Geld & Arbeit

Zeitarbeiter klagt auf Festanstellung

Der für Mercedes gültige Tarifvertrag sieht für Leiharbeit eine andere Höchstdauer vor als das Gesetz

Ein Leiharbeiter war 24 Monate lang als Produktionshelfer beim Autohersteller Mercedes-Benz eingesetzt. Laut Gesetz beträgt die Höchstdauer für den Einsatz von Zeitarbeitern 18 Monate. Da sein Einsatz für den Autohersteller diese Grenze überschritten habe, begründe dies ein dauerhaftes reguläres Arbeitsverhältnis zwischen ihm (dem Leiharbeiter) und dem Autohersteller (d.h. dem Entleiher), meinte der Mann und klagte auf Festanstellung.

Doch das Unternehmen — Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg — verwies auf den aktuell gültigen, regionalen Metall-Tarifvertrag für Zeitarbeit, den der Verband mit der Gewerkschaft IG Metall 2017 abgeschlossen hatte. Demnach darf die Dauer von Leiharbeit ("Arbeitnehmerüberlassung") 48 Monate nicht überschreiten. Die tariflich vereinbarte Höchstdauer für Leiharbeit sei noch lange nicht erreicht, erklärte das Unternehmen.

Der Tarifvertrag gelte für ihn nicht, konterte der Zeitarbeiter, denn er sei kein Mitglied der IG Metall. Überhaupt sei diese Regelung verfassungswidrig. Mit seiner Klage scheiterte der Arbeitnehmer in allen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht (4 AZR 83/21).

Zwar sehe das "Arbeitnehmerüberlassungsgesetz" eine Höchstdauer von 18 Monaten vor. Das Gesetz ermächtige aber auch die Tarifvertragsparteien einer Branche, für den Einsatz von Leiharbeitern eine abweichende Regelung zu vereinbaren, so die Bundesrichter. Wenn der Tarifvertrag eine längere Höchstdauer vorsehe als das Gesetz, sei das also rechtens.

Darüber hinaus sei der Tarifvertrag auch für den verliehenen Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber (d.h. das Leiharbeitsunternehmen) verbindlich. Das gelte auch dann, wenn sie nicht an den Tarif gebunden seien, d.h. keiner Gewerkschaft und keinem Arbeitgeberverband angehörten. Verfassungswidrig sei der Tarifvertrag nicht: Die Höchstdauer von 48 Monaten für Leiharbeit halte sich im Rahmen der gesetzlichen Regelungsbefugnis.

Undichte Fenster und Türen eingebaut

Der Architekt haftet nicht für Produktionsfehler der vom Handwerker verbauten Elemente

Der Bauherr hatte eine Fensterbau-Fachfirma damit beauftragt, in einem Neubau Fenster und Türen einzubauen. Der Fensterbauer hatte dem Auftraggeber ein Angebot auf Basis eines Leistungsverzeichnisses für das Gewerk Fenster/Türen unterbreitet, das der Architekt des Bauvorhabens erstellt hatte. Als die Arbeiten des Handwerkers beendet waren — das Gebäude war noch ein Rohbau —, bemerkte der Architekt unter den eingebauten Elementen Feuchtigkeit.

Auf die Undichtigkeiten wies er den Handwerker und das Bauunternehmen bei einer Baubesprechung hin. Einige Nachbesserungen brachten keinen durchschlagenden Erfolg. Die spätere Schadenersatzklage des Bauherrn gegen den Fensterbauer führte zu nichts, da die Fachfirma zu diesem Zeitpunkt bereits "pleite" war. Daraufhin verlangte er vom Architekten Schadenersatz wegen mangelhafter Leistung. Das Landgericht Flensburg wies die Klage des Auftraggebers ab (2 O 244/19).

Dass die Elemente Schlagregen nicht standhielten, sei laut Sachverständigengutachten auf Produktionsfehler zurückzuführen und habe nichts mit der Leistung des Architekten zu tun. Die Ausschreibung für den Fensterbau sei fachgerecht gewesen: Man müsse im Leistungsverzeichnis nicht ausdrücklich eine bestimmte Klasse der Schlagregendichtheit vorgeben, wenn der Handwerker den Standort und das Anforderungsprofil der Elemente kenne.

Der Architekt habe mit den RAL-Richtlinien und den anerkannten Regeln der Technik die maßgeblichen Anforderungen klar formuliert. Wären die Elemente einwandfrei produziert worden, hätten sie die geforderte Schlagregendichtheit erfüllt. Der Handwerker habe seine Arbeit auch fachgerecht geplant und ausgeführt: Mangelnde Bauüberwachung sei dem Architekten also ebenfalls nicht vorzuwerfen. Die Undichtigkeiten seien nicht auf der Baustelle entstanden und auch nicht auf den ersten Blick erkennbar gewesen.

Schon während der Rohbauphase habe der Architekt auf die Mängel aufmerksam gemacht und Nachbesserungen initiiert. Ein Fehler sei auch nicht darin zu sehen, dass er die Verwendung von Fensterelementen ohne CE-Kennzeichnung gebilligt habe: Eine fehlende CE-Kennzeichnung begründe keinen Sachmangel. Ob ein Produkt den anerkannten Regeln der Technik entspreche oder nicht, stehe damit nicht fest. Fehle die Kennzeichnung, sage dies also nichts über die Qualität eines Bauprodukts aus.

WEG und Gebäudeversicherung

Ist für den Schadensfall ein Selbstbehalt vereinbart, müssen ihn die Eigentümer gemeinsam tragen

Eine Eigentümergemeinschaft (WEG) hat für die Wohnanlage (Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum) eine Gebäudeversicherung abgeschlossen, die auch Leitungswasserschäden abdeckt. Da in den Wohnungen von Eigentümerin A mangelhafte Wasserleitungen verlegt wurden, traten hier wiederholt Wasserschäden auf. Allein 2018 betrug der Schaden 85.000 Euro. Aus diesem Grund läuft schon lange ein Rechtsstreit zwischen der WEG und der Handwerksfirma, die die Kupferrohre verlegt hat.

Bei jedem Schaden beauftragte die Verwalterin ein Fachunternehmen mit den Reparaturen und beglich die Rechnung vom Gemeinschaftskonto. Die Gebäudeversicherung ersetzte den Schaden - bis auf den vereinbarten Selbstbehalt. Den Selbstbehalt legte die Verwalterin auf die Eigentümer um, so, wie es ihren Miteigentumsanteilen entsprach. Er stieg mit jedem Schadensfall und belief sich zuletzt auf 7.500 Euro.

Gegen die Umlage des Selbstbehalts protestierte Eigentümerin B, der eine große Gewerbeeinheit gehört: Bei ihr sei noch nie ein Schaden aufgetreten, die Mängel beträfen nur das Sondereigentum der Eigentümerin A. Eigentümerin B wollte sich deshalb nicht mehr an den Kosten für die Beseitigung von Leitungsschäden beteiligen und verlangte, den Selbstbehalt anders aufzuteilen. Beim Bundesgerichtshof erreichte sie einen Teilerfolg (V ZR 69/21).

Die derzeitige Praxis der Verwalterin sei rechtmäßig, so die Bundesrichter. Es entspreche der Interessenlage der Eigentümer, wenn der Sondereigentümer den Selbstbehalt bei einem Versicherungsfall nicht alleine finanzieren müsse. Schließlich profitierten von einem Selbstbehalt alle Eigentümer, weil so die WEG als Versicherungsnehmerin einen niedrigeren Versicherungsbeitrag zahle. Also müssten auch alle die Kosten tragen: Ebenso wie der Beitrag sei der Selbstbehalt gemäß den Eigentumsanteilen aufzuteilen.

Allerdings könne die WEG durchaus vereinbaren, für die Zukunft den Verteilungsschlüssel zu ändern. Darauf hätte die Eigentümerin B Anspruch, wenn die bisherige Regelung sie unbillig belaste. Das wäre der Fall, wenn das Leitungsnetz in den Wohneinheiten und in der Gewerbeeinheit unterschiedlich gebaut bzw. installiert sei — wenn also absehbar wäre, dass Leitungswasserschäden weiterhin (nur) in den Wohneinheiten auftreten und B trotzdem regelmäßig die Kosten mittragen müsste.

Dann müsste die WEG den Verteilungsschlüssel für den Selbstbehalt ändern. Die Bundesrichter verwiesen den Rechtsstreit zurück an die Vorinstanz: Sie müsse nun klären, ob tatsächlich unterschiedliche bauliche Verhältnisse vorlägen.

Bundesarbeitsgericht zur Arbeitszeitkontrolle

Unternehmen müssen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch digital erfassen

Im konkreten Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht ging es eigentlich um die Mitbestimmungsrechte eines Betriebsrats: In einer vollstationären Wohneinrichtung für behinderte Menschen — von zwei Unternehmen gemeinsam betrieben — hatte sich der Betriebsrat für eine elektronische Zeiterfassung eingesetzt. Ihm ging es vor allem darum, Überstunden und Ruhepausen der Beschäftigten genauer zu dokumentieren und das Kappen von Arbeitszeitguthaben zu verhindern.

In diesem Punkt wünschten die Arbeitgeber wohl eher weniger Kontrolle. Sie bestritten das Initiativrecht des Betriebsrats für so eine Neuerung. So landete die Angelegenheit bei der Justiz. Und dann die Überraschung: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erklärte das Initiativrecht schlicht für überflüssig (1 ABR 22/21).

So ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe nur für betriebliche Angelegenheiten, die nicht bereits gesetzlich geregelt seien, stellte das BAG fest. Die Arbeitszeitkontrolle sei aber seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2019 geregelt - das schließe ein Initiativrecht des Betriebsrats bei der Einführung einer "digitalen Stechuhr" aus.

Der Betriebsrat verlor also den Prozess und setzte trotzdem sein Anliegen durch. Wenn man das Arbeitsschutzgesetz "europakonform" auslege, seien die Arbeitgeber ohnehin schon verpflichtet, Arbeitszeiten systematisch digital zu erfassen, betonte das BAG. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei für die Arbeitgeber verbindlich.

Man müsse nicht darauf warten, bis die EU-Mitgliedsstaaten das Urteil umsetzten und entsprechende Gesetze verabschiedeten. Arbeitgeber seien verpflichtet, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Mitarbeiter zu verbessern. Dazu gehöre eine systematische Arbeitszeitkontrolle, um unbezahlte Überstunden und die Verletzung von Ruhepausen auszuschließen.

Gehbehinderte Fußgängerin angefahren

Mitverschulden, weil die Seniorin beim Überqueren der Straße nicht auf den Verkehr achtete

Eine 81 Jahre alte, gehbehinderte Frau ist ständig mit Gehhilfen unterwegs. Eines Abends überquerte sie nach Einbruch der Dunkelheit eine Straße. In der Straßenmitte blieb die Seniorin nicht stehen, um zu schauen, ob von rechts ein Fahrzeug kommt. Stattdessen ging sie langsam weiter. Eine Autofahrerin, die sich von rechts näherte, konnte nicht rechtzeitig bremsen und erfasste die Fußgängerin mit dem Wagen.

Die schwer verletzte Frau verlangte von der Autofahrerin — d.h. von ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung — Schmerzensgeld für die Unfallfolgen. Das Oberlandesgericht Dresden bejahte zwar prinzipiell den Anspruch der Seniorin. Es lastete ihr jedoch ein Mitverschulden von 50 Prozent an: Ihr Anspruch sei um die Hälfte zu kürzen (14 U 1267/21).

Auf der Straße hätten Autos Vorfahrt. Fußgänger müssten den "fließenden Verkehr" genau beobachten. In der Straßenmitte müssten sie auf Verkehr achten, der von rechts komme, und warten, bis er vorbeigefahren sei. Diese Grundregel habe die Fußgängerin ignoriert. Gerade weil sie sich nur sehr langsam fortbewegen könne, hätte sie stehenbleiben und sich vergewissern müssen, ob sich Verkehr näherte. Spätestens von der Straßenmitte aus hätte sie den Wagen sehen können.

Aber auch die Autofahrerin habe zu dem Unfall beigetragen: Aufgrund der guten Straßenbeleuchtung an der Unfallstelle habe sie die hell gekleidete Gehbehinderte mindestens 40 Meter vor dem Unfallpunkt schon erkennen können. Es sei zwar bereits dunkel gewesen, aber witterungsbedingte Sichtprobleme habe es nicht gegeben. Hätte die Autofahrerin schnell genug gebremst, hätte sie den Wagen vor der Fußgängerin noch anhalten können. Die Haftungsquote zu halbieren sei daher angemessen.

Armverletzung führt zu Belastungsstörung

Private Unfallversicherung: Psychische Reaktionen auf einen Unfall sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen

Herr F hat eine private Unfallversicherung abgeschlossen, mit einer Höchstleistung von 25.000 Euro für Invalidität. Nach den Versicherungsbedingungen sind "krankhafte Störungen in Folge psychischer Reaktionen" vom Versicherungsschutz ausgeschlossen — "auch wenn diese durch den Unfall verursacht wurden".

2020 meldete Herr F dem Versicherungsunternehmen einen Unfall und verlangte Leistungen wegen Invalidität: Er sei bei einem Sturz mit dem rechten Ellenbogen gegen einen Heizkörper geprallt. Infolge dessen habe sich der Arm großflächig entzündet und sei nur noch eingeschränkt zu bewegen. Die Armverletzung habe bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst.

Die Versicherung zahlte nicht und verwies auf den Leistungsausschluss. Daraufhin klagte der Versicherungsnehmer und erzielte beim Landgericht einen Teilerfolg: Es sprach ihm wegen der dauerhaften Unfallfolgen am Arm eine Versicherungsleistung von 12.500 Euro zu, verneinte aber den Anspruch wegen der psychischen Erkrankung.

Dabei blieb es auch in der nächsten Instanz: Weitere Leistungen ständen Herrn F nicht zu, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt (7 U 88/21). Der Versicherungsnehmer berufe sich auf eine posttraumatische Belastungsstörung, ausgelöst durch die Armverletzung und ihre Dauerfolgen. Das Landgericht habe erwogen, ob so ein Unfall überhaupt zu psychischen Beschwerden führen könne, und dies in Zweifel gezogen. Ob die psychische Reaktion auf die körperliche Verletzung medizinisch nachvollziehbar sei, darauf komme es hier aber gar nicht an.

Der in den Versicherungsbedingungen aufgeführte Leistungsausschluss betreffe nicht nur psychische Fehlverarbeitungen eines körperlichen Geschehens. Nach der einschlägigen Klausel seien krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen vielmehr auch dann vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, wenn sie wirklich objektiv durch einen Unfall verursacht wurden, wenn also der Kausalzusammenhang feststehe.

Die umgekippte Bierbank

Ein Biergartenbesucher verletzt sich beim Sturz, erhält aber keine Entschädigung

Im Sommer 2021 besuchte ein Münchner mit Lebensgefährtin und Tochter einen Biergarten. Als die Tochter aufstand, die neben ihm auf der Bierbank saß, kippte plötzlich die Bank mit dem Vater um. Er fiel gegen einen Baum, schürfte sich die Arme auf und erlitt einige Prellungen. Vom Gastwirt forderte der Mann Schadenersatz für die Arztkosten und 500 Euro Schmerzensgeld.

Immerhin habe er sich ärztlich behandeln lassen und vier Wochen lang starke Schmerzen aushalten müssen, betonte er. Die Bierbank sei nur umgefallen, weil die Bodendielen an der hinteren Seite der Bierbank zu kurz gewesen seien und der Standbügel der Bank daher fünf Zentimeter in der Luft stand. Der Gastwirt und sein Personal müssten für sicheren Stand der Bierbänke sorgen.

Das sei selbstverständlich geschehen, erklärte der Gastwirt. Die Belegschaft schaue immer wieder nach den Bierbänken und stelle sie richtig auf. Oft würden sie aber von Gästen verstellt. Im Zweifel müssten die nächsten Gäste die Bierbänke dann halt selbst zurechtrücken. Das Amtsgericht München gab dem Gastwirt Recht: Dass Nachlässigkeit von seiner Seite zu dem Missgeschick geführt habe, sei nicht bewiesen (159 C 18386/21).

Wenn die Bank teils auf Dielen, teils auf Schotter stehe, sei sie wohl wacklig. Das könne man dem Gastwirt vorwerfen — aber nur, wenn die Bank wirklich unsicher gestanden habe, als sie umkippte. Letztlich habe jedoch kein Zeuge, auch nicht die Tochter, konkrete Angaben zum Stand der Bierbank machen können. Nicht einmal der Verletzte selbst habe behauptet, er sei völlig sicher, dass die Bierbank nicht vollständig auf den Dielen gestanden habe.

Der Schichtleiter des Gastwirts habe angegeben, um 15 Uhr habe das Personal alle Bänke und Biertische geordnet hingestellt. Wenn man berücksichtige, dass der Besucher mit seiner Familie schon um 16 Uhr in den Biergarten gekommen sei, sei es doch eher unwahrscheinlich, dass die Bierbank in der Zwischenzeit "verrutscht" wurde. Dass der Biergartenbetreiber seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, stehe nicht fest: Nur dann hätte der Verletzte Anspruch auf Entschädigung.

Holzfäule im Penthouse

Bauunternehmer haftet für den Baumangel: Trifft die Bauherrin Mitverschulden wegen fehlender Planung?

2012 beauftragte eine Hauseigentümerin eine Fachfirma für Dachdecker- und Spenglerarbeiten mit dem Umbau ihres Gebäudes. Sie riss das Dachgeschoss ab und errichtete zwei Penthouse-Wohnungen mit Dachterrassen in Holzbauweise. Die Baufirma dichtete auch das Flachdach ab: Sie montierte an den Dachgiebeln Wasserfangkästen und schloss sie an Fallrohre an.

Drei Jahre später fiel den Bewohnern der Penthouse-Wohnungen auf, dass sich Fensterelemente und Heizkörper senkten. Ein Bauexperte stellte Fäulnis in der Bodenkonstruktion fest und ermittelte die Ursache: Wenn sich in den Wasserfangkästen Wasser aufstaute, drang es in die Wände ein, lief nach unten. Deshalb faulten die Holzbalken. Die Hauseigentümerin musste den gesamten Boden erneuern und forderte Schadenersatz von der Baufirma.

130.000 Euro ständen der Bauherrin für die Mangelbeseitigung zu, urteilte das Landgericht Wiesbaden. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt bestätigte diese Entscheidung (29 U 155/21). Die Dachdecker-Fachfirma habe das Holzdachhaus vor Feuchtigkeit schützen müssen. Es genüge nicht, das Dach mit Folien abzudichten. Vielmehr hätte die Baufirma die Folien auch fachgerecht an die angrenzenden Bauteile, d.h. an die Wasserfangkästen, anschließen müssen. Das gehöre zu den Aufgaben eines Dachdeckers.

Vergeblich berief sich die Baufirma darauf, dass Fehler anderer Gewerke und fehlende Planung der Bauherrin den Schaden verursacht hätten. Das OLG sah das anders: Sollte der Dachdecker wirklich gedacht haben, dass nicht er, sondern der Verputzer für den Anschluss der Abdichtungsfolie an den Wasserkasten zuständig sei, hätte er die Bauherrin darauf hinweisen müssen. Üblicherweise sei das die Sache des Dachdeckers.

Die Hauseigentümerin treffe auch kein Mitverschulden aufgrund fehlender Planung. Planerische Vorgaben hätte die Baufirma einfordern müssen, bevor sie den Auftrag annahm. Stattdessen habe sie ihn von vornherein ohne Planung akzeptiert und damit die planerische Verantwortung selbst übernommen. Wenn sich der Dachdecker darauf einlasse, müsse er auch ohne Planung oder Bauleitung ein "taugliches Werk gemäß den fachlichen Regeln" abliefern oder für mangelhafte Arbeit haften.

Gebrochene Abwasserleitung erneuert

Der Handwerker hätte auf eine kostengünstige Sanierungsalternative hinweisen müssen

Auf dem Grundstück von Hauseigentümer F brach die in drei Metern Tiefe verlegte, 50 Jahre alte Abwasserleitung. Um festzustellen, wo die Rohre gebrochen waren, grub eine Spezialfirma den Garten auf und legte einige Meter Leitung frei. Bei einer Kamerafahrt durch die Rohre zeigten sich allerdings auch Schäden und eingedrungene Wurzeln im noch nicht freigelegten Teil der Leitung.

Herr F beauftragte ein Handwerksunternehmen für Haustechnik mit der Reparatur. Mit einer Reparatur des Rohrbruchs sei es nicht getan, erklärte der Handwerker: Aufgrund der Defekte an mehreren Stellen sei es erforderlich, die gesamte Abwasserleitung auf dem Grundstück zu erneuern. So lautete dann auch der Auftrag. Zum Preis von 26.171 Euro verlegte das Unternehmen eine neue Leitung von 28 Metern Länge und erstellte zwei Schächte.

Die Gebäudeversicherung übernahm 5.000 Euro, F selbst zahlte dem Handwerker 9.000 Euro Abschlag. Da er mit der Abrechnung des Haustechnikers nicht einverstanden war, behielt der Hauseigentümer nach dem Abschluss der Arbeiten den restlichen Werklohn ein und ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen. Die Abrechnung sei korrekt, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (9 U 163/20). Der Auftraggeber könne jedoch die offene Forderung des Handwerkers mit einem Anspruch auf Schadenersatz verrechnen.

Der Auftragnehmer hätte F nämlich auf die Möglichkeit hinweisen müssen, die alte Leitung im Inlinerverfahren zu sanieren. Das sei wesentlich günstiger als eine neue Leitung zu verlegen — zumal dies in drei Metern Tiefe besonders aufwendig sei. Ohne Aufgrabungen repariere man beim Inlinerverfahren das Rohr von innen und dichte die schadhaften Stellen mit Hartbeschichtungen ab. Laut Sachverständigengutachten sei dies mittlerweile das Standardverfahren bei der Reparatur von Abwasserleitungen und jedem Fachmann bekannt.

Handwerksfirmen müssten bei der Auftragsvergabe auch die wirtschaftlichen Interessen des potenziellen Kunden berücksichtigen: Herr F wisse als Nichtfachmann über die technischen Möglichkeiten nicht Bescheid. Dass das Haustechnik-Unternehmen selbst keine Reparatur im Inlinerverfahren anbiete, ändere nichts an der Pflicht des Fachmanns, den Kunden darüber zu informieren. Wenn F ein anderes Unternehmen mit der günstigen Instandsetzung beauftragt hätte, hätte er viel Geld gespart: rund 13.000 Euro laut Schätzung des Sachverständigen. Das sei der Schaden, für den der Auftraggeber vom Handwerker Ersatz verlangen könne.

Möbelhaus liefert defekte Möbel

Lässt die Käuferin den angebotenen Austausch nicht zu, muss sie den restlichen Kaufpreis zahlen

Eine Münchnerin kaufte in einem großen Möbelhaus ein Bett, einen Schrank und kleinere Gegenstände zum Gesamtpreis von 1.764 Euro. Ungefähr die Hälfte des Betrags zahlte sie an, den Restbetrag sollte bei der Lieferung entrichten. Als Monteure des Einrichtungshauses die Möbel bei der Käuferin aufbauten, stellte sich heraus, dass im Schrank Böden gebrochen waren. Das Bettgestell war verkratzt, der Kopfteil hatte einen Riss. Die Kundin zahlte nicht und verlangte den Austausch der kaputten Möbel.

Das Möbelhaus erklärte sich dazu sofort bereit. Als die Monteure wieder kamen, erwähnte einer von ihnen, nach dem Austausch werde der restliche Kaufpreis fällig. Diese Bemerkung fand die Käuferin so unverschämt, dass sie die Mitarbeiter des Verkäufers aus der Wohnung warf — mitsamt den neuen Möbeln.

Einige Tage später erschienen sie wieder und boten der Frau einen Einkaufsgutschein über 50 Euro für den Fall an, dass sie nun die Möbel austauschen könnten. Doch die Kundin ließ die Monteure nicht in die Wohnung, auch ein weiterer Versuch scheiterte.

Daraufhin forderte das Möbelhaus den ausstehenden Betrag auf dem Klageweg: Man habe der Käuferin mehrmals angeboten, die Ware gegen intakte Möbel auszutauschen. Da sie dies grundlos verhindert habe, entfalle ihr Recht, den Restbetrag zurückzuhalten.

Sie habe keine einwandfreie Ware bekommen und müsse daher auch den Kaufpreis nicht vollständig zahlen, fand dagegen die Kundin. Vielmehr müsse das Möbelhaus die Anzahlung herausrücken. An den Möbeln habe sie sowieso kein Interesse mehr.

Das Amtsgericht München verurteilte die Käuferin zur Zahlung und klärte sie darüber auf, wie das Recht auf Nachbesserung funktioniert (112 C 10509/20). Da der Verkäufer mangelhafte Möbel geliefert habe, könne sie als Kundin wählen zwischen der Reparatur der gelieferten Ware oder einer Ersatzlieferung einwandfreier Ware. Sie habe sich für die zweite Möglichkeit entschieden und verlangt, die Möbel auszutauschen. Doch das Möbelhaus habe drei Mal vergeblich versucht, neue Möbel zu liefern.

Der Verkäufer habe das Recht, die mangelhafte Ware "nachzubessern" bzw. auszutauschen - der Käufer müsse ihm dazu Gelegenheit geben. Ein enttäuschter Käufer dürfe sich also nicht darauf beschränken, den Verkäufer zur Erfüllung des Vertrags aufzufordern, sondern er/sie müsse dabei mitwirken. Im konkreten Fall hätte das bedeutet, die Monteure in die Wohnung zu lassen, um die Möbel auszutauschen. Das habe die Käuferin jedoch mehrmals verweigert und damit ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Deshalb dürfe sie die Zahlung nicht mehr verweigern.

Irreführende Wiesn-Tischreservierung

Eventagentur bot "verbindliche Optionsreservierungen" für das Oktoberfest an

Drei Münchner Festzeltbetreiber (Augustiner, Bräurosl, Hofbräu) wehrten sich gegen die windige Geschäftemacherei einer Berliner Eventagentur. Sie verkaufte auf ihrer Webseite "oktoberfest-tischreservierungen.de" bereits Anfang des Jahres Tischreservierungen für das Oktoberfest 2022, als die Wirte selbst noch nicht mit dem Vorverkauf ihrer Plätze begonnen hatten. (Es stand noch nicht einmal fest, ob das Oktoberfest überhaupt stattfinden würde).

Die Agentur bot z.B. für das Augustiner-Festzelt eine Tischreservierung an: für zehn Personen am Sonntag, 18.9., zum Schnäppchenpreis von 3.120 Euro. Unter der Preisangabe stand: "vorrätig". Die Reservierungsunterlagen inklusive Verzehrgutscheine werde man "per Express" versenden.

Eine Internetseite weiter folgte in einem Kästchen diese Information: "Sie erwerben eine verbindliche Option auf Zuteilung der von Ihnen gewünschten Tischreservierung, da die Oktoberfest-Reservierungen von diesem Festzeltbetreiber erst im Laufe des Jahres vergeben werden".

Da sei von Tickets die Rede, kritisierten die Festzeltbetreiber, obwohl noch gar keine Tischreservierungen verfügbar seien. Deshalb sei das Angebot irreführend. Das "Optionsrecht" der Eventagentur beinhalte keine Tischreservierung mit Besuchsrecht in der Festhalle — darauf müsse die Agentur deutlich hinweisen. Das Landgericht München I entschied, die Agentur müsse den Ticketverkauf unterlassen. Andernfalls werde Ordnungsgeld fällig (4 HK O 1503/22 u.a.).

Option sei nur eine Art von Vorkaufsrecht, das müsse beim Angebot kenntlich sein. Stattdessen spiegle die Agentur im Internet den Interessenten vor, bereits im Besitz von Tischreservierungen mit Einlassunterlagen zu sein, die sie — zu deutlich überhöhten Preisen — an die Kunden weiterleiten könne. Sie verspreche (wenn der Käufer einen bestimmten Tisch zu einem bestimmten Datum anklicke) unterhalb der Preisangabe, die Tickets seien vorrätig und würden per Express verschickt.

Der so erweckte falsche Eindruck, Tickets seien sicher verfügbar, werde durch die Zusatzinformation unter der Überschrift "Optionserwerb" keineswegs korrigiert, im Gegenteil. Für den Verbraucher werde dadurch nicht klarer, was er für sein Geld von der Agentur bekomme. Die Formulierung "verbindliche Option" bestätige nur den Irrtum, er habe nun die Tickets sicher — weil verbindlich bestellt. Dabei habe die Eventagentur zum Zeitpunkt der Bestellung nicht gewusst, ob sie die Reservierungswünsche für das Oktoberfest werde erfüllen können.

Preisgarantie ist verbindlich!

Energieversorger darf die Preise für Strom und Gas nicht wegen gestiegener Einkaufskosten erhöhen

Energieversorger sind an ihre Preisgarantien gebunden, hat das Landgericht Düsseldorf entschieden (12 O 247/22). Im konkreten Fall ging es um das Unternehmen ExtraEnergie: Es hatte sich in der Werbung als "krisensicher" angepriesen und seinen Kunden Verträge mit eingeschränkter Preisgarantie angeboten.

"Eingeschränkte Preisgarantie" bedeutet: Preisänderungen sind bei so einem Vertrag nur zulässig, wenn von Staats wegen Mehrkosten anfallen (höhere Steuern, Abgaben, Umlagen). Aber nicht, wenn das Unternehmen selbst im Einkauf für Energie mehr ausgeben muss.

Als die ExtraEnergie GmbH trotz der Preisgarantie ankündigte, sie müsse "leider wegen gestiegener Beschaffungskosten auf dem Großhandelsmarkt" die Preise für die Endkunden anpassen (sprich: erhöhen), ging die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gerichtlich dagegen vor. Die Verbraucherschützer beantragten mit Erfolg im Eilverfahren, dem Unternehmen die Preiserhöhung für Strom und Gas zu verbieten.

Wenn ein Vertrag zwischen Verbraucher und Energieversorger eine Preisgarantie enthalte, müsse das Unternehmen den Vertragspartner weiterhin zu den vertraglich vereinbarten Preisen beliefern, erklärte das Landgericht: Dann rechtfertigten gestiegene Beschaffungskosten keine Preiserhöhung.

(PS: Die Verbraucherzentrale stellt Kunden der ExtraEnergie GmbH einen Musterbrief zur Verfügung, mit dem sie der Preiserhöhung widersprechen können.)

"Kein Mindestumsatz erforderlich"

Diese Werbung für den Prepaid-Basistarif von "Alditalk" ist irreführend

Im Internet wirbt die Medion AG für den "Basis-Prepaid-Tarif" von "Alditalk" mit dem Versprechen, hier werde "kein Mindestumsatz" verlangt. Das sei falsch, kritisierte der Bundesverband der Verbraucherzentralen: Bei diesem Tarif könne der Kunde (nach Aktivierung der SIM-Karte) das Startguthaben nur zwölf Monate lang nutzen. Nach Ablauf dieses "Aktivitätszeitfensters" sei der Kunde auf dem Handy noch zwei Monate erreichbar, danach werde die SIM-Karte deaktiviert.

Um das Abschalten zu vermeiden, müsse der Kunde das Guthaben aufladen. Werde der Mindestbetrag von fünf Euro aufgeladen, verlängere sich das Zeitfenster um vier Monate, dann müsse man erneut aufladen. Erreichten Kunden das Maximalguthaben von 200 Euro, müssten sie mindestens fünf Euro vom Guthaben "abtelefonieren" — ansonsten könnten sie nicht mehr aufladen und die Nutzung des Handys nicht mehr verlängern.

Das Landgericht Essen gab den Verbraucherschützern Recht und verbot die Reklame als irreführend (1 O 314/21). Wenn Kunden im Prepaid-Basistarif in regelmäßigen Abständen ihr Guthaben auffüllen müssten, um die Abschaltung zu verhindern, könne keine Rede davon sein, dass bei diesem Tarif kein Mindestumsatz verlangt werde.

Die Werbeaussage erwecke den falschen Eindruck, nach dem Erwerb des Starter-Sets müssten Kunden nichts mehr zahlen, um dauerhaft über das Handy erreichbar zu sein. Das treffe jedoch nicht zu, da die (vertraglich zugesicherte) weitere Nutzung der SIM-Karte von einer Zahlung abhänge, die nichts mit dem Verbrauch des Kunden zu tun habe. Wenn Kunden das maximale Guthaben erreichten, müssten sie darüber hinaus Guthaben verbrauchen, um das so genannte "Aktivitätszeitfenster" verlängern zu können.

Verdorbener Rasen

Hauseigentümer verklagt Düngerhersteller wegen brauner Flecken im Rasen auf Schadenersatz

Im Sommer 2020 verlegte ein Münchner Hauseigentümer in seinem Garten Rollrasen. Um die 28 qm große Fläche zu düngen, kaufte er einen Streuwagen und acht Kilo Langzeitrasendünger. Für den Dünger warb der Hersteller mit der Aussage, bei seinem Produkt bestehe für das Gras keinerlei Verbrennungsgefahr. Doch kaum hatte der Käufer den Dünger verteilt, zeigte der Rasen Verbrennungsschäden.

Das behauptete jedenfalls der Hauseigentümer, der wegen brauner Flecken im Rasen von einem Produktfehler ausging: Er habe den Dünger entsprechend den Vorgaben ausgebracht: auf trockenem Gras, einen Tag nach dem Mähen, die passende Menge für 30 qm. Anschließend habe er den Rasen ungefähr zehn Minuten gewässert. Der Käufer verklagte den Hersteller auf 1.244 Euro Schadenersatz: Gemäß dem Produkthaftungsgesetz müsse er für die Folgen eines Produktfehlers geradestehen.

Von einem Fehler des Produkts wollte das Unternehmen jedoch nichts wissen: Der Kunde müsse den Dünger falsch angewendet haben. Vermutlich habe er sich doch nicht genau an die Anweisungen auf der Verpackung gehalten. Das Schadensbild spreche jedenfalls dafür, dass zu viel Dünger eingesetzt worden sei.

Das Amtsgericht München wies die Schadenersatzklage des Käufers gegen den Düngerhersteller ab (113 C 2145/21). Er habe nichts vorgetragen, was auf einen Produktfehler schließen ließe. Auf seinen Fotos vom Rollrasen seien wohl einzelne braune Stellen im Rasen zu erkennen. Und braune Flecken seien selbstverständlich ein Schaden. Dem könnten aber ganz unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen.

Zum Beispiel könne der Rollrasen aufgrund von Fehlern beim Verlegen schlecht angewachsen sein. Oder er sei zu wenig gegossen worden. Denkbar sei auch, dass Schädlinge die Graswurzeln zerstört hätten. Der Kunde könne den Dünger ungleichmäßig ausgebracht und einige Stellen überdüngt haben. Ein Produktfehler sei mit braunen Flecken nicht zu beweisen. Wäre der Dünger mangelhaft, müsste zudem der gesamte Rasen "gebräunt" sein und nicht nur einzelne Stellen.

Augenbrauen "falsch" pigmentiert?

Geschmacksabweichungen bedeuten nicht, dass das Kosmetikstudio fehlerhaft gearbeitet hat

Ein Mann ließ sich in einem Kosmetikstudio die Augenbrauen pigmentieren, 280 Euro kostete die Prozedur. Vorher zeichnete die Kosmetikerin das Permanent Make-up vor und zeigte dem Kunden im Spiegel, wie es anschließend "ungefähr" aussehen werde. Dass er mit dem Endergebnis (Form, Farbe) einverstanden sei, bestätigte der Mann schriftlich. Zusätzlich unterschrieb er nach der Pigmentierung ein Schriftstück, indem er zusicherte, er habe das Permanent Make-up überprüft und als einwandfrei beurteilt.

Obwohl sich die Kosmetikerin also doppelt abgesichert hatte, glaubte der Mann, er könne sein Honorar zurückbekommen: Er beschwerte sich nachträglich, die Farbe sei zu dunkel und die Pigmentierung entstelle ihn. Die Kosmetikerin habe ihm in Höhe der Augenbrauen "zwei schwarze Balken" tätowiert. Der Kunde verlangte 3.500 Euro Schmerzensgeld, zusätzlich müsse ihm das Studio die Kosten der Korrekturbehandlung mit einem Laser (289 Euro) ersetzen.

Seine Zahlungsklage scheiterte beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (17 U 116/21). Er rüge die Farbe als zu dunkel, so das OLG, dabei habe er nicht einmal dargelegt, welchen anderen Farbton er ausgewählt habe. Letztlich seien das Geschmacksfragen. Bei der Pigmentierung von Augenbrauen müssten Kunden mit optischen Abweichungen rechnen. Hier gehe es nicht um eine rein handwerkliche Leistung, vielmehr hätten Kosmetiker einen künstlerischen Gestaltungsspielraum.

Aus optischen Abweichungen könne man jedenfalls nicht auf einen Mangel der Arbeit schließen. Fachlich sei die Behandlung einwandfrei durchgeführt worden. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Kunde dem Kosmetikstudio konkrete Vorgaben gemacht hätte. Dass die Tätowierung von einer exakten Absprache zur Gestaltung des Permanent Make-ups abweiche, habe der Kunde jedoch nicht belegt. Im Gegenteil: Er habe dem Permanent Make-up ausdrücklich zugestimmt und das Werk der Kosmetikerin in der Abnahmeerklärung als "einwandfrei" gebilligt.

In den vorzeitigen Ruhestand versetzt

Bei einem dienstunfähigen Beamten setzt das kein Eingliederungsmanagement voraus

Viele Jahre hatte ein Beamter als Ausbilder auf einem Feuerlöschboot gearbeitet. 2018 war er lange Zeit krankgeschrieben. Deshalb schlug der Dienstherr ein so genanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vor: Dabei soll der erkrankte Beamte (in Betrieben: der Arbeitnehmer) mit Vorgesetzten und einem Arbeitsmediziner klären, ob und wie man die Situation am Arbeitsplatz verbessern könnte, um die Dienstfähigkeit bzw. Arbeitsfähigkeit des Betroffenen zu erhalten.

So ein Verfahren lehnte der Feuerwehr-Ausbilder jedoch rundweg ab. Daraufhin wurde er zur arbeitsmedizinischen Untersuchung und zum Amtsarzt geschickt. Ergebnis beide Male: Der Hauptbrandmeister sei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, seine Dienstpflichten zu erfüllen.

2019 wurde er in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Dagegen wehrte sich der Mann nun ausgerechnet mit dem Argument, vorher hätte man ein BEM durchführen müssen. Vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern wurde dies verneint: Die Versetzung in den Ruhestand sei auch ohne BEM rechtmäßig (2 LZ 537/21).

Das Eingliederungsmanagement habe den Zweck, Vorbeugungsmaßnahmen zu besprechen und umzusetzen, um den Eintritt einer dauerhaften Dienstunfähigkeit zu vermeiden. Dass der Hauptbrandmeister dauerhaft dienstunfähig sei, stehe aber bereits fest. Dazu lägen überzeugende Gutachten des Arbeitsmediziners und des Amtsarztes vor. Unter diesen Umständen sei kein BEM mehr erforderlich.

Der Dienstherr habe auch erläutert, dass ein anderweitiger, eventuell zeitlich begrenzter Einsatz des Beamten z.B. im Innendienst nicht in Betracht komme. Für den Hauptbrandmeister stehe am Tätigkeitsort keine angemessene Stelle zur Verfügung.

"Kinder brauchen 7 x mehr"

Viel Vitamin D tut ihnen gut: Irreführende Reklame für Kindermilch verspricht positive Wirkungen

Ein Lebensmittelhersteller wirbt im Internet für seine Kindermilch mit dem Reim: "7 x mehr brauchst du als ich, wirst groß, gesund — ganz sicherlich". Die Aussage bezieht sich auf den Bedarf von Kindern an Vitamin D1: Verglichen mit dem Bedarf von Erwachsenen sei er bei Kindern pro Kilogramm Körpergewicht siebenmal höher, behauptet der Reklametext.

Auch auf der Verpackung der Kindermilch steht: "Bei der Zusammensetzung … wird berücksichtigt, dass ein Kleinkind durchschnittlich 3 x mehr Calcium und 7 x mehr Vitamin D1 als ein Erwachsener benötigt".

Die poetisch formulierte Werbung trifft sachlich nicht zu und erregte deshalb das Missfallen des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Er forderte vom Lebensmittelhersteller, die Irreführung der Verbraucher künftig zu unterlassen. Während das Oberlandesgericht (OLG) München die Klage der Verbraucherschützer abgewiesen hatte, waren sie beim Bundesgerichtshof (BGH) erfolgreich (I ZR 93/21).

Die Kritik des BGH am Urteil der Vorinstanz: Ginge es nach dem OLG, müsste man die tatsächliche Zusammensetzung der Kindermilch mit der Vorstellung vergleichen, die sich Verbraucher aufgrund der Werbeanzeige von den Inhaltsstoffen machten. Da die Kindermilch viel Vitamin D und Calcium enthalte, sei die Werbung nicht irreführend.

Das sei nicht nachvollziehbar, so der BGH, denn die konkrete Zusammensetzung der Kindermilch sei da nicht von Belang. Für die Beurteilung, ob Reklame den durchschnittlich informierten Verbraucher täusche, sei der Gesamteindruck einer Anzeige maßgebend.

Der Verbraucherschutzverband habe das schon richtig formuliert: Die Werbung erwecke bei den Konsumenten den Eindruck, dass Kinder, absolut gesehen, mehr Vitamin D benötigten als Erwachsene — diese Behauptung sei objektiv falsch. Darauf basiere aber der ebenfalls behauptete positive Effekt für die Gesundheit. Deshalb sei die Reklame irreführend.

Corona-Prämien sind unpfändbar

"Erschwerniszulagen" sind im Fall der Privatinsolvenz vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt

Frau V arbeitete in einem Lokal als Küchenhelferin und Thekenkraft. Zusätzlich zum Arbeitslohn (und Zuschlägen für Wochenendarbeit) zahlte ihr der Gastwirt eine Corona-Prämie von 400 Euro monatlich. So wollte der Arbeitgeber honorieren, dass sich die Helferin im Lokal dem Ansteckungsrisiko aussetzte. Trotz des regelmäßigen Einkommens musste die verschuldete Arbeitnehmerin Privatinsolvenz anmelden.

Ihre vom Gericht bestellte Insolvenzverwalterin forderte den Gastwirt auf, die Corona-Prämie an sie abzuführen. Den besonderen Pfändungsschutz für Corona-Prämien habe der Gesetzgeber auf die Pflege-Branche beschränkt, erklärte die Insolvenzverwalterin: Dass Arbeitnehmer dafür keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssten, bedeute nicht, dass solche Prämien unpfändbar wären.

Gegen diese Forderung wehrte sich die Arbeitnehmerin und setzte sich in allen Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht durch: Die Sonderzahlung des Gastwirts stelle einen vor Pfändung geschützten Erschwerniszuschlag dar, entschieden die Bundesrichter (8 AZR 14/22). Der Arbeitgeber müsse den Betrag nicht an die Insolvenzverwalterin auszahlen, da die Prämie nicht zum pfändbaren Einkommen gehöre.

Der Restaurantinhaber habe damit einen Umstand berücksichtigt, der die Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin tatsächlich erschwert habe. Prämien, die Arbeitgeber ihren Beschäftigten freiwillig zahlten, um die ungewöhnlichen Belastungen durch die Pandemie auszugleichen, seien im Fall einer Insolvenz dem Zugriff der Gläubiger entzogen — solange ihre Höhe im Rahmen des Üblichen bleibe. Das treffe bei der Corona-Zulage der Frau V zu.

Scheckkarten-Dieb bedient sich

Die Bank haftet für unbefugt abgehobenen Betrag, wenn sie das Konto erst nach einem Monat sperrt

Einem Bankkunden war seine ec-Karte abhanden gekommen. Er zeigte der Bank den Verlust an und beantragte, das Konto zu sperren. Diesen Antrag wiederholte er einige Tage später. Trotzdem ließ sich die Bank Zeit und sperrte die Bank das Konto erst nach ca. vier Wochen. Deshalb konnte ein Dieb ungehindert mit der ec-Karte Geld vom Girokonto abheben.

Die Bank muss dem Kontoinhaber diese Summe erstatten, entschied das Landgericht Hanau (7 O 9/95). Nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen übernehme das Kreditinstitut die Haftung für alle Schäden durch unbefugtes Abheben an Geldautomaten - unter der Bedingung, dass der Karteninhaber den Verlust der ec-Karte angezeigt habe.

Vergeblich behauptete die Bank, der Geschädigte habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, weil er nicht gleichzeitig mit der Verlustanzeige mitgeteilt habe, dass der Dieb möglicherweise auch an die Geheimnummer gekommen sei. Diesen Einwand ließ das Gericht nicht gelten: Der Karteninhaber habe sich überhaupt nichts vorzuwerfen: Er habe die Geheimzahl getrennt von der Karte in einer Schmuckkassette aufbewahrt und den Verlust der Karte sofort angezeigt.

Ehepaar gab jahrelang keine Steuererklärung ab

Wenn dem Finanzamt alle nötigen Informationen vorlagen, handelt es sich nicht um Steuerhinterziehung

Arbeitnehmer, die nur Einkünfte aus einem einzigen Arbeitsverhältnis erzielen, können unter bestimmten Voraussetzungen ihre Einkommensteuererklärung freiwillig abgeben ("Antragsveranlagung"). Das trifft z.B. auf Ehepaare zu, wenn nur ein Partner berufstätig ist und der Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse III durchgeführt wird. So auch beim Ehepaar F: Bis 2008 bezog nur der Ehemann Arbeitslohn, daher führte das Finanzamt den Fall als Antragsveranlagung.

Ab 2009 arbeitete auch die Ehefrau, nun erfolgte der Lohnsteuerabzug nach den Steuerklassen III und V. Die elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen wurden vom Finanzamt unter der Steuernummer des zusammen veranlagten Paares erfasst. Dennoch forderte die Behörde die Steuerzahler weiterhin nicht auf, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, weil sie den Fall immer noch als Antragsveranlagung führte. Freiwillig gab das Ehepaar F aber keine Einkommensteuererklärung mehr ab und das über Jahre.

Dass die Bedingung für eine Antragsveranlagung entfallen waren, fiel dem Finanzamt erst 2018 auf. Nun erließ die Behörde Schätzungsbescheide für die Steuerjahre 2009 und 2010. Zu spät, wandten die Steuerzahler ein: Die reguläre Frist für die Festsetzung der Einkommensteuer (vier Jahre) sei längst vorbei.

Dem widersprach das Finanzamt: Bei Steuerhinterziehung verlängere sich die Frist auf zehn Jahre. Und darum handle es sich hier, denn das Ehepaar habe absichtlich keine Steuererklärungen abgegeben. Die Behörde fand, sie habe sich nichts vorzuwerfen: Die Datenverarbeitungsprogramme seien 2009 noch nicht in der Lage gewesen, die übermittelten Lohnsteuerbescheinigungen richtig zu "lesen" — d.h. daraus auf Antragsveranlagung oder Pflichtveranlagung zu schließen. Aufgrund der vielen Fälle habe man diese auch nicht manuell überprüfen können.

Diese Erklärung ließ das Finanzgericht Münster nicht gelten: Es gab den Steuerzahlern Recht, die gegen die Steuerbescheide geklagt hatten (4 K 135/19 E). Die Festsetzungsfrist für die Steuer habe sich nicht verlängert, denn es liege weder Steuerhinterziehung vor, noch eine leichtfertige Steuerverkürzung. Auch die zweite Variante setze zumindest voraus, dass ein Steuerpflichtiger das Finanzamt "über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis" lasse. Die Behörde könne aber nur über Umstände in Unkenntnis gelassen werden, über die sie noch nicht informiert sei.

Dass die Eheleute F keine Einkommensteuererklärungen eingereicht haben — wozu sie verpflichtet gewesen wären, da ihr Lohn nach den Steuerklassen III und V versteuert wurde — reiche nicht aus, um den Vorwurf der Steuerhinterziehung zu rechtfertigen. Denn das Finanzamt verfügte aufgrund der elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen über alle maßgeblichen Daten. Dass es nicht imstande gewesen sei, die Daten zu prüfen und eine Steuererklärung anzuordnen, ändere an seiner (objektiven) Kenntnis dieser Daten nichts.