferd benutzt und nach zwei Monaten - offenbar auch als mangelfrei - weiterverkauft.

Möglicherweise sei die im Februar 2007 beim Röntgen festgestellte Arthrose im Herbst bereits vorhanden gewesen. Die Arthrose beeinträchtige jedoch die Brauchbarkeit von U als Fahrpferd nicht. Und dass es die Arthrose war, die zum Lahmen des Tieres führte, stehe damit keineswegs fest: Lahmheit sei ein Symptom, das auf verschiedenen Ursachen beruhen könne.

Neonazis mieten Reisebusse ...

... für die Fahrt zu einer Demonstration: Busunternehmer durfte stornieren

Herr T mietete bei einem Reiseveranstalter, spezialisiert auf Busreisen, zwei Busse für eine Fahrt von Aachen nach Dresden. Ob der Reiseveranstalter selbst nicht wusste, dass T eine Gruppe von Neonazis vertrat, war später umstritten. Jedenfalls teilte der Reiseveranstalter diesen Umstand dem Busunternehmer nicht mit, mit dem er zusammenarbeitete. Die Rechtsradikalen wollten zu einem politischen Aufmarsch nach Dresden reisen.

Als der Busunternehmer erfuhr, wer die Kunden waren, rief er den Reiseveranstalter an und sagte die Busreise ab: Neonazis werde er nicht transportieren. Ersatzbusse fand der Reiseveranstalter nicht mehr, die Demonstration fand ohne die Aachener Extremisten statt. Da T von ihm wegen vertragswidriger Stornierung Schadenersatz verlangte, verklagte der Reiseveranstalter seinerseits den Busunternehmer.

Damit blitzte er beim Landgericht Bonn ab (5 S 288/10). Der Busunternehmer habe die Fahrt stornieren dürfen, weil ihm der Vertragspartner vor dem Vertragsschluss die politische Gesinnung der Reisegruppe verschwiegen habe. Dass sie dem Reiseveranstalter selbst unbekannt war, habe er behauptet, aber nicht belegen können.

Die politische Einstellung sei üblicherweise kein Umstand, den Kunden offenbaren müssten: Ein Reisevertrag habe nichts mit der Zugehörigkeit zu politischen Parteien oder Gruppen zu tun. Hier lägen die Dinge jedoch ausnahmsweise anders, weil es sich um eine radikale Gruppe handle. Eine Zusammenarbeit mit ihr könne in der Öffentlichkeit zu erheblichen Reaktionen führen und das Image des Busunternehmens schädigen.

Wegen des hohen Konfliktpotenzials rechtsextremer Gruppen hätten T oder der Reiseveranstalter den Busunternehmer über diesen Punkt aufklären müssen. Da er nicht darüber informiert wurde, was für heikle Kunden er fahren solle, dürfe er den Busreisevertrag rückgängig machen.

Gebrauchtwagenhändler verkaufte nachlackiertes Unfallauto

Käuferin focht den Kaufvertrag erfolgreich wegen arglistiger Täuschung an

Für 9.500 Euro kaufte eine Frau einen Gebrauchtwagen, den der Händler bzw. dessen Mitarbeiter P von einem anderen Kunden in Zahlung genommen hatte. Im Kaufvertrag stand: "Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer: keine. Zahl, Art und Umfang von sonstigen Mängeln und Nachlackierungen lt. Vorbesitzer: keine". 15 Monate später focht die Käuferin den Vertrag an, weil man ihr einen Unfallschaden arglistig verschwiegen habe.

Mitarbeiter P behauptete, die Nachlackierung am Heck nicht gesehen zu haben. Der Händler war der Ansicht, ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Unfall müsse er die Fahrzeuge nicht genauer untersuchen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies diese Ausreden zurück und gab der Kundin Recht (4 U 71/09). Der Händler müsse den Kaufpreis zurückzahlen.

Ein Schaden am Heck sei unzulänglich repariert, was sofort ins Auge falle, wenn man den hinteren Stoßfänger demontiere. Nach dem Unfall sei der Wagen nachlackiert worden. Das sei - belegt durch Fotos - wegen deutlicher Farbunterschiede im Lack auf den ersten Blick erkennbar. Für Fachleute sei damit klar, dass wahrscheinlich ein Unfallschaden vorliege. Und jeder Verkäufer wisse, wie wichtig diese Tatsache für den Kaufentschluss sei.

Zeuge P habe die Nachlackierung nicht dokumentiert und die Käuferin nicht über den Unfallverdacht informiert. Entweder wider besseres Wissen - dann sei ihm sowieso arglistiges Verschweigen eines erheblichen Mangels vorzuwerfen. Oder weil P noch nicht einmal eine oberflächliche Sichtprüfung des Fahrzeugs vorgenommen habe.

Händler müssten gebrauchte Autos vor dem Weiterverkauf aber (zumindest durch Sichtkontrolle) auf mögliche Schäden untersuchen. Jeder seriöse Händler tue das und die Kunden erwarteten dies auch. Werde nicht einmal eine einfache Sichtprüfung durchgeführt, könne auch das den Vorwurf der Arglist begründen, wenn nach dem Weiterverkauf ein Unfallschaden entdeckt werde.

Dass Zeuge P sich für Farbunterschiede im Lack offenbar nicht interessierte, sei dem Arbeitgeber zuzurechnen. Ein großes Handelsunternehmen müsse organisatorisch sicherstellen, dass beim Ankauf bzw. der Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen mögliche Unfallschäden registriert und dokumentiert sowie Informationen an die Verkaufsberater weitergegeben werden.