Geld & Arbeit

Reihenhaus wegen Mängeln nicht vollständig bezahlt

Darf der Bauträger den Erwerbern deshalb Übergabe und Grundbucheintrag verweigern?

Im Herbst 2015 hatte ein Ehepaar mit einem Bauunternehmen einen Bauträgervertrag über ein Reihenhaus abgeschlossen (Kaufpreis: 418.762 Euro). Der Bau wurde viel später fertiggestellt als geplant, zudem beanstandeten die Käufer diverse Mängel. Sie zahlten den Kaufpreis bis auf einen Restbetrag von 33.817 Euro (ca. acht Prozent des Kaufpreises). Den hielten die Eheleute wegen der Baumängel zurück.

Im Gegenzug weigerte sich das Bauunternehmen, ihnen das Eigentum am Hausgrundstück zu übertragen und sie als Eigentümer ins Grundbuch eintragen zu lassen. Darauf hätten die Hauskäufer Anspruch, entschied das Landgericht Augsburg. So sah es auch das Oberlandesgericht München, das die Berufung des Bauträgers abwies (27 U 2211/20 Bau). Auch wenn noch rund acht Prozent des Kaufpreises offen seien, habe das Unternehmen im konkreten Fall kein Recht, die Leistung zu verweigern.

Einem Bauträger stehe die Vergütung erst zu, wenn er das Bauvorhaben vollständig fertiggestellt habe und das Objekt abgenommen sei. Wenn Käufer — wie hier — Mängel beanstandeten, jedoch den vereinbarten Kaufpreis größtenteils schon gezahlt hätten, verstoße es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wegen eines verhältnismäßig geringen Zahlungsrückstands den Grundbucheintrag abzulehnen.

Im Gesetz gebe es keine feste Grenze dafür, welcher Restbetrag als geringfügig anzusehen sei. Dessen Höhe sei natürlich wichtig, letztlich seien aber alle konkreten Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen. Und die sprächen hier zusammen mit dem geringen Restbetrag dafür, den Käufern das Recht auf den Grundbucheintrag zuzusprechen.

Sie hätten ein Privatgutachten zu den gerügten Mängeln vorgelegt, das durchaus nachvollziehbar einige Defizite der Bauträger-Leistung aufzeige. Die Käufer könnten also wahrscheinlich vom Bauträger einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung verlangen, den sie mit dessen Restforderung verrechnen könnten. Darüber hinaus schulde ihnen das Bauunternehmen Entschädigung als Ausgleich für die verspätete Fertigstellung des Objekts. Auch diesen Anspruch könne das Ehepaar verrechnen. (Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts am 1.9.2021 bestätigt, AZ.: VII ZR 339/20)

Unglück beim Minigolfspiel im Kinderheim

Es gibt Unfälle, für die niemand verantwortlich ist

Zu einem Kuraufenthalt auf der Insel Norderney fand sich eine Gruppe asthmakranker Kinder ein, sieben bis zwölf Jahre alt. An einem Nachmittag spielten etwa 15 Kinder auf dem zu dem Heim gehörenden Minigolfplatz. Beaufsichtigt wurden die Kinder von einer ausgebildeten Kinderpflegerin, die kurz vorher ihre erste Stelle in diesem Heim angetreten hatte. Sie hatte den Kindern erklärt, sie sollten sich an den Minigolfbahnen nicht direkt hinter die spielenden Kameraden, sondern mit Abstand auf die Seite stellen. Sonst könne sie der Spieler leicht mit dem Schläger treffen.

Die Kinder hielten sich an diese Regel; trotzdem kam es zu einem Unfall. Als einer aus der Gruppe zu einem besonders kräftigen Schlag ausholte und den Ball verfehlte, traf er den an der Seite stehenden, siebenjährigen Freund ins Gesicht. Der Junge wurde sofort operiert, sein linkes Auge konnte jedoch nicht gerettet werden.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte nun zu entscheiden, ob man den Neunjährigen, der den Schlag ausgeführt hatte, die Kinderpflegerin, die Heimleitung oder gar den Träger des Heimes zur Verantwortung ziehen kann (14 U 9/92). Es sah sich jedoch nicht in der Lage, eine der beteiligten Personen für den Unfall haftbar zu machen.

Den Neunjährigen treffe kein Vorwurf. In diesem Alter sei der Spieltrieb noch sehr stark ausgeprägt. Anders als bei einem Erwachsenen könne man von einem Neunjährigen nicht erwarten, dass er ständig alle möglichen Konsequenzen seines Tuns reflektiere. Die Kinderpflegerin habe die Kinder ausreichend eingewiesen, ihr könne man auch kein Verschulden vorwerfen. Heimleitung und Träger des Heims hätten ihrer Sorgfaltspflicht ausreichend Genüge getan. Dass die Kinderpflegerin Berufsanfängerin gewesen sei, sei kein Grund, ihr die Betreuung spielender Kinder nicht anzuvertrauen.

Corona-Impfnachweis gefälscht

Kundenbetreuerin wurde von der Arbeitgeberin fristlos entlassen: Kündigung ist wirksam

Die Angestellte arbeitete für eine Beraterfirma im Bereich betrieblicher Gesundheitsförderung und betreute vor allem Pflegeeinrichtungen als Kunden. Anfang Oktober 2021 teilte die Arbeitgeberin mit, ab November 2021 dürften nur noch vollständig gegen Covid-19 geimpfte Mitarbeiter Kundentermine vor Ort wahrnehmen. Da der Teamleiter wusste, dass sich die Mitarbeiterin lange nicht hatte impfen lassen, fragte er nach.

Mittlerweile sei sie geimpft, erklärte die Angestellte und legte der Personalabteilung auch einen Impfausweis vor. Kundenunternehmen besuchte sie im November und Dezember weiterhin persönlich. Doch dann prüfte die Personalabteilung die Impfausweise. Resultat: Die Impfstoff-Chargen, die im Impfausweis der Kundenberaterin standen, waren erst nach ihren angeblichen Impfterminen verimpft worden. Daraufhin wurde die Frau entlassen.

Ihre Kündigungsschutzklage scheiterte beim Arbeitsgericht Köln (18 Ca 6830/21). Die Angestellte habe die 2-G-Regel der Beraterfirma missachtet, die für den direkten Kontakt zu Kunden gegolten habe. Damit habe sie grob gegen ihre Pflicht verstoßen, die Interessen ihrer Arbeitgeberin zu wahren. Den Teamleiter habe sie angelogen und diese Unwahrheit mit einem gefälschten Impfpass "untermauert".

Lege eine Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin einen gefälschten Impfnachweis vor, um weiterhin Kundentermine absolvieren zu können, zerstöre dieses Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien. Für die Arbeitgeberin sei es infolgedessen unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Gegen das Datenschutzgesetz habe die Firma mit ihrer Kontrollmaßnahme nicht verstoßen. Wenn ein Mitarbeiter seinen Impfstatus nicht durch QR-Code belegen konnte, seien Arbeitgeber — jedenfalls im Winter 2021/2022 — per Infektionsschutzgesetz sogar dazu verpflichtet gewesen, den Impfstatus durch Abgleich mit den öffentlich erhältlichen Daten der Chargenabfrage zu überprüfen.

Auszubildender schwänzt Nachholprüfung

Dem Arbeitgeber legte der Azubi eine falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor: Kündigung

In einem Fitnessstudio machte ein 24-Jähriger eine Ausbildung zum Sport- und Gesundheitstrainer. In der Berufsschule war er durch eine Prüfung gefallen, die er am 5./6. Oktober 2021 wiederholen sollte. Zur Prüfung erschien der Auszubildende weder am 5.10., noch am 6.10. Stattdessen kam er am 6.10. ins Fitnessstudio und überreichte dem Chef eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, vom Hausarzt ausgestellt für den Zeitraum vom 5. bis 7.10.2021.

Keine gute Idee war es, dass der junge Mann anschließend im Studio ein intensives Krafttraining absolvierte. Dass dieser Widerspruch auffallen würde, hätte er sich eigentlich denken können. Der Studioinhaber kündigte ihm sofort und fristlos. Die Kündigungsschutzklage des Auszubildenden wurde vom Arbeitsgericht Siegen abgewiesen (5 Ca 1849/21).

Der Auszubildende habe Krankheit vorgetäuscht und damit den Arbeitgeber getäuscht. Das verstoße in gravierender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Der Auszubildende habe sich nur krankschreiben lassen, um die Nachholprüfungen schwänzen zu können. Angeblich sei er spontan genesen — eine äußerst unglaubwürdige Schutzbehauptung, so das Arbeitsgericht.

Ob er auch seinen Hausarzt getäuscht und sich die Bescheinigung erschlichen habe oder ob es sich um eine Gefälligkeitsbescheinigung des Mediziners handelte, könne hier offenbleiben. Für den Arbeitgeber sei es jedenfalls nach diesem Vertrauensbruch unzumutbar, den Auszubildenden weiterhin zu beschäftigen. Kein Ausbilder müsse es hinnehmen, dass er eine falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt bekomme, weil der Auszubildende anstehenden Prüfungen entgehen wolle.

Vorschaden nicht fachgerecht repariert?

Kfz-Versicherung behauptet dies und reguliert deshalb einen Unfallschaden nicht

Im März 2020 wurde bei einem Verkehrsunfall, der voll auf das Konto des Unfallgegners ging, das Auto von Frau S beschädigt. Etwa ein Jahr vorher hatte sie den Gebrauchtwagen bei einem Autohändler gekauft. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers regulierte den aktuellen Unfallschaden nicht, sondern verwies auf einen Vorschaden: Die Unfallgeschädigte müsse erst einmal darlegen, ob der frühere Unfallschaden fachgerecht repariert worden sei.

Von einem früheren Unfallschaden wisse sie nichts, erklärte Frau S, sie habe das Auto jedenfalls in einwandfreiem Zustand im Autohaus gekauft. Der Kfz-Mechaniker des Händlers habe das Auto vorher untersucht und könne sicher bestätigen, dass es zum Zeitpunkt des Kaufs keine Schäden aufwies. Das Landgericht hörte den Zeugen jedoch nicht an und wies die Zahlungsklage der Unfallgeschädigten ab.

Die Berufung der Autobesitzerin gegen dieses Urteil hatte beim Oberlandesgericht (OLG) Celle Erfolg (14 U 86/21). Natürlich könne Frau S nicht über Reparaturen Bescheid wissen, die der Vorbesitzer nach einem Unfall 2018 in Auftrag gegeben habe, stellte das OLG fest. Das wäre zu viel verlangt. Wenn sie aber behaupte, das Auto unbeschädigt erworben zu haben und dafür einen Zeugen benenne, dürfe man es ihr nicht verwehren, ihre Behauptung zu beweisen. Daher habe das Gericht nun den Kfz-Mechaniker des Autohändlers befragt.

Vor dem Verkauf an Frau S habe er das Fahrzeug auf die Hebebühne gesetzt und auf Schäden geprüft. Außer minimalen Lackschäden sei da nichts gewesen, habe der Mechaniker ausgesagt, ein unsachgerecht reparierter Vorschaden wäre ihm aufgefallen. Nach dem neuen Unfall der Frau S habe auch der Dekra-Sachverständige das Fahrzeug auseinandergebaut und keine Vorschäden durch einen früheren Heckaufprall feststellen können. Gerade beim Zerlegen könne man eine unsachgemäße Reparatur gut erkennen, so der Mechaniker, anhand von Lackunterschieden oder abbrechendem Spachtelauftrag.

Aufgrund dieser überzeugenden Aussage gehe das Gericht von einer fachgerechten Reparatur des Vorschadens aus, so das OLG. Die Kfz-Versicherung müsse für den neuen Unfallschaden in voller Höhe aufkommen (plus Sachverständigenkosten, Mietwagen- und Anwaltskosten, insgesamt rund 6.000 Euro).

Wegen Spionage für die DDR entlassen

Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten der Kündigungsschutzklage nicht

Die Rechtsschutzversicherung zahlt für einen Rechtsstreit nicht, wenn der Schadensfall vom Versicherten absichtlich herbeigeführt wurde. Deshalb musste ein entlassener Arbeitnehmer die Kosten seiner erfolglosen Kündigungsschutzklage selbst tragen.

Nachdem seine Agententätigkeit für die DDR ans Licht gekommen und er wegen Spionage verurteilt worden war, hatte ihm der Arbeitgeber fristlos gekündigt. Der Ex-Spion war der Ansicht, die Rechtsschutzversicherung müsse die Prozesskosten ersetzen, da seine Agententätigkeit vor Antritt der Arbeitsstelle stattgefunden habe.

Das Landgericht Coburg wies diese Argumentation jedoch zurück (13 O 447/94). Die Rechtsschutzversicherung habe die Kostenübernahme ablehnen dürfen, weil der Versicherungsnehmer die Kündigung durch eine vorsätzliche Straftat provoziert habe. Dabei spiele es keine Rolle, ob er die strafbare Handlung beging, während das Arbeitsverhältnis bestand oder schon vor Antritt der Stelle. Es sei in keinem Fall akzeptabel, die Gemeinschaft der Versicherten mit Kosten zu belasten, die durch eine vorsätzliche Straftat verursacht wurden.

Ausgleich für Schichtarbeit am Feiertag

Dem Arbeitnehmer steht als Ersatzruhetag ein voller Kalendertag zu

Ein Lkw-Belader arbeitet im Schichtdienst für einen Logistikdienstleister der Lebensmittelbranche, 38,5 Stunden pro Woche. Seine Schicht beginnt am Abend zwischen 18 und 19 Uhr und endet zwischen 2 und 3 Uhr früh. Das Schichtsystem führt dazu, dass der Mann regelmäßig auch an gesetzlichen Feiertagen eingesetzt wird, die auf Werktage fallen. Das wurde vom Arbeitgeber jeweils durch einen so genannten "Rolltag" ausgeglichen, d.h.: eine Schicht fiel aus.

Dadurch hatte der Lkw-Belader zwar ca. 30 Stunden "am Stück" frei, nämlich von 2 oder 3 Uhr früh bis 18 bzw. 19 Uhr am Folgetag. Da er schon am nächsten Tag abends wieder antreten musste, hatte er aber keinen ganzen Kalendertag zur freien Verfügung. Der Arbeitgeber müsse ihm als Ersatzruhetag einen vollen Kalendertag von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr gewähren, verlangte der Arbeitnehmer.

Das sei im Schichtbetrieb unmöglich, behauptete der Arbeitgeber und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen. Beim Bundesarbeitsgericht musste die Firma eine Niederlage einstecken (10 AZR 641/19). Der Wortlaut des Arbeitszeitgesetzes und der Wille des Gesetzgebers sprächen dafür, dass unter Ersatzruhetag ein Kalendertag von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr zu verstehen sei, so die Bundesrichter.

An Sonntagen und an auf Werktage fallenden Feiertagen sei jede Beschäftigung von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr verboten. Dann liege es nahe, dass sich der Ersatzruhetag ebenfalls auf diese Zeitspanne beziehen müsse. Wenn ein Feiertag entfalle, solle die ersatzweise Freistellung an einem anderen Werktag der Gesundheit der Arbeitnehmer dienen. Zudem sollten sie sich an diesem Tag ihren persönlichen Interessen widmen können.

Doch die Arbeitsruhe am "Rolltag" beziehe sich nicht auf einen ganzen Werktag. Der Lkw-Belader müsse an jedem der beiden Kalendertage arbeiten, über die sich der "Rolltag" erstrecke: Am ersten Tag bis mindestens 2 Uhr früh und am Folgetag ab spätestens 19 Uhr. Wer sich nach einer Nachtschicht bis 2 oder 3 Uhr früh ausschlafen und am nächsten Abend bereits wieder antreten müsse, könne sich nicht wirklich erholen und erholt seinen Interessen nachgehen.

Welche Schule ist die richtige fürs Kind?

Werden sich getrenntlebende Eltern nicht einig, kann das Gericht die Schulwahl einem Elternteil übertragen

Die Eltern zweier Kinder leben seit 2015 getrennt. Mit neuen Partnern wohnen sie in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs. Der Vater führt eine IT-Firma, die Mutter ist Gymnasiallehrerin. Während der Corona-Pandemie haben sie die Kinder im Wechselmodell betreut, vorher wohnten die Kinder überwiegend bei der Mutter. Diese möchte nun das Wechselmodell wieder beenden.

Den neunjährigen Sohn meldete sie am Gymnasium in Hamburg-R an, weil es seinen Neigungen entgegenkommt: mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt und besonderer Sportförderung. Damit war aber der Vater nicht einverstanden: Das E-Gymnasium liege näher am sozialen Umfeld des Kindes. Hier könne der Junge mit seinen Freunden zusammenbleiben, meinte der Vater. Außerdem wäre dann das Betreuungs-Wechselmodell besser zu organisieren, denn die Schule liege gleich um die Ecke ...

Da sich die Eltern über die Schulwahl nicht einig wurden, musste die Justiz den Konflikt lösen und die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg übertrug diese Befugnis der Mutter, weil es ihr eher zutraute, den Jungen in seiner Entwicklung adäquat zu fördern (12 UF 61/21). Auch der Vater habe vor Gericht gesagt, die Mutter habe sich um die Schulfragen immer "federführend gekümmert". Sie bringe als Lehrerin die Kompetenzen mit und er habe seine Stärken in anderen Bereichen.

Die Mutter mache sich tiefergehende Gedanken um die Kinder, so das OLG. Sie habe auch plausibel erläutert, warum das R-Gymnasium den Stärken und Interessen des Jungen in besonderer Weise entspreche. Für die vom Vater favorisierte Schule spreche zwar, dass seine besten Freunde dorthin wechselten. Allerdings sei davon auszugehen, dass der Junge mit seiner offenen, freundlichen Art auch im R-Gymnasium schnell neue Freunde finden werde.

Dadurch werde es wohl etwas umständlicher, ein Wechselmodell zu organisieren, räumte das OLG ein. Unmöglich sei es aber trotz der Entfernung zwischen den Wohnungen bzw. zwischen dem E-Gymnasium und der Wohnung des Vaters nicht. Vorausgesetzt, die Eltern könnten sich auf diese Form der Betreuung verständigen.

Beulen im Bodenbelag

Haftet der Bodenverleger für Mängel, die durch ungeeigneten Untergrund entstanden?

Die Inhaberin eines Möbelfachgeschäfts beauftragte eine Handwerksfirma, in ihrem ca. 700 Quadratmeter großen Ladenlokal PVC-Designboden und Teppichboden zu verlegen. Einige Monate nach den Verlegearbeiten wölbten sich die Bodenbeläge, der Teppichboden knisterte und knackte. Ein Sachverständiger bohrte den Boden auf und stellte fest, dass der ungeeignete Untergrund die Mängel verursacht hatte.

Da liege eine Walzasphaltschicht, wie man sie sonst überwiegend im Straßenbau verwende, erklärte er. Die müsste man zurückbauen und durch einen Gussasphaltestrich ersetzen, erst dann könne man neuen PVC-Boden bzw. Teppichboden verlegen. Für die Arbeiten veranschlagte der Sachverständige Kosten von rund 24.000 Euro. Diesen Betrag forderte die Geschäftsinhaberin vom Bodenverleger als Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung.

Der Bodenbelag sei zwar mangelhaft, urteilte das Oberlandesgericht Oldenburg, dafür sei aber nicht der Bodenverleger verantwortlich (2 U 43/20). Jeder Handwerker, dessen Arbeit auf Vorleistungen (Planungen, Vorarbeiten etc.) aufbaue, müsse prüfen, ob diese eine geeignete Grundlage für seine Arbeit darstellten oder möglicherweise deren Erfolg gefährdeten. Allerdings bestehe diese Pflicht nur im "Rahmen des Zumutbaren".

Der Sachverständige habe eine Kernbohrung durchgeführt, um den Untergrund zu untersuchen — denn rein optisch sei der Walzasphalt vom geeigneten Gussasphaltestrich nicht zu unterscheiden. Der Handwerker habe den Untergrund für geeignet gehalten und davon habe er auch ausgehen dürfen. Denn in einem Laden müsse der Bodenverleger nicht mit einem Unterbau aus Walzasphalt rechnen, der sei in Gewerbeobjekten absolut unüblich.

Die Handwerksfirma müsse für die Kosten der Mängelbeseitigung nicht haften, da sie ihre Prüfpflicht nicht verletzt habe. Die Mängel beruhten auf einem Untergrund, den der Bodenverleger bei der gebotenen Prüfung nicht als ungeeignet habe erkennen können. Zu weiteren Nachforschungen oder gar einer Bohrung sei ein Bodenverleger nicht verpflichtet.

Wegen Teilnahme an "wildem" Streik entlassen

Kurzartikel

Arbeitnehmer, die sich an einem so genannten "wilden" (d.h. nicht von einer Gewerkschaft organisierten) Streik beteiligen, müssen mit fristloser Kündigung rechnen, weil sie damit ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen. Mehrere Fahrradkuriere sind von ihrem Fahr-radkurierdienst deswegen entlassen worden. Zu Recht, entschied das Arbeitsgericht Berlin: Die Teilnahme an einem Streik sei nur rechtmäßig, wenn er von einer Gewerkschaft getragen werde.

Psychologische Schulung für einen Industriekaufmann

Ausgaben für allgemeinbildende Seminare sind keine steuersparenden Werbungskosten

Ein Industriekaufmann erhielt von seinem Arbeitgeber Bildungsurlaub, um an zwei psychologischen Seminaren nach der Methode Dr. Stille teilzunehmen. Darin ging es unter anderem um Aspekte der Wesensbestätigung und um Erfolgsstrategien. Die Ausgaben für die Seminare trug der Arbeitnehmer in seiner Einkommensteuererklärung als Werbungskosten ein, doch das Finanzamt ließ die Steuerermäßigung nicht zu.

Die Klage des Steuerzahlers gegen den Behördenbescheid scheiterte beim Bundesfinanzhof (VI R 76/94). Die Seminare hätten Grundbegriffe der angewandten Psychologie vermittelt, dienten also auch der persönlichen Weiterbildung. Die erworbenen Kenntnisse könnten in Alltagssituationen angewendet werden und beträfen damit jedenfalls in erheblichem Umfang auch die allgemeine Lebensführung. Die privaten Gesichtspunkte spielten bei diesen Themen nicht nur eine "Nebenrolle".

Aufwendungen, die neben dem Beruf zugleich der Lebensführung dienten, seien nicht als Werbungskosten absetzbar. Anders wären die Seminare zu beurteilen, wenn der Steuerzahler nicht Kaufmann, sondern Psychologe wäre: Dann wären die Bildungsausgaben als "überwiegend beruflich veranlasst" einzustufen.

Bedeutet "Buchung abschließen" Zahlungspflicht?

Online-Hotelbuchung ist nur wirksam, wenn der Schaltflächen-Text auf die Zahlungspflicht hinweist

Eine Hotelbuchung per "Booking.com" zog ein juristisches Tauziehen nach sich: Ein Verbraucher wollte über die Internet-Plattform für fünf Nächte vier Doppelzimmer in einem Hotel reservieren. Er klickte auf die Schaltfläche "Ich reserviere". Dann gab er seine persönlichen Daten und die Namen der Mitreisenden ein und klickte auf die Schaltfläche "Buchung abschließen". Da zum gebuchten Datum niemand im Hotel erschien, stellte die Hotelinhaberin dem Verbraucher 2.240 Euro Stornierungskosten in Rechnung.

Das Amtsgericht Bottrop hatte über ihre Zahlungsklage zu entscheiden. Das Gericht war der Ansicht, dass die Schaltfläche auf "Booking.com" nicht die Anforderungen des EU-Rechts zum Verbraucherschutz erfüllt. Demnach kommt ein Onlinevertrag mit einem Verbraucher — hier also der "Beherbergungsvertrag" mit dem Hotel — nur zustande, wenn auf der Schaltfläche steht "zahlungspflichtig bestellen". Oder eine andere, ebenso eindeutige Formulierung.

Verbraucher verbänden aber den Begriff "Buchung" nicht zwangsläufig damit, dass sie sich zur Zahlung von Entgelt verpflichten, fand das Amtsgericht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeute "buchen" häufig nur "unentgeltlich vorbestellen" bzw. reservieren.

Das Amtsgericht fragte beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach, ob der Vertragsschluss ausschließlich von den Worten auf der Schaltfläche abhänge oder ob Gerichte auch die Begleitumstände des Bestellvorgangs berücksichtigen müssten.

Damit ein Vertrag zustande kommt, muss für den Verbraucher bei Online-Bestellungen — wie der strittigen Hotelbuchung — allein aufgrund der Formulierung auf der Schaltfläche klar sein, dass er durch das Anklicken eine Zahlungsverpflichtung eingeht, urteilte der EuGH (C-249/21). Ansonsten spielte er den "Ball zurück".

Wie im deutschen Sprachraum der Begriff "Buchung" verstanden werde, könne nur das deutsche Amtsgericht klären. Verbinde der durchschnittlich informierte, aufmerksame Verbraucher das Wort "Buchung" automatisch mit einer Zahlungspflicht? Sollte die Antwort darauf "nein" lauten, weil der Ausdruck "Buchung abschließen" mehrdeutig sei, entspreche die Schaltfläche von "Booking.com" nicht den Anforderungen der EU-Richtlinie.

"Angelzirkus" wird verboten

Der Betreiber einer Angelteichanlage verstieß regelmäßig gegen das Tierschutzgesetz

Herr F hatte einen kleinen Stausee gepachtet, um eine Angelteichanlage zu betreiben. Beim Landratsamt beantragte er die Erlaubnis zum "gewerbsmäßigen Handel mit lebenden Fischen". F wollte Fische ankaufen, eine Weile in Netzgehegen im Stausee halten und dann in den See entlassen, wo sie geangelt werden sollten.

Die Behörde genehmigte das Betriebskonzept mit Auflagen: Nach dem Einsetzen in Netzgehege müsse F eine Schonzeit von acht Wochen abwarten und danach die Fische kontaktlos in den Angelteich entlassen, ohne sie vorher einzufangen. Das würde großen Stress für die Tiere bedeuten.

Kaum war die Angelteichanlage eröffnet, gingen bei der Veterinärbehörde des Landratsamts Anzeigen ein, dass F gegen das Tierschutzgesetz verstoße. Offenbar fing er häufig Forellen mit dem Kescher und warf sie in den See — den Anglern sozusagen vor die Haken.

Deshalb verbot ihm die Behörde das Handeln mit lebenden Fischen und den Angelteichbetrieb. Gegen das Verbot zog der Mann vor Gericht: Eine Schonzeit von acht Wochen sei zu lang, in anderen Bundesländern gälten viel kürzere Fristen. Im Prinzip habe er die Fische immer kontaktlos in den See entlassen. Den Kescher benutze er nur, wenn Fische in den Netzgehegen zu verenden drohten …

Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz glaubte ihm nicht und bestätigte das Verbot (3 K 848/21.KO). Für landwirtschaftliche Teichwirtschaft sei keine behördliche Erlaubnis vonnöten, hier aber schon. Denn Herr F kaufe die Tiere nicht für die Fischzucht, sondern für kommerziellen Angelsport. Er kaufe weitgehend fangreife Forellen, damit Angler sie gegen Entgelt mit hoher Fangquote aus dem Stausee herausfischen könnten.

Aufgrund mehrerer Zeugenaussagen ständen regelmäßige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz fest, so das VG. Waidgerechte Fischerei sei trotz der damit verbundenen Schmerzen der Fische zulässig, weil sie dazu diene, Nahrung zu gewinnen. Es verstoße aber gegen den Tierschutz, wenn Fische — die sich bereits im Netzgehege und damit in Menschenhand befänden — gekeschert in einen Angelteich eingesetzt würden, nur um Anglern ihr Vergnügen zu bieten.

Betriebspraxis sei es gewesen, Fische mit dem Kescher zu fangen, in den See zu werfen und sofort zum Angeln freizugeben. Dass so ein "Angelzirkus" dem Tierschutzgesetz widerspreche, darauf habe die Veterinärbehörde Herrn F mehrmals explizit hingewiesen. Die Hinweise habe er aus betrieblichem Interesse ignoriert. Daher sei das Verbot verhältnismäßig. Denn: Dürfte F die Angelteichanlage weiter betreiben, wäre mit weiteren Verstößen zu rechnen.

Verbraucher können Online-Ticketkauf nicht widerrufen

Das gilt auch dann, wenn Eintrittskarten bei einer Ticketvermittlerin gekauft wurden

Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 fielen alle Veranstaltungen aus, u.a. ein Konzert in Braunschweig. Verbraucher R hatte dafür Eintrittskarten im Internet erworben — allerdings nicht beim Veranstalter, sondern über die Internetplattform der "CTS Eventim", einer Ticketvermittlerin. Der Konzertveranstalter gab für die verhinderten Konzertbesucher Gutscheine aus.

Damit war Kunde R jedoch unzufrieden: Er zog vor das Amtsgericht Bremen und verlangte das Eintrittsgeld zurück. Doch die deutsche Regierung hatte die Gutscheinregelung vorgesehen, um die von der Pandemie gebeutelte Veranstaltungsbranche zu schützen. Trotzdem sah das Amtsgericht eine Möglichkeit, den Streit zu Gunsten des Verbrauchers zu entscheiden.

Er könnte "Bares" zurückbekommen, wenn er das Recht hätte, seinen Vertrag mit "CTS Eventim" gemäß der EU-Verbraucherschutzrichtlinie zu widerrufen, so das Amtsgericht. Verbraucher, die mit einem Unternehmer einen Fernabsatzvertrag (Versandhandel oder Onlinehandel) schließen, dürfen den Vertrag zwei Wochen lang ohne Angabe von Gründen widerrufen.

Das Amtsgericht bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Klärung, ob die EU-Verbraucherschutzrichtlinie auch gilt, wenn ein Verbraucher Tickets online bei einer Vermittlerin gekauft hat. Für die Veranstaltungsbranche gebe es eine Ausnahmeregelung, so die Antwort des EuGH: Für termingebundene Freizeitveranstaltungen gelte das Widerrufsrecht nicht (C-96/21).

Die Ausnahmeregelung solle die Veranstalter von Konzerten und Sportevents vor großem wirtschaftlichem Risiko durch das Widerrufsrecht bewahren. Sie müssten nämlich Plätze für Online-Ticketkäufer freihalten, die sie aber im Falle eines Widerrufs sehr wahrscheinlich nicht mehr anderweitig vergeben könnten.

Auch beim Onlinekauf der Eintrittskarten bei einer Vermittlerin sei das Widerrufsrecht ausgeschlossen, da (und sofern) das mit dem Widerrufsrecht verbundene finanzielle Risiko allein den Konzertveranstalter treffen würde. Herr R wird sich also mit dem Gutschein begnügen müssen.

Querschnittsgelähmte ließ sich in den USA behandeln

Die Krankenkasse muss keine teure, unkonventionelle Spezialbehandlung finanzieren

Im Alter von 15 Jahren war die Frau 2006 vom Pferd gestürzt, seither ist sie (inkomplett) querschnittsgelähmt. 2013 begann sie im amerikanischen Trainingszentrum "Project Walk" eine Behandlung. Später beantragte sie bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse die Kostenübernahme.

Zwischen März 2014 und Februar 2015 waren Kosten von 106.845 Euro angefallen: für Behandlungen, Wohnungsmiete, Betreuung, Flüge und Mietwagen, Miete eines behindertengerechten Betts und Fahrdienste.

Die DAK erstattete nur 800 Euro pro Monat, so viel, wie sie auch für eine Behandlung in Deutschland genehmigt hätte: Hierzulande ständen genügend Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, erklärte die Krankenkasse, es gebe 26 Zentren für Querschnittsgelähmte. Obendrein habe die Frau mit der Therapie in Amerika schon begonnen, bevor sie die Kostenübernahme beantragt habe. So habe sie, die Krankenkasse, die Versicherte nicht beraten und Alternativen aufzeigen können.

Erfolglos zog die Frau gegen den ablehnenden Bescheid vor Gericht: Das Bundessozialgericht wies ihre Klage ab (B 1 KR 29/20 R). Bei physiotherapeutischen Angeboten gebe es in Deutschland kein Versorgungsdefizit. Außerdem habe die unkonventionelle Behandlung im "Project Walk" (jedenfalls im Jahr 2014) nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen. Sie werde auch nicht von Ärzten durchgeführt.

So weit nachvollziehbar. Doch im Sozialgesetzbuch findet sich auch eine Ausnahmeregelung. Demnach haben "Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung" das Recht, es auch mit einer noch nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu versuchen, wenn Aussicht auf spürbare positive Wirkungen besteht.

Darauf könne sich die Versicherte nicht berufen, fanden die Bundesrichter. Eine Lähmung sei nicht lebensbedrohlich. Eine "wertungsmäßig vergleichbare‘" Krankheit sei auch nur dann anzunehmen, wenn Lebensgefahr bestehe und sofort behandelt werden müsse. Wenn eine Lähmung vor der Therapie schon acht Jahre andauere, handle es sich nicht um einen "Notstand". Es drohe keine Verschlimmerung. Es liegt kein Notstand vor, wenn eine Person schon lange nicht mehr gehen kann — was für eine tröstliche Auskunft für Gelähmte.

Tänzerin rutschte auf einer Getränkepfütze aus

Mitarbeiter einer Diskothek müssen die Tanzfläche regelmäßig kontrollieren

Am Rand der Tanzfläche einer Diskothek war eine Besucherin auf einer Getränkepfütze ausgerutscht. Beim Sturz zog sie sich Knochenbrüche an Fuß und Bein zu. Zwei Wochen lang lag die Verletzte im Krankenhaus und musste mehrmals operiert werden. Die gesetzliche Krankenkasse der Arbeitnehmerin übernahm die Behandlungskosten und zahlte während des Verdienstausfalls Krankengeld.

Anschließend forderte die Krankenkasse das Geld vom Inhaber der Diskothek zurück, weil er seine Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt habe. Offenkundig sei die Tanzfläche nicht gereinigt worden. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe verurteilte den Diskothekenbetreiber, der Krankenkasse 37.000 Euro Schadenersatz zu zahlen (7 U 125/21).

Natürlich könne in einer Disko immer mal ein Glas Bier zu Bruch gehen, räumte das OLG ein. Der Betreiber der Diskothek müsste für so ein Malheur nicht haften, wenn er die Tanzfläche regelmäßig hätte kontrollieren lassen. Dann wäre so ein Unfall eben Pech. Davon könne hier aber nicht die Rede sein, denn die Kontrolle sei von vornherein "ungenügend" organisiert gewesen. Die verantwortliche Person habe nur die Anweisung erhalten, von der Bühne aus die Tanzfläche zu überblicken.

Auf diese Weise könne man am Boden einer gut gefüllten Tanzfläche jedoch keine Glasscherben und keine feuchten Flecken erkennen. Zwar müsse nicht "ständig ein Mitarbeiter mit einem Bodenwischer über die Tanzfläche" laufen, um Pfützen oder Scherben wegzukehren. Aber den Fußboden in bestimmten Zeitabständen effektiv zu kontrollieren, sei notwendig — zumal es in dieser Disko erlaubt sei, Getränke auf die Tanzfläche mitzunehmen. Mit verschütteten Getränken müsse man also rechnen.

Vitamin-Angaben auf Verpackungen

Kurzartikel

Wird ein Lebensmittel mit Vitaminen versetzt, reicht es aus, wenn auf der Verpackung darüber mit umgangssprachlichen Angaben wie "Vitamin C" oder "Vitamin B9" informiert wird. Wenn der Name des Vitamins angegeben sei, gewährleiste dies eine klare und leicht verständliche Information für die Verbraucher. Auf der Verpackung muss nicht unbedingt die genaue Vitaminverbindung stehen oder Folsäure statt "Vitamin B9".

Wiederbeschaffungswert von Donna Asana umstritten

Tierarzt wehrt sich gegen die hohe Schadenersatzzahlung für das tote Dressurpferd

Im Januar 2020 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) München einen Tierarzt zur Zahlung von 250.000 Euro Schadenersatz an eine Dressurreiterin: Ihr Dressurpferd Donna Asana war nach einer homöopathischen Eigenblutbehandlung an einer allergischen Reaktion gestorben ("anaphylaktischer Schock").

Gegen das Urteil legte der Tierarzt Revision ein, weil der vom OLG beauftragte Sachverständige seiner Ansicht nach den Wert des Pferdes zum Todeszeitpunkt weit überschätzt hatte: Es sei für eine anaphylaktische Reaktion anfällig gewesen, das mindere den Wert des Tieres. Die Klage der Reiterin müsse abgewiesen werden, soweit der Schadenersatz für den Verlust des Pferdes 50.000 Euro übersteige.

Beim Bundesgerichtshof (BGH) erreichte der Mediziner zumindest einen Teilerfolg (VI ZR 87/20). Von Wertverlust habe das OLG nichts wissen wollen, so der BGH, und dies folgendermaßen begründet: Ob das Tier für eine allergische Reaktion besonders anfällig gewesen sei, spiele keine Rolle. Denn bevor so eine Reaktion auftrete, wisse niemand davon. Also hätten potenzielle Käufer des Dressurpferdes diese Anfälligkeit nicht als wertmindernden Faktor berücksichtigt.

Mit dieser Argumentation war der BGH nicht einverstanden: Wenn es darum gehe, den finanziellen Schaden durch den Verlust eines Tieres zu bemessen, komme es auf seine objektiven Eigenschaften an. Wem wann welche Eigenschaften des Pferdes bekannt gewesen seien, sei unerheblich. Man müsse also einen eventuellen Wertverlust bei der Schadenersatzhöhe berücksichtigen — andernfalls würde die Dressurreiterin durch den Schadenersatz finanziell besser dastehen als vor dem Tod des Pferdes.

Der Bundesgerichtshof verwies die Sache ans OLG zurück, der Rechtsstreit geht also in die nächste Runde. Ob der Schadenersatz so drastisch gekürzt wird, wie vom Tierarzt gewünscht, ist allerdings fraglich. Schließlich hat der Mediziner das Dressurpferd vor der tödlichen letzten Dosis sechsmal mit einer Mischung aus Eigenblut und Homöopathika behandelt, wie dem Urteil des OLG zu entnehmen ist.

Und laut Sachverständigengutachten wird eine allergische Reaktion immer wahrscheinlicher, je öfter ein Pferd potenziell Allergie auslösenden Stoffen gespritzt bekommt. Demnach hat der Tierarzt, wenn auch auf Wunsch der Reiterin, die wertmindernde "Anfälligkeit" des Dressurpferdes selbst herbeigeführt.

Arbeitnehmerin zu oft krank

Wann ist eine so begründete Kündigung "sozial gerechtfertigt"?

Einer Arbeitnehmerin wurde aufgrund einer Vielzahl kurzer Fehlzeiten im April 2020 gekündigt. Begründung: Der Arbeitsplatz entspreche schon seit Jahren den arbeitsmedizinischen Empfehlungen. Trotz aller Bemühungen darum, ihn den gesundheitlichen Problemen der Arbeitnehmerin anzupassen, seien die Ausfallzeiten nicht zurückgegangen.

Zudem habe die Frau auf die schriftliche Einladung zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht reagiert, die ihr im Januar 2020 per Einwurfeinschreiben zugesandt wurde. (Dabei werden Ursachen der Fehlzeiten und Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung gemeinsam mit dem Arbeitnehmer und dem Betriebsarzt geprüft.)

Die Angestellte bestritt, dieses Schreiben erhalten zu haben und klagte auf Weiterbeschäftigung. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gab ihr Recht: Die Kündigung sei unverhältnismäßig (4 Sa 68/20). Die Gesundheitsprognose für die Arbeitnehmerin sei zwar so negativ, dass es die betrieblichen Interessen durchaus erheblich beeinträchtigen könnte, sie weiterhin zu beschäftigen. In so einem Fall könne eine krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein.

Dennoch sei die Kündigung hier unverhältnismäßig. Die Arbeitgeberin hätte ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen müssen, um festzustellen, ob eine Kündigung zu vermeiden sei. Dass die Firma dieses Verfahren ordnungsgemäß eingeleitet habe, stehe aber nicht fest. Denn die Arbeitgeberin habe neben dem Einlieferungsbeleg für das Einwurfeinschreiben nur den Sendungsstatus vorgelegt, aber keinen Auslieferungsbeleg.

Damit sei nicht bewiesen, dass der Arbeitnehmerin das Einladungsschreiben zugestellt wurde. Denn aus dem Sendungsstatus gehe der Name des Zustellers nicht hervor, es fehle dessen Unterschrift. Nur im Auslieferungsbeleg beurkunde der Postzusteller mit seiner Unterschrift, dass er die Sendung eingeworfen habe.

Dass die Arbeitnehmerin vorwerfbar das Eingliederungsmanagement boykottiert habe, stehe also nicht fest. Es sei nicht auszuschließen, dass sie daran teilgenommen hätte und die Beteiligten Möglichkeiten für eine leidensgerechte Arbeit hätten finden können.

Streit um Befristung eines Arbeitsvertrags

Elektronische Signatur ist nur wirksam, wenn die Bundesnetzagentur das genutzte System zertifiziert hat

Ein Mechatroniker arbeitet schon seit Sommer 2018 für eine Berliner Arbeitgeberin mit befristeten Arbeitsverhältnissen. Im Sommer 2019 wurde um ein Jahr verlängert bis 31.10.2020. Einen weiteren Arbeitsvertrag, befristet bis 30.11.2021, unterzeichneten die Parteien im September 2020 elektronisch.

Später zog der Arbeitnehmer vor Gericht und verlangte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht am 30.11.2021 enden werde. Begründung: Befristete Arbeitsverhältnisse dürften nicht länger als zwei Jahre dauern, wenn es für die Befristung keinen sachlichen Grund gebe. Außerdem entspreche die elektronische Signatur unter dem befristeten Arbeitsvertrag vom September 2020 nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Das Arbeitsgericht Berlin gab dem Arbeitnehmer Recht (36 Ca 15296/20). Zum einen sei hier die zulässige Höchstdauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses überschritten. Man habe direkt aufeinander folgend dasselbe Arbeitsverhältnis über zwei Jahre fortgesetzt. Zum anderen könne die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nur "in Schriftform" erfolgen.

Das schließe zwar eine elektronische Vereinbarung nicht aus. Wenn die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform durch eine elektronische Unterschrift ersetzt werden solle, müsse das elektronische Dokument jedoch mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. Gemäß EU-Recht müsse eine qualifizierte Signatur die Identifizierung des Unterzeichners ermöglichen und so mit den Daten, d.h. dem Vertragsinhalt verbunden sein, dass man eine nachträgliche Änderung erkennen könne.

Ob ein elektronisches System ("Signaturerstellungseinheit") diesen Anforderungen entspreche, prüfe in allen EU-Mitgliedsstaaten eine öffentliche Stelle. In Deutschland müssten die Systeme von der Bundesnetzagentur zertifiziert sein. Im konkreten Fall habe die Arbeitgeberin das System "Tool e-Sign" verwendet, das von der Bundesnetzagentur nicht zertifiziert sei. Die vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses sei demnach nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und daher unwirksam. Infolgedessen bestehe das Arbeitsverhältnis unbefristet weiter.