Gesundheitswesen

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Kunsthaarperücke oder Echthaarperücke?

Bei dauerhaftem Haarausfall muss die Krankenkasse echtes Haar finanzieren

Eine Patientin hat schon vor Jahren ihre Kopfhaare komplett verloren und trägt seither Echthaarperücken. Die gesetzliche Krankenversicherung erstattet allerdings nur den Preis für günstigere Kunsthaarperücken, den sie mit ihren Vertragspartnern — Perückenherstellern — ausgehandelt hat. Kunsthaarperücken seien auf den ersten Blick gar nicht von echtem Haar zu unterscheiden, so der Standpunkt der Krankenkasse.

Das leuchtete der kahlköpfigen Versicherten gar nicht ein: Sie zog vor das Sozialgericht Dresden (S 18 KR 304/18). Sachverständig beraten von einem auf Perücken spezialisierten Friseurmeister entschied das Gericht den Streit zu Gunsten der Frau.

Dass Kunsthaarperücken den Verlust des natürlichen Haares optisch gut kaschieren könnten, wie die Krankenkasse behaupte, sei eher zweifelhaft. Doch das könne hier sogar offenbleiben. Denn im konkreten Fall sei es auf lange Sicht gesehen einfach auch kostengünstiger, Echthaarperücken zu finanzieren, entschied das Sozialgericht.

Anders sei das wohl zu beurteilen, wenn bei Patientinnen — z.B. wegen einer Chemotherapie — vorübergehend die Haare ausfallen. Bei dauerhafter Kahlköpfigkeit aber lohne es sich, den höheren Preis von Echthaarperücken in Kauf zu nehmen. Denn sie halten doppelt so lange, bevor sie unansehnlich werden und ausgetauscht werden müssen. Deshalb müsse die Krankenkasse die Kosten der Echthaarperücken erstatten.

"Dr. X Medizinisches Versorgungszentrum"

Nennt sich ein Versorgungszentrum "Dr. X", muss dort auch ein Arzt mit Doktortitel arbeiten

Eine GmbH betreibt in Deutschland mehrere zahnärztliche Versorgungszentren. Die Firma nannte sich "Dr. X" und auch die Versorgungszentren führten den Namen "Dr. X Medizinisches Versorgungszentrum", kombiniert mit dem Namen des jeweiligen Standorts. In einem dieser Zentren arbeitete 2016 und 2017 über Monate kein einziger Zahnarzt mit Doktortitel.

Der zahnärztliche Bezirksverband zog vor Gericht und verlangte Unterlassung: Solange das lokale Unternehmen keinen promovierten Zahnarzt beschäftige, dürfe es den Titel auch nicht im Namen führen. Der Bundesgerichtshof gab dem Verband Recht: Der Name täusche die Verbraucher bzw. Patienten, wenn nicht einmal der medizinische Leiter des Versorgungszentrums einen Doktortitel innehabe (I ZR 126/19).

Ein akademischer Titel stehe für eine besondere wissenschaftliche Qualifikation, von der sich die Patienten einen individuellen Vorteil versprächen. Promovierten Ärzten trauten Patienten besondere intellektuelle Fähigkeiten zu und vertrauten zudem auf deren guten Ruf und Zuverlässigkeit.

Verbraucher sähen in dem Namen "Dr. X" keineswegs eine Fantasiebezeichnung. Vielmehr verständen sie ihn als Kürzel für einen Unternehmensinhaber. Die GmbH müsse zumindest der Unternehmensbezeichnung einen klärenden Hinweis hinzufügen, um bei potenziellen Patienten einschlägige Irrtümer auszuschließen.

Sorgerechtsstreit über Impfung

Entscheiden darf darüber der Elternteil, der sich an die Empfehlungen der "STIKO" hält

Getrenntlebende Eltern, die das elterliche Sorgerecht für ihr Kleinkind gemeinsam ausüben, stritten darüber, ob es gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) geimpft werden sollte. Die Mutter war dafür. Doch der Vater verlangte, es müsste erst einmal gerichtlich überprüft werden, ob das Kind dafür gesund genug sei. Daraufhin beantragte die Mutter beim Familiengericht, man möge ihr die Entscheidung über die Standard-Schutzimpfungen für Kinder übertragen.

Diese Lösung entspreche dem Wohl des Kindes am besten, fand das Familiengericht. Der Protest des Vaters wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zurückgewiesen (6 UF 3/21). Bei Uneinigkeit in der Impffrage werde die Entscheidungsbefugnis regelmäßig auf den Elternteil übertragen, der sich nach den fachlichen Empfehlungen der STIKO richte, erklärte das OLG.

Im konkreten Fall gebe es keinen Grund, ein medizinisches Sachverständigengutachten zur allgemeinen Impffähigkeit des Kindes einzuholen. Die STIKO wäge bei jedem Impfstoff genau ab zwischen den Risiken einer Impfung und den Risiken, die durch ihr Unterlassen entständen. Ihren Empfehlungen entsprechend prüfe zudem jeder Kinderarzt vor dem Impfen den aktuellen Gesundheitszustand des Impflings und berücksichtige dabei selbstverständlich eventuelle Symptome, die gegen eine Impfung sprächen.

Impfschaden eines Soldaten?

Die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs begründet keinen Anspruch auf Entschädigung

2010 war der damals 22 Jahre alte Soldat vor einem Auslandseinsatz gegen Gelbfieber geimpft worden. In den folgenden Monaten klagte er über Schwindelanfälle, Sprachprobleme, unsicheren Gang und verlangsamte Augenbewegungen. Der Truppenarzt erklärte es für möglich, dass die neurologischen Ausfälle mit der Impfung zusammenhingen. Daraufhin forderte der Soldat Entschädigung von der Bundeswehr.

Doch der Dienstherr sah sich nicht in der Pflicht: Mittlerweile sei bei dem Mann eine Gehirnentzündung (Rhombenzephalitis) festgestellt worden. Es gebe diverse Anhaltspunkte dafür, dass er bereits vor der Gelbfieber-Impfung daran erkrankt sei.

Wenn früher gelegentlich Sprachstörungen oder verzögerte Blickbewegungen auftraten, habe das nur an Überarbeitung gelegen, konterte der Soldat. Jetzt leide er an den Folgen eines berufsbedingten Impfschadens, für den ihn der Dienstherr gemäß Infektionsschutzgesetz entschädigen müsse.

Dass die Impfung die neurologische Erkrankung verursacht habe, stehe nicht mit Gewissheit fest, urteilte das sachverständig beratene Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen: Es wies deshalb die Klage auf Entschädigung ab (L 10 VE 11/16). Die bloße Möglichkeit, dass der Impfstoff den Soldaten geschädigt habe, reiche für einen Rechtsanspruch auf Entschädigung nicht aus. Einen Impfschaden müsse man nach gesicherten Ergebnissen der medizinischen Forschung beurteilen.

Die genaue Ursache der Rhombenzephalitis sei wissenschaftlich noch nicht erforscht, was auch auf andere neurologische Erkrankungen zutreffe. Fest stehe dagegen: Der verwendete Impfstoff sei über 600 Millionen Mal verimpft worden — dennoch gebe es in medizinischen Schriften keine Hinweise darauf, dass als Folge neurologische Ausfälle auftraten. Das sei den Arbeitsergebnissen der Ständigen Impfkommission und der weltweiten Forschung zu Impfschäden zu entnehmen.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit gebe es also für die Gehirnentzündung des Soldaten andere Gründe, zumal er bereits vor der Gelbfieber-Impfung erste Symptome der Krankheit gezeigt habe. Alle befragten Sachverständigen hätten es ausgeschlossen, dass Überarbeitung der Grund für diese Symptome gewesen sein könnte.

Weisheitszahn gezogen, Nerv verletzt

Patient wirft der Zahnärztin Behandlungsfehler und unzureichende Aufklärung vor

Vor einigen Jahren hatte sich der Patient von seiner Zahnärztin schon einmal einen Weisheitszahn im Unterkiefer ziehen lassen, da war alles gutgegangen. Beim zweiten Eingriff wurde der Trigeminusnerv (Nervus lingualis) geschädigt, mit schmerzhaften Folgen. Seither kämpft der Patient um Entschädigung: Der Zahnärztin warf er Behandlungsfehler vor. Außerdem habe sie ihn vor dem Eingriff unzureichend aufgeklärt.

Die Zahlungsklage des Patienten scheiterte beim Oberlandesgericht (OLG) Dresden (4 U 1775/20). Gestützt auf Sachverständigengutachten habe schon das Landgericht zu Recht einen Behandlungsfehler verneint, stellte das OLG fest. Die Operation sei gemäß medizinischen Standards erfolgt. Auch bei größter Vorsicht könne beim Ziehen eines unteren Weisheitszahnes der Nervus lingualis geschädigt werden. Das sei ein typisches Risiko dieses Eingriffs.

Auch den Vorwurf unzulänglicher Aufklärung über das Behandlungsrisiko wies das OLG zurück. Die erfahrene Zahnärztin habe den Patienten laut Aufklärungsbogen auf die Gefahr von Nervschädigungen hingewiesen, die eventuell auch dauerhaft ausfallen könnten. Die Höhe dieses Risikos müssten Ärzte nicht mit genauen Prozentzahlen beziffern. Ein allgemeiner Hinweis auf mögliche Folgen der Operation reiche aus (Nervschädigungen, Gefühls- und Geschmacksstörungen).

Die Zahnärztin habe den Patienten auch nicht über die Möglichkeit informieren müssen, den Eingriff in einer kieferchirurgischen Praxis durchführen zu lassen. Es gehöre zum Behandlungsstandard einer Zahnarztpraxis, Weisheitszähne im Unterkiefer zu entfernen. Chancen und Risiken des Eingriffs seien identisch mit denen in einer kieferchirurgischen Praxis. Von einer echten Behandlungsalternative könne daher keine Rede sein. Über alternative Behandlungsmöglichkeiten müssten Mediziner ihre Patienten nur informieren, wenn es medizinisch gleichwertige Alternativen gebe, die jeweils mit unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen verbunden seien.

Die Behauptung des Patienten, bei korrekter Aufklärung hätte er sich von einem Kieferchirurgen behandeln lassen, sei unglaubwürdig. Zum einen sei er bis dahin von der Zahnärztin immer mit Erfolg behandelt worden. Zum anderen hätte ein Arztwechsel das Risiko dieses Eingriffs in keiner Weise verringert. (Beschlüsse des OLG Dresden vom 21.12.2020 und vom 28.1.2021)

Gesetzliche Krankenkasse zahlt nicht für Heilpraktikerin

Pflicht zur Kostenübernahme besteht nur für ärztliche Behandlungen

Nach einer Nierentransplantation 2005 kam ein gesetzlich krankenversicherter Mann nicht mehr richtig auf die Beine. Er leidet an zahlreichen Erkrankungen wie Asthma und einem chronischen Erschöpfungssyndrom. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung erkannte ihm Pflegegrad I zu. 2018 wollte sich der Versicherte in einem Naturheilzentrum behandeln lassen und beantragte bei der Krankenkasse die Kostenübernahme.

Er leide an einem sehr schweren Erschöpfungssyndrom, erklärte er, das sei bedrohlich. Kassenärzte, die eine adäquate Behandlung durchführten, gebe es nicht. Privatärzte, die er vorgeschlagen habe, habe die Krankenkasse abgelehnt. Das "Zentrum" sei zwar eine Naturheilpraxis, doch Diagnostik und Therapie orientierten sich an wissenschaftlichen Kriterien.

Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab: Heilpraktiker seien nicht berechtigt, ihre Leistungen über die gesetzliche Krankenversicherung abzurechnen. Sie könne daher die Behandlungskosten nicht übernehmen. Ohne Erfolg klagte der Versicherte auf Kostenersatz: Für die Behandlung einer Heilpraktikerin müsse er selbst zahlen, entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (L 4 KR 470/19).

Die Krankenkasse habe dem Patienten lediglich mitgeteilt, was das Sozialgesetzbuch zwingend vorschreibe: Nur Ärzte dürften gesetzlich Versicherte behandeln. Nicht-ärztliche Heilbehandler dürften sie nicht selbständig behandeln, allenfalls auf ärztliche Anordnung (wie z.B. Physiotherapie auf ärztliches Rezept). Die Approbation, also die Zulassung als Arzt, sei als berufliche Mindestqualifikation vorgeschrieben.

Unstreitig führe im genannten Naturheilzentrum eine Heilpraktikerin die Behandlung durch, auch wenn der Versicherte dies als "klassische Behandlung" bezeichne. Jedenfalls behandle dort kein approbierter Arzt. Auch wenn schulmedizinische Maßnahmen bisher angeblich erfolglos waren: Versicherte hätten keinen Anspruch darauf, dass Behandler in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden, die laut Sozialgesetzbuch davon ausgeschlossen seien.

Prämien für Facebook-Likes

Werbemethoden einer Apotheke als wettbewerbswidrig verboten

Wegen einer Klage der Wettbewerbszentrale prüfte das Landgericht Bonn die Werbemethoden einer Bonner Apotheke. Die Apotheken-Inhaberin belohnte Likes auf ihrem Facebook-Account: Wer im sozialen Netzwerk mit einem Like sein Gefallen an der Apotheke kundtat, erhielt "zwei Schlosstaler", die er in der Apotheke gegen Prämien eintauschen konnte. Die Wettbewerbshüter hielten dieses Vorgehen für unlauteren Wettbewerb.

Das Landgericht Bonn gab ihnen Recht und untersagte das Prämienangebot als wettbewerbswidrig (14 O 82/19). Prämien stellten eine Art Entlohnung dar. Also handle es sich hier um Reklame mit Empfehlungen, für die die Apothekerin einen finanziellen Anreiz setze. Die Likes auf Facebook erweckten aber den Anschein objektiver Bewertung durch die Kunden.

Äußerungen (vermeintlich) neutraler Dritter wirkten in der Werbung immer objektiver als Eigenwerbung und erweckten mehr Vertrauen. Verbraucher sähen die Zahl der Likes als Zeichen für Kundenzufriedenheit an. Daher sei diese Art von Werbung irreführend, wenn das Belohnungssystem im sozialen Netzwerk nicht offengelegt werde.

Unzulässig sei es auch, dass die Inhaberin ihre Apotheke auf der Webseite als "exklusive Notfall-Apotheke" bezeichne. Auch wenn die Apotheke tatsächlich länger geöffnet habe: Wenn die Apothekerin am Notdienst teilnehme, sei das kein besonderes Angebot. Denn in der Stadt beteiligten sich alle Apotheken am Notdienst. Daher dürfe die Apothekerin nicht den Eindruck erwecken, sie biete damit eine ganz besondere Dienstleistung.

Krankenschein ade

Gesetzlich Krankenversicherte müssen die elektronische Gesundheitskarte verwenden

Lange hat es gedauert, nun ist die elektronische Gesundheitskarte (eGK) da. Viele Versicherte begegnen dieser Neuerung allerdings mit Misstrauen. Zwei gesetzlich Krankenversicherte klagten sogar, um sie nicht benutzen zu müssen. Begründung: Die Karten selbst und die damit verknüpfte Technik zeigten massive Sicherheitsmängel. Sensible Gesundheitsdaten würden unzureichend gegen den Zugriff Unbefugter geschützt, so ihr Einwand. Die zwei Kläger wollten weiterhin einen Krankenschein verwenden.

Die eGK enthält ein Foto des/der Versicherten und einen Chip, auf dem Daten gespeichert sind (Name, Anschrift, Geschlecht, Krankenversicherungsnummer etc.). Bei Besuchen in einer Arztpraxis können die Daten online mit den Daten der Krankenkasse abgeglichen, eventuell aktualisiert werden. Mit der eGK als "Schlüssel" können sich Versicherte auch identifizieren, um ihre elektronische Patientenakte einzusehen.

Das Bundessozialgericht wies die Klagen gegen die eGK ab (B 1 KR 7/20 R; B 1 KR 15/20 R). Gesetzlich Versicherte könnten von ihren Krankenkassen keinen Krankenschein mehr verlangen. Künftig müssten sie in Arztpraxen und Kliniken mit der eGK nachweisen, dass sie berechtigt seien, Leistungen in Anspruch zu nehmen.

Der Gesetzgeber wolle mit dieser Verpflichtung den Missbrauch von Sozialleistungen verhindern und Ärzten die Abrechnung von Leistungen erleichtern. Beides seien legitime Ziele.

Zudem entspreche die Gestaltung der eGK der Europäischen Datenschutzgrundverordnung. Die Verarbeitung personenbezogener Daten werde auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt, Datensicherheit sei gewährleistet. Dass der Einsatz der eGK zwingend vorgeschrieben werde, sei daher kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Patientenrechte. Und einige Anwendungsmöglichkeiten, wie z.B. das Anlegen einer elektronischen Patientenakte, blieben ohnehin freiwillig.

Diabetes-Patientin am Fuß operiert

War die Aufklärung des Chirurgen über eine konservative Behandlungsalternative unzulänglich?

Schon seit 2006 war die Diabetikerin in der darauf spezialisierten Abteilung einer Klinik ambulant behandelt worden — auch wegen schlecht heilender Geschwüre am Fuß, wie sie bei zuckerkranken Patienten häufig vorkommen ("diabetisches Fußsyndrom"). Auf Empfehlung des Dr. C wurde im Sommer 2013 ein Geschwür an der Ferse operiert.

Anschließend verlangte die Patientin Schadenersatz vom Klinikträger: Sie sei über die Alternative einer konservativen Behandlung und über die besonderen Operationsrisiken bei Diabetes nur unzureichend aufgeklärt worden. Das Landgericht Dresden wies die Klage der Patientin ab, das Oberlandesgericht (OLG) Dresden bestätigte das Urteil (4 U 905/20).

Der von ihr unterschriebene Aufklärungsbogen belege, dass sie vor dem Eingriff von Dr. C mündlich ordnungsgemäß informiert worden sei, so das OLG. Die Spalte mit den Risiken fülle der Mediziner immer gemeinsam mit den Patienten aus. Nach seinen handschriftlichen Einträgen habe Dr. C die Patientin über Infektionsrisiken, über die Möglichkeit einer Wundheilungsstörung und weiterer Operationen unterrichtet.

Das genüge den Anforderungen, zumal die Patientin nach mehreren Operationen und jahrelanger ambulanter Behandlung über ihre Diabeteserkrankung gut informiert gewesen sei.

Über die Option einer konservativen Behandlung müssten Mediziner nur dann umfassend aufklären, wenn sie eine gleichwertige Alternative zur Operation darstelle. Dann bestehe für den Patienten eine echte Wahlmöglichkeit. Das sei jedoch nicht der Fall, wenn, wie hier, bei konservativer Behandlung das Risiko steige, dass der Fuß amputiert werden müsse.

Werbeflyer beim Zahnarzt

Hersteller elektrischer Zahnbürsten streiten über (un)zulässige Werbemethoden

Firma A, Anbieterin elektrischer Zahnbürsten, verschickte an Zahnärzte einen Werbeflyer, den sie in der Praxis auslegen konnten. Unter der Überschrift "Sparen Sie zweimal!" versprach die Firma den Patienten 30 Prozent Rabatt beim Kauf eines A-Produkts und zusätzlich einen "Preisvorteil von bis zu 50 Euro bei der nächsten professionellen Zahnreinigung".

Firma B, die ebenfalls elektrische Zahnbürsten herstellt, verlangte, dieses "unlautere Marketing" zu unterlassen: Firma A fordere Zahnärzte systematisch zu Verstößen gegen die Berufsordnung auf, sie sollten Patienten unsachlich beeinflussen. So wolle sich die Konkurrenz Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Doch das Oberlandesgericht Hamburg mochte sich dieser Kritik nicht anschließen (3 W 17/20). Nicht jeder Rabatt auf zahnärztliche Leistungen widerspreche der Berufsordnung für Zahnärzte. Der Flyer betone zwar den Preisvorteil, informiere aber ansonsten überwiegend sachlich über das Angebot. Firma A werbe nicht in anpreisender oder irreführender Weise für ihre Produkte. Zudem lägen die Flyer in den Arztpraxen nur zur Mitnahme aus.

Wenn Zahnärzte z.B. auf ihrer Webseite direkt Reklame für bestimmte Produkte machten, verstoße das gegen Berufsrecht. Denn so eine "Fremdwerbung" erwecke bei Patienten den zutreffenden Eindruck, der Arzt fördere gezielt gewerbliche Interessen von Unternehmen. Das sei beim Werbeflyer der Firma A nicht der Fall.

Sie fordere die Mediziner nicht auf, ihre Produkte zu empfehlen. Wer den Flyer auslege, sei nicht verpflichtet, die Gutscheinerwerber zu behandeln. Patienten könnten vom Rabatt auch profitieren, wenn sie sich von einem anderen Zahnarzt behandeln lassen. Dass der Preisvorteil für Patienten Zahnärzte dazu verleiten könnte, mit Produktempfehlungen gegen Standespflichten zu verstoßen, um den Umsatz zu steigern, erscheine fernliegend.

Allein die abstrakte Möglichkeit, dass wegen des Rabatts mehr Patienten eine Zahnreinigung durchführen lassen, genüge nicht, um den Rabatt als unzulässiges Werbegeschenk einzustufen. Die Zahnärzte selbst erbrächten bei der Zahnreinigung dieselbe Leistung wie immer und erhielten dafür dasselbe Entgelt.

Verkrümmter Penis soll repariert werden

Die gesetzliche Krankenkasse muss eine korrigierende Operation nicht finanzieren

Der 59 Jahre alte Versicherte leidet an einer angeborenen Penisverkrümmung. Bei seiner gesetzlichen Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme einer operativen Begradigung. Rund 14.000 Euro sollte die so genannte Grafting-Operation bei einem Privatarzt kosten. Sie sei dringlich, erklärte der Mann, denn ohne Behandlung sei das Risiko sehr hoch, dass dauerhaft Erektionsstörungen aufträten. Es drohe der Verlust einer "herausgehobenen Körperfunktion", darunter leide er auch psychisch sehr.

Die Krankenkasse lehnte es ab, die Operation zu finanzieren. Erstens dürfe die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen von Privatärzten prinzipiell nicht übernehmen. Zweitens sei diese Behandlungsmethode nicht allgemein anerkannt. Wenn es um "unorthodoxe" Methoden gehe, komme die Erstattung der Behandlungskosten nur ausnahmsweise in Frage, das könne z.B. bei einer lebensbedrohlichen Krankheit der Fall sein.

Die Klage des Versicherten auf Kostenübernahme scheiterte beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (L 16 KR 143/20). Die gesetzliche Krankenversicherung dürfe nicht anerkannte Behandlungsmethoden bei Privatärzten grundsätzlich nicht finanzieren. In extremen Ausnahmefällen — wenn es für eine Krankheit keine zugelassene Behandlungsmethode bei Kassenärzten gebe — könne die Krankenkasse zwar auch mal die Kosten einer unkonventionellen Behandlung übernehmen, so das LSG.

Eine Penisverkrümmung sei aber kein solcher Ausnahmefall. Wenn ein 59-Jähriger unter (bisher nur leichten) Erektionsstörungen leide, sei das nicht besonders schwerwiegend und nicht annähernd lebensbedrohlich. Dass das die Lebensqualität des Versicherten beeinträchtige, sei nachvollziehbar. Aber vom drohenden Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion könne man trotzdem nicht sprechen. Dazu komme: Auch die Operation selbst könne, wenn sie nicht perfekt gelinge, das Risiko von Erektionsstörungen erhöhen.

Corona-Test verweigert

Krankenhaus muss unter diesen Umständen eine behandlungsbedürftige, schwangere Patientin nicht aufnehmen

Im September 2020 erschien eine hochschwangere Frau wegen starker Nierenschmerzen in der Notaufnahme einer Klinik. Die behandelnde Ärztin meinte, das Problem müsse man dringend urologisch abklären und überwies die Frau in ein anderes Krankenhaus. Dort sollte sie nach einem Corona-Test stationär aufgenommen werden. Die Frau wollte sich jedoch nicht testen lassen.

Trotzdem dürfe man ihr die Behandlung nicht verweigern, meinte sie, denn für eine Testpflicht gebe es keine rechtliche Grundlage. Außerdem habe sie im Internet gelesen, dass die Testkits gar keine Infektion feststellen könnten. Ohne Test könne man sie leider nicht aufnehmen, erklärte ein Krankenhausmitarbeiter: Sie müsse wieder gehen. Daraufhin wandte sich die Patientin an einen Urologen und an die Justiz.

Der Urologe verordnete stationäre Behandlung und das Amtsgericht Dortmund sollte diese per einstweiliger Anordnung gegen das Krankenhaus durchsetzen. Doch das Gericht winkte ab: Wenn die Schwangere den Corona-Test verweigere, müsse das Krankenhaus sie nicht behandeln. Der Krankenhausträger müsse sein Personal und die übrigen Patienten vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen.

So sah es auch das Landgericht Dortmund: Es wies die Rechtsbeschwerde der Schwangeren gegen die Entscheidung des Amtsgerichts zurück (4 T 1/20). Kliniken müssten alle Maßnahmen treffen, die notwendig und geeignet seien, das Einschleppen von Viren in die Einrichtung zu verhindern. Sie seien daher nicht verpflichtet, Patienten stationär aufzunehmen, die einen Coronatest verweigerten.

Das gelte jedenfalls dann, wenn bei einem behandlungsbedürftigen Patienten keine akute Lebensgefahr bestehe. So schlecht sei es der Patientin aber nicht gegangen.

Die im Krankenhaus verwendeten PCR-Tests seien Teil der nationalen Corona-Strategie und würden vom Robert-Koch-Institut empfohlen. Der Testvorgang selbst könne zwar etwas "unangenehm" sein, er sei dennoch kein schwerwiegender Eingriff. Unter diesen Umständen habe der Schutz der Mitpatienten und des Personals Vorrang — auch wenn man die Schwangere möglicherweise isoliert hätte unterbringen können.

Tagegeld in der Unfallversicherung

Der Anspruch des Versicherungsnehmers endet nicht mit dem letzten Arztbesuch

Herr P hat eine private Unfallversicherung abgeschlossen. Im Frühjahr 2016 verletzte er sich an einem Finger. Wegen des Unfalls war der Mann bis Mitte Juni krankgeschrieben und bezog Tagegeld von der Unfallversicherung. Am 16.6. suchte der Patient das letzte Mal den Facharzt auf. Da er den Finger immer noch nicht richtig bewegen konnte, verschrieb ihm der Orthopäde Krankengymnastik. Ab diesem Zeitpunkt zahlte die Unfallversicherung kein Tagegeld mehr.

Gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen setzt der Anspruch auf Tagegeld voraus, dass der Patient "in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und in ärztlicher Behandlung" ist. Das Oberlandesgericht Nürnberg wies die Klage des Versicherungsnehmers auf Fortzahlung des Tagegelds mit der Begründung ab, die Krankengymnastik sei nicht Bestandteil der ärztlichen Behandlung.

Gegen das Urteil legte Herr P Revision ein und setzte sich beim Bundesgerichtshof durch (IV ZR 19/19). Dem Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung stehe Tagegeld zu, bis die Behandlung abgeschlossen sei, entschieden die Bundesrichter. Und nicht nur bis zum letzten Arztbesuch. So verstehe auch der durchschnittlich informierte Versicherte die einschlägigen Vertragsbedingungen: Er werde weitere Therapie-Termine als Teil der ärztlichen Behandlung ansehen.

Wenn der Patient beim letzten Arztbesuch "10 Mal Krankengymnastik" verordnet bekomme, umfasse die ärztliche Behandlung auch die Dauer dieser Therapiemaßnahme. Ob nach den Terminen bei der Krankengymnastik mit dem Arzt nochmals ein Kontrolltermin vereinbart werde, spiele keine Rolle. Wenn Herr P die verschriebene Krankengymnastik wahrgenommen habe, stehe ihm eine Nachzahlung von der Unfallversicherung zu.

OP-Tuch im Patienten gefunden

Wurde das Tuch bei der Voroperation übersehen, kann das ein grober Behandlungsfehler sein

Im September 2017 war Patient K wegen eines Tumors im Dickdarm operiert worden. Eine Nachuntersuchung im Dezember zeigte einen fast unauffälligen Befund. Doch im April 2018 wurde Herr K erneut ins Krankenhaus eingewiesen: Man vermutete einen Darmverschluss. Bei einer Darmspiegelung sichteten die Ärzte ein 25 cm großes, grünes Bauchtuch, das am Folgetag operativ entfernt wurde.

Der Patient forderte vom Krankenhausträger Schadenersatz: Das Tuch könne ja nur bei der Operation im Herbst 2017 vergessen worden sein — ein Behandlungsfehler. Doch nach Ansicht der Klinikleitung hatte sich K das Tuch selbst eingeführt. Dem schloss sich das Landgericht Leipzig an, ohne einen Sachverständigen zu befragen, und wies die Klage ab. Damit habe das Landgericht die Rechte des Patienten verletzt, kritisierte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden, und verwies den Fall an die Vorinstanz zurück (4 U 352/20).

Den Sachverhalt aufzuklären, sei in so einem Fall nur mithilfe von Experten möglich. Zumindest der äußere Anschein spreche eindeutig für einen Behandlungsfehler des OP-Personals: Denn das OP-Tuch sei genau in dem Bereich gefunden worden, der im Herbst operiert worden sei. Also sei es wohl bei der Operation übersehen worden, stellte das OLG fest. Es sei dann Sache des Klinikums zu widerlegen, dass ein Behandlungsfehler passiert sei.

Zudem sei die Annahme ziemlich gewagt, der Patient könnte sich das Bauchtuch selbst so weit eingeführt haben. Auf jeden Fall hätte das Landgericht klären müssen, ob das überhaupt möglich sei. Und wieso sollte sich der Patient selbst so drastisch geschädigt haben? Dass er auf diese Weise Schadenersatz herausschlagen wollte, sei eher unwahrscheinlich. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass man chirurgische Bauchtücher nicht überall kaufen könne.

Krankenhaus und Ärzte müssten Vorsorge treffen, um bei Operationen keine Fremdkörper zurückzulassen. Im Einzelfall könne es einen groben Behandlungsfehler darstellen, gebotene Vorsichtsmaßnahmen zu unterlassen.

Instrumente und Material wie Bauchtücher müssten vor und nach einer Operation gezählt werden. Dabei seien die einzelnen Gegenstände zu beziffern und die Übereinstimmung der Zahlen (vorher — nachher) extra zu bestätigen. Im konkreten Fall habe das Operationspersonal jedoch nur den Vermerk "Zählkontrolle: ja" notiert. Das bestätige nur pauschal, dass eine Kontrolle stattfand. Damit erfülle ein Krankenhaus nicht seine Dokumentationspflicht.

Pflegeheim will Demenzkranke loswerden

Die Heimbetreiberin kann den Heimvertrag nicht wegen demenzbedingter Verhaltensauffälligkeiten kündigen

Seit 2015 lebt eine an Demenz erkrankte Frau in einem Seniorenheim mit spezieller Abteilung für Demenzkranke. Im Herbst 2018 kündigte die Heimbetreiberin ihren Heimvertrag, weil die Frau permanent den Hausfrieden störe: Sie laufe nachts ständig herum und gehe in die Zimmer anderer Heimbewohner. Ihr Verhalten sei fast immer aggressiv. Sie boxe Pflegekräfte, stelle anderen Personen ein Bein oder fahre sie mit ihrem Rollator an.

Da Angehörige und der Betreuer der Seniorin der Kündigung widersprachen, klagte die Heimbetreiberin auf Räumung des Zimmers. Doch das Oberlandesgericht Oldenburg urteilte, es sei für die Heimbetreiberin trotz der Störungen zumutbar, am Heimvertrag festzuhalten (1 U 156/19). Sie habe bei der Aufnahme der Frau gewusst, dass diese an Demenz leide. Gerade für demente Senioren unterhalte das Heim eine eigene Abteilung mit ausgebildeten Fachkräften.

Grundsätzlich könne ein Heimvertrag mit einem Demenzpatienten nicht wegen demenzbedingter Verhaltensauffälligkeiten gekündigt werden. Das geschilderte Verhalten der Seniorin liege im Rahmen dessen, was von einer Demenzkranken zu erwarten sei und sei daher von der Heimbetreiberin hinzunehmen. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Heimbewohnerin sich oder andere Personen erheblich gefährden würde. Das treffe jedoch nicht zu.

Krankenkasse muss Bluetooth-Hörverstärker finanzieren

Schwerhöriger Versicherter kann nur damit sein Mobiltelefon nutzen

Der 1952 geborene Ingenieur ist hochgradig schwerhörig, auf beiden Ohren fast taub. 2013 hatte die gesetzliche Krankenkasse Hörgeräte finanziert, die technisch gesehen jedoch nur von durchschnittlicher Qualität waren. Zusätzlich besorgte sich der Versicherte für die Arbeit auf eigene Kosten zwei gebrauchte Hörgeräte, mit denen er am Arbeitsplatz das bluetoothfähige Analogtelefon bedienen konnte.

Vorher hatte er erfolglos bei der Krankenkasse Geräte für rund 4.500 Euro beantragt: Damit könnte er auch sein Handy nutzen, auf das er beruflich angewiesen sei. Die Antwort der Krankenkasse: Er sei bereits mit Hörgeräten versorgt und könne ein Festnetztelefon verwenden. Versicherte hätten keinen Anspruch auf verständliche Telefongespräche mit einem Smartphone. Der Streit mit der Krankenkasse zog sich hin.

Schließlich erhob der Mann, mittlerweile Rentner, Klage beim Sozialgericht Düsseldorf (S 8 KR 1441/15). Nach dem Hinweis des Gerichts auf die Möglichkeit, mit einem Bluetooth-Hörverstärker sein Ziel wesentlich günstiger zu erreichen als mit den gewünschten Hörgeräten, stellte der Ingenieur seine Klage entsprechend um: Er habe den Hörverstärker getestet, erklärte er, mit der Bluetooth-Schnittstelle funktioniere die Kommunikation per Handy gut.

Das Sozialgericht verurteilte die gesetzliche Krankenkasse zur Kostenübernahme, auch wenn dies den vorgesehenen Festbetrag geringfügig überschreiten sollte. Es sei rechtswidrig, die Versorgung des Versicherten mit dem Hörverstärker abzulehnen. Hörgeräte dienten dazu, unmittelbar eine Behinderung auszugleichen. Damit sei ein umfassender Versorgungsanspruch verknüpft — nicht nur die Befriedigung von Grundbedürfnissen.

Der Versicherte könne die Finanzierung des Hörgerätezubehörs verlangen, weil er sich nur auf diese Weise mit dem Handy gut verständigen könne. Auch der Sachverständige, ein Hörgeräte-Akustiker-Meister, habe bestätigt, dass der Bluetooth-Hörverstärker bei mobilen Telefongesprächen das Sprachverstehen erheblich verbessere. Angesichts der niedrigen Kosten von weniger als 200 Euro sei es nicht ansatzweise unverhältnismäßig, wenn der Versicherte Kostenersatz für dieses Zubehör verlange.

Fernsicht statt Nahsicht

Streit ums Honorar für Augenoperation: Patient wollte ohne Brille lesen

Ein Münchner ließ sich in einer Augenklinik am rechten Auge operieren. Ziel des Patienten war es, eine möglichst gute Nahsicht ohne Brille zu erreichen. Zudem sollte der Augenarzt eine Linsentrübung beseitigen. Das Hauptziel wurde jedoch verfehlt: Nach dem Eingriff konnte der Patient mit dem rechten Auge in der Ferne sehr gut sehen, in der Nähe aber nur verschwommen. (Für Experten: Geplant war eine Zielrefraktion von minus 0,75 Dioptrien, das Ergebnis war eine Dioptrienzahl von plus 0,75.)

Mit diesem Resultat war der Patient verständlicherweise unzufrieden. Da vereinbart war, die gleiche Operation auch am linken Auge durchzuführen, fragte er mehrmals nach, ob er dann wohl ohne Brille lesen könnte. Schließlich kündigte der Augenarzt den Behandlungsvertrag. Es folgte ein Rechtsstreit um das Arzthonorar von 2.588 Euro. Der Patient zahlte es nicht: Der Eingriff sei für ihn ohne Wert, erklärte er. Denn ohne Brille könnte er nur lesen, wenn er das rechte Auge erneut operieren ließe.

Die ärztliche Abrechnungsstelle des Mediziners klagte auf Zahlung. Vereinbart sei "Nahsicht" gewesen, damit sei der ideale Bereich eines Bildschirmarbeitsplatzes gemeint, also 80 cm bis 1,17 Meter. Das sei mit einer Operation am linken Auge durchaus zu erreichen. Auf jeden Fall habe der Augenarzt kündigen dürfen. Denn die Konflikte mit dem Patienten nach dem ersten Eingriff hätten das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstört.

Doch das Amtsgericht München konnte kein vertragswidriges Verhalten des Patienten erkennen (159 C 22718/18). Nach dem Resultat des ersten Eingriffs habe er Behandlungsfehler befürchtet. Da sei es nachvollziehbar, wenn der Patient auf einem klärenden Gespräch bestehe — erst recht dann, wenn weitere Behandlungen anstehen. Kündige ein Arzt den Behandlungsvertrag, ohne dass der Patient dafür einen Anlass gegeben habe, könne der Arzt kein Honorar verlangen.

Das gelte jedenfalls dann, wenn seine Leistungen für den Patienten wertlos waren. Und das treffe hier zu, wie der medizinische Sachverständige erläutert habe. Es sei schon falsch gewesen, eine Zielrefraktion von minus 0,75 Dioptrien festzulegen. Damit könne man auf eine Entfernung von 1,33 Metern gut sehen. Dem Patienten sei es aber darum gegangen, besser lesen zu können. Dafür hätte der Augenarzt eine Zielrefraktion von minus 2,5 Dioptrien wählen müssen.

Das — erwartbar schlechte — Ergebnis der ersten Operation sei durch einen Eingriff am linken Auge nicht zu korrigieren. Dann würden die Werte des rechten und des linken Auges so weit auseinanderfallen, dass der Patient bei längerem Lesen jedes Mal Kopfschmerzen bekäme.

Ambulante oder stationäre Behandlung?

Ist ein Klinikaufenthalt nicht "medizinisch notwendig", muss die private Krankenversicherung die Kosten nicht erstatten

Nach einem Ohnmachtsanfall ließ sich ein privat krankenversicherter Mann von seiner Hausärztin in die Klinik S einweisen, wo er zehn Jahre zuvor schon einmal wegen eines Erschöpfungssyndroms behandelt worden war. Damals hatte die Krankenversicherung die Kosten erstattet — aus "Kulanz", wie sie betonte. Dieses Mal lehnte sie den Antrag des Versicherungsnehmers auf Kostenübernahme ab: Seine psychisch bedingten Probleme — Kopfschmerzen, Ohrgeräusche, Erschöpfung — könne er ebenso gut ambulant behandeln lassen.

Trotz dieser Abfuhr entschied sich der Patient für den Klinikaufenthalt. Dafür zahlte er 7.046 Euro und für die Wahlleistung "Chefarztbehandlung" 1.340 Euro extra. Anschließend verklagte er die Versicherung auf Kostenübernahme und begründete die Forderung so:

Aufgrund des komplexen Krankheitsbildes sei eine stationäre Behandlung medizinisch notwendig gewesen. Bei der Beurteilung dessen, was medizinisch notwendig sei, dürften finanzielle Aspekte keine Rolle spielen. Der Grundsatz, dass schon aus Kostengründen die ambulante Behandlung, wo immer möglich, vorzuziehen sei, gelte zwar in der gesetzlichen, nicht aber in der privaten Krankenversicherung.

Dem widersprach das Landgericht Mannheim (9 O 383/19). Eine stationäre Klinikbehandlung sei nur dann als medizinisch notwendig anzusehen, wenn der angestrebte Behandlungserfolg mit einer ambulanten Therapie nicht erreicht werden könne. Das treffe hier nicht zu, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt habe: Ambulante Maßnahmen seien bei einer Stress-Erschöpfungssymptomatik durchaus erfolgversprechend. So eine Therapie sei aber nach den Behandlungsunterlagen nicht durchgeführt worden.

Daher müsse die Krankenversicherung die Kosten nicht erstatten. Auch in der privaten Krankenversicherung gelte, dass die ambulante Behandlung prinzipiell Vorrang habe, was bei aufmerksamer Lektüre der Versicherungsbedingungen ohne weiteres erkennbar sei. Das bedeute aber keineswegs, dass sich Versicherungsnehmer immer auf die kostengünstigste Heilbehandlung verweisen lassen müssten.

Bei der Frage "ambulant oder stationär" gehe es nämlich nicht allein um die Kosten der Therapie, sondern in erster Linie um Mehraufwendungen für Unterkunft, Verpflegung und Betreuung. Die müsse das Versicherungsunternehmen nur tragen, wenn sie unumgänglich seien. Auch privat Versicherte dürften ihre Versicherung — und damit die Gemeinschaft der Versicherten — nicht über das erforderliche Maß hinaus in Anspruch nehmen.

Entgeltfortzahlung bei Krankheit

Führt erneute Arbeitsunfähigkeit durch eine neue Krankheit zu einem neuen Anspruch auf Fortzahlung?

Eine Altenpflegerin war wegen eines psychischen Leidens ab 7.2.2017 krankgeschrieben. Die Arbeitgeberin zahlte ihr Gehalt sechs Wochen lang weiter, wie gesetzlich vorgeschrieben. Der Hausarzt bescheinigte der Angestellten fortdauernde Arbeitsunfähigkeit bis zum 18.5. Deshalb erhielt sie nach der Lohnfortzahlung bis zum 18.5. Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung.

Am 19.5.2017 unterzog sich die Frau einer schon länger geplanten gynäkologischen Operation. Die Frauenärztin schrieb sie vom 19.5. bis zum 30.6. krank. Während dieser Zeit erhielt die Altenpflegerin weder Entgeltfortzahlung, noch Krankengeld. Für diesen Zeitraum hätte sie aber Anspruch auf Entgeltfortzahlung gehabt, meinte die Arbeitnehmerin und zog deswegen vor Gericht: Denn ab dem 19.5.2017 sei sie wegen einer anderen Krankheit arbeitsunfähig gewesen.

Den Umständen nach sei von einem "einheitlichen Fall" auszugehen, fand dagegen die Arbeitgeberin. So sah es auch das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 505/18). Ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entstehe nur, wenn die erste Arbeitsunfähigkeit beendet war, als ein neues Leiden erneut zu Arbeitsunfähigkeit führte. Werde einem Arbeitnehmer ein weiteres Mal Arbeitsunfähigkeit attestiert, müsse er im Streitfall belegen, dass zu diesem Zeitpunkt die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit beendet war.

Das sei anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet habe — und sei es nur kurzfristig. Dass die erste Krankheit andauerte, sei dagegen anzunehmen, wenn die Arbeitsverhinderungen direkt aufeinanderfolgten oder zwischen ihnen nur ein arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liege.

Der Hausarzt habe zwar ausgesagt, die Behandlung wegen psychischen Leidens sei am 18.5. abgeschlossen und die Arbeitsunfähigkeit beendet gewesen. Doch er habe die Frau seit April nicht mehr in der Praxis gesehen oder mit ihr persönlich gesprochen. Seine Aussage sei also nur eine Vermutung und nicht das Ergebnis einer medizinischen Untersuchung gewesen. Gegen die Aussage spreche zudem die Tatsache, dass die Arbeitnehmerin im Juli eine Psychotherapie begonnen habe.

"Entfernt 99,99% der Viren"!

Desinfektionsmittelhersteller streiten um irreführende Reklame mit Coronavirus-Bezug

Das Desinfektionsmittel "AMOAIR" soll, um Viren zu bekämpfen, im Raum versprüht werden. Der Hersteller warb auf seiner Webseite so für das Produkt: "Damit sind 99,99% der schädlichen Bakterien und Viren aus der gesamten Raumluft und von sämtlichen Oberflächen entfernt".

Diese Werbeaussage wurde von einem Konkurrenten als irreführend kritisiert: Sie erwecke beim Verbraucher den falschen Eindruck, die versprochene Wirkung des Produkts stehe fest, sei wissenschaftlich abgesichert. Das treffe jedoch nicht zu. Das Landgericht München I verbot die Reklame (4 HK O 9484/20).

Bei Aussagen über die Wirkung von Produkten auf die Gesundheit sei ein strenger Maßstab anzulegen, so das Landgericht: Aussagen müssten richtig, eindeutig und klar sein. Und um gesundheitsbezogene Werbung gehe es hier: In Zeiten der Corona-Pandemie sei die Frage, ob und wie Coronaviren aus der Raumluft und von Oberflächen entfernt werden könnten, eine der brennendsten Fragen überhaupt und das weltweit.

Das Versprechen, das der Desinfektionsmittelhersteller auf seiner Webseite formuliere, könne er nicht im Mindesten einhalten. Einen wissenschaftlichen Beweis für die Wirkung des Produkts gebe es nicht. Mit den vorgelegten Unterlagen habe der Produzent von "AMOAIR" jedenfalls nicht belegen können, dass das Versprühen seines Desinfektionsmittels einen beträchtlichen Anteil Viren aus der Raumluft oder von Oberflächen entferne.