Seit über 30 Jahren arbeitete Herr B für seine Firma als Betontechnologe. Im November 2020 meldete er sich krank, weil er an der Schulter operiert werden musste. Abgesehen von wenigen Tagen erschien B über ein Jahr lang nicht im Betrieb. Immer neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener Ärzte machten den Arbeitgeber misstrauisch. Er engagierte im September 2021 einen Detektiv, der feststellen sollte, ob "das mit rechten Dingen" zuging.
Der Detektiv beobachtete B bei Arbeiten in seinem Garten und filmte ihn durch ein Loch in der Hecke. Daraufhin wurde B fristlos entlassen. Der Arbeitgeber warf ihm vor, eine Terrasse gepflastert und eine Mauer gebaut zu haben. Sogar einen Zwei-Takt-Stampfer habe der angeblich erkrankte Mann bedient. Entweder er habe die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht oder gegen seine Pflicht verstoßen, alles, was möglich sei, für seine Genesung zu tun.
Herr B erhob Kündigungsschutzklage: Er habe nur dem Schwiegersohn ein wenig geholfen und mit dem Bodenstampfer kurz die Belastungsfähigkeit der Schulter getestet: Das stelle kein genesungswidriges Verhalten dar. Im Betrieb dagegen müsste er acht Stunden lang Schwerarbeit verrichten. Das heimliche Filmen habe außerdem seine Persönlichkeitsrechte verletzt.
In diesem Punkt gab das Landesarbeitsgericht Nürnberg Herrn B Recht (1 Sa 250/22). Die Aufnahmen seien gerichtlich nicht verwertbar. Ohne konkrete Verdachtsmomente — auf eine Straftat oder schwere Pflichtverletzung — hätte der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht auf seinem privaten Grundstück heimlich überwachen lassen dürfen. Das Gericht könne keinen Anlass erkennen, der so eine Maßnahme gerechtfertigt hätte.
Unabhängig davon stehe jedoch aufgrund seiner eigenen Aussagen fest, dass Herr B eine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Dass man mit einer operierten Schulter keinen Bodenstampfer bedienen dürfe, der erhebliche Schwingungen verursache, verstehe sich von selbst. Das Fehlverhalten des Arbeitnehmers sei allerdings nicht so gravierend, dass die Zusammenarbeit für den Arbeitgeber nicht mehr zumutbar wäre. Eine fristlose Kündigung komme nur als letztes Mittel in Betracht.
Zu berücksichtigen sei dabei auch die lange Beschäftigungsdauer und die Tatsache, dass die Firma keine Entgeltfortzahlung mehr leisten müsse. B erhalte schon länger Krankengeld von der Krankenkasse. Vor der Kündigung hätte der Arbeitgeber B jedenfalls abmahnen müssen. Auch wenn die Firma behaupte, dass so eine Warnung nichts bewirkt hätte — das stehe keineswegs fest. Es sei sogar wahrscheinlich, dass sich der Arbeitnehmer durch eine Abmahnung von einer erneuten Pflichtverletzung hätte abhalten lassen.