Gesundheitswesen

Zeige 20 von 711 Urteilen

Chronisch Kranke verlangt unbefristete Leistungszusage

Privater Krankenversicherer muss nur bereits entstandene Aufwendungen erstatten

Infolge einer Kinderlähmung, die sie als Kleinkind erlitt, leidet die 1950 geborene Frau heute noch an Lähmungserscheinungen und diversen Folgeproblemen wie Schmerzattacken. Mit ihrer privaten Krankenversicherung hat die Seniorin bereits häufig vor Gericht über den Umfang der Heilbehandlungen gestritten, z.B. darüber, wie oft Wärmebehandlungen oder Lymphdrainage medizinisch erforderlich sind.

Wohl, um sich weitere Prozesse zu ersparen, verlangte die Versicherungsnehmerin schließlich eine dauerhafte Zusage vom Versicherer, dass er zeitlich unbefristet "physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen" erstatten werde, die sie regelmäßig brauche. Für diesen Anspruch sah das Oberlandesgericht Saarbrücken jedoch keine Rechtsgrundlage (5 U 91/22).

Private Versicherer seien zur Leistung nur verpflichtet, wenn der oder die Versicherte Rechnungen vorlege, bezahlte oder unbezahlte. Versicherungen müssten nur bereits entstandene, rechtlich begründete Aufwendungen für Ärzte, Physiotherapeuten etc. erstatten. Für Maßnahmen wie Krankengymnastik, Massage, Fango usw. müsse eine Verordnung des behandelnden Mediziners vorliegen.

Anspruch auf Kostenersatz entstehe nur durch die jeweils aktuelle ärztliche Verordnung. Dass sich im konkreten Fall der Gesundheitszustand der Versicherten voraussichtlich nicht mehr bessern werde, ändere daran nichts. Denn in der privaten Krankenversicherung sei der Versicherungsfall nicht die Krankheit, sondern die deswegen vorgenommene, medizinisch notwendige Heilbehandlung.

Unabhängig von einer konkreten Heilbehandlung gebe es daher keine Leistungszusage. Damit müsste sich das Versicherungsunternehmen entgegen seinen berechtigten Interessen dauerhaft binden. Versicherungen müssten jedoch die Möglichkeit haben, bei jedem Erstattungsantrag neu zu prüfen, ob eine Behandlung und die aus diesem Anlass verordneten Heil- und Hilfsmittel medizinisch notwendig seien.

Blutabnahme für die Eigenbluttherapie

Kurzartikel

Laut Transfusionsgesetz ist die Blutabnahme ausschließlich Ärzten vorbehalten. Homöopathen und Heilpraktiker dürfen ihren Patienten auch für die Eigenbluttherapie kein Blut abnehmen. Eigenbluttherapie bedeutet, Patienten das eigene Blut angereichert mit Sauerstoff-Ozon oder homöopathischen Arzneimitteln wieder zu injizieren. Der Arztvorbehalt soll gewährleisten, dass Blut und Blutbestandteile nur auf sichere Art und Weise gewonnen werden.

Klinik oder regionales Gesundheitszentrum?

Bürger haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Organisation der Gesundheitsversorgung

Ein Bürger wandte sich gegen den Plan der Landesregierung von Niedersachsen, die Ubbo-Emmius-Klinik in Norden in ein regionales Gesundheitszentrum umzuwandeln. Er beantragte per Eilverfahren, das Vorhaben zu stoppen. Doch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erklärte ihm, Bürger hätten keinen Anspruch auf bestmöglichen Schutz oder darauf, dass ihre medizinische Versorgung in einer bestimmten Art und Weise gewährleistet wird (14 ME 75/23).

So ein Anspruch sei weder aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, noch aus dem niedersächsischen Krankenhausgesetz abzuleiten. Der Staat sei laut Grundgesetz dazu verpflichtet, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu schützen und zu fördern, so das Gericht. Die verantwortlichen Politiker hätten dabei aber große Gestaltungsfreiheit: Wie und in welchem Umfang sie den Schutz organisierten, bleibe eine politische Entscheidung.

Staatsbürger könnten lediglich verlangen, dass von der Politik Maßnahmen getroffen werden, die nicht unzulänglich oder ungeeignet zum Schutz der Gesundheit seien. So eine Konsequenz sei jedoch durch die Umwandlung der Klinik in ein Gesundheitszentrum nicht zu befürchten: Die Bevölkerung von Norden werde auch künftig in Notfällen gut versorgt.

Patientin vertraut dem Therapeuten ein Geheimnis an

Trotz guter Absichten verletzt es die Schweigepflicht, private Geheimnisse an Kollegen weiterzugeben

In einem Heim für psychisch gestörte, schwer erziehbare Jugendliche wandte sich ein Mädchen an einen der Psychotherapeuten. Erst erkundigte sich die Patientin nach seiner Schweigepflicht. Dann eröffnete sie ihm, sie unterhalte eine sexuelle Beziehung zum Heimleiter. Der Therapeut fand es unerträglich, dass das Heim von einer Person geleitet wurde, die ihre Befugnisse nutzte, um sexuelle Kontakte zu Schutzbefohlenen aufzunehmen. Darüber hinaus befürchtete der Psychotherapeut, das Mädchen könnte Selbstmord begehen. Aus diesen Gründen informierte er seine Kollegen, um sich mit ihnen zu beraten.

Das Bayerische Oberste Landesgericht verurteilte den Therapeuten wegen Verletzung von Privatgeheimnissen (2 St RR 157/94). Der Psychotherapeut könne sich nicht darauf berufen, dass die Empfänger der Mitteilung genauso wie er selbst schweigepflichtig gewesen seien. Etwas anderes würde nur gelten, wenn den Gesprächsteilnehmern das Geheimnis bereits bekannt gewesen wäre.

Seniorin bei einem Busunfall schwer verletzt

Schadenersatz für Heimbetreuung oder wäre diese "sowieso nötig" gewesen?

Der Fahrer eines Linienbusses war losgefahren, obwohl die Plastiktüte in der Hand einer alten Dame in der Tür eingeklemmt war. Die 82-Jährige geriet mit ihrem rechten Bein zwischen den Radkasten und den Zwillingsreifen. Es wurde zerquetscht und musste amputiert werden. Nach dem Krankenhausaufenthalt konnte die Frau nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren, in der sie sich bis zum Unfall selbst versorgt hatte.

Sie verlangte vom Busfahrer und seiner Arbeitgeberin, den kommunalen Verkehrsbetrieben, den Mehraufwand ersetzt, der nun aufgrund der notwendigen Unterbringung in einem Heim auf sie zukam. Das Oberlandesgericht Hamm gab ihr im Prinzip recht, begrenzte den Anspruch aber auf 14 Monate. Begründung: Nach dem persönlichen "Eindruck", den die Frau auf die Richter gemacht habe, hätte sie sich spätestens nach diesem Zeitraum ohnehin in ein Heim begeben müssen.

Der Bundesgerichtshof kassierte dieses Urteil und gab dem Oberlandesgericht Hamm auf, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen und auf dessen Basis noch einmal zu entscheiden (VI ZR 106/94). Der Eindruck in der mündlichen Verhandlung ersetze medizinisches Fachwissen nicht. Bleibe nach dem Gutachten immer noch offen, ob die Frau auch ohne den Unfall bald pflegebedürftig geworden und auf Betreuung in einem Heim angewiesen wäre, gehe dies zu Lasten des Schädigers.

Grundsätzlich müssten der Busfahrer und seine Arbeitgeberin für die Unfallfolgen haften. Dass Senioren ab einem bestimmten Alter ins Heim "gehörten", sei kein Naturgesetz.

Zusammenbruch beim Triathlon

Sportler will sich partout nicht behandeln lassen und wirft den Sanitätern danach unterlassene Hilfeleistung vor

2017 hatte sich ein Lehrer zu einem "Jedermann-Triathlon" angemeldet. Dabei mussten die Teilnehmer 750 Meter schwimmen, 20,4 km radfahren und fünf km laufen. Vorher mussten alle bei der Anmeldung unterschreiben, dass ihr Trainingszustand diesen Anforderungen entspricht und dass sie über die Gefahren durch Überanstrengung Bescheid wissen. Auch der Lehrer gab diese Erklärung ab und überschätzte seine Leistungsfähigkeit.

Seit zwei Jahren hatte er keinen Wettkampf mehr absolviert. Zudem litt der Mann an Bronchialasthma und hatte gerade erst eine Erkältung hinter sich gebracht. Am Tag des Triathlon-Wettkampfs herrschten mehr als 30 Grad Celsius. Unterwegs wirkte der Hobbysportler bereits erschöpft. Beim Laufen torkelte er auf der Zielgeraden und erreichte das Ziel nur mit Müh und Not. Dort legte sich der Pädagoge ausgepowert auf den Boden.

Sofort eilten Sanitäter herbei, denen er jedoch erklärte, er brauche keine Behandlung. Als sie ihn mit der Trage ins Sanitätszelt bringen wollten, kletterte der "Patient wider Willen" von der Trage. Im Zelt legten ihm die Sanitäter eine Infusion. Sie mussten die Maßnahme aber abbrechen, weil der Mann um sich schlug und randalierte. Schließlich verschlechterte sich sein Zustand so, dass er nicht mehr ansprechbar war — nun riefen die Sanitäter einen Notarzt. In einer Klinik wurden Unterzucker und akutes Nierenversagen diagnostiziert.

Als sich der Lehrer von seinem Kollaps erholt hatte, verklagte er den Veranstalter des Triathlons und den Sanitätsdienst auf Schmerzensgeld: Die verzögerte Behandlung sei als unterlassene Hilfeleistung zu bewerten, meinte er. Das Landgericht Dresden war allerdings anderer Ansicht und wies die Klage ab (10 O 2201/20). Grundsätzlich müssten Patienten einer medizinischen Behandlung vorher zustimmen, betonte das Landgericht.

Und der Triathlet habe im Sanitätszelt mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, man solle ihn in Ruhe lassen und nicht behandeln. Dann könne er nicht nachträglich den Rettungskräften vorwerfen, er sei zu spät behandelt worden. Sie hätten vorschriftsmäßig gehandelt, indem sie seinen Willen respektierten. Selbst wenn der Lehrer möglicherweise schon im Delirium gewesen sei, sei das für die Sanitäter nicht klar erkennbar gewesen.

Auf die Sanitäter habe er keineswegs "verwirrt" gewirkt. Sie seien daher nicht von einem Ausnahmefall ausgegangen: Nur wenn ein Patient offenkundig nicht in der Lage sei, eine eigene Entscheidung zu treffen, dürften Mediziner und Rettungskräfte dessen Willen ignorieren. Schließlich sei nicht nur unterlassene Hilfeleistung, sondern auch eine aufgezwungene Behandlung gegen den Willen des Patienten als Körperverletzung strafbar.

Zeitarbeiter nach der Krankmeldung entlassen

Arbeitgeber zweifelt die AU-Bescheinigung an und verweigert die Entgeltfortzahlung

14 Monate war Arbeitnehmer B bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Am 2.5.2022 meldete er sich für vier Tage krank. Darauf reagierte die Arbeitgeberin noch am selben Tag mit Kündigung zum Monatsende. Das Schreiben ging dem Arbeitnehmer am nächsten Tag zu. Bis zum 31.Mai legte der entlassene Zeitarbeiter mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines Hausarztes mit unterschiedlichen Diagnosen vor.

Kündigung und Krankschreibung seien hier doch sehr auffällig zusammengetroffen, fand die Firma. Sie bezweifelte die AU-Bescheinigungen des Mediziners und verweigerte B die Entgeltfortzahlung für den Monat Mai. Der Zeitarbeiter klagte sie ein und bekam vom Arbeitsgericht Hildesheim Recht. Gegen das Urteil legte die Arbeitgeberin erfolglos Berufung ein.

Es wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen bestätigt (8 Sa 859/22). Ernste Zweifel an einer ärztlichen AU-Bescheinigung seien angebracht, wenn sich ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung sozusagen "postwendend" krank melde. Das gelte vor allem dann, betonte das LAG, wenn mehrere AU-Bescheinigungen lückenlos die gesamte Dauer der Kündigungsfrist abdeckten.

Anders sei der Sachverhalt aber zu bewerten, wenn sich ein Arbeitnehmer — wie B im konkreten Fall — erst krank melde und danach entlassen werde. Damit stehe keineswegs fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Kündigung und Krankheit des Arbeitnehmers bestehe. Der "Beweiswert" der AU-Bescheinigung sei hier nicht erschüttert. Daher sei es nicht gerechtfertigt, dem Mann die Entgeltfortzahlung vorzuenthalten. (Die Zeitarbeitsfirma hat gegen das Urteil Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt.)

Kosten einer Fettabsaugung sind steuerlich absetzbar

Das gilt aber nur, wenn eine krankhafte physische Störung behandelt wurde

Frau X leidet seit langem an einer krankhaften Störung der Fettverteilung ("Lipödem"), bei der sich das Fett vor allem an Beinen, Hüfte und Gesäß der Betroffenen übermäßig vermehrt. Da konservative Behandlungsmethoden erfolglos blieben, ließ sich die Patientin schließlich auf Anraten ihres Arztes Fett absaugen ("Liposuktion"). Ihre Krankenkasse lehnte es ab, die Kosten des Eingriffs zu übernehmen: Dafür liege keine Empfehlung des "Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen" vor.

Als Frau X die Behandlungskosten bei ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnlichen Aufwand geltend machte, winkte auch das Finanzamt ab: Die Liposuktion sei erstens eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode. Zweitens fehle ein Gutachten des Medizinischen Dienstes zur medizinischen Notwendigkeit des Eingriffs. So eine Bescheinigung hätte vor Beginn der Behandlung ausgestellt werden müssen.

Die Klage der Patientin gegen den Steuerbescheid hatte beim Bundesfinanzhof Erfolg (VI R 39/20). Das oberste deutsche Finanzgericht bescheinigte dem Finanzamt, medizinisch nicht auf der Höhe der Zeit zu sein: Unter Medizinern bestehe schon seit 2016 Einigkeit, dass das Fettabsaugen bei einem Lipödem wirksam und zweckmäßig sei. Darüber gebe es keine nennenswerten Debatten mehr.

Dass der "Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen" das Fettabsaugen noch nicht in das Leistungsverzeichnis der von den Krankenkassen zu finanzierenden Behandlungsmethoden aufgenommen habe, spiele bei der Einkommensteuer keine Rolle. Denn die bei Frau X durchgeführte Liposuktion habe nachweislich nicht kosmetischen Zwecken gedient, sondern sei medizinisch notwendig gewesen.

Daher seien die Behandlungskosten als außergewöhnliche Belastung der Steuerzahlerin steuermindernd zu berücksichtigen. Dafür müsse Frau X weder ein amtsärztliches Gutachten, noch eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorlegen.

Anspruch auf nicht zugelassenes Medikament?

Auch und gerade bei todkranken Versicherten geht die Sicherheit der Arzneimittel vor

Ein 19-jähriger Patient leidet an Duchenne-Muskeldystrophie, einer seltenen, genetisch bedingten Erkrankung, an der die Betroffenen meist schon im frühen Erwachsenenalter sterben. Der Patient ist seit 2015 gehunfähig. Bei seiner Krankenkasse hatte er die Kostenübernahme für das Medikament "Translarna" beantragt. Doch dieses Arzneimittel ist nur für gehfähige Patienten zugelassen.

Mit dieser Begründung lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme ab: Zwei Anträge des Herstellers, die Zulassung für das Medikament auf "nicht mehr gehfähige Dystrophie-Patienten" zu erweitern, seien aufgrund negativer Bewertungen von der Europäischen Arzneimittel-Agentur 2019 abgewiesen worden. Daher habe der Versicherte keinen Anspruch auf Kostenübernahme für dieses Arzneimittel.

Das Bundessozialgericht gab der Krankenkasse Recht (B 1 KR 35/21 R). Wenn sich Versicherte wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung in einer Notlage befänden, werde in der Regel großzügig entschieden. Häufig bekämen sie sogar Medikamente, deren Wirksamkeit medizinisch noch nicht 100-prozentig belegt sei — sofern wenigstens eine geringe Aussicht auf Heilung oder positiven Einfluss auf die Krankheit bestehe.

Davon könne man aber nicht ausgehen, wenn die Arzneimittelbehörde die Unterlagen eines Pharmaunternehmens im Zulassungsverfahren geprüft und negativ bewertet habe. Dabei spiele es keine Rolle, ob die negative Beurteilung auf einer aussagekräftigen medizinischen Studienlage beruhe oder ob der medizinische Nutzen des Medikaments wegen methodischer Probleme bei der Auswahl der Herstellerdaten nicht bestätigt worden sei.

Auch und gerade bei so schweren Erkrankungen müsse die Arzneimittelbehörde die Patienten vor unkalkulierbaren Risiken schützen. Aufgrund ihrer fachlichen Expertise gewährleiste das Zulassungsverfahren eine wissenschaftlich einwandfreie und unabhängige Prüfung, inklusive Ausnahmeregeln für Härtefälle. Auf Arzneimittel ohne Zulassung hätten gesetzlich Krankenversicherte daher grundsätzlich keinen Anspruch.

Vom "Stellvertreter" statt vom "Wahlarzt" behandelt

Dass der Chefarzt verhindert war, stand von vornherein fest: Klinik-Wahlleistungsvereinbarung wirksam?

Ein Patient musste wegen einer dringenden Herzkatheteruntersuchung ins Krankenhaus. Bei der Aufnahme schloss er mit der Klinik eine Wahlleistungsvereinbarung. Demnach hätte ihn der Chefarzt der Fachabteilung untersuchen sollen. Doch die Verwaltungsmitarbeiterin an der Rezeption teilte dem Patienten sofort mit, der Chefarzt sei verhindert und könne die Behandlung nicht persönlich durchführen.

Zusätzlich zur Wahlleistungsvereinbarung unterschrieb der Mann eine Patientenerklärung und versicherte darin, er sei über alle Optionen informiert worden: Er könne sich für das gleiche Honorar von einem Stellvertreter des Chefarztes oder vom diensthabenden Arzt ohne Zuzahlung untersuchen lassen oder die Behandlung verschieben, bis der Wahlarzt zur Verfügung stehe. Er könne auch die Wahlleistungsvereinbarung auflösen und sich in einer anderen Klinik behandeln lassen.

Der Patient ließ sich vom Stellvertreter untersuchen und wurde nach zwei Tagen aus der Klinik entlassen. Doch die Rechnung über 3.143 Euro bezahlte er nicht. Die Wahlleistungsvereinbarung sei unwirksam, erklärte der Mann: Denn das höhere Honorar für die "Wahlleistung Arzt" setze voraus, dass der Arzt seiner Wahl die Untersuchung auch tatsächlich durchführe. Als er die Wahlleistungsvereinbarung bei der Aufnahme in die Klinik unterschrieben habe, sei aber bereits klar gewesen, dass der Chefarzt ihn nicht behandeln könne.

Das Landgericht Heidelberg entschied den Streit ums Honorar zu Gunsten der Klinik (4 S 3/22). Wenn von Anfang an feststehe, dass der Wahlarzt verhindert sei, werde dadurch die Wahlleistungsvereinbarung nicht automatisch unwirksam, so das Landgericht.

Der Chefarzt könne seine Aufgabe wirksam auf einen Stellvertreter übertragen — wenn absehbar sei, dass er wegen eines Urlaubs, einer Krankheit etc. einen Patienten nicht selbst behandeln könne. Die Klinik müsse dann allerdings mit dem Patienten zusätzlich zur Wahlleistungsvereinbarung eine Stellvertretervereinbarung treffen.

Im konkreten Fall sei alles vorschriftsmäßig abgelaufen: Der Patient sei vor Vertragsschluss darüber informiert worden, dass der Wahlarzt verhindert sei und dass Stellvertreter X die wahlärztlichen Leistungen zu den vereinbarten Bedingungen übernehme, wenn der Patient einverstanden sei. Diesem Vorschlag habe er zugestimmt. Vorher sei der Patient über alle anderen Möglichkeiten unterrichtet worden. Nur eine davon — die Herzkatheteruntersuchung zu verschieben — sei für ihn aus medizinischen Gründen nicht in Frage gekommen.

Kein Recht auf ein Zweitgutachten

Versicherter verlangt von der Krankenkasse mehr Hilfe für einen Arzthaftungsprozess

Krankenkassen sollen ihre Versicherten unterstützen, wenn diese wegen ärztlicher Behandlungsfehler Ansprüche geltend machen wollen. Allerdings nicht unbegrenzt, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (L 16 KR 432/22). Im konkreten Fall wollte ein 57 Jahre alter Mann den Operateur auf Schmerzensgeld verklagen, der ihn aufgrund einer Vorhautverengung beschnitten hatte.

Mit diesem Anliegen wandte sich der Patient an die Krankenkasse: Seit dem Eingriff leide er an Impotenz und Schmerzen, was zudem Depressionen ausgelöst habe. Der Mann führte die Probleme auf einen Behandlungsfehler zurück. Außerdem sei er nicht richtig über die Operation aufgeklärt worden. Ihm gehe es aber nicht nur um Geld, sondern um ein schmerzfreies, funktionsfähiges Geschlechtsteil — notfalls müsse ihm ein anderer Mediziner auf Kosten des Operateurs eine Ersatzvorhaut transplantieren.

Seine Krankenkasse beauftragte den Medizinischen Dienst mit einem Gutachten zu eventuellen Behandlungsfehlern. Doch das Ergebnis gefiel dem Versicherten ganz und gar nicht: Eine Beschneidung sei nicht geeignet, Beschwerden wie Impotenz zu verursachen, erklärte der Medizinische Dienst. Nun forderte der Versicherte ein weiteres Gutachten, außerdem müsse man seine Frau als Zeugin vernehmen. Als die Krankenkasse dies ablehnte, zog der Mann vor Gericht.

Doch das LSG urteilte, auf mehr Unterstützung habe er keinen Anspruch. Die gesetzliche Krankenversicherung habe mit dem Gutachten ihre Hilfspflicht erfüllt. Krankenkassen sollten Versicherten die Beweisführung in Arzthaftungsprozessen erleichtern, indem sie Auskunft geben über die von Medizinern gestellten Diagnosen und über die angewandte Therapie, indem sie ärztliche Unterlagen anfordern und Gutachten beim Medizinischen Dienst beauftragten.

Wenn ein Versicherter mit dem Resultat so eines Gutachtens unzufrieden sei, müsse die Krankenkasse deswegen jedoch nicht weitere Gutachten einholen oder selbst Ermittlungen für den Prozess beginnen und Zeugen vernehmen.

Werbung für Meditonsin versprach zu viel

Kurzartikel

Die NRW-Verbraucherzentrale setzte das Verbot einiger Werbeaussagen durch, mit denen der Anbieter des homöopathischen Mittels Meditonsin im Internet geworben hatte. Das betraf die Aussage, Meditonsin reduziere die "Intensität der typischen Erkältungssymptome" "rasch und zuverlässig" sowie ähnliche Behauptungen. Dies sei irreführend, so das Landgericht Dortmund. Solche Aussagen erweckten den falschen Eindruck, erkältete Patienten könnten mit Gewissheit Besserung erwarten, wenn sie das Mittel einnehmen.

"Der einzige Tierarzt, der mit dem Endoskop operiert"

Auch für Tiermediziner gilt das ärztliche Werbeverbot

Ein Hamburger Tierarzt wurde in der Presse in einem ganzseitigen Bildbericht mit seinem Namen und seiner Adresse vorgestellt als "der einzige Tierarzt der Welt, der Hunde und Katzen mit dem Endoskop operiert" (einem Instrument zur Besichtigung des Körperinneren). Damit handelte er sich ein Urteil ein, das ihm die Mitarbeit an solchen Publikationen untersagte.

Das sei Reklame gewesen, stellte das Oberlandesgericht Hamburg fest und warf dem Tierarzt unlauteren Wettbewerb vor (3 U 54/94). Andere Tierärzte, die sich in gebotener Weise bei der Werbung zurückhielten, würden in ihrem beruflichen Fortkommen gehindert, wenn man derartige Artikel zuließe. Das Standesrecht verbiete daher zu Recht jegliche Werbung. Auch wenn das Wettbewerbsrecht in diesem Punkt etwas liberalisiert worden sei: Das Verhalten des Tiermediziners sei zu missbilligen. Hier gehe es nicht um einen Bagatellfall, vielmehr seien die Interessen der Allgemeinheit ernsthaft betroffen.

Strittige Alternativtherapien

Die private Krankenversicherung übernahm eineinhalb Jahre die Behandlungskosten: Vertrauensschutz?

Nach einem Herzinfarkt litt eine Patientin dauerhaft unter Herzproblemen, Blockierungen der Wirbelsäule, heftigen Kopfschmerzen und anderen Beschwerden. Sie vertraute auf einen Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, der bei ihr alternative, wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Therapien anwandte (Photonentherapie, Ozontherapie). Mit geringen Abzügen erstattete die private Krankenversicherung der Frau eineinhalb Jahre lang die Behandlungskosten.

Dann forderte das Unternehmen ausführliche Befunde und kündigte schriftlich an, den Leistungsanspruch der Versicherungsnehmerin genau zu prüfen. Dabei kam die Versicherung zu dem Ergebnis, die Leistungen seien größtenteils nicht als medizinisch notwendig einzustufen. Die letzte Rechnung belaufe sich auf 9.542 Euro, davon würden nur 1.679 Euro erstattet. Die Zahlungsklage der Patientin führte beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe nur zu einem Teilerfolg (12 U 194/22).

Nach den Versicherungsbedingungen sei das Unternehmen nicht verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, bestätigte das OLG: Die Wirksamkeit der betreffenden Therapien sei nicht erwiesen, als medizinisch notwendig seien sie nicht anzusehen. Grundsätzlich gelte: Der Versicherer könne seine Leistungspflicht bei jeder Behandlung neu prüfen, auch dann, wenn der Krankheitszustand des/der Versicherten unverändert sei. Mit der Kostenübernahme lege er sich nicht für die Zukunft fest.

Trotzdem müsse der Versicherer hier ausnahmsweise einen Teil der Kosten übernehmen (4.234 Euro). Würden Behandlungskosten über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos erstattet, werde der Versicherungsnehmer darauf vertrauen, dass dies so bleibe. Das begründe allerdings, wie ausgeführt, noch keine Leistungspflicht. Im konkreten Fall habe jedoch das Vertrauen der Versicherten auf die Kostenübernahme ihre Entscheidung zu Gunsten der fraglichen Behandlung stark beeinflusst und das sei für den Versicherer erkennbar gewesen.

Daher sei es gerechtfertigt, dem Versicherer einen Teil der Kosten aufzuerlegen. Krankheit und Behandlungsmethoden seien im fraglichen Zeitraum gleichgeblieben. Bevor der Versicherer der Versicherten eine genaue Prüfung ankündigte, habe er die Kosten eineinhalb Jahre lang ohne Vorbehalte erstattet. Dass er dabei regelmäßig kleine Abzüge vornahm, habe die Frau nur so verstehen können, dass die Rechnungen geprüft und im Umfang der Kostenübernahme gebilligt worden seien.

Untaugliche Bandscheibenprothesen eingesetzt

Für Probleme mit zugelassenen Medizinprodukten haften nicht die Mediziner

Die konservativen Therapien seien "ausgereizt", hatte der Orthopäde der Patientin S erläutert, die er wegen Rückenproblemen behandelte: Nun müsse man operieren und Bandscheibenprothesen einsetzen. Sie folgte seinem Rat. Die Eingriffe wurden in einer Fachklinik durchgeführt. Der Chirurg verwendete dabei keine herkömmlichen Prothesen mit Titanplatten, sondern ein neues Modell, das vollständig aus Kunststoff bestand (Cadisc).

Es war wohl unzureichend klinisch erprobt, trotzdem CE-zertifiziert und für den europäischen Markt zugelassen worden. Kurz nach der Markteinführung hatte der Hersteller die ersten Chargen zurückgerufen: Man hatte festgestellt, dass die Prothesen an Höhe verloren und schlecht einwuchsen. Später nahm der Hersteller die Cadisc-Modelle vom Markt. Auch bei Frau S mussten die implantierten Prothesen wieder entnommen werden.

Für diese Tortur verlangte die Patientin Schmerzensgeld von der Klinik und vom Operateur. Sie warf ihnen vor, dass sie unzureichend über die Risiken dieser neuen Behandlungsmethode aufgeklärt worden sei. Doch das Oberlandesgericht Oldenburg wies den Vorwurf zurück (5 U 70/19). Hier gehe es nicht um eine Behandlung, mit der medizinisches "Neuland" betreten wurde — und die deswegen mit unbekannten Risiken behaftet gewesen sei.

Wenn ein Eingriff (noch) nicht medizinischer Standard sei, müsse der behandelnde Arzt den Patienten darüber klar informieren. Doch bei den Bandscheibenprothesen seien sich alle Sachverständigen und Experten einig: Die Cadisc-Prothese sei etwas anders gebaut, unterscheide sich aber von etablierten Prothesen im "Risikoprofil" nicht. Probleme (beim Einwachsen, den Höhenverlust etc.) gebe es auch bei herkömmlichen Prothesen, sie würden heutzutage kritisch beurteilt.

Unbekannte Risiken durch eine "Neulandmethode" drohten also nicht, also hätten die Mediziner darauf auch nicht aufklären müssen. Es sei auch kein Behandlungsfehler gewesen, Cadisc-Prothesen einzusetzen. Ärzte dürften sich grundsätzlich auf CE-zertifizierte, zugelassene Medizinprodukte verlassen.

Für Defizite im Zulassungsverfahren der Medizinprodukte hafteten nicht die Mediziner. Ihnen fehle die Sachkunde, das Material zu beurteilen: Das komme im Medizinstudium nicht vor. Wenn ein Patient geltend mache, ihm sei durch ein CE-zertifiziertes Produkt Schaden entstanden, müsse er sich an die Zulassungsstellen wenden.

Kind nach Frühgeburt erblindet

Trotz des besonderen Risikos bei Frühgeborenen empfahl die Klinik einen zu späten Kontrolltermin

Bei Frühgeborenen besteht ein sehr hohes Risiko, dass sich die Netzhaut in den Augen ablöst. Das ist schon lange bekannt. Ein bereits in der 25. Schwangerschaftswoche geborener Junge war im Krankenhaus regelmäßig auch vom Augenarzt untersucht worden. Drei Monate nach der Geburt durften die Eltern das Kind mit nach Hause nehmen. Bei der Entlassung wurde ihnen geraten, die Augen des Jungen nach weiteren drei Monaten kontrollieren zu lassen.

Doch schon nach ca. fünf Wochen war das rechte Auge nicht mehr zu retten: Die Netzhautablösung war so fortgeschritten, dass das Kind auf dem rechten Auge vollständig erblindet ist und auf dem linken Auge hochgradig sehbehindert. Im Namen ihres Jungen verklagten die Eltern das Krankenhaus auf Zahlung von Schmerzensgeld: Es sei ein Behandlungsfehler gewesen, eine so späte Kontrolluntersuchung zu empfehlen.

So beurteilte auch das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg den Fall und sprach dem Kind 130.000 Euro Schmerzensgeld zu (5 U 45/22). Der medizinische Sachverständige habe erläutert, dass die ärztliche Nachkontrolle der Netzhaut deutlich früher hätte stattfinden müssen. Dann hätte man die Augen weiter behandeln können — so hätte z.B. eine Laserbehandlung zu einem früheren Zeitpunkt noch erfolgreich sein können.

Deshalb müsse das Krankenhaus für den Schaden haften, der durch die falsche Empfehlung entstanden sei. Das Schmerzensgeld setzte das OLG sogar deutlich höher an als gefordert und begründete das so: Das Kind werde lebenslang von Hilfen abhängig sein. Darüber hinaus schulde das Krankenhaus dem Jungen auch Ersatz für materielle Schäden, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeglichen würden.

Nikotin als erhöhtes Risiko für die Heilung

Dieser Hinweis des Zahnarztes stellt klar, dass die Behandlung auch misslingen kann

Dem Patienten sollten Zahnprothesen eingesetzt werden. Vor dem Eingriff sprach der Zahnarzt mit dem Raucher darüber und betonte besonders, dass die Prothese in der Regel schlechter einheile, wenn Patienten Alkohol und Nikotin konsumierten. Als der Heilungsprozess dann tatsächlich fehlschlug, klagte der Patient auf Schmerzensgeld.

Begründung: Dass der Eingriff grundsätzlich misslingen könne, habe ihm der Mediziner nicht klargemacht. Er habe ihn nur auf seinen Lebenswandel angesprochen, also sei die Risikoaufklärung unzulänglich gewesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle konnte im konkreten Fall jedoch kein Aufklärungsdefizit erkennen (I U 52/22).

Chirurgische Eingriffe seien nicht immer erfolgreich, so das OLG: Möglicherweise wüssten nicht alle Patienten darüber Bescheid. Im konkreten Fall habe der Zahnarzt diese Information jedoch nicht "unterschlagen", im Gegenteil: Im Zusammenhang mit dem Lebenswandel des Patienten sei das Misserfolgs-Risiko sehr wohl Thema gewesen.

Der Zahnarzt habe mit ihm erörtert, inwiefern seine Gewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum den Erfolg der Behandlung verzögern oder gar gefährden könnten. Das Risiko eines Misserfolgs bestehe grundsätzlich immer, werde durch die Lebensführung im Einzelfall nur deutlich erhöht. Nach diesem Hinweis habe der Patient von der Möglichkeit eines Fehlschlags ausgehen müssen, auch wenn er mit dem Rauchen aufgehört hätte.

Magenspiegelung ohne Schmerzmittel

Ärzte dürfen eine fehlerhafte Therapie auch auf Wunsch des Patienten nicht anwenden

Wegen häufiger Verdauungsprobleme wurde bei einem 14-Jährigen eine Magen- und Darmspiegelung vorgenommen. Beim Vorgespräch mit dem Anästhesisten äußerte die Mutter des Patienten den Wunsch, dem Jungen vor dem Eingriff ein Schmerzmittel zu verabreichen. Einige Wochen später forderte die Frau im Namen des Minderjährigen vom Ärzteteam 30.000 Euro Schmerzensgeld.

Begründung: Entgegen der Absprache habe ihr Sohn während der Untersuchungen kein Schmerzmittel erhalten, die Sedierung sei unzureichend gewesen. Der Junge habe Schmerzen erlitten und fürchte sich nun schrecklich vor endoskopischen Untersuchungen. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden wies die Zahlungsklage ab (4 U 1258/22). Laut Sachverständigengutachten habe der Eingriff medizinischem Standard entsprochen.

Nur im Ausnahmefall werde zusätzlich zur Sedierung, die für sich genommen schon riskant sei, Schmerzmittel gegeben. Bei dem Jungen sei das nicht notwendig. Ob ein Behandlungsfehler vorliege oder nicht, richte sich nach dem medizinischen Standard — und nicht nach Vereinbarungen mit Patienten oder Erziehungsberechtigten. Daher könne es offenbleiben, ob der Anästhesist tatsächlich so eine Absprache getroffen habe - was er bestreite.

Auch ein unbedingter Wunsch des Patienten bzw. der Erziehungsberechtigten würde nämlich den Anästhesisten nicht dazu verpflichten, Schmerzmittel zu verabreichen, wenn dies aus medizinischer Sicht bei dieser Untersuchung nicht geboten oder sogar schädlich sei. Ärzte dürften keine medizinisch fehlerhafte Therapie anwenden, auch wenn Patienten dies ausdrücklich forderten. Dies zu unterlassen, könne also keinen Behandlungsfehler darstellen.

Nichts von dem, was die Mutter vorgetragen habe, begründe einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Nach der ärztlichen Dokumentation habe der Junge tief geschlafen. Auch die gemessenen Werte sprächen dafür, dass die Sedierung bei dem Eingriff gestimmt habe. Die behaupteten Schmerzen dabei seien eine folgenlose Bagatelle gewesen. Dass der Junge weitere Eingriffe fürchte, sei ebenfalls "normal". In dem geschilderten Ausmaß seien Unwohlsein und Angst vor ärztlichen Untersuchungen alltagstypische Erscheinungen, die in der Bevölkerung weit verbreitet seien.

Fitnessstudio ist nicht steuerlich absetzbar

Mitglieder zahlen ihre Beiträge auch für nicht ärztlich verordnete Leistungen des Studios

Wegen ihrer Rückenprobleme hatte der Hausarzt einer Patientin 2018 Wassergymnastik verordnet. Einschlägige Kurse bot das Fitnessstudio an, in dem die Frau Mitglied war. Bei ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 wollte sie die Mitgliedsbeiträge für das Studio als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

Doch das Finanzamt lehnte es ab, die Beiträge vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Dagegen wehrte sich die Steuerzahlerin, scheiterte aber mit ihrer Klage beim Finanzgericht Niedersachsen (9 K 17/21). Als "außergewöhnliche Belastung" würden nur Heilbehandlungskosten anerkannt, die der/die Steuerpflichtige "zwangsläufig" tragen müsse, so das Finanzgericht.

Mit den Mitgliedsbeiträgen fürs Fitnessstudio bezahlten die Mitglieder jedoch auch Leistungen des Studios, die mit den ärztlich verordneten Kursen überhaupt nicht zusammenhängen: z.B. die Sauna oder die Nutzung des Schwimmbades für nicht ärztlich verordnete Aqua-Fitnesskurse. Solche Leistungen würden nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Personen in Anspruch genommen.

Unerheblich sei, ob die Steuerzahlerin die Sauna tatsächlich nutze oder nicht: Jedenfalls seien ihre Aufwendungen für das Fitnessstudio nicht (oder zumindest nicht vollständig) als zwangsläufige Heilbehandlungskosten einzustufen. Daher stellten sie auch keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Einkommensteuergesetzes dar.

Zu wenig Bedenkzeit vor der Nasenoperation?

Die Zustimmung des Patienten kann auch wirksam sein, wenn er sie sofort nach dem Aufklärungsgespräch erklärt

Nach einer missglückten Nasenoperation, bei der eine Hirnblutung aufgetreten war, verlangte ein Bremer Schadenersatz von der Klinik. Sein Vorwurf: Man habe ihm zu wenig Zeit gelassen, die Entscheidung zu überdenken. Daher sei seine Zustimmung zu dem Eingriff unwirksam gewesen.

Tatsächlich hatte der Patient das Einwilligungsformular drei Tage vor dem Eingriff unterschrieben — allerdings direkt nach dem Aufklärungsgespräch über die Operationsrisiken.

Nach den geltenden Regeln muss die Risikoaufklärung vor einer Operation so früh erfolgen, dass der Patient "wohlüberlegt" entscheiden kann. Dieser Grundsatz sei hier verletzt worden, fand das Oberlandesgericht (OLG) Bremen: Dem Patienten stehe wegen der fehlenden Bedenkzeit nach dem Aufklärungsgespräch Schadenersatz zu. Dem widersprach jedoch der Bundesgerichtshof (VI ZR 375/21).

Hier könne sogar offenbleiben, ob der Patient eventuell beim Gespräch vom HNO-Arzt zu einer schnellen Entscheidung gedrängt worden sei, so die Bundesrichter. Das spiele keine Rolle, weil der Mann drei Tage später wie vereinbart in der Klinik erschienen sei. Also habe er genügend Zeit gehabt, seine Entscheidung zu überdenken. Danach habe er stillschweigend nochmals in die Operation eingewilligt, indem er sich in der Klinik aufnehmen ließ.

Patienten müssten rechtzeitig vor einem Eingriff vom behandelnden Arzt über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt werden. Das bedeute aber nicht, dass man unbedingt einen Mindestabstand zwischen dem Aufklärungsgespräch und der Zustimmungserklärung des Patienten einhalten müsse. Vorausgesetzt, die Risikoaufklärung sei korrekt erfolgt, sei es grundsätzlich die Sache des Patienten, wie schnell er sich pro oder contra entscheide.

Der Rechtsstreit wurde ans OLG zurückverwiesen. Es soll nun klären, ob möglicherweise ein Behandlungsfehler vorlag. Damit hatte sich das OLG nicht befasst. Aus seiner Sicht war das folgerichtig, weil es den Anspruch des Patienten auf Schadenersatz bereits wegen der fehlenden Bedenkzeit bejaht hatte.