Gesundheitswesen

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Stolperfalle im Krankenhaus?

Besucher einer Klinik müssen sich auf die dort typischen Gegebenheiten einstellen

Eine Frau besuchte in einem Kölner Krankenhaus einen Patienten. Dort stolperte sie im Eingangsbereich über den Verbindungsholm zwischen zwei Sitzgruppen und verletzte sich am Bein.

Den Unfall schilderte die Besucherin so: In der breiten Wartezone vor den Aufzügen habe sie etwas in den Mülleimer geworfen. Dann habe sie sich umgedreht und sei auf den Aufzug zugegangen — dabei habe sie nur auf die Aufzugtüren geschaut. Den Verbindungsholm zwischen den dort aufgestellten Sitzgruppen habe sie nicht gesehen. Dieses Hindernis hätte der Krankenhausträger nicht aufstellen dürfen oder er hätte die Sitzgruppe sichern müssen.

Die Verletzte forderte vom Krankenhausträger 1.200 Euro Schadenersatz für die Behandlungskosten, 1.000 Euro Schmerzensgeld, Schadenersatz für Verdienstausfall und für die Probleme bei der Haushaltsführung. Das Landgericht Köln besichtigte die "Gefahrenquelle" vor Ort und wies anschließend die Zahlungsklage der Frau ab (2 O 93/19).

Zwischen den nebeneinander stehenden Sitzbänken verlaufe ein Verbindungsholm, auf dem zusätzlich eine runde Tischplatte angebracht sei, so das Landgericht. Der Verbindungsholm mitsamt dem Tisch falle ins Auge, hebe sich optisch deutlich vom hellen Boden ab. Dass man zwischen Tisch und Sitzbank nicht durchgehen könne, sei gut zu sehen. Dem Krankenhausträger sei keinerlei Nachlässigkeit vorzuwerfen.

Natürlich müsse der Krankenhausträger im Rahmen des Zumutbaren auf Gefahren für Besucher hinweisen bzw. diese beseitigen. Das gelte aber nur für Risiken, die Besucher nicht rechtzeitig erkennen könnten — auch dann nicht, wenn sie sich in der Klinik mit der nötigen Aufmerksamkeit bewegten. Prinzipiell müssten sich Besucher auf die typischen Gegebenheiten in einem Krankenhaus einstellen und in den Fluren auf abgestellte Betten, medizinische Geräte und eben auch auf Sitzgelegenheiten achten.

Produktbewertungen auf der Handelsplattform

Der Verkäufer von Schmerzpflastern haftet nicht für irreführende Aussagen von Kunden

Ein Händler vertreibt auf der Online-Handelsplattform Amazon Schmerzpflaster ("Kinesiologie-Tapes"). Schon vor Jahren hatte ein Wettbewerbsverein mit ihm wegen irreführender Werbung gestritten. Denn der Händler hatte seine Produkte als wirksames Mittel gegen Schmerzen angepriesen, was medizinisch nicht nachgewiesen ist. Damals hatte der Anbieter den Prozess verloren und musste die Reklame ändern, weil sie gegen das Heilmittelwerbegesetz verstieß.

Nun verklagte ihn der Wettbewerbsverein erneut. Diesmal ging es allerdings nicht um Werbung des Anbieters selbst, sondern um Bewertungen, die Kunden auf Amazon eingestellt hatten. Käufer können bei Amazon Produkte bewerten. Wird auf der Online-Handelsplattform ein bestimmter Artikel von Internetnutzern aufgerufen, werden automatisch alle Kundenbewertungen angezeigt, die zu diesem Artikel abgegeben wurden.

Bei den Kinesiologie-Tapes stießen Interessenten auf folgende Kommentare: "Schnell lässt der Schmerz nach", "Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg" oder "Schmerzen lindern". Amazon lehnte es ab, die Kundenrezensionen zu löschen. Daraufhin verlangte der Wettbewerbsverein bei Gericht, gegen den Händler eine Vertragsstrafe zu verhängen: Statt von Amazon zu fordern, diese irreführenden Aussagen zu löschen, habe er sich diese Aussagen zu Eigen gemacht.

Der Wettbewerbsverein verlor den Prozess vor dem Bundesgerichtshof (I ZR 193/18). Zweifellos seien die gesundheitsbezogenen Angaben in den Kundenbewertungen irreführend, erklärten die Bundesrichter. Die unzulässige Werbung für Medizinprodukte sei aber nicht dem Händler zuzurechnen, der nicht aktiv damit werbe. Nach den Feststellungen der Vorinstanz habe er die blauäugigen Rezensionen auch nicht veranlasst oder sich deren Inhalt zu eigen gemacht. Für diesen Inhalt müsse er daher nicht geradestehen.

Die Bewertungen seien deutlich als Äußerungen von Kunden gekennzeichnet, fänden sich bei Amazon getrennt vom Angebot des Händlers und würden von Internetnutzern nicht dem Verkäufer zugerechnet. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht seien. Verbraucher tauschten gerne Informationen über Vorzüge und Nachteile von Produkten mit anderen Verbrauchern aus. Dieses Interesse sei durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt.

Schönheitsoperation mit Folgen

Vor kosmetischen Eingriffen muss "schonungslos" über das Für und Wider aufgeklärt werden

Eine damals 40 Jahre alte Frau suchte 2013 eine Gemeinschaftspraxis von Schönheitschirurgen auf, weil sie eine Gesäßstraffung wünschte. Fünf Wochen vor dem Eingriff fand ein Gespräch mit dem Operateur Dr. V statt. Dabei unterzeichnete die Patientin eine Einwilligungserklärung, in der sie "operative Straffung des Gesäßes" ankreuzte. Von einer Straffung der Schenkel war nicht die Rede gewesen, diese Option kreuzte die Frau auch in der Einwilligungserklärung nicht an. Stunden vor der Operation sprach Dr. V mit ihr kurz darüber.

Trotzdem straffte Dr. V nicht nur das Gesäß, sondern auch die Innenseiten der Oberschenkel, wobei er die Schnitte seitlich der großen Schamlippen weiterführte. Dort kam es zu schmerzhafter Narbenbildung, mehrere operative Narbenkorrekturen wurden in der Folge notwendig. Die Patientin verlangte vom Chirurgen Schmerzensgeld: Sie habe mit ihm nur eine Gesäßstraffung vereinbart, außerdem habe er sie über die möglichen Folgen nicht richtig aufgeklärt.

So sah es auch das Landgericht Leipzig und sprach der Patientin 20.000 Euro Schmerzensgeld zu. Das Urteil wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Dresden bestätigt (4 U 1052/19). Die Frau habe der Erweiterung des Eingriffs nicht wirksam zugestimmt, so das OLG. Denn Dr. V habe mit ihr erst kurz vor der Operation darüber gesprochen. Sie sei also über die Risiken der Schenkelstraffung zu spät informiert worden. Aufklärung müsse so rechtzeitig stattfinden, dass sich der Patient seine Entscheidung gut überlegen könne.

Generell gelte: Bei kosmetischen Operationen, die medizinisch nicht zwingend geboten seien, müssten Mediziner den Patienten mündlich das Für und Wider mit allen Konsequenzen und Alternativen schonungslos vor Augen führen. Im konkreten Fall sei aber die Patientin auf die Gefahr chronischer Schmerzen nicht deutlich hingewiesen worden. Auch im Aufklärungsbogen werde eher der Eindruck erweckt, Schmerzen seien allenfalls vorübergehender Natur:

"In den ersten Tagen nach dem Eingriff werden Sie durch die Straffung des Gewebes ein stärkeres Spannungsgefühl und den üblichen Wundschmerz verspüren." Der "Wundschmerz lasse innerhalb weniger Tage nach", das Spannungsgefühl nach einigen Wochen. Der gerichtliche Sachverständige habe dagegen betont, die medizinische Literatur benenne bleibende Narbenschmerzen klar als eine mögliche Folge solcher Operationen — das Risiko chronischer Beschwerden sei schon lange bekannt. Der Aufklärungsbogen kläre die Patienten also nicht auf, so das OLG, sondern beschönige das Risiko.

Wissenschaftlicher Fortschritt hat Vorrang

Patentinhaber kann klinische Versuche mit patentiertem Arzneimittel nicht verhindern

Ein medizinisches Institut testete Pharmazeutika in klinischen Versuchen an Menschen. Eines der getesteten Arzneimittel enthielt einen Wirkstoff, der noch unter Patentschutz stand. Der Patentinhaber verlangte, die Tests mit diesem Mittel müssten sofort beendet werden.

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des medizinischen Instituts (X ZR 99/92). Das Patentgesetz habe den Zweck, den technischen Fortschritt zu fördern. Die Zulassung von Versuchen ermögliche es, Wissenschaft und Technik weiterzuentwickeln. Bei den Untersuchungen des Instituts würden Wirkstoffe getestet, die beim Menschen Krankheiten heilen oder lindern könnten. Es widerspräche den Grundprinzipien der Wissenschaft, diese Tests zu verbieten: Wissenschaftlicher Fortschritt habe Vorrang vor dem Patentschutz.

Irreführende Arzneimittel-Reklame?

Ob eine Werbeaussage irreführend ist, hängt vom Verständnis der Adressaten ab

Zwei Pharmahersteller vor Gericht: Beide stellen Arzneimittel zur Behandlung von Multipler Sklerose (MS) her. Ein Unternehmen warf dem anderen vor, in der Zeitschrift "Der Nervenarzt" mit irreführenden Angaben für sein Arzneimittel Q geworben zu haben. Darin war die Rede von "besonderer Wirksamkeit".

Wissenschaftlich nicht gesichert und irreführend sei diese Aussage, fand die Konkurrenz. Dass das Medikament wirke, sei nur für eine beschränkte Patientengruppe belegt. Auf verschiedene Wechselwirkungen sei es noch gar nicht untersucht worden.

Das Oberlandesgericht Hamburg wies die Kritik zurück (3 U 137/17). Ob Reklame als irreführend anzusehen sei, hänge wesentlich vom Verständnis der Adressaten ab. Und die Q-Werbung richte sich gezielt an einen engen Kreis von Ärzten: an Neurologen, die MS-Patienten behandelten. Sie wüssten, dass MS nicht heilbar sei und Arzneimittel die Krankheit nur lindern bzw. ihr Fortschreiten verzögern könnten. Mit "guter Wirksamkeit" sei gemeint, dass das Arzneimittel Q das Fortschreiten der MS reduziere.

Fachärzte verständen das schon richtig, sie würden durch die Reklame also nicht getäuscht. Sie erwarteten auch nicht, dass die "gute Wirksamkeit" uneingeschränkt für alle Patientengruppen gelte. Mediziner wüssten nämlich, dass klinische Studien nie mit allen Gruppen der Bevölkerung durchgeführt würden: Schwangere, Kinder, Senioren, Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen seien dabei ausgeschlossen.

Da Q nur zur Behandlung erwachsener Patienten zugelassen wurde, sei es bedeutungslos, dass die Wirksamkeit des Arzneimittels für Kinder und Jugendliche nicht untersucht wurde. Jeder Arzt wisse auch, dass Medikamente bei Zulassungsstudien nicht in Bezug auf ihre Wechselwirkung mit allen anderen Arzneimitteln geprüft würden. Von Irreführung könne bei der Q-Reklame also keine Rede sein.

Patientin zahlt Botox-Behandlung unvollständig

Sendet der Arzt eine Mahnung per Fax an die Arbeitgeberin der Patientin, verstößt dies gegen die Schweigepflicht

Frau W betreibt ein Kosmetikstudio, ihr Mann ist Arzt. Eine Kundin von Frau W wünschte, mit Botox gegen Falten im Gesicht behandelt zu werden. Herr W injizierte ihr im Kosmetikstudio zwei Botox-Spritzen. Doch die Rechnung dafür beglich die Dame nur teilweise: Sie könne keinen anhaltenden Effekt der Behandlung erkennen, beanstandete sie.

Die dritte Mahnung für die Botox-Injektion sandte das Studio per Fax an die Arbeitgeberin der Patientin bzw. Kundin. Schließlich klagte Frau W den Restbetrag ein — und sah sich ihrerseits mit einer Klage konfrontiert. Die Kundin verlangte 15.000 Euro Schmerzensgeld, weil sie nicht über die Risiken der Behandlung aufgeklärt worden sei. Außerdem verstoße es gegen die ärztliche Schweigepflicht, eine für sie bestimmte Mahnung der Arbeitgeberin zu schicken. Herr W hätte das verhindern müssen.

Für die Verletzung der Schweigepflicht stehe der Patientin eine Entschädigung zu, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (8 U 164/19). Eine ihrer Kolleginnen habe in der Firma die Mahnung erhalten und gelesen. Mit dem Faxversand an die Firma habe der Arzt vertrauliche Patientendaten einem weiteren Personenkreis zugänglich gemacht. Dafür sei ein Schmerzensgeld von 1.200 Euro angemessen.

Anspruch auf mehr Schmerzensgeld habe die Dame aber nicht, so das OLG. Dass die Spritzen ihr körperliches Wohlbefinden kurz beeinträchtigten, sei eine Bagatelle. Risiken der Behandlung seien nicht feststellbar, auch für die Zukunft nicht. Durch die unterlassene medizinische Aufklärung sei auch ihr Selbstbestimmungsrecht als Patientin nicht so schwerwiegend verletzt worden, dass ein höheres Schmerzensgeld gerechtfertigt wäre.

Zuzahlungen bei der Krankenkasse

Bei unverheirateten Partnern richtet sich die Obergrenze dafür nur nach dem jeweils eigenen Einkommen

Gesetzlich Krankenversicherte müssen zu vielen Leistungen etwas dazuzahlen. Um die Versicherten finanziell nicht zu überfordern, gilt das nur bis zur so genannten Belastungsgrenze. Sie liegt bei zwei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen (bei chronisch Kranken: ein Prozent).

Ist diese Obergrenze erreicht, wird der Versicherte von Zuzahlungen befreit. Sie vermindert sich um 15 Prozent, wenn zum Haushalt des Versicherten noch ein weiteres Haushaltsmitglied gehört (Ehepartner, Kind), mit jedem weiteren Haushaltsmitglied um zehn Prozent.

Der konkrete Fall: Eine Angestellte mit festem Gehalt lebt in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einem erwerbsunfähigen Partner ohne eigenes Einkommen zusammen. Die gesetzliche Krankenkasse berechnete die Belastungsgrenze der Frau auf der Grundlage ihres Einkommens. Sie beantragte dagegen, von einem Familiengesamteinkommen auszugehen — so hätte sie die Grenze um 15 Prozent senken können.

Das lehnte die gesetzliche Krankenversicherung ab: Bei der Berechnung der Belastungsgrenze werden die Einkommen aller Haushaltsmitglieder zusammengezählt — aber nur, wenn es sich um Ehepartner (eingetragene Lebenspartner) oder Kinder des Versicherten handle. Vergeblich zog die Angestellte vor das Sozialgericht Karlsruhe, um ihr Anliegen gegen die Krankenkasse durchzusetzen (S 6 KR 3579/17).

Die Vorschriften des Sozialgesetzbuches zur Belastungsgrenze widersprächen dem Prinzip der Gleichbehandlung nicht. Anders als in der Ehe treffe in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Partner keine Rechtspflicht, den anderen zu versorgen. Daher werde auch nicht von einem Familiengesamteinkommen ausgegangen.

Das bedeute, dass die Angestellte mehr Zuzahlungen leisten müsse, als wenn sie mit dem Lebensgefährten verheiratet wäre. Umgekehrt profitiere aber ihr Lebensgefährte davon, dass er als Erwerbsunfähiger keine Zuzahlungen leisten müsse — und ihr Einkommen dabei keine Rolle spiele.

Patientenwitwe wirft der Klinik Hygienemängel vor

Wie detailliert müssen Kläger im Arzthaftungsprozess Mängel darlegen?

Der Hausarzt hatte den Patienten mit Spritzen gegen Hüftschmerzen behandelt. Als der Mann danach über Bauchschmerzen klagte, wies ihn der Hausarzt ins Krankenhaus ein. Hier fahndeten die Mediziner zunächst vergeblich nach deren Ursache. Wegen Verdachts auf Lungenentzündung und Harnwegsinfekt wurde der Patient schließlich auf der Intensivstation behandelt. Während man ihn in ein künstliches Koma versetzte, stellte das Labor in seinen Blutkulturen Pilze und bakterielle Entzündungen fest: Staphylococcus aureus und viele andere Bakterien fanden sich da.

Nach zwei Monaten in der Klinik starb der Patient. Vom Klinikbetreiber verlangte die Witwe Entschädigung und warf ihm Verstöße gegen die Hygiene vor: Auch wenn sich ihr Mann vermutlich schon durch die Spritzen mit Bakterien infiziert habe — ohne Hygienemängel in der Klinik hätte er sich dort nicht zusätzlich eine Vielzahl aggressiver Keime zugezogen. Die so ausgelösten Entzündungen hätten zu seinem Tod beigetragen.

Die Klage der Witwe gegen die Klinik wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit der Begründung abgewiesen, sie habe ihren pauschalen Vorwurf mangelnder hygienischer Verhältnisse in der Klinik nicht mit konkreten, nachprüfbaren Tatsachenbehauptungen belegt. Damit war der Bundesgerichtshof (BGH) nicht einverstanden: Da habe das OLG die Anforderungen an den Klagevortrag im Arzthaftungsprozess überspannt (VI ZR 12/17).

Grundsätzlich müsse die Patientenseite — hier: die Witwe — im Prozess Umstände anführen, die die Vermutung erlaubten, dass sich ein Arzt bzw. eine Klinik fehlerhaft verhalten hätten. Mehr könne man nicht erwarten. Patienten und ihre Angehörigen hätten keine genaue Kenntnis medizinischer Vorgänge. Ihnen fehle das Fachwissen, um den Konfliktstoff zu erfassen und aufzuklären. Sie seien auch nicht verpflichtet, sich für den Prozess dieses Fachwissen anzueignen.

Dagegen wisse der Prozessgegner über alle wesentlichen Tatsachen Bescheid und sei in der Lage, den Sachverhalt aufzuklären. Die Klinikleitung kenne die möglichen Infektionsquellen (verunreinigte Instrumente, andere Patienten etc.) und wisse, was sie zur Vorbeugung unternommen habe. Sie hätte also, um den Vorwurf der Witwe zu entkräften, konkret zu ihren Hygienemaßnahmen und vor allem zum Infektionsschutz auf der Intensivstation vortragen müssen.

Das bedeute: Sie müsse Desinfektions- und Reinigungspläne vorlegen, ebenso Bestimmungen des Hygieneplans und einschlägige Hausanordnungen. Mit dieser Leitlinie verwies der BGH den Rechtsstreit ans OLG zurück.

Laser-Epilation auf Kassen-Kosten?

An den Beinen stark behaarte Versicherte haben keinen Anspruch auf Kostenübernahme für Enthaarung

Geschwister aus Bremen, ein 17 Jahre altes Mädchen und ihr 16-jähriger Bruder, litten unter dichtem Haarwuchs an den Beinen. Sie beantragten bei ihrer gesetzlichen Krankenversicherung die Kostenübernahme für eine Laser-Enthaarung. Doch die Krankenkasse winkte ab: In Einzelfällen werde gelegentlich die Enthaarung von Gesicht und Händen finanziert. Im Allgemeinen aber gehörten solche Behandlungen nicht zu ihrem Leistungskatalog.

Mit dieser Auskunft fanden sich die Geschwister nicht ab, sie zogen vor Gericht. Sie litten sehr unter ihrem Aussehen, argumentierten die Versicherten. Die Schwester sei deshalb in psychotherapeutischer Behandlung. Beim Schulsport und beim Schwimmen könnten sie keine lange Kleidung tragen. Und im Sommer wollten sie sich auch gerne einmal anders anziehen. Doch eine einfache Rasur oder Enthaarungscremes vertrügen sie nicht.

Die Krankenkasse müsse die Kosten für eine Laser-Enthaarung selbst bei starkem Haarwuchs an den Beinen nicht übernehmen, urteilte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (L 4 KR 457/16). Das gelte für alle Versicherte, auch für Jugendliche. Diese Behandlung sei nicht medizinisch notwendig.

Ob man stark behaarte Beine als Krankheit im rechtlichen Sinne bewerten könne, sei ohnehin zweifelhaft. Doch diese Frage könne hier offenbleiben. Denn der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen sehe nun einmal keine Laser-Epilation vor. Es gebe keine positive Empfehlung zu einem therapeutischen Nutzen dieser Behandlung.

Markenrecht schützt auch die Verpackung

Arzneimittelimporteurin darf Markenkrebsmedikament nicht umpacken

Der ausländische Hersteller eines Krebsmedikaments, der daran auch die Markenrechte hat, vertreibt das teure Produkt in einer durchsichtigen Sicherheitsfolie. Sie macht es erkennbar, wenn die Verpackung geöffnet wurde. Importeure ausländischer Arzneimittel müssen die Originalverpackungen öffnen, bevor sie die Arzneimittel in Deutschland verkaufen, um deutschsprachige Beipackzettel beizulegen.

Die deutsche Importfirma des Krebsmedikaments wollte nicht nur die Beipackzettel hinzufügen, sondern das Mittel nach dem Öffnen in eigene Verpackungen mit anderen Sicherheitsmerkmalen umpacken. Das passte dem Hersteller gar nicht: Er pochte auf seine Markenrechte und forderte per Klage ein "Umpackverbot". Beim Landgericht Köln setzte er sich durch, das Oberlandesgericht (OLG) Köln bestätigte die Entscheidung (6 U 142/19).

Markenrechte gelten auch für die Originalverpackung, so das OLG, daher dürfe die Importfirma die Originalware nicht umpacken. Dass Importeure Sicherheitsmerkmale ersetzten, sei zwar prinzipiell zulässig. Sie sollten verhindern, dass gefälschte Arzneimittel in die Lieferkette gelangten und die Gesundheit der Patienten gefährdeten — was dennoch oft genug der Fall sei. Es sei aber nicht erforderlich, Medikamente umzupacken, um die EU-Fälschungsschutzrichtlinie einzuhalten.

Im konkreten Fall sei Fälschungsschutz gewährleistet, wenn es für die Verbraucher klar sei, wer das ursprüngliche Sicherheitsmerkmal des Krebsmedikaments beschädigt habe. Damit sei dann die Importfirma für den Inhalt der geöffneten und wieder verschlossenen Packung verantwortlich. Ihre Mitarbeiter dürften nur ordnungsgemäß verschlossene und mit einem intakten Sicherheitsmerkmal versehene Verpackungen öffnen und mit einem neuen Sicherheitsmerkmal wieder verschließen. Das müsse die Importfirma sicherstellen.

"Anti Hangover Drink"

Nahrungsergänzungsmittel dürfen nicht als Mittel gegen "Kater" beworben werden

Ein Unternehmen vertreibt Nahrungsergänzungsmittel, die laut Werbung die Wirkungen des Katers nach Alkoholkonsum lindern bzw. seinem Entstehen vorbeugen. Als Pulver oder als fertige Mischung zum Trinken werden sie angeboten und so angepriesen:

"Natürlich bei Kater". "Reich an Salicin und Flavonoiden". "Mit unserem Anti-Hangover-Drink führst Du Deinem Körper natürliche, antioxidative Pflanzenextrakte, Elektrolyte und Vitamine zu". Alkohol entziehe dem Körper "wichtige Nährstoffe", danach müsse man ihn wieder mit "Vitaminen und Power versorgen".

Ein Verein gegen unlauteren Wettbewerb, zu dessen Mitgliedern auch Konkurrenten des Herstellers gehören, beanstandete die Werbeaussagen: Reklame für Lebensmittel dürfe diesen keine heilenden Wirkungen zuschreiben, sie seien kein "Arzneimittelersatz". Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt gab dem Verein Recht und erklärte die Werbung für unzulässig (6 U 114/18).

Reklame für und Informationen über Lebensmittel dürften nicht den Eindruck erwecken, diese könnten eine Krankheit heilen oder ihr vorbeugen. Die beanstandeten Werbeaussagen des Nahrungsergänzungsmittel-Herstellers suggerierten genau das den überwiegend jungen Verbrauchern, die gerne feierten: Da werde versprochen, die Produkte sorgten für Alkoholmissbrauch ohne negative Folgen. Das verharmlose dessen Wirkungen.

Um die Gesundheit der Bevölkerung wirksam zu schützen, müsse man den Begriff der Krankheit hier weit auslegen, erklärte das OLG. Ein "Kater" oder "Hangover" nach übermäßigem Alkoholkonsum stelle eine Störung des normalen Körper-Zustands dar.

Symptome wie Müdigkeit, Übelkeit und Kopfschmerzen gehörten nicht zum natürlichen "Auf und Ab" des Körpers, würden vielmehr von der schädlichen Substanz Alkohol ausgelöst. Ein Alkoholkater sei als Krankheit einzustufen, auch wenn die Symptome in der Regel ohne ärztliche Behandlung von selbst wieder verschwänden.

Mit dem Taxi zur Physiotherapie-Praxis

Beamte haben keinen Anspruch auf Beihilfe für Fahrten zu ambulanten Behandlungen

Ein Landesbeamter war an der Hüfte operiert worden. Nach dem Aufenthalt im Krankenhaus wurde er von einem Physiotherapeuten ambulant in dessen Praxis behandelt. Der Orthopäde der Klinik hatte bestätigt, dass der Patient für die Fahrten zwischen Wohnung und Physio-Praxis ein Taxi benötige. Im Laufe der Wochen entstanden Taxi-Kosten von insgesamt 1.743 Euro.

Bei seinem Dienstherrn, dem Bundesland Rheinland-Pfalz, beantragte der Mann, man möge ihm die Hälfte der Kosten erstatten. Das wurde, abgesehen von einem Betrag von 100 Euro, abgelehnt. Nach der Beihilfenverordnung würden Fahrten zu ambulanten Maßnahmen nicht finanziert, teilte die Beihilfestelle mit. Nur Kosten für "nachstationäre" Behandlungen würden übernommen. Mit 100 Euro mochte sich der Beamte nicht begnügen, er klagte gegen den Bescheid der Behörde.

Seiner Ansicht nach war die Physiotherapie ganz offenkundig eine "nachstationäre Behandlung", weil sie direkt mit der Hüftoperation im Krankenhaus zusammenhing. Zudem habe er dem Dienstherrn Kosten erspart, weil er sich für eine ambulante Physiotherapie entschieden habe, statt diese in der Klinik zu absolvieren. Dafür könne man ihn doch jetzt nicht finanziell abstrafen.

Doch genau darauf läuft das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz in diesem Streit hinaus (5 K 1067/18.KO). Eine ambulante Physiotherapie stelle keine nachstationäre Behandlung dar, erklärte das VG: Damit seien in den einschlägigen Vorschriften nur Behandlungen gemeint, die — "im Anschluss an eine vollstationäre Unterbringung" im Krankenhaus — ebenfalls im Krankenhaus durchgeführt werden.

Dass der Dienstherr für Fahrten zu ambulanten Maßnahmen grundsätzlich keine Beihilfe gewähre, verstoße auch nicht gegen seine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten. Er sei nicht verpflichtet, lückenlos alle Arten von Gesundheitsausgaben zu erstatten.

"Genuss ohne Reue”

Kurzartikel

E-Zigarettenhersteller "Niko Liquids" darf seine Produkte nicht mehr mit dem Werbeslogan "Genuss ohne Reue" anpreisen. Erstens sind gesundheitsbezogene Angaben in der Reklame generell verboten. Und zweitens suggeriert dieser Werbeslogan dem Käufer, dass die Elektroverdampfer (Kapseln mit Flüssigkeiten) für die Gesundheit vollkommen unschädlich sind. Das trifft nach Ansicht des Landgerichts nicht zu — auch wenn sie weniger schädlich sind als Tabak.

Kein Krankentagegeld auf Gran Canaria

Die "Wohnsitzklausel" der privaten Krankentagegeldversicherung ist wirksam

Den Urlaub auf Gran Canaria im Mai 2017 hatte Herr X schon lange vorher gebucht, dann musste er sich überraschend im April einer Operation unterziehen. Obwohl er für diesen Zeitraum wegen Arbeitsunfähigkeit von seiner privaten Krankentagegeldversicherung Leistungen beantragt hatte, trat der Patient anschließend den Urlaub auf den Kanaren an.

Aus diesem Grund strich die Versicherung das Krankentagegeld und verwies auf die Versicherungsbedingungen: "Keine Leistungspflicht besteht bei Arbeitsunfähigkeit, … wenn sich die versicherte Person nicht an ihrem Wohnsitz in Deutschland aufhält."

Daraufhin verklagte der Versicherungsnehmer das Unternehmen auf Zahlung. Begründung: Nach den Versicherungsbedingungen müsse er auch die "Weisungen des Arztes gewissenhaft befolgen" und alles Nötige tun, um seine Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Und sein Hausarzt habe ihm eben empfohlen, die "Genesungsreise" nach Gran Canaria nicht zu stornieren, da sie die weitere Heilung befördern würde.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied den Streit zu Gunsten der Versicherung (2 S 7833/18). Die Stellungnahme des Hausarztes sei vermutlich ein "Gefälligkeitsattest": Die Formulierungen orientierten sich auffällig an den einschlägigen Versicherungsbedingungen. Darauf komme es hier aber letztlich nicht an. Denn: Gerade, um solche Streitigkeiten auszuschließen, regle die so genannte "Wohnsitzklausel" pauschal alle Fälle der Abwesenheit vom Wohnsitz in Deutschland.

Nachträglich aufzuklären, ob ein Auslandsaufenthalt der Gesundheit des arbeitsunfähigen Versicherten geschadet oder sie gefördert habe, sei aufwändig und schwierig. Es liege daher im berechtigten Interesse des Versicherers, derlei Abgrenzungsschwierigkeiten von vornherein zu vermeiden. Die "Wohnsitzklausel" der Krankentagegeldversicherung sei nach einhelliger Ansicht der Rechtsprechung wirksam: Sie sei weder überraschend, noch benachteilige sie die Versicherungsnehmer unangemessen.

Brust-Operation wegen Krebsangst?

Eine so begründete Operation muss die gesetzliche Krankenkasse nicht finanzieren

Eine 45 Jahre alte Frau hatte wiederholt gutartige Knoten in der Brust entdeckt und fürchtete, Brustkrebs zu bekommen. Sie litt deshalb unter Depressionen und Angstzuständen. Bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse beantragte die Versicherte die Kostenübernahme für einen vorbeugenden Eingriff. Sie wollte die Brustdrüsen entfernen und mit Silikonimplantaten rekonstruieren lassen.

Die Krankenkasse lehnte dies ab: Bei gutartigen Knoten bestehe zwar Überwachungsbedarf, eine operative Entfernung der Brust sei jedoch nicht notwendig. Mit dieser Auskunft gab sich die Frau nicht zufrieden. Sie könne die Unsicherheit darüber, ob sich bereits ein bösartiger Tumor gebildet habe, nicht länger ertragen. Die psychische Belastung durch die Krebsangst sei enorm. Eine Operation werde sie davon befreien, das sei ihre Hoffnung.

Angst und Hoffnung begründeten keinen Anspruch auf Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse, erklärte ihr das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (L 16 KR 73/19). Eine Operation komme nur bei einer bösartigen Krankheit oder bei genetischer Vorbelastung in Betracht — nicht aber wegen Angstzuständen, auch wenn sie die Versicherte psychisch belasteten.

Ihre behandelnden Ärzte und die Sachverständigen des Gerichts hätten erläutert, dass für einen Eingriff aus medizinischer Sicht objektiv kein Grund bestehe. Der psychische Leidensdruck aus Angst vor Krebs sei vorrangig psychotherapeutisch zu behandeln. Mit einem körperlichen Eingriff auf eine psychische Erkrankung zu reagieren, um die — an eine Operation geknüpften — Erlösungshoffnungen nicht zu enttäuschen, komme nicht in Frage. Eine nachhaltige, an den Ursachen ansetzende Therapie sei in so einem Fall nur beim Psychotherapeuten möglich.

Heilpraktiker-Ausbildung und "no way out"?

Ein Ausbildungsvertrag darf das Recht auf Kündigung nicht ausschließen

Ein Mann wollte sich zum Heilpraktiker ausbilden lassen und schloss deshalb einen Ausbildungsvertrag mit einer Heilpraktikerschule ab. Der Vertrag sah eine Laufzeit von 20 Monaten vor und schloss das Recht des Auszubildenden aus, den Vertrag vor dem Ende der Laufzeit zu kündigen.

Als der Bruder des Mannes starb, sah er sich aus persönlichen Gründen gezwungen, dessen Massagepraxis fortzuführen. Er verwarf seine bisherigen Pläne und kündigte der Heilpraktikerschule noch vor Beginn der Ausbildung. Diese forderte trotzdem das volle Honorar für 20 Monate.

Die Ausbildungskosten muss der wankelmütige Schüler nicht zahlen, entschied das Landgericht Braunschweig (9 S 157/94). Zwar seien persönliche Gründe wie der Tod eines Bruders kein Anlass, der eine Kündigung rechtfertige.

Im Prinzip müsse aber jeder Schüler das Recht haben, eine Ausbildung abzubrechen, wenn er bemerke, dass sie nicht seinen Neigungen und Fähigkeiten entspreche. Die Berufsausbildung habe für das spätere Leben eine grundlegende Bedeutung, schließlich hänge vom Beruf die individuelle Lebensgestaltung des Menschen ab. Aus diesem Grund sei es unzulässig, in einem Ausbildungsvertrag das Recht auf Kündigung völlig auszuschließen.

Augenoperation bei geringer Weitsichtigkeit

Private Krankenversicherung muss einem Schreinermeister die Operationskosten ersetzen

Ein selbständig tätiger Schreinermeister war etwas weitsichtig, d.h. auf kurze Entfernung sah er unscharf. Lange arbeitete er mit Lesebrille, doch das war keine gute Lösung: Vor allem bei Arbeiten an der Kreissäge oder wenn er Arbeiten über dem Kopf ausführen musste, hatte er Probleme und Beschwerden. Deshalb entschied er sich für eine Augenoperation und ließ sich Kunstlinsen einsetzen ("refraktiver Linsenaustausch").

Die private Krankenversicherung des Handwerkers weigerte sich, die Kosten zu übernehmen: Um eine geringe Weitsichtigkeit zu korrigieren, sei keine Operation notwendig, erklärte das Unternehmen: Der Versicherungsnehmer könne ebenso gut eine Brille oder Kontaktlinsen tragen. Mit dieser Argumentation war das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart nicht einverstanden (7 U 146/18).

Dem Versicherungsnehmer stehe Ersatz für die Operationskosten von rund 5.600 Euro zu, entschied das OLG. Fehlsichtigkeit sei eine Krankheit, auch wenn sie, wie beim Schreinermeister, nicht besonders ausgeprägt sei. Die Versicherung erstatte deshalb ja auch einmal im Jahr Aufwendungen für Brillen oder Kontaktlinsen, was einen Versicherungsfall unterstelle. Aus medizinischer Sicht sei ein Zustand, der ohne Hilfsmittel im Alltag störende Einschränkungen mit sich bringe, auf jeden Fall korrekturbedürftig.

Der Schreiner müsse sich auch nicht auf eine Brille verweisen lassen: Ohne die Operation habe er seinen Beruf nicht beschwerdefrei ausüben können. Nicht einmal eine Gleitsichtbrille hätte laut Sachverständigengutachten hier geholfen. Denn Gleitsichtbrillen führten bei Überkopfarbeiten im Nahbereich zu Sehproblemen und Schwindel. Nach objektivem medizinischem Befund seien die Augenoperationen daher als medizinisch notwendige Heilbehandlungen einzustufen: Sie hätten die Fehlsichtigkeit und die Probleme des Versicherten bei seiner Berufstätigkeit behoben.

Großhandel will keine billigen Import-Arzneimittel anbieten

Bundesgerichtshof sorgt für freien Wettbewerb im Handel mit Medikamenten

Viele Arzneimittel sind im Ausland erheblich billiger. Gegen deren Import wehren sich jedoch die führenden Großhändler, weil sie bei diesen Medikamenten weniger verdienen als mit dem Vertrieb der teuren inländischen Produkte.

Der Bundesgerichtshof verpflichtete jedoch die drei großen überregionalen Vertriebsunternehmen, auch mit den Importeuren Verträge abzuschließen (KVR 10/94). Fairen Wettbewerb könne man nicht allein dadurch erreichen, dass die Einfuhrunternehmen die Medikamente direkt an die Apotheken lieferten. Die Apotheken bedienten sich nämlich bevorzugt des vollsortierten Großhandels mit seinem engmaschigen Netz von Niederlassungen, um so möglichst schnell die gewünschten Präparate zu erhalten.

Dass der Großhandel fürchte, die deutsche Pharmaindustrie zu verprellen, sei kein ausreichender Grund dafür, die Importeure von der Beteiligung auszuschließen. Der freie Wettbewerb habe Vorrang. Aus dem gleichen Grund zähle auch das Argument nicht, mit teureren Produkten lasse sich ein höherer Gewinn erzielen. Schließlich müssten Apotheken nach dem Gesetz Arzneien möglichst preisgünstig abgeben.

Kfz-Mechaniker mit 38 an Blasenkrebs erkrankt

Da mittlerweile verbotene Ottokraftstoffe krebserregende Bleiverbindungen enthielten, handelt es sich um eine Berufskrankheit

Ein 1961 geborener Mann hatte ab 1977 die Ausbildung absolviert und danach als Kfz-Mechaniker und Werkstattmeister gearbeitet. Im Alter von 38 Jahren erkrankte er an einem Blasentumor. Bei der gesetzlichen Unfallversicherung, die auch für Berufskrankheiten zuständig ist, beantragte der Mann Leistungen. Doch die Berufsgenossenschaft — Versicherungsträgerin der gesetzlichen Unfallversicherung — lehnte es ab, den Krebs als Berufskrankheit anzuerkennen.

Zwar seien von 1964 bis 1994 in Ottokraftstoffen Bleiverbindungen verwendet worden, die den Farbstoff Sudan Rot enthielten — und der könne das krebserregende o-Toluidin freisetzen, räumte die Berufsgenossenschaft ein. Aber der Kfz-Mechaniker sei diesem Stoff nicht so lang und nicht so intensiv ausgesetzt gewesen, dass man hier von einer Berufskrankheit sprechen könne.

Hintergrund: Laut Gesetz (Sozialgesetzbuch VII, § 9) gelten Krankheiten als Berufskrankheit, die durch "besondere Einwirkungen" verursacht werden, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Berufstätigkeit in "erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung" ausgesetzt sind. Und die Berufsgenossenschaft behauptete, ein "erheblich höherer Grad" liege nur vor, wenn das Krankheitsrisiko einer Berufsgruppe mindestens doppelt so hoch sei wie das der "übrigen Bevölkerung".

Von doppeltem Risiko sei im Gesetz nicht die Rede, widersprach das Hessische Landessozialgericht (LSG): Es gab dem versicherten Arbeitnehmer Recht, der die Berufsgenossenschaft auf Zahlung von Verletztenrente verklagt hatte (L 3 U 48/13). Die einschlägige Substanz sei auch in niedriger Dosierung sehr gefährlich, erklärte das LSG, gestützt auf ein Sachverständigengutachten.

Dessen Fazit lautete: Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe der ständige Umgang mit krebserregenden Stoffen in Motorenöl und Kraftstoffen den Harnblasenkrebs verursacht. Man müsse davon ausgehen, dass der Mechaniker vor allem in den ersten Jahren der Berufstätigkeit dem Gefahrstoff in hohem Umfang ausgesetzt gewesen sei — auch wenn man das nach so vielen Jahren nicht mehr präzise feststellen könne.

Für einen Ursachenzusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Krankheit sprächen zudem weitere Gesichtspunkte, so das LSG. Der Mechaniker sei mit 38 Jahren erkrankt, im Durchschnitt erkrankten Männer erst mit 70 Jahren an Blasenkrebs. Dass er 22 Jahre nach Beginn der Lehre erkrankt sei, entspreche der für diesen Tumor typischen "Latenzzeit" (so nennen Mediziner die Zeit zwischen dem Einwirken einer schädlichen Substanz und dem offenen Auftreten von Krankheitssymptomen). Und: Tabakkonsum, das größte Risiko für Harnblasenkrebs, scheide als Ursache aus, da der Mechaniker nie geraucht habe.

"Kinderwunsch-Tee"

Kurzartikel

Ein Lebensmittelhersteller darf einen Tee nicht unter der Bezeichnung "Kinderwunsch-Tee" verkaufen, wenn er die Behauptung, dass der Genuss des Tees die Empfängnis fördert, nicht auf wissenschaftliche Nachweise stützen kann. Gesundheitsbezogene Angaben sind in der Werbung nur zulässig, wenn ihnen anerkannte Forschungsergebnisse zugrunde liegen.