Ein 1998 verstorbener Mann hinterließ vier Töchter und ein kleines Vermögen: rund 97.000 DM auf einem Sparbuch und ein Guthaben von ca. 12.000 DM auf dem Girokonto bei der Sparkasse. Jedenfalls gab Tochter A — Vertreterin der Erbengemeinschaft aus vier Schwestern — diese Beträge 1999 beim Nachlassgericht an. Das Girokonto wurde aufgelöst und an die Schwestern ausgezahlt. Trotzdem verlangte Frau A 15 Jahre später von der Sparkasse Auskunft über den Verbleib der Guthaben.
Da Kreditinstitute ihre Unterlagen nur zehn Jahre lang aufbewahren müssen, waren diese mittlerweile längst vernichtet worden. Frau A erstattete erfolglos Strafanzeige wegen Unterschlagung — ihr Ehemann klagte erfolglos auf erneute Auszahlung des Girokonto-Guthabens. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass Zweifel aufkamen, als Frau A im Jahr 2016 behauptete, sie habe erst 2014 von der Existenz des Sparkontos erfahren: Die Erbengemeinschaft habe das Sparguthaben nie erhalten, das Sparbuch sei nicht mehr auffindbar.
Frau A beantragte, das Sparbuch für "kraftlos" zu erklären. Das bedeutet, dass das verloren gegangene Dokument selbst keinen Anspruch mehr auf das Guthaben verleiht, damit kein "Unberechtigter" (Finder, Dieb) das Guthaben mit dem Sparbuch abheben kann. Auf diese Erklärung gestützt forderte Frau A von der Sparkasse das angeblich seit 1998 auf dem Sparkonto verbliebene Guthaben.
Das OLG Dresden verurteilte die Sparkasse zumindest zu Auskunft: Die Klägerin sei zwar wenig glaubwürdig, aber zwingend bewiesen habe es die Sparkasse nicht, dass seinerzeit das Sparguthaben an die vier Schwestern ausgezahlt worden sei.
Mit Erfolg wandte sich die Sparkasse an den Bundesgerichtshof: Er hob das Urteil des OLG auf (XI ZR 380/20). Wenn ein Erbe ein nicht entwertetes Sparbuch vorlege, müsse das Kreditinstitut 100-prozentig beweisen, dass das Guthaben schon ausgezahlt wurde. Das gelte jedoch nicht ohne Weiteres, wenn ein Anspruchsteller nur eine "Kraftloserklärung" vorlegen könne, betonten die Bundesrichter. Dieser Umstand spreche doch sehr dafür, dass das Sparbuch nach Auszahlung des Guthabens entwertet und/oder vernichtet wurde. Das habe das OLG außer Acht gelassen.
Obendrein sei hier das fragwürdige Verhalten der Klägerin und ihres Ehemannes zu berücksichtigen: Immerhin hätten sie in Kenntnis der Auszahlung 1999 das Girokonto-Guthaben erneut gefordert. Das OLG habe dem Paar deshalb selbst schon eine "niedrige, zu unlauteren Handlungen bereite Gesinnung" attestiert. Frau A habe sich die "Kraftloserklärung" mit der falschen Behauptung erschlichen, sie habe erst 2014 erfahren, dass zum Nachlass des Vaters ein Sparbuch gehörte.
Dabei zeige das von ihr 1999 erstellte Nachlassverzeichnis, dass sie über das Sparbuch und die Höhe des Guthabens Bescheid wusste. Dass sie es sich nicht auszahlen ließ, sei doch sehr unwahrscheinlich: Diesem Widerspruch hätte das OLG nachgehen müssen. Da das OLG ohne diese Rechtsfehler zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, müsse es sich mit dem Fall noch einmal befassen.